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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 153/04
  5. Verkündet am:
  6. 25. Januar 2006
  7. Heinekamp
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
  14. Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2006
  15. für Recht erkannt:
  16. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 27. Mai 2004
  17. im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung
  18. der Beklagten gegen die Abweisung ihrer Widerklage
  19. betreffend Einräumung von Miteigentum an dem Grundstück R.
  20. 120 sowie Auskunft über die Einnahmen aus
  21. diesem Grundstück seit dem Erbfall zurückgewiesen worden ist.
  22. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
  23. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  24. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss
  25. des Senats vom 14. September 2005 zurückgewiesen worden ist, hat die Beklagte - die Gerichtskosten nach dem
  26. Wert
  27. des
  28. erfolglosen
  29. Teils
  30. ihrer
  31. Beschwerde,
  32. d.h.
  33. 48.983,45 € - sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers und des Widerbeklagten zu 2) in Höhe von 48% des
  34. Gesamtstreitwerts
  35. 101.483,47 €
  36. zu
  37. des
  38. tragen
  39. Beschwerdeverfahrens
  40. (vgl.
  41. BGH,
  42. Beschluss
  43. von
  44. vom
  45. -3-
  46. 17. Dezember 2003 - V ZR 343/02 - NJW 2004, 1048 unter
  47. 2).
  48. Von Rechts wegen
  49. Tatbestand:
  50. Die Beklagte fordert mit ihrer Widerklage u.a. von ihren Brüdern,
  51. 1
  52. dem Kläger und dem Widerbeklagten zu 2), ihr aufgrund von § 2287 BGB
  53. das Miteigentum in Höhe eines Drittels an dem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstück einzuräumen, das der Erblasser und Vater
  54. der Parteien zu seinen Lebzeiten den beiden Brüdern übertragen hat.
  55. Dieses Grundstück war im Erbvertrag des Vaters mit der vorverstorbenen
  56. Mutter allen drei Kindern zu gleichen Teilen als Vorerben zugedacht worden.
  57. 2
  58. Die Vorinstanzen haben die Widerklage abgewiesen. Dagegen
  59. wendet sich die Beklagte mit der Revision.
  60. Entscheidungsgründe:
  61. 3
  62. Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache
  63. an das Berufungsgericht.
  64. 4
  65. 1. Die Vorinstanzen haben in der Übertragung des Grundstücks
  66. nur an die beiden Brüder der Beklagten keinen Missbrauch der lebzeiti-
  67. -4-
  68. gen Verfügungsbefugnis des Erblassers gesehen, weil er einen Ausgleich für Vorempfänge der Beklagten habe schaffen wollen. Diese Annahme habe die für den geltend gemachten Anspruch beweispflichtige
  69. Beklagte nicht widerlegen können.
  70. 5
  71. 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  72. 6
  73. a) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Juni 2005 (IV ZR
  74. 56/04 - ZEV 2005, 479 unter 2) näher ausgeführt hat, lässt sich das Verhalten eines Erblassers, der im Hinblick auf Vorempfänge einzelner Vertragserben der Meinung ist, er müsse abweichend vom Erbvertrag anderen Vertragserben einen Ausgleich durch lebzeitige Zuwendungen verschaffen, nicht als Wahrung eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers werten, das von den benachteiligten Vertragserben hinzunehmen
  75. wäre. Die uneigennützige Absicht des Erblassers, Abkömmlinge nach
  76. dem Vorbild von § 1924 Abs. 4 BGB gleich zu behandeln, auch wenn
  77. damit vom bindenden Erbvertrag abgewichen wird, steht für sich genommen der Annahme einer missbräuchlichen Benachteiligung von Vertragserben im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB nicht entgegen.
  78. 7
  79. b) Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Zuwendungen der
  80. Eltern zugunsten der Beklagten, die den Erblasser nach dem Inhalt des
  81. notariellen Vertrages mit den Brüdern der Beklagten bewogen haben,
  82. diesen das Grundstück R.
  83. 120 unter Ausschluss der Beklagten
  84. zu übertragen, u.a. darin bestanden haben sollen, dass die Beklagte
  85. 10 Jahre lang mietfrei gewohnt und damit monatlich rund 800 DM erspart
  86. habe. Die Beklagte hat eingeräumt, in den Jahren 1967 bis 1976 keine
  87. Miete an die Eltern gezahlt zu haben. Die Revision macht mit Recht gel-
  88. -5-
  89. tend, dass diese Umstände bei Abschluss des Erbvertrages der Eltern im
  90. Jahre 1979 bekannt waren. Sie haben ihre drei Kinder gleichwohl zu
  91. gleichen Teilen eingesetzt. Die Meinung des Erblassers, er müsse einen
  92. Ausgleich für die Brüder der Beklagten schaffen, deute auf einen Sinneswandel hin, dem der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB gerade begegnen soll. Einer solchen Wertung des vorliegenden Sachverhalts steht
  93. nicht entgegen, dass in Fällen einer sittlichen Verpflichtung oder eines
  94. altersbedingten Versorgungsbedarfs das lebzeitige Eigeninteresse des
  95. Erblassers schon beim Abschluss des Erbvertrages vorhanden sein kann
  96. und gleichwohl eine spätere, den Vertragserben beeinträchtigende
  97. Schenkung - bei Berücksichtigung nachträglich eingetretener Veränderungen - rechtfertigt (BGHZ 83, 44, 46).
  98. 8
  99. c) Das Berufungsgericht wird den Voraussetzungen des § 2287
  100. Abs. 1 BGB daher noch einmal nachzugehen und auch zu prüfen haben,
  101. ob die streitige lebzeitige Verfügung des Erblassers im Hinblick auf
  102. Pflichtteilsansprüche der Brüder der Beklagten deren nach dem Erbvertrag berechtigte Erberwartungen objektiv überhaupt beeinträchtigt haben
  103. -6-
  104. (vgl. BGHZ 88, 269, 272; Senatsurteil vom 27. September 1995 - IV ZR
  105. 217/93 - ZEV 1996, 25 unter 3 a).
  106. Terno
  107. Dr. Schlichting
  108. Dr. Kessal-Wulf
  109. Seiffert
  110. Dr. Franke
  111. Vorinstanzen:
  112. LG Mainz, Entscheidung vom 14.11.2003 - 9 O 385/01 OLG Koblenz, Entscheidung vom 27.05.2004 - 5 U 1477/03 -