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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 122/00
  5. Verkündet am:
  6. 11. Juli 2001
  7. Heinekamp
  8. Justizsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter
  14. Terno,
  15. den
  16. Richter
  17. Dr. Schlichting,
  18. die
  19. Richterin
  20. Ambrosius, den Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die
  21. mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2001
  22. für Recht erkannt:
  23. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats
  24. des
  25. Oberlandesgerichts
  26. Düsseldorf
  27. vom
  28. 7. April 2000 aufgehoben.
  29. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. Die Klägerin beruft sich auf die Existenz eines eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern, das am Todestag ihres Vaters,
  33. dem 13. Oktober 1989, in dem Krankenhaus errichtet worden sein soll, in
  34. dem er verstorben ist. Sie kann dieses Testament nicht vorlegen. Nach
  35. der Behauptung der Klägerin ist sie in diesem Testament neben den Beklagten, ihren Geschwistern, bindend als Schlußerbin nach dem letztver-
  36. -3-
  37. sterbenden Elternteil eingesetzt worden. Die Eltern hatten im Jahre 1986
  38. ein notarielles Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und bestimmt hatten, die Testierfreiheit des Überlebenden solle nicht beschränkt sein. Die Mutter der Parteien hat 1992 in
  39. einem notariellen Testament allein die Beklagten zu ihren Erben berufen. Sie ist im Jahre 1996 gestorben.
  40. In einem vorangegangenen Verfahren hatte die Klägerin beantragt,
  41. den Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,
  42. über den Nachlaß der Mutter zu verfügen. Der Antrag wurde zurückgewiesen. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin u.a. auf Feststellung
  43. geklagt, zu einem Drittel Miterbin nach der Mutter zu sein. Die Vorinstanzen haben die von der Klägerin benannten Zeugen für die Existenz
  44. eines Testaments vom 13. Oktober 1989 nicht vernommen, sondern sich
  45. mit einer Würdigung der Vernehmungsprotokolle im einstweiligen Verfügungsverfahren begnügt; das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die
  46. Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Dagegen wendet sie
  47. sich mit ihrer Revision.
  48. Entscheidungsgründe:
  49. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  50. 1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe den Beweis für
  51. die Existenz eines weiteren Testaments vom 13. Oktober 1989 nicht er-
  52. -4-
  53. bracht. Die bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren gehörten Zeugen hätten nicht noch einmal vernommen werden müssen. Vor dem
  54. Landgericht hätten die Parteien erklärt, sie seien bei der Beweisaufnahme im Verfügungsverfahren anwesend gewesen, hätten den Zeugen
  55. Fragen stellen können und seien deshalb mit der Verwertung der im
  56. Verfügungsverfahren erhobenen Beweise einverstanden. Daß die Klägerin später gemeint habe, die vernommenen Zeugen müßten noch einmal
  57. gehört werden, stehe einer Würdigung der Vernehmungsprotokolle aus
  58. dem Verfügungsverfahren nicht entgegen. Die dort wiedergegebenen
  59. Aussagen des Bruders des Erblassers, er sei bei der Errichtung des angeblichen Testaments vom 13. Oktober 1989 anwesend gewesen, enthielten Unstimmigkeiten, die erhebliche Zweifel an ihrer Glaubhaftigkeit
  60. aufkommen ließen. Auch bestünden Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit, weil er den angeblichen Erbteil der Klägerin gekauft habe und
  61. daher am Ausgang des Rechtsstreits interessiert sei. Der frühere Ehemann der Beklagten zu 2) habe im Verfügungsverfahren ausgesagt, er
  62. sei am 13. Oktober 1989 stets zusammen mit dem Bruder des Erblassers
  63. in dessen Krankenzimmer gewesen; über ein Testament sei nicht gesprochen und insbesondere nichts schriftlich niedergelegt worden. Die
  64. von der Klägerin vorgelegten Kopien von Schreiben ihrer Mutter sowie
  65. einer Krankenschwester, die die Testamentserrichtung miterlebt haben
  66. wolle, könnten nicht auf ihre Echtheit geprüft werden, weil die Originale
  67. nicht zur Verfügung stünden; es bestehe der Verdacht von Fälschungen.
  68. Soweit die Klägerin in das Wissen ihres Ehemannes und ihrer Töchter
  69. stelle, daß ihre Mutter bei der Beerdigung des Vaters über das am
  70. 13. Oktober 1989 errichtete Testament und die darin vorgesehene
  71. Schlußerbfolge der Klägerin zu gleichen Teilen neben den Beklagten
  72. -5-
  73. gesprochen habe, könne davon ausgegangen werden, daß diese Zeugen
  74. ihre entsprechenden Angaben im Verfügungsverfahren wiederholen würden. Auch damit sei in Anbetracht des übrigen Beweisergebnisses nicht
  75. bewiesen, daß das von der Klägerin behauptete Testament jemals errichtet worden sei und den von ihr behaupteten Inhalt hatte.
  76. 2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
  77. a) Sie führt zwar in erster Linie aus, daß die Beurteilung der
  78. Glaubhaftigkeit sowie der Glaubwürdigkeit des nicht als Zeugen vernommenen Bruders des Erblassers rechtsfehlerhaft sei. Im Zusammenhang damit rügt die Revision aber auch, daß sich weder das Berufungsgericht noch das Landgericht einen persönlichen Eindruck von diesem
  79. Zeugen verschafft haben.
  80. Schon deshalb kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben.
  81. Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung die Vernehmung "sämtlicher" Zeugen gefordert. Es ist nicht zulässig, im Hinblick auf die urkundenbeweisliche Verwertung von Vernehmungsprotokollen aus einem anderen Verfahren von der erneuten Vernehmung derselben Zeugen im
  82. anhängigen Verfahren abzusehen, wenn die Vernehmung zum Zwecke
  83. des unmittelbaren Beweises beantragt wird (BGH, Urteil vom 30. November 1999 - VI ZR 207/98 - NJW 2000, 1420 unter II 2 a m.w.N.). Daran können Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben im anderen
  84. Verfahren sowie gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Zeugen
  85. nichts ändern. Insoweit handelt es sich vielmehr um eine unzulässige
  86. vorweggenommene Beweiswürdigung. Daß auch die Klägerin vor dem
  87. -6-
  88. Landgericht erklärt hat, sie sei mit der Verwertung der im Verfügungsverfahren erhobenen Beweise einverstanden, rechtfertigt keine andere
  89. Beurteilung. Diese Erklärung läßt sich nicht dahin auslegen, die Klägerin
  90. habe auch im Fall eines ihr ungünstigen Urteils des Landgerichts für die
  91. zweite Instanz auf die Vernehmung der Zeugen verzichtet.
  92. b) Weiter rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht
  93. aus denselben Gründen den Ehemann und die Töchter der Klägerin über
  94. die angeblichen Äußerungen der Mutter bei der Beerdigung des Vaters
  95. hätte vernehmen müssen. Denn insoweit waren für die vom Berufungsgericht vorzunehmende Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses die Aussagen dieser bisher gerichtlich noch nicht vernommenen Zeugen im einzelnen sowie deren persönlicher Eindruck von Bedeutung.
  96. -7-
  97. 3. Auf die weiteren Rügen der Revision kommt es danach nicht
  98. mehr an. Das Berufungsgericht wird nach Vernehmung der genannten
  99. Zeugen prüfen müssen, ob und inwieweit weitere Beweiserhebungen
  100. veranlaßt sind. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1
  101. Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
  102. Terno
  103. Dr. Schlichting
  104. Wendt
  105. Ambrosius
  106. Dr. Kessal-Wulf