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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 106/06
  5. Verkündet am:
  6. 17. Januar 2007
  7. Heinekamp
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. AKB § 7 (I) Abs. 2 Satz 3, (V) Abs. 4; VVG § 6 Abs. 3
  18. Erkenntnismöglichkeiten des Versicherers in der Uniwagnis-Datei lassen die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers (hier: Angaben zu Vorschäden)
  19. unberührt.
  20. BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - IV ZR 106/06 - SaarländischesOLG
  21. LG Saarbrücken
  22. -2-
  23. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
  24. Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2007
  25. für Recht erkannt:
  26. Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des
  27. Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22. März 2006
  28. wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. 1
  32. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr gehaltenen Kraftfahrzeug-Teilversicherung wegen eines von ihm behaupteten Diebstahls
  33. seines PKW in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine
  34. Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.
  35. 2
  36. Nach Darstellung des Klägers ereignete sich der Diebstahl seines
  37. Fahrzeugs, das zum Zeitpunkt der Entwendung noch einen Wert von
  38. 7.500 € hatte, in der Zeit vom 15. bis zum 17. Februar 2004. Am
  39. 17. Februar 2004 zeigte der Kläger den Diebstahl bei der Polizei an, am
  40. 19. Februar 2004 unterrichtete er die Beklagte telefonisch von dem
  41. Schadensfall. Der Bitte der Beklagten um Ausfüllung einer "Schadenmeldung für Fahrzeugentwendungen" sowie eines für den Sachverständigen
  42. bestimmten Schadensformulars kam der Kläger unter dem 19. März 2004
  43. nach. In dem für die Beklagte bestimmten Formular beantwortete der
  44. -3-
  45. Kläger die Fragen danach, ob das Fahrzeug zuvor bereits einmal beschädigt worden sei und der Kläger für diesen Schaden von dritter Seite
  46. eine Entschädigung erhalten habe, jeweils mit "nein". In dem für den
  47. Sachverständigen vorgesehenen Schadensformular vermerkte der Kläger
  48. auf die Frage nach weiteren innerhalb des letzten Jahres durchgeführten
  49. Reparaturen die Auswechslung des Zahnriemens sowie die Nachlackierung der Stoßstange; erst auf Nachfrage der Beklagten beantwortete er
  50. die Frage nach Anzahl und Art der reparierten bzw. unreparierten Vorschäden mit "keine".
  51. 3
  52. Tatsächlich war das Fahrzeug des Klägers am 25. Oktober 2002
  53. bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Davon erfuhr die Beklagte
  54. zunächst über eine Anfrage bei der vom Gesamtverband der Deutschen
  55. Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) geführten so genannten UniwagnisDatei. Aus dieser konnte die Beklagte entnehmen, dass wegen eines
  56. Schadens am Fahrzeug des Klägers vom 25. Oktober 2002 Ansprüche
  57. gegen den Haftpflichtversicherer erhoben, ein Reparaturschaden vorgelegen hatte und dieser nach Gutachten abgerechnet worden war. Nach
  58. Rückfrage bei jenem Haftpflichtversicherer erhielt die Beklagte am
  59. 25./26. März 2004 das damals erstellte Sachverständigengutachten, das
  60. Reparaturkosten von 2.285,28 € auswies. Daraufhin lehnte die Beklagte
  61. die vom Kläger für die behauptete Entwendung begehrte Versicherungsleistung ab, da dieser durch Nichtangabe der Vorschäden seine Obliegenheit nach § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB verletzt habe.
  62. 4
  63. Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 7.000 € (Wert des
  64. entwendeten Fahrzeugs abzüglich Selbstbeteiligung) abgewiesen. Die
  65. Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger
  66. sein Zahlungsbegehren weiter.
  67. -4-
  68. Entscheidungsgründe:
  69. 5
  70. Die Revision hat keinen Erfolg.
  71. 6
  72. I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in
  73. VersR 2006, 1208 abgedruckt ist, meint, die Beklagte sei wegen Verstoßes des Klägers gegen seine Aufklärungsobliegenheit nach § 7 (I) Abs. 2
  74. Satz 3, (V) Abs. 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei. Deshalb
  75. könne offen bleiben, ob das Fahrzeug des Klägers tatsächlich entwendet
  76. worden sei.
  77. 7
  78. Der Kläger habe die Fragen nach Schäden am Fahrzeug vor dem
  79. Versicherungsfall bzw. nach erhaltenen Entschädigungsleistungen sowohl in der Schadensmeldung für die Beklagte als auch in dem für den
  80. Sachverständigen bestimmten Formular verneint und damit objektiv falsche Angaben gemacht. Die übrigen vom Kläger in der "Schadenmeldung für Fahrzeugentwendungen" vorgenommenen Eintragungen ließen
  81. den Schluss zu, dass er entgegen seiner Behauptung auch die objektiv
  82. weder irreführenden noch missverständlichen Fragen zu den Vorschäden
  83. im Fall der Entwendung verstanden habe.
  84. 8
  85. Die Verpflichtung des Klägers zur Offenbarung von Vorschäden sei
  86. nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte nach der Schadensanzeige
  87. bzw. Schadensmeldung Nachprüfungen angestellt habe. Das liege in der
  88. Natur der Sache; hieraus könne der Kläger zunächst nichts für sich herleiten. Aber auch der Umstand, dass die Beklagte nach Eingang von
  89. -5-
  90. Schadensanzeige oder Schadensmeldung die vom GDV unterhaltene
  91. Uniwagnis-Datei abgerufen und Auskunft über die vom Kläger verschwiegenen Umstände verlangt habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Ob das Aufklärungsbedürfnis des Versicherers verneint werden
  92. könne, wenn dieser die Angaben des Versicherungsnehmers generell
  93. durch eine Recherche in dieser Datei überprüfe, sei fraglich. Das komme
  94. jedenfalls nur dann in Betracht, wenn die Datei eine umfassende und
  95. vollständige Kenntnis über alle Vorschäden verschaffe und er deshalb
  96. nicht befürchten müsse, dass mehr als das nunmehr Bekannte verschwiegen worden sei. Eine solche vollständige Informationsmöglichkeit
  97. biete die Uniwagnis-Datei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme indessen nicht. Eine Reihe vor allem kleinerer Versicherer sei an diese
  98. Datei gar nicht angeschlossen. Schon deshalb sei nicht anzunehmen,
  99. dass sie alle relevanten Daten enthalte. Abgesehen von der generellen
  100. Fehleranfälligkeit von Computerdateien aufgrund versehentlich unterbliebener Eingabe oder nicht korrekter Übertragung von Daten sei zu berücksichtigen, dass die Bestände der Uniwagnis-Datei auch systembedingt unvollständig seien. Die der Datei angeschlossenen Versicherer
  101. seien zwar gehalten, in jedem Fall einer Totalentwendung bestimmte Daten des betroffenen Kraftfahrzeugs zu melden, etwa dessen Identitätsnummer, amtliches Kennzeichen sowie Fahrzeugtyp und mögliche Beschädigungen. Der jeweilige Name des Versicherungsnehmers werde jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen mitgeteilt, so bei Verdacht
  102. eines Betruges zum Nachteil des Versicherers. Ob aber überhaupt eine
  103. Meldung an die Datei erfolge, hänge nicht zuletzt davon ab, ob der zuständige Sachbearbeiter diese Aufgabe erfülle und die entsprechenden
  104. Daten auch korrekt übermittle. Daher sei nicht sichergestellt, dass alle
  105. ein Fahrzeug betreffenden Daten in der Datei gespeichert seien. Enthalte
  106. der Dateieintrag Namen und Telefonnummer des meldenden Versiche-
  107. -6-
  108. rers, könne der abfragende Versicherer dort zwar nachfragen, sei aber
  109. auf die Bereitschaft zur Herausgabe dort vorhandener Informationen angewiesen, deren Übermittlung regelmäßig auch einige Zeit in Anspruch
  110. nehme. Auch im vorliegenden Fall habe die Beklagte aus der UniwagnisDatei nur erfahren, dass wegen eines Schadens vom 25. Oktober 2002
  111. Haftpflichtansprüche geltend gemacht und auf Gutachtenbasis abgerechnet worden waren. Die weiteren Informationen einschließlich des
  112. Schadengutachtens habe sie erst auf Nachfrage von dem damaligen
  113. Haftpflichtversicherer am 25./26. März 2004 erhalten. Für die Beklagte
  114. habe daher sowohl vor als auch nach der Abfrage ein die Vorschäden
  115. betreffendes Informations- und Aufklärungsbedürfnis bestanden.
  116. Die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG habe der Kläger nicht
  117. 9
  118. widerlegt. Auch die weiteren, im Falle einer folgenlosen Obliegenheitsverletzung erforderlichen Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit des
  119. Versicherers seien gegeben. Der Kläger sei über den möglichen Anspruchsverlust bei unwahren bzw. unvollständigen Angaben ausreichend
  120. belehrt worden. Auch wenn der Versicherer, wie im vorliegenden Fall, die
  121. Angaben des Versicherungsnehmers regelmäßig anhand von Recherchen in der Uniwagnis-Datei auf ihre Richtigkeit zu überprüfen pflege, sei
  122. die korrekte Darstellung der Vorschäden eines angeblich entwendeten
  123. Kraftfahrzeugs durch den Versicherungsnehmer für den Versicherer von
  124. hohem Interesse für die Prüfung seiner Entschädigungspflicht, deren
  125. Verschweigen also generell geeignet, die Interessen des Versicherers
  126. ernsthaft zu gefährden. Den Kläger treffe auch ein erhebliches Verschulden.
  127. 10
  128. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
  129. -7-
  130. 11
  131. 1. Die Revision hält dem Berufungsurteil entgegen:
  132. 12
  133. Das Berufungsgericht verkenne, dass es im vorliegenden Falle
  134. schon an einem Aufklärungsbedürfnis der Beklagten gefehlt habe, weil
  135. ihr die aufklärungsbedürftigen Tatsachen bereits bekannt gewesen seien.
  136. Dann aber komme ein Berufen auf Leistungsfreiheit nicht in Betracht.
  137. 13
  138. Bei der Frage, ob Kenntnis des Versicherers sein Aufklärungsbedürfnis entfallen lasse, komme es nicht darauf an, woher und auf wessen
  139. Veranlassung er diese Kenntnis erlangt habe. Es reiche auch aus, wenn
  140. er Kenntnis von Vorschäden aufgrund einer eigenen Recherche erlangt
  141. habe. Das müsse insbesondere gelten, wenn der Versicherer seine
  142. Sachbearbeiter anweise, regelmäßig eine Anfrage bei der UniwagnisDatei durchzuführen. Aus einer solchen Anweisung folge nämlich, dass
  143. der Versicherer den Angaben seiner Versicherungsnehmer zu Vorschäden grundsätzlich keinen Glauben schenke; dann aber diene die Frage
  144. nach Vorschäden in dem Schadensmeldeformular ersichtlich nicht mehr
  145. dazu, dem Versicherer die Kenntnis dieser Vorschäden zu verschaffen.
  146. Unter Berücksichtigung der hier gegebenen zeitlichen Abläufe müsse
  147. davon ausgegangen werden, dass die Beklagte schon im Zeitpunkt der
  148. Übersendung der Schadensfragebögen an den Kläger Kenntnis von Vorschäden hatte. Dass die Uniwagnis-Datei nicht zuverlässig sei und nicht
  149. in jedem Fall zu vollständigen Informationen führe, stehe nicht entgegen.
  150. Erhalte der Versicherer über die Datei Kenntnis von einem Vorschaden,
  151. seien ihm jedenfalls die konkret benannten Tatsachen als Kenntnis zuzurechnen, so dass insoweit kein Aufklärungsbedürfnis mehr bestehe.
  152. Selbst wenn also im vorliegenden Falle die Beklagte aus der Datei zunächst nur erfahren habe, dass das Fahrzeug schon zuvor einen Reparaturschaden erlitten hatte, stehe schon das einer Berufung auf Leistungs-
  153. -8-
  154. freiheit entgegen. Denn insoweit sei die Beklagte - vergleichbar der
  155. Nachfrageobliegenheit im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit - gehalten gewesen, sich durch Nachfrage beim Haftpflichtversicherer vollständige Kenntnis zu verschaffen.
  156. 14
  157. 2. Damit kann die Revision nicht durchdringen.
  158. 15
  159. a) Nach § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer
  160. verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur
  161. Minderung des Schadens dienlich sein kann. Diese Obliegenheit trägt
  162. dem Gedanken Rechnung, dass der Versicherer, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen können muss, dass
  163. der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben
  164. über den Versicherungsfall macht. Enttäuscht der Versicherungsnehmer
  165. dieses Vertrauen, indem er vorsätzlich Fragen des Versicherers nicht
  166. oder nicht richtig beantwortet, kann er sich hinterher nicht darauf berufen, der Versicherer habe den wahren Sachverhalt noch rechtzeitig erfahren oder sich die erforderlichen Kenntnisse anderweitig verschaffen
  167. können (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2005 - IV ZR 239/03 VersR 2005, 493 unter 2 a). Denn Letzteres würde eine Verkennung der
  168. Aufklärungsobliegenheit bedeuten; sie würde in ihr Gegenteil verkehrt
  169. und in ein Recht zur Lüge verwandelt werden, wenn der zur Aufklärung
  170. gehaltene Versicherungsnehmer ihre vorsätzliche Verletzung damit
  171. rechtfertigen könnte, dass der Versicherer in der Lage gewesen sei, die
  172. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben zu durchschauen (Senatsurteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80 - VersR 1982, 182, 183).
  173. 16
  174. Daraus folgt mit Blick auf die hier in Rede stehende UniwagnisDatei: Dass sich aus einer Dateiabfrage für den Versicherer Erkenntnis-
  175. -9-
  176. möglichkeiten über vom Versicherungsnehmer aufzuklärende Umstände
  177. ergeben, lässt die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers
  178. zunächst und grundsätzlich unberührt; solche Erkenntnismöglichkeiten
  179. lassen das Aufklärungsinteresse des Versicherers regelmäßig nicht entfallen. Die Datei ist offenkundig darauf ausgerichtet, Versicherungsbetrug entgegenzuwirken. Sie zielt mithin nicht darauf, die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers zu verkürzen, sondern dient dazu,
  180. deren vorsätzliche Verletzung aufzudecken. Wollte man, wie das Kammergericht (VersR 2002, 703), bereits mit der generellen Weisung des
  181. Versicherers, in Schadensfällen eine Dateiabfrage vorzunehmen, stets
  182. und sogleich das Interesse des Versicherers an Aufklärung durch seinen
  183. Versicherungsnehmer verneinen, würde der erstrebte Schutz vor Versicherungsbetrug in einen Schutz für den unredlichen Versicherungsnehmer verkehrt. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
  184. 17
  185. b) Erfolgt die Dateiabfrage erst nach Eingang des vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Fragebogens des Versicherers, mit dem dieser die Aufklärungsobliegenheit näher konkretisiert - hier durch die Frage
  186. nach Vorschäden -, hat diese Abfrage von vornherein keinerlei Einfluss
  187. mehr auf das gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehende Aufklärungsinteresse des Versicherers. Der Versicherungsnehmer hatte der
  188. Aufklärungsobliegenheit zu genügen; hat er sie vorsätzlich verletzt und
  189. wird diese Verletzung durch die Dateiabfrage aufgedeckt, liegt auf der
  190. Hand, dass durch die so erlangte Kenntnis des Versicherers nicht nachträglich und gewissermaßen rückwirkend dessen Aufklärungsbedürfnis
  191. entfallen kann.
  192. 18
  193. Ob im vorliegenden Falle von dieser Konstellation auszugehen ist,
  194. ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit hin-
  195. - 10 -
  196. reichender Deutlichkeit, da darin nur festgehalten wird, die Abfrage sei
  197. "nach der Schadenanzeige bzw. Schadenmeldung" erfolgt.
  198. 19
  199. c) Sollte davon auszugehen sein, dass die Dateiabfrage bereits
  200. unmittelbar nach der (telefonischen) Schadensanzeige, also vor Eingang
  201. der vom Versicherungsnehmer beantworteten Fragen nach Vorschäden
  202. beim Versicherer erfolgt ist, lassen auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse das Aufklärungsinteresse des Versicherers unberührt.
  203. 20
  204. aa) Allerdings hat der Senat (Urteil vom 26. Januar 2005 aaO)
  205. ausgesprochen, ein Aufklärungsbedürfnis des Versicherers könne fehlen,
  206. wenn der Versicherer trotz der unvollständigen Angaben seines Versicherungsnehmers Kenntnis von den verschwiegenen Umständen habe.
  207. Jener Entscheidung lag zugrunde, dass dem Versicherer der nicht angegebene, erst wenige Monate zurückliegende Vorschaden (Kaskoschaden) schon deshalb bekannt war, weil er von ihm selbst reguliert worden
  208. war. Der Versicherer hatte also - ohne dass es weiterer Nachforschungen bedurfte, zu denen der Versicherer gerade nicht gehalten war (Senatsurteil aaO unter 2 a a.E.) - unmittelbare und aktuelle eigene Kenntnis von dem verschwiegenen Umstand. Das rechtfertigte es, ein Aufklärungsbedürfnis des Versicherers mit der Folge zu verneinen, dass seine
  209. Berufung auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung ohne Erfolg blieb.
  210. 21
  211. bb) Das Berufungsgericht hat dieser Entscheidung daher mit Recht
  212. entnommen, dass ein solcher Wegfall des Aufklärungsinteresses mit
  213. Blick auf eine Abfrage der Uniwagnis-Datei allenfalls und nur dann in Betracht kommen könnte, wenn dem Versicherer durch die mittels der Datei
  214. erlangten Informationen eine umfassende und vollständige Kenntnis über
  215. - 11 -
  216. Vorschäden verschafft würde, er also nicht befürchten müsste, dass
  217. mehr als das nunmehr Bekannte verschwiegen wird. Nach den von der
  218. Revision unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber
  219. gerade das nicht der Fall; die Datei bietet derart vollständige Informationen aus den vom Berufungsgericht näher dargelegten Gründen nicht.
  220. Hinzu kommt, dass sie solche Vorschäden ohnehin nicht erfassen kann,
  221. die keinem Versicherer gemeldet wurden.
  222. 22
  223. Soweit die Revision erwägt, der Versicherer könne - ähnlich wie
  224. bei erkennbar unvollständigen Angaben des Versicherungsnehmers im
  225. Rahmen der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit - zu einer Nachfrage
  226. gehalten sein, deren Unterlassen ihm die Sanktion der Leistungsfreiheit
  227. nehme, verkennt sie Zweck, Rechtfertigung und Grundgedanken der
  228. Aufklärungsobliegenheit, wie sie eingangs näher dargelegt sind. Es ist
  229. Sache des Versicherungsnehmers, die ihm bekannten Umstände dem
  230. - 12 -
  231. Versicherer von sich aus vollständig zu offenbaren, nicht aber Sache des
  232. Versicherers, durch Nachforschungen das zu ermitteln, was ihm der Versicherungsnehmer vorsätzlich verschwiegen hat.
  233. Terno
  234. Dr. Schlichting
  235. Felsch
  236. Wendt
  237. Dr. Franke
  238. Vorinstanzen:
  239. LG Saarbrücken, Entscheidung vom 29.06.2005 - 14 O 365/04 OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 22.03.2006 - 5 U 405/05-40- -