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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 126/06
  5. Verkündet am:
  6. 1. Februar 2007
  7. Kiefer
  8. Justizangestellter
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 134, 242 Ca, Cd, 812; BPflV (1994) § 22 Abs. 2 Satz 1
  19. Zur Frage, ob einem Bereicherungsanspruch auf Rückerstattung von ärztlichen
  20. Honoraren für Wahlleistungen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengesetzt werden kann, wenn die zugrunde liegenden Wahlleistungsvereinbarungen zwar wegen Verstoßes gegen die Unterrichtungspflicht nach § 22
  21. Abs. 2 Satz 1 BPflV unwirksam gewesen waren, diese Leistungen jedoch über
  22. einen langen Zeitraum abgerufen, beanstandungsfrei erbracht und honoriert
  23. worden sind.
  24. BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - III ZR 126/06 - OLG München
  25. LG München II
  26. - 2 -
  27. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 1. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
  29. Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des
  32. Oberlandesgerichts München vom 10. April 2006 wird zurückgewiesen.
  33. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand
  36. 1
  37. Die Klägerin befand sich in dem Zeitraum von Dezember 1999 bis November 2001 wiederholt in ambulanter und stationärer Behandlung des Kreiskrankenhauses W.
  38. . Der Betrieb dieses Krankenhauses wurde mit
  39. Wirkung zum 1. Januar 2002 auf die Beklagte zu 1, eine (gemeinnützige) Gesellschaft mit beschränkter Haftung, übertragen. Der Beklagte zu 2 ist in der
  40. Klinik als liquidationsberechtigter Chefarzt tätig und hat die Klägerin, die Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist und nicht über eine private Zusatzversicherung verfügt, aufgrund von jeweils inhaltsgleichen Wahlleistungsvereinbarungen ärztlich behandelt. Diese Wahlleistungsvereinbarungen lauteten
  41. - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:
  42. - 3 -
  43. [Die Wahlleistungen erstrecken sich auf]
  44. "die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung
  45. ihrer Leistungen berechtigt sind (= 'Chefarztbehandlung') einschließlich der von diesen Ärzten veranlaßten Leistungen von Ärzten oder ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses, dies gilt auch soweit sie vom Krankenhaus berechnet
  46. werden; die Liquidation erfolgt nach der GOÄ/GOZ in der jeweils
  47. gültigen Fassung. Die GOÄ ist auszugsweise an den Informationstafeln (gegenüber der Patientenaufnahme und im Stationsdienstzimmer) zur Einsichtnahme."
  48. 2
  49. Der Klägerin wurden für die Chefarztbehandlung elf Abrechnungen erteilt. Den sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von 24.424,06 € hat sie aus
  50. eigenen Mitteln bezahlt.
  51. 3
  52. Sie nimmt nunmehr beide Beklagten gesamtschuldnerisch auf Rückzahlung der geleisteten Beträge mit der Begründung in Anspruch, die Wahlleistungsvereinbarungen seien wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 2 Satz 1 der
  53. - vorliegend anwendbaren - Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 24. September 1994 (BGBl. I S. 2750) unwirksam. Das Berufungsgericht hat ihr insoweit lediglich 5.211,37 € zugesprochen. Mit der von diesem zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Mehrforderung gegen beide Beklagten weiter.
  54. - 4 -
  55. Entscheidungsgründe
  56. Die Revision ist nicht begründet.
  57. 4
  58. I.
  59. 5
  60. 1.
  61. Zu Unrecht macht die Revision geltend, bei den hier in Rede stehenden
  62. Wahlleistungsvereinbarungen sei bereits die Schriftform des § 22 Abs. 2 Satz 1
  63. BPflV nicht gewahrt worden, weil sie nur von einem Vertreter des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1 und nicht auch vom Beklagten zu 2 unterschrieben
  64. worden seien. Die Wahlleistungen werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BPflV mit
  65. dem "Krankenhaus" vereinbart; allein dessen Träger ist Vertragspartner der
  66. Vereinbarung über die gesonderte Berechung (Senatsurteil vom 22. Juli 2004
  67. - III ZR 355/03 = VersR 2005, 120).
  68. 6
  69. 2.
  70. Jedoch sind beide Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen, dass die
  71. vorstehend wiedergegebene Wahlleistungsvereinbarung inhaltlich nicht den
  72. Anforderungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV genügte.
  73. 7
  74. a) Danach sind Wahlleistungen vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der
  75. Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Nach der Rechtsprechung des Senats, von der abzugehen kein Anlass besteht, ist eine Wahlleistungsvereinbarung, die ohne hinreichende vorherige Unterrichtung des Patienten abgeschlossen worden ist, unwirksam (vgl. Senatsurteile vom 27. November 2003 - III ZR 37/03 = BGHZ 157, 87, 90 = NJW 2004, 684, vom
  76. - 5 -
  77. 8. Januar 2004 - III ZR 375/02 = NJW 2004, 686 und vom 22. Juli 2004 - III ZR
  78. 355/03 = VersR 2005, 120).
  79. 8
  80. b) Der Senat hat in seinen vorgenannten Urteilen die Anforderungen präzisiert, die an eine ausreichende Unterrichtung zu stellen sind. Danach reicht es
  81. einerseits nicht aus, wenn der Patient lediglich darauf hingewiesen wird, dass
  82. die Abrechnung des selbst liquidierenden Chefarztes nach der Gebührenordnung für Ärzte erfolge; andererseits ist es nicht erforderlich, dass dem Patienten
  83. unter Hinweis auf die mutmaßlich in Ansatz zu bringenden Nummern des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte detailliert und auf den
  84. Einzelfall abgestellt die Höhe der voraussichtlich entstehenden Arztkosten - in
  85. Form eines im Wesentlichen zutreffenden Kostenanschlags - mitgeteilt wird.
  86. Der Senat hat vielmehr Kriterien aufgestellt, an denen sich die Unterrichtung
  87. des Patienten zu orientieren hat. Ausreichend ist danach in jedem Falle:
  88. - eine kurze Charakterisierung der Inhalts wahlärztlicher Leistungen, wobei
  89. zum Ausdruck kommt, dass hierdurch ohne Rücksicht auf Art und Schwere
  90. der Erkrankung die persönliche Behandlung durch die liquidationsberechtigten Ärzte sichergestellt werden soll, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass
  91. der Patient auch ohne Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhält;
  92. - eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der
  93. Gebührenordnung für Ärzte bzw. für Zahnärzte (Leistungsbeschreibung anhand der Nummern des Gebührenverzeichnisses; Bedeutung von Punktzahl
  94. und Punktwert; Möglichkeit, den Gebührensatz je nach Schwierigkeit und
  95. Zeitaufwand zu erhöhen); Hinweis auf Gebührenminderung nach § 6a der
  96. Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ);
  97. - 6 -
  98. - ein Hinweis darauf, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine
  99. erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben kann;
  100. - ein Hinweis darauf, dass sich bei der Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen die Vereinbarung zwingend auf alle an der Behandlung des Patienten
  101. beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 1
  102. BPflV);
  103. - und ein Hinweis darauf, dass die Gebührenordnung für Ärzte/Gebührenordnung für Zahnärzte auf Wunsch eingesehen werden kann; die ungefragte
  104. Vorlage dieser Gesetzestexte erscheint demgegenüber entbehrlich, da diesen für sich genommen kein besonderer Informationswert zukommt. Der
  105. durchschnittliche Wahlleistungspatient ist auch nicht annähernd in der Lage,
  106. sich selbst anhand des Studiums dieser umfänglichen komplizierten Regelungswerke einen Überblick über die Höhe der auf ihn zukommenden Arztkosten zu verschaffen.
  107. 9
  108. c) Die hier in Rede stehende Wahlleistungsvereinbarung enthielt weder
  109. den Hinweis, dass der Patient auch ohne Abschluss einer solchen die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhielt, noch
  110. eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für die ärztlichen Leistungen. Ebenso fehlte eine Belehrung darüber, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben konnte.
  111. - 7 -
  112. 10
  113. 3.
  114. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen wurden diese Hinweise bei
  115. den späteren Wahlleistungsvereinbarungen nicht dadurch entbehrlich, dass die
  116. Klägerin die ersten Rechnungen beanstandungsfrei bezahlt hatte. Die Anforderungen des § 22 Abs. 2 BPflV beziehen sich nach Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung auf die jeweilige einzelne Vereinbarung. Ein Fortwirken früherer Hinweise oder sonstiger Informationen enthebt den Krankenhausträger als den
  117. Vertragspartner der Wahlleistungsvereinbarung daher nicht der Obliegenheit,
  118. diese Anforderungen einzuhalten.
  119. II.
  120. Gleichwohl hält die Abweisung der Klage im noch anhängigen Umfang im
  121. 11
  122. Ergebnis der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Die Beklagten können
  123. nämlich, wie das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung in rechtsfehlerfreier tatrichterliche Würdigung ausführt, dem Bereicherungsanspruch der Klägerin
  124. den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensetzen.
  125. 12
  126. 1.
  127. Die Klägerin hat über einen langen Zeitraum die Wahlleistungen entge-
  128. gengenommen und Vorteile aus ihnen gezogen. Sie war durch die schriftliche
  129. Wahlleistungsvereinbarung - wenn auch inhaltlich unzureichend - zumindest
  130. ansatzweise über die Tragweite der eingegangenen Verpflichtungen informiert
  131. worden. Durch die ersten Abrechnungen der Beklagten (die nicht mehr Gegenstand des jetzigen Revisionsverfahrens sind) war ihr auch die Technik der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte vor Augen geführt worden. Sie hat über Jahre hinweg die in Rechnung gestellten Entgelte anstandslos bezahlt. Da sie über keine private Zusatzversicherung verfügte, war ihr bewusst, dass sie diese Geldleistungen aus ihrem eigenen Vermö-
  132. - 8 -
  133. gen zu erbringen hatte. Auf diese Weise hatte sie zumindest daran mitgewirkt,
  134. dass bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 und bei dem Beklagten zu 2
  135. der Eindruck entstehen musste, die Klägerin werde sich im Nachhinein nicht
  136. darauf berufen, dass den gegenseitigen Leistungen eine rechtliche Grundlage
  137. gefehlt habe.
  138. 13
  139. 2.
  140. Zwar gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass der-
  141. jenige, der die Vorteile eines unwirksamen Rechtsgeschäfts endgültig genossen
  142. hat, die von ihm erbrachten Gegenleistungen nicht zurückfordern kann. Indessen hat die Rechtsprechung schon mehrfach gegen einen Bereicherungsanspruch dieses Inhalts den Einwand unzulässiger Rechtsausübung durchgreifen
  143. lassen (vgl. z.B. RGZ 135, 374; BGH, Urteil vom 23. Januar 1981 - I ZR 40/79 =
  144. NJW 1981, 1439, 1440; s. auch Senatsurteile vom 1. Februar 2007 - III ZR
  145. 281/05 und 282/05; zum Ganzen Staudinger/Sack [2003] § 134 Rn. 187 bis
  146. 189). Insoweit bedarf es einer einzelfallbezogenen tatrichterlichen Würdigung.
  147. Bei dieser kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze über die Anforderungen einer ausreichenden Unterrichtung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV in der Rechtsprechung des Senats erst geraume Zeit nach den hier in Rede stehenden Vorgängen präzisiert worden sind.
  148. Dies lässt den - objektiv vorliegenden - Verstoß der Beklagten zu 1 gegen die
  149. Unterrichtungspflicht in einem milderen Licht erscheinen (vgl. zu einer ähnlichen
  150. Problematik bei einem Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG auch die Senatsurteile
  151. vom 1. Februar 2007 aaO). Im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 17. Oktober 2002 (III ZR 58/02 = NJW 2002, 3772) zugrunde
  152. gelegen hatte, handelte es sich hier nicht um eine einmalige Behandlung aufgrund einer Wahlleistungsvereinbarung, bei der zudem nicht einmal die Schriftform gewahrt gewesen war; vielmehr hatte die Klägerin immer wieder die Wahlleistungen beider Beklagten abgerufen und in Anspruch genommen. Unter die-
  153. - 9 -
  154. sen Umständen ist es bei wertender Gesamtschau nicht zu beanstanden, dass
  155. das Berufungsgericht insbesondere in der problemlosen Aufrechterhaltung und
  156. Abwicklung der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien über einen
  157. Zeitraum von mehreren Jahren hinweg einen besonderen Umstand erblickt hat,
  158. der der Rückforderung der von der Klägerin erbrachten Gegenleistungen entgegensteht.
  159. III.
  160. 14
  161. 1.
  162. Die Verfahrensrügen, mit denen die Revision im Wesentlichen geltend
  163. macht, das Berufungsurteil enthalte keine Wiedergabe der Berufungsanträge
  164. der Klägerin, greifen ebenfalls nicht durch. Vielmehr werden sowohl das von der
  165. Klägerin im Berufungsrechtszug verfolgte Rechtsschutzziel als auch der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entscheiden wollte und tatsächlich
  166. entschieden hat, aus den Gründen des Berufungsurteils hinreichend deutlich.
  167. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 564 Satz 1 ZPO ab.
  168. - 10 -
  169. 15
  170. 2.
  171. Die Revision war daher, obwohl die Beklagten im Revisionsrechtszug
  172. nicht anwaltlich vertreten waren, durch unechtes Versäumnisurteil zurückzuweisen.
  173. Schlick
  174. Wurm
  175. Dörr
  176. Streck
  177. Herrmann
  178. Vorinstanzen:
  179. LG München II, Entscheidung vom 11.10.2005 - 1 MO 7660/04 OLG München, Entscheidung vom 10.04.2006 - 17 U 5500/05 -