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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- III ZB 78/05
- vom
- 30. März 2006
- in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
- Nachschlagewerk:
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- ja
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- BGHZ:
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- nein
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- BGHR:
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- ja
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- ZPO § 1060
- Für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs kann auch dann ein
- rechtlich anzuerkennendes Interesse bestehen, wenn der Schiedsspruch
- nicht vollstreckbar ist.
- BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - III ZB 78/05 - KG Berlin
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- Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2006 durch den
- Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
- Dr. Herrmann
- beschlossen:
- Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
- des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. Mai 2005 aufgehoben.
- Der Schiedsspruch des Schiedsrichters Dr. R. Hoffmann-Theinert
- vom 28. Februar 2005 (DIS-SV-B-36/04) wird insgesamt für vollstreckbar erklärt.
- Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- Wert des Beschwerdegegenstandes: 110.000 €
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- Gründe:
- I.
- Die Antragsgegnerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der
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- K.
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- GmbH. Gestützt auf Si-
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- cherungsabtretungen der Gemeinschuldnerin und eines Zwischenerwerbers der
- Forderung macht der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin ein Absonderungsrecht geltend. In einem DIS-Schiedsverfahren
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- erwirkte
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- er den Schiedsspruch vom 28. Februar 2005, durch den die Antragsgegnerin
- wie folgt verurteilt wurde:
- "1. Die Schiedsbeklagte <= Antragsgegnerin> wird verurteilt, an
- den Schiedskläger <= Antragsteller> 50.000 € abzüglich der
- Kosten gemäß § 171 InsO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.
- 2. Die Schiedsbeklagte wird ferner verurteilt,
- a) dem Schiedskläger Auskunft darüber zu erteilen, welche
- Beträge die K.
- GmbH i.In. aus der Geschäftsbeziehung mit
- der D.
- GmbH nach Einleitung des Insolvenzverfahrens erhalten
- hat sowie die entsprechenden Abrechnungsunterlagen
- hierüber vorzulegen.
- b) die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides
- statt zu versichern.
- c) an den Schiedskläger die vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gemäß Ziffer 1 bis zu einem
- Höchstbetrag von 117.298,50 € abzüglich des Kostenbeitrages gemäß § 171 InsO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem Tag, an dem die Schiedsbeklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht
- vorzulegen, empfangen hat, auszuzahlen.
- 3. Die Schiedsbeklagte trägt die Kosten des schiedsrichterlichen
- Verfahrens. Die Festsetzung der Höhe der Kosten erfolgt
- durch einen gesonderten Schiedsspruch."
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- Der Antragsteller begehrt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch bezüglich Nr. 2 Buchst. a
- und b des Tenors für vollstreckbar erklärt und den weitergehenden Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Gesuch,
- den Schiedsspruch insgesamt für vollstreckbar zu erklären, weiter.
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- II.
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des ange-
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- fochtenen Beschlusses und zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in
- vollem Umfang.
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- 1.
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- Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, soweit die Vollstreckbarerklärung
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- von Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 der schiedsgerichtlichen Verurteilung begehrt
- werde, fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis. Dieser Teil des Schiedsspruchs sei nicht vollstreckbar. Die in Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. c des Tenors genannte gesetzliche Vergütung gemäß § 171 InsO sei keineswegs festgelegt
- sondern offen; das gelte entsprechend für die Kostenentscheidung in Nr. 3
- Satz 1 des Tenors. Dass der Schiedsspruch - im vorgenannten Umfang - nicht
- vollstreckungsfähig sei, müsse im Verfahren der Vollstreckbarerklärung berücksichtigt werden. Diese setze entgegen der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NJW-RR 2003, 502, 503) voraus, dass aus dem Schiedsspruch tatsächlich die Zwangsvollstreckung betrieben werden könne.
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- 2.
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- Die - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheit-
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- lichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) zulässige - Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Oberlandesgericht hat dem Antrag zu Unrecht
- teilweise das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen.
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- a) Der Schiedsspruch ist allerdings hinsichtlich der Verurteilungen zu
- Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 nicht vollstreckbar.
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- aa) Die Antragsgegnerin ist verurteilt worden, 50.000 € "abzüglich der
- Kosten gemäß § 171 InsO" nebst Zinsen (Nr. 1 des Tenors) sowie "die <sich
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- aus der Auskunft gemäß Nr. 2 Buchst. a des Tenors ergebenden> vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gemäß Ziffer 1 <des Tenors>
- bis zu einem Höchstbetrag von 117.298,50 € abzüglich eines Kostenbeitrages
- gemäß § 171 InsO" nebst Zinsen (Nr. 2 Buchst. c des Tenors) an den Antragsteller zu zahlen. Dieser Ausspruch ist unbestimmt, weil jedenfalls die - von
- dem ausgeurteilten Zahlungsbetrag abzuziehenden - Kosten der Verwertung
- der sicherungshalber abgetretenen Forderung durch den Insolvenzverwalter
- (§ 51 Nr. 1 Alt. 2, § 50 Abs. 1 i.V.m. § 166 Abs. 2, § 170 Abs. 1 InsO) nicht feststehen. Sie sind grundsätzlich pauschal in Höhe von 5 v.H. des Verwertungserlöses anzusetzen (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 1 InsO). Es wird vermutet, dass in
- dieser Höhe Verwertungskosten anfielen (vgl. MünchKommInsO-Lwowski 2002
- § 171 Rn. 45 f). Lagen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, so sind diese Kosten,
- gegebenenfalls zuzüglich Umsatzsteuer, anzusetzen (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 2
- und 3 InsO). Damit steht die Urteilssumme (Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. c des Tenors) insgesamt in Frage. Denn es ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe das
- Schiedsgericht Verwertungskosten - neben den gemäß § 171 Abs. 1 Satz 2
- InsO zu bemessenden Feststellungskosten - als "Kosten gemäß § 171 InsO"
- und "Kostenbeitrag(es) gemäß § 171 InsO", die von dem an den Antragsteller
- auszukehrenden Betrag abgezogen werden sollen, zugrunde gelegt hat. Daran
- scheitert auch die von der Rechtsbeschwerde befürwortete Auslegung von Nr. 1
- und Nr. 2 Buchst. c des Schiedsspruchs in einem bestimmten, die Zwangsvollstreckung ermöglichenden Sinn.
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- bb) Das Schiedsgericht hat in Nr. 3 Satz 1 des Tenors eine Kostengrundentscheidung - verbunden mit der Ankündigung einer Kostenfestsetzung durch
- gesonderten Schiedsspruch (Nr. 3 Satz 2 des Tenors) - getroffen. Der Ausspruch ist ebenfalls nicht vollstreckungsfähig.
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- b) Für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs besteht jedoch
- auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, wenn der Schiedsspruch
- nicht vollstreckbar ist.
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- aa) Der Bundesgerichtshof hat zum früheren Schiedsverfahrensrecht
- entschieden, dass es für die Vollstreckbarerklärung nicht darauf ankomme, ob
- der Spruch einen vollstreckbaren Inhalt habe. Selbst wenn dies nicht der Fall
- sei, könne er für vollstreckbar erklärt werden. Denn die Vollstreckbarerklärung
- diene nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen; sie solle den
- Spruch auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern (vgl.
- § 1043 Abs. 1 ZPO a.F.; Urteile vom 12. November 1959 - VII ZR 115/58 - BB
- 160, 302 und vom 30. November 1961 - VII ZR 12/61 - JZ 1962, 287 <Vollstreckbarerklärung auf Feststellung oder Klageabweisung lautender Schiedssprüche>; s. auch BGHZ 99, 143, 148).
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- bb) An dieser Auffassung ist festzuhalten; die Umgestaltung der Zivilprozessordnung durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz hat der vorgenannten Erwägung nicht die Grundlage entzogen (h.M.: BayObLG BB 1999,
- 1948 und NJW-RR 2003, 502, 503; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. 2002
- § 1060 Rn. 2; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kapitel 27
- Rn. 7; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 64. Aufl. 2006
- § 1060 Rn. 5; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. 2005 § 1060 Rn. 1; HkZPO/Saenger 2006, § 1060 Rn. 2; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 2. Aufl. 2002 Rn. 1275; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom
- 3. Januar 2002 - 16 Sch 02/01 - DIS-Datenbank - unter irrtümlicher Berufung
- auf BGH, Urteil vom 30. November 1961 <aaO>; Musielak/Voit, ZPO 4. Aufl.
- 2005 § 1060 Rn. 2 und 5; im Grundsatz auch MünchKommZPO-Münch 2. Aufl.
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- 2001 § 1060 Rn. 4 und Zöller/Geimer, ZPO 25. Aufl. § 1060 Rn. 2, die allerdings eine Feststellung analog § 1060 ZPO erwägen, dass ein Aufhebungsgrund nicht vorliegt). Auch nach neuem Recht ist der Schiedsspruch - abgesehen von der Ausschlusswirkung, die durch die rechtskräftige Ablehnung
- eines Aufhebungsantrags bezüglich des geltend gemachten Aufhebungsgrundes eintritt (vgl. § 1060 Abs. 2 Satz 2 ZPO) - nur durch die Vollstreckbarerklärung umfassend gegen Aufhebungsgründe gefeit. Zwar ist der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs nach Ablauf bestimmter Fristen - was im Einzelfall
- allerdings durchaus zweifelhaft sein kann (vgl. § 1059 Abs. 3 Satz 2 und 3 ZPO)
- - nicht mehr zulässig (vgl. § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs kann aber nur dann - stets - nicht mehr gestellt werden, wenn der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist (vgl. § 1059
- Abs. 3 Satz 4 ZPO).
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- Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht zu berücksichtigen, wenn die für den Aufhebungsantrag geltenden Fristen abgelaufen sind, ohne dass ein Aufhebungsantrag gestellt worden ist (vgl. § 1060 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1059 Abs. 3 ZPO). Das gilt
- jedoch nicht für die - von Amts wegen zu prüfenden - Aufhebungsgründe nach
- § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, also insbesondere nicht für den ordre public-Verstoß
- (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO). Sie sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren immer zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 145, 376, 379 f),
- sind also erst mit der (rechtskräftigen) Vollstreckbarerklärung erledigt.
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- cc) Dementsprechend kann im Streitfall ungeachtet der fehlenden Vollstreckbarkeit ein rechtlich anzuerkennendes Interesse des Antragstellers an der
- Vollstreckbarerklärung auch von Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 des Schiedsspruchs nicht geleugnet werden. Dort hat der Schiedsspruch eine Entscheidung
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- über den Grund des Anspruchs und - wenn auch nicht vollständig - zur Höhe
- (Nr. 1 und 2 Buchst. c des Tenors) sowie eine Kostengrundentscheidung (Nr. 3
- des Tenors) getroffen. Die Vollstreckbarerklärung bewirkt die "Bestandskraft"
- (vgl. §§ 1055, 1059 Abs. 3 Satz 4 ZPO; s. auch Stein/Jonas/Schlosser aaO
- § 1055 Rn. 4 ff) der mit dieser (Zwischen-)Entscheidung erreichten (teilweisen)
- Streitklärung. Das erleichtert die außergerichtliche Streiterledigung. Von ihr hat
- die gegebenenfalls noch notwendige abschließende Streitentscheidung auszugehen (vgl. Stein/Jonas/Schlosser aaO § 1060 Rn. 7).
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- 2.
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- Der mithin zulässige Antrag ist begründet. Aufhebungsgründe stehen der
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- Vollstreckbarerklärung unstreitig nicht entgegen (vgl. § 1060 Abs. 1 i.V.m.
- Abs. 2 Satz 1, § 1059 Abs. 2 ZPO).
- Schlick
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- Streck
- Galke
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- Kapsa
- Herrmann
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- Vorinstanz:
- KG Berlin, Entscheidung vom 27.05.2005 - 20 SCH 7/05 -
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