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8.7 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZB 20/14
  4. vom
  5. 18. September 2014
  6. in dem Rechtsstreit
  7. - 2 -
  8. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. September 2014 durch
  9. den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Wöstmann, Seiters, Tombrink und
  10. Reiter
  11. beschlossen:
  12. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss der
  13. 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 24. März 2014
  14. - 5 S 273/13 - wird als unzulässig verworfen.
  15. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
  16. Der Beschwerdewert wird auf bis 600 € festgesetzt.
  17. Gründe:
  18. I.
  19. 1
  20. Der Kläger nimmt die Beklagte, ein Telekommunikationsunternehmen,
  21. auf Schadensersatz in Anspruch, weil die von der Beklagten eingerichtete Telekommunikationsverbindung von Anfang an nur unregelmäßig funktioniert habe
  22. und er insbesondere den vereinbarten Internetzugang nicht störungsfrei habe
  23. nutzen könne. Er hat die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche dadurch entstandenen und künftig entstehenden materiellen Schäden beantragt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert mangels
  24. näherer Ausführungen des Klägers zu möglichen Schadenspositionen auf 500 €
  25. - 3 -
  26. festgesetzt. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Landgericht mit dem
  27. angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2
  28. Nr. 1 ZPO) und das Amtsgericht die Berufung auch nicht zugelassen habe
  29. (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
  30. 2
  31. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde. Er begehrt
  32. die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, den Ausspruch, dass die von
  33. ihm eingelegte Berufung nicht unzulässig ist, sowie die Zurückverweisung der
  34. Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht.
  35. II.
  36. 3
  37. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522
  38. Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil weder die
  39. Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts
  40. oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
  41. Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
  42. 4
  43. 1.
  44. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der angefochtene Beschluss
  45. ausreichend mit Gründen im Sinne von § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO versehen.
  46. 5
  47. a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt,
  48. über den entschieden wird, wiedergeben sowie den Streitgegenstand und die
  49. Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Andernfalls sind sie nicht mit den
  50. - 4 -
  51. nach dem Gesetz (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und schon deshalb aufzuheben. Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat
  52. nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat. Enthält der angefochtene
  53. Beschluss keine tatsächlichen Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die Berufungssumme nicht erreicht ist.
  54. Denn die Wertfestsetzung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf
  55. überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm von § 3 ZPO
  56. eingeräumten Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm Gebrauch
  57. gemacht hat (BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09, NJW-RR
  58. 2010, 1582 Rn. 5; vom 31. März 2011 - V ZB 160/10, BeckRS 2011, 08349
  59. Rn. 3; vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4 und vom
  60. 29. Oktober 2013 - VI ZB 2/13, NJW-RR 2014, 124 Rn. 5). Der die Berufung als
  61. unzulässig verwerfende Beschluss muss nicht zwingend eine gesonderte
  62. Sachdarstellung enthalten. Es genügt, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt
  63. und das Rechtsschutzziel hinreichend klar aus den Beschlussgründen ergeben
  64. (BGH, Beschlüsse vom 16. April 2013 aaO Rn. 5 und vom 29. Oktober 2013
  65. aaO Rn. 6). Bezugnahmen auf das erstinstanzliche Urteil oder vorangegangene
  66. schriftliche Hinweise des Berufungsgerichts sind grundsätzlich zulässig (vgl.
  67. BGH, Beschlüsse vom 31. März 2011 aaO; vom 16. April 2013 aaO Rn. 6 und
  68. vom 29. Oktober 2013 aaO Rn. 6; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 547 Rn. 17;
  69. Zöller/Heßler, 30. Aufl., § 547 Rn. 8).
  70. 6
  71. b) Diesen Maßstäben wird der angefochtene Beschluss gerecht. Das
  72. Berufungsgericht hat in den Beschlussgründen in zulässiger Weise auf den Inhalt des gerichtlichen Hinweises vom 25. Februar 2014 Bezug genommen, zu
  73. dem der Kläger sich trotz Einräumung einer zweiwöchigen Stellungnahmefrist
  74. - 5 -
  75. nicht mehr geäußert hat. In diesem Hinweis befasst sich das Berufungsgericht
  76. insbesondere mit dem Vorbringen des Klägers in der Klageschrift vom 20. Juni
  77. 2013 und dem vom Amtsgericht nachgelassenen Schriftsatz vom 31. Oktober
  78. 2013 sowie mit dem in der Berufungsinstanz angekündigten Antrag. Aus dem
  79. Hinweis geht hinreichend deutlich hervor, dass der Kläger mit seinen erst- und
  80. zweitinstanzlichen Anträgen ausschließlich die Feststellung der Einstandspflicht
  81. der Beklagten für materielle Schäden begehrt und seinen Schadensersatzanspruch auf die eingeschränkte Funktionsfähigkeit der von der Beklagten bereitgestellten Telekommunikationsverbindung stützt, wobei er sich pauschal darauf
  82. beruft, er habe ersatzweise auf sein Mobiltelefon zurückgreifen müssen und ihm
  83. seien möglicherweise Kundenaufträge entgangen. Der Verwerfungsbeschluss
  84. enthält mithin die für eine Sachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlichen Feststellungen.
  85. 7
  86. 2.
  87. Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen
  88. Art. 103 Abs. 1 GG in die Bewertung des Feststellungsantrags nicht einbezogen, dass er bereits in erster Instanz den Wegfall von Kundenaufträgen und
  89. einen entsprechenden Umsatzrückgang geltend gemacht habe, vermag er einen zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führenden Rechtsfehler nicht aufzuzeigen.
  90. 8
  91. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich
  92. der Beschwerdewert nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers (vgl. nur
  93. BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - XII ZB 130/09, NJW-RR 2010, 1081
  94. Rn. 8). Die nach § 3 ZPO im freien Ermessen stehende Bewertung des Berufungsgerichts kann vom Rechtsbeschwerdegericht - wie dargelegt - nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen
  95. Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen
  96. - 6 -
  97. fehlerhaft ausgeübt hat. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden
  98. Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (BGH aaO Rn. 10). Solche Ermessensfehler sind dem Berufungsgericht hier nicht unterlaufen.
  99. 9
  100. b) Das Berufungsgericht hat sich in dem Hinweis vom 25. Februar 2014
  101. unter Bezugnahme auf die Klageschrift und den Schriftsatz des Klägers vom
  102. 31. Oktober 2013 ausdrücklich mit dessen Vorbringen auseinandergesetzt, er
  103. habe ersatzweise mittels Mobiltelefon telefonieren müssen und die Funktionsstörungen von Telefon und Internet hätten möglicherweise zu einem Verlust von
  104. Kundenaufträgen geführt, was "gegenwärtig offen" sei. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass auf der Grundlage dieser völlig unsubstantiierten Ausführungen die Schätzung eines 600 € übersteigenden Beschwerdewerts nicht
  105. möglich sei, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
  106. 10
  107. c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die - in der Klageschrift nur beiläufig erwähnte - Senatsrechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung bei Fortfall der Möglichkeit, mittels eines Computers das Internet
  108. zu nutzen (Urteil vom 24. Januar 2013 - III ZR 98/12, BGHZ 196, 101). Denn
  109. einen derartigen Vermögensschaden - der von der Beschwerde auch nicht angesprochen worden ist - hat der Kläger, der sich auf Mehraufwendungen infolge
  110. Benutzung seines Mobilfunkgeräts und möglicherweise entgangene Kundenaufträge beruft, nicht geltend gemacht. Darüber hinaus hat der Kläger, der wegen
  111. des Ausfalls der Telefon- und Internetverbindung in dem Zeitraum vom 29. September 2011 bis zum 23. November 2011 von der Beklagten Gutschriften in
  112. Höhe von insgesamt 80 € erhalten hat, für die Folgezeit weder die Art der aufgetretenen Störungen beschrieben noch die davon betroffenen Zeitintervalle
  113. bezeichnet. Da anhand des klägerischen Vorbringens eine fühlbare Beeinträch-
  114. - 7 -
  115. tigung nach dem 23. November 2011 mithin nicht nachvollziehbar ist und der
  116. Kläger für den davor liegenden Zeitraum bereits entschädigt wurde, würde auch
  117. unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Nutzungsausfallentschädigung
  118. die Berufungssumme nicht erreicht werden.
  119. Schlick
  120. Wöstmann
  121. Tombrink
  122. Seiters
  123. Reiter
  124. Vorinstanzen:
  125. AG Bonn, Entscheidung vom 18.11.2013 - 117 C 29/13 LG Bonn, Entscheidung vom 24.03.2014 - 5 S 273/13 -