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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. II ZR 97/00
  4. URTEIL
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Verkündet am:
  7. 5. November 2001
  8. Boppel
  9. Justizamtsinspektor
  10. als Urkundsbeamter
  11. der Geschäftsstelle
  12. -2-
  13. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die
  14. Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin Münke
  15. für Recht erkannt:
  16. Auf die Revision des Klägers zu 2 wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar
  17. 2000 aufgehoben.
  18. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
  19. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. Die Parteien streiten, ob die Beklagten Kosten aus einem Grundstückserschließungs- und Bauprojekt in E. bei B. zu übernehmen haben, dessen gemeinsame Durchführung die Parteien planten.
  23. G. H. (Kläger zu 1; am weiteren Rechtsmittelverfahren nicht mehr
  24. beteiligt) und R. D. M. (Kläger zu 2) kauften am 14. Oktober 1992
  25. mit notariellem Vertrag als Gesellschafter einer am selben Tag gegründeten
  26. -3-
  27. Gesellschaft bürgerlichen Rechts mehrere Grundstücke in E., Kreis B.,
  28. für rund 14,8 Mio. DM, um sie zu bebauen. Sie wurden durch Auflassungsvormerkungen gesichert, haben aber bisher kein Eigentum an den Grundstücken
  29. erworben. Am 17. September 1993 trat die Beklagte zu 1 "in die bestehende
  30. Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit aufschiebender Bedingung der Zustimmung der Geschäftsleitung ... mittels einer noch abzuschließenden Vereinbarung" ein. Sie sollte mit 90 % am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust beteiligt werden. Die "Neugesellschaft" sollte "alle bisher angefallenen Kosten der
  31. Gesellschaft" übernehmen und damit "den von den Altgesellschaftern privat
  32. getragenen Aufwand durch Aufnahme von Darlehen" ausgleichen. Die Alt- und
  33. Neugesellschafter unterwarfen sich nach dem Neueintritt der Beklagten zu 1
  34. "einem neuen Gesellschaftsvertrag gemäß Anlage 3"; in dieser Anlage ist der
  35. Beklagte zu 2 nicht als "Neugesellschafter" aufgeführt.
  36. Am
  37. 10. März
  38. 1994
  39. schlossen
  40. "R.
  41. D.
  42. M.
  43. und
  44. G.
  45. H.
  46. in
  47. Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (im folgenden: "M. und H."), die Beklagte
  48. zu 1
  49. und
  50. der
  51. Beklagte
  52. zu 2
  53. einen
  54. Gesellschaftsvertrag
  55. "GbR
  56. W.",
  57. der die Planung und "die Bebauung der Grundstücke, die Übernahme
  58. der technischen und kaufmännischen Baubetreuung, die Vermietung und die
  59. Vermarktung der bebauten oder unbebauten Grundstücke oder von Teilen derselben" vorsah und die Tätigkeitsbereiche der Gesellschafter näher regelte.
  60. Die Beklagte zu 1 erhielt einen Anteil von 60 %, der Beklagte zu 2 einen solchen von 30 % und die am Vertragsabschluß beteiligte Gesellschaft bürgerlichen Rechts "M. und H." den Restanteil von 10 %. Mit Schreiben vom 21. April
  61. 1994 wies die Beklagte zu 1 darauf hin, daß eine Genehmigung des Projekts
  62. durch ihren Vorstand nicht vorliege, und kündigte die Vereinbarung vorsorglich.
  63. Am 17. Mai 1994 berief sich auch der Beklagte zu 2 darauf, ein Vertrag sei
  64. nicht wirksam zustande gekommen, und kündigte ebenfalls vorsorglich.
  65. -4-
  66. Der Kläger zu 2 ist der Ansicht, die Beklagten seien der Gesellschaft
  67. wirksam beigetreten. Er nimmt sie wegen anteiliger Notarkosten sowie auf
  68. Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt Eb. wegen
  69. der Grunderwerbsteuer in Anspruch.
  70. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des
  71. Klägers zu 2 hat der Senat die Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil vom 2. Oktober 1997 (II ZR 249/96, WM 1997, 2220) aufgehoben und die
  72. Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat die Berufung der
  73. Kläger wiederum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers zu 2.
  74. Entscheidungsgründe:
  75. Die Revision führt zur nochmaligen Zurückverweisung der Sache an das
  76. Berufungsgericht.
  77. I. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, es sei eine Genehmigung
  78. des Vertrages durch den Gesamtvorstand der Beklagten zu 1 erforderlich gewesen, halten allerdings revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Es war bisher
  79. unstreitig, daß das Projekt von dem Vorstand der Beklagten zu 1 genehmigt
  80. werden mußte. Die Kläger haben dies durch die Vorlage des Schreibens vom
  81. 21. Februar 1994 ausdrücklich vorgetragen und in dem Schriftsatz vom 22. Mai
  82. 1995
  83. bestätigt.
  84. Der
  85. Versuch
  86. der
  87. Revision,
  88. die
  89. Vereinbarung
  90. vom
  91. 17. September 1993 dahin auszulegen, daß nicht die Zustimmung des Ge-
  92. -5-
  93. samtvorstandes, sondern nur die der Geschäftsleitung des Bereiches HOG
  94. gemeint gewesen sei, widerspricht deshalb dem eigenen Vortrag der Kläger.
  95. II. Das Berufungsurteil leidet jedoch an einem schweren Verfahrensmangel, soweit es feststellt, die Zustimmung des Gesamtvorstands sei nicht
  96. erteilt worden.
  97. 1. Bei der Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht ausdrücklich auf
  98. die
  99. We.,
  100. Hr.
  101. Glaubwürdigkeit
  102. Ra.,
  103. und
  104. der
  105. der
  106. Zeugen
  107. Dr. S.
  108. und
  109. Bu.
  110. Zeuge
  111. La.
  112. seien
  113. abgestellt.
  114. seien
  115. Die
  116. Zeugen
  117. glaubwürdig,
  118. unglaubwürdig.
  119. Die
  120. die
  121. Z.-K.,
  122. L.,
  123. Zeugin
  124. Beweisaufnahme
  125. hat vor dem Richter am Oberlandesgericht Dr. Ri. als Einzelrichter stattgefunden. Dieser Richter hat an der Endentscheidung nicht mehr mitgewirkt. In
  126. den Vernehmungsprotokollen finden sich zur Glaubwürdigkeit der Zeugen keine Vermerke oder Hinweise.
  127. 2. Damit liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der
  128. Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) vor. Bei einem Kollegialgericht kann dieser
  129. Grundsatz nicht einmal dadurch gewahrt werden, daß ein Mitglied des Gerichts
  130. an einer Zeugenvernehmung teilnimmt und die übrigen zur Entscheidung berufenen Richter formlos über seine persönlichen Eindrücke unterrichtet. Soweit
  131. es um die Glaubwürdigkeit der Zeugen geht, muß das erkennende Gericht in
  132. seiner Spruchbesetzung einen persönlichen Eindruck von den Zeugen gewonnen haben oder auf eine aktenkundige und der Stellungnahme durch die Parteien zugängliche Beurteilung zurückgreifen können (BGH, Urt. v. 4. Februar
  133. 1997 - XI ZR 160/96, NJW 1997, 1586, 1587 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist
  134. keines dieser beiden Erfordernisse erfüllt.
  135. -6-
  136. 3. Dieser Fehler kann entgegen der Meinung der Revisionserwiderung
  137. des Beklagten zu 2 auch nicht mit dem Argument aus der Welt geschafft werden, das Berufungsgericht habe seine Entscheidung zusätzlich zu den Erwägungen zur persönlichen Glaubwürdigkeit auch auf den sachlichen Inhalt der
  138. Aussagen gestützt und diese Erwägungen seien für sich allein geeignet, die
  139. Entscheidung zu tragen. Da das Berufungsgericht zur Glaubwürdigkeit der
  140. Zeugen Stellung nimmt, ihr also erhebliche Bedeutung beimißt, stehen und
  141. fallen die Bekundungen der Zeugen mit ihrer Glaubwürdigkeit.
  142. Der Verfahrensfehler kann auch nicht - wie die Revisionserwiderung der
  143. Beklagten zu 1 meint - mit der Erwägung ausgeräumt werden, das Berufungsgericht habe in Wahrheit nur zur Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen Ausführungen gemacht. Das Berufungsgericht hat eindeutig zur Glaubwürdigkeit der
  144. Zeugen Stellung genommen; es ging ihm nicht nur um die Glaubhaftigkeit der
  145. Aussagen, sondern auch um die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Jedenfalls läßt
  146. sich dies - da das Berufungsgericht wiederholt von "Glaubwürdigkeit" spricht
  147. und diese an einer Stelle ausdrücklich von der Glaubhaftigkeit unterscheidet nicht ausschließen.
  148. -7-
  149. III. Aus dem Hinweis des Berufungsgerichts, eine Schlußentscheidung
  150. sei beabsichtigt, und dem Unterbleiben neuer Beweisanträge oder eines Widerspruchs gegen die Verwertung der durch den Einzelrichter durchgeführten
  151. Beweisaufnahme kann ein Rügeverzicht nicht abgeleitet werden.
  152. IV. Damit das Berufungsgericht den Verfahrensfehler beseitigen und erforderlichenfalls weitere Feststellungen treffen kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
  153. Röhricht
  154. Hesselberger
  155. Kraemer
  156. Henze
  157. Münke