You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

893 lines
53 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 7/14
  5. Verkündet am:
  6. 11. Juni 2015
  7. Bürk
  8. Amtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Tauschbörse II
  19. UrhG § 85 Abs. 1 Satz 1, § 97; BGB § 670, § 832 Abs. 1; ZPO § 287, § 383
  20. Abs. 1 Nr. 3, § 448, § 559 Abs. 1
  21. a) Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu
  22. beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre
  23. grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch,
  24. dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht
  25. ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln
  26. zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (Fortführung von BGH, Urteil
  27. vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus).
  28. b) Sind Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht für eine durch die zu beaufsichtigende Person widerrechtlich herbeigeführte Urheberrechtsverletzung verantwortlich, kann der
  29. zu ersetzende Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden.
  30. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 7/14 - OLG Köln
  31. LG Köln
  32. -2-
  33. -3-
  34. Der
  35. I. Zivilsenat
  36. des
  37. Bundesgerichtshofs
  38. hat
  39. auf
  40. die
  41. mündliche
  42. Verhandlung vom 11. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
  43. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke
  44. und den Richter Feddersen
  45. für Recht erkannt:
  46. Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2013 wird auf Kosten der Beklagten
  47. zurückgewiesen.
  48. Von Rechts wegen
  49. Tatbestand:
  50. 1
  51. Die Klägerinnen sind deutsche Tonträgerhersteller. Sie verfügen über
  52. ausschließliche Verwertungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen. Die Klägerin zu 2 ist im Verlaufe des Revisionsverfahrens auf die Klägerin zu 3 verschmolzen worden. Die Beklagte ist Inhaberin eines Internetzugangs.
  53. 2
  54. Im Haushalt der Beklagten befand sich ein Computer, der über einen verkehrsüblich verschlüsselten WLAN-Anschluss mit dem Internet verbunden war.
  55. Der Anschluss wurde von der Beklagten sowie ihrer damals 14-jährigen Tochter
  56. und ihrem damals 16-jährigen Sohn benutzt. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des rechtswidrigen Filesharing über den Internet-
  57. -4-
  58. zugang der Beklagten fand eine telefonische Kontaktaufnahme der Polizei mit
  59. der Beklagten statt, bei der die Beklagte äußerte, dass nur ihre Tochter als Verantwortliche für das Herunterladen der Musikdateien in Frage komme. In der
  60. daraufhin durchgeführten polizeilichen Vernehmung der Tochter gab diese nach
  61. Belehrung als Beschuldigte zu, am 17. Dezember 2007 "über eine Tauschbörse
  62. und die Software Bearshare 407 Audio-Dateien heruntergeladen und öffentlich
  63. zugänglich gemacht zu haben". Ferner erklärte sie, ihr sei nicht so recht bewusst gewesen, dass sie die Audio-Dateien auf diese Art und Weise nicht herunterladen dürfe.
  64. 3
  65. Die Klägerinnen ließen die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom
  66. 12. März 2008 abmahnen; sie behaupteten, durch das von den Klägerinnen
  67. beauftragte Unternehmen p.
  68. 17. Dezember
  69. 2007
  70. um
  71. GmbH sei festgestellt worden, dass am
  72. 20.12 Uhr
  73. über
  74. die
  75. IP-Adresse
  76. 407 Audiodateien zum Herunterladen verfügbar gemacht worden seien. In einem daraufhin eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sei
  77. festgestellt worden, dass diese IP-Adresse zum genannten Zeitpunkt dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen gewesen sei. Die angebotenen Dateien enthielten Musikaufnahmen, für die die Klägerinnen originär oder aufgrund
  78. rechtsgeschäftlichen Erwerbs die ausschließlichen Verwertungsrechte der Tonträgerhersteller sowie aufgrund abgeleiteten Erwerbs Rechte der ausübenden
  79. Künstler für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland besäßen. Die Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
  80. 4
  81. Die Klägerinnen haben die Beklagte auf Erstattung von Abmahnkosten in
  82. Höhe von 2.380,80 € in Anspruch genommen. Den Betrag haben sie auf der
  83. Basis eines Gegenstandswerts von 200.000 € berechnet. Außerdem haben die
  84. Klägerinnen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 € wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von insgesamt 15 im Einzelnen nach Künstler und
  85. -5-
  86. Titel benannten Musikaufnahmen verlangt. Dabei sind sie für jeden Titel von
  87. einer fiktiven Lizenzgebühr von 200 € ausgegangen.
  88. 5
  89. Sie haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 einen Schadensersatz in Höhe von 400 €, an die Klägerin zu 2 einen Schadensersatz in Höhe von 1.400 €, an die Klägerin zu 3 einen Schadensersatz in Höhe
  90. von 800 € und an die Klägerin zu 4 einen Schadensersatz in Höhe von 400 €
  91. sowie an die Klägerinnen zu gleichen Teilen einen Betrag in Höhe von
  92. 2.380,80 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
  93. 6
  94. Die Beklagte wendet sich gegen die Verwertung des polizeilichen Geständnisses ihrer Tochter und behauptet, sie habe diese über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen im Internet belehrt. Außerdem macht
  95. sie geltend, der verlangte Schadensersatz und die Abmahnkosten seien überhöht.
  96. 7
  97. Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung der Tochter der Beklagten als Zeugin bis auf einen Teil der Abmahnkosten stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung
  98. im Übrigen das landgerichtliche Urteil im Hinblick auf die Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten abgeändert. Es hat die Beklagte unter Abweisung
  99. der weitergehenden Klage und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen
  100. verurteilt, an die Klägerinnen zu gleichen Teilen einen Betrag von 952,32 €
  101. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
  102. 29. November 2011 zu zahlen (OLG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2013
  103. - 6 U 96/13, juris). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision,
  104. deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt die Beklagte ihren
  105. Klageabweisungsantrag weiter.
  106. -6-
  107. Entscheidungsgründe:
  108. 8
  109. A. Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägerinnen stünden die
  110. geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der
  111. Lizenzanalogie in voller Höhe und der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Höhe von
  112. 952,32 € zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
  113. 9
  114. Die Klägerinnen könnten als Tonträgerhersteller jeweils Schadensersatz
  115. gemäß § 97 UrhG verlangen. Sie seien nach den vorgelegten Ausdrucken der
  116. Katalogdatenbank "www.
  117. .de" der Ph.
  118. GmbH als Lieferantinnen
  119. der fraglichen Musikaufnahmen ausgewiesen. Die Beklagte habe die Indizwirkung dieser Einträge nur pauschal bestritten, indes nichts dazu vorgetragen,
  120. dass anderweitige Rechte Dritter bestünden. Die dem Schadensersatzantrag
  121. zugrunde liegenden 15 Musikaufnahmen seien über den Internetanschluss der
  122. Beklagten von ihrer Tochter öffentlich zugänglich gemacht worden. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei die Begehung der Rechtsverletzungen durch die
  123. Tochter der Beklagten als erwiesen angesehen. Die Beklagte habe dafür als
  124. Aufsichtspflichtige gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB einzustehen. Sie habe den
  125. Nachweis nicht geführt, dass sie ihrer Aufsichtspflicht genügt habe oder der von
  126. den Klägerinnen geltend gemachte Schaden auch bei gehöriger Beaufsichtigung entstanden sein würde (§ 832 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klägerinnen könnten für jeden der insgesamt 15 von ihnen in die Berechnung einbezogenen Musiktitel im Wege der Lizenzanalogie einen Betrag in Höhe von 200 € verlangen.
  127. Den Klägerinnen stünden unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne
  128. Auftrag zudem Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten zu. Da der Umfang der schlüssig dargelegten Rechtsverletzungen jedoch deutlich hinter der
  129. Zahl der in der Abmahnung behaupteten Rechtsverletzungen zurückbleibe, sei
  130. der Gegenstandswert des berechtigten Teils der Abmahnung entgegen der An-
  131. -7-
  132. sicht der Klägerinnen nicht mit 200.000 €, sondern mit 80.000 € zu bemessen.
  133. Dies führe unter Ansatz einer 1,3-Geschäftsgebühr zu einem Erstattungsanspruch in Höhe von 952,32 €.
  134. 10
  135. B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist unbegründet. Den
  136. Klägerinnen stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF sowie auf Erstattung von Abmahnkosten unter
  137. dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1,
  138. § 670 BGB) in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe zu.
  139. 11
  140. I. Die Revision ist - anders als die Revisionserwiderung meint - uneingeschränkt zulässig. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine
  141. Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der
  142. Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil
  143. vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324). Das muss jedoch
  144. zweifelsfrei geschehen; die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der
  145. Revision reicht nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012,
  146. 58 Rn. 12 - Seilzirkus; Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013,
  147. 833 Rn. 18 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria; Urteil vom 27. März
  148. 2013 - I ZR 9/12, GRUR 2013, 1213 Rn. 14 = WRP 2013, 1620 - SUMO; Urteil
  149. vom 9. Oktober 2014 - I ZR 162/13, GRUR 2015, 498 Rn. 12 = WRP 2015, 569
  150. - Combiotik).
  151. 12
  152. Das Berufungsgericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, die Revisionszulassung erfolge im Hinblick darauf, dass die im Streitfall aufgeworfenen
  153. grundsätzlichen Fragen der Schadensberechnung und der Abmahnkostenerstattung nicht ausreichend geklärt erschienen. Das reicht nicht aus, um mit der
  154. -8-
  155. notwendigen Sicherheit von einer nur beschränkten Revisionszulassung auszugehen. Das gebietet der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Die Parteien müssen zweifelsfrei erkennen können, welches Rechtsmittel für sie in Betracht
  156. kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 108,
  157. 341, 349).
  158. 13
  159. II. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägerinnen gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF Schadensersatzansprüche in Höhe von 200 € für jede der 15 zum Download bereitgehaltenen Dateien mit Musikaufnahmen zustehen.
  160. 14
  161. 1. Nach der im Zeitpunkt der behaupteten Verletzung (Dezember 2007)
  162. maßgeblichen Fassung des § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG vom 23. Juni 1995 kann
  163. auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wer das Urheberrecht
  164. oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt.
  165. 15
  166. Die Klägerinnen haben ihre Klage auf eine Verletzung der ihnen als Hersteller von Tonträgern zustehenden Verwertungsrechte gemäß § 85 Abs. 1
  167. Satz 1 UrhG und damit auf ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes
  168. Recht gestützt. Nach dieser Bestimmung hat der Hersteller eines Tonträgers
  169. das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und
  170. öffentlich zugänglich zu machen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon
  171. ausgegangen, dass das Anbieten von Tonaufnahmen mittels eines FilesharingProgramms in sogenannten "Peer-to-Peer"-Netzwerken im Internet das Recht
  172. auf öffentliche Zugänglichmachung des Herstellers des Tonträgers, auf dem die
  173. Tonaufnahme aufgezeichnet ist, verletzt (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015
  174. - I ZR 19/14, Rn. 14 - Tauschbörse I; Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 85 UrhG Rn. 47; Boddien in Fromm/Nordemann, Urheberrecht,
  175. -9-
  176. 11. Aufl., § 85 UrhG Rn. 56; Schaefer in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht,
  177. 4. Aufl., § 85 UrhG Rn. 40). Dagegen erhebt die Revision keine Rügen.
  178. 16
  179. 2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerinnen in Bezug auf die den Schadensersatzbegehren zugrunde gelegten 15
  180. Musiktitel Inhaber der Tonträgerherstellerrechte im Sinne von § 85 Abs. 1
  181. Satz 1 UrhG sind.
  182. 17
  183. a) In seinem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil hat das
  184. Landgericht angenommen, die Klägerinnen seien nach den vorgelegten Ausdrucken der Katalogdatenbank "www.
  185. .de" der Ph.
  186. GmbH als
  187. Lieferantinnen der Musiktitel ausgewiesen, die nach dem Vortrag der Klägerinnen vom Internetanschluss der Beklagten mit dem Tauschbörsenprogramm
  188. "BearShare" am 17. Dezember 2007 öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Gegen diese tatrichterliche Feststellung hat die Revision keine Rügen erhoben.
  189. 18
  190. b) Das Landgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass diese
  191. Eintragungen in der Datenbank ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft der
  192. Tonträgerherstellerrechte ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14,
  193. Rn. 17 ff. - Tauschbörse I).
  194. 19
  195. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht das Bestreiten der Rechtsinhaberschaft der Klägerinnen mit Nichtwissen im Sinne von
  196. § 138 Abs. 4 ZPO durch die Beklagte nicht für unzulässig gehalten. Es ist vielmehr von einem zulässigen Bestreiten ausgegangen und hat deshalb die Aktivlegitimation der Klägerinnen für beweisbedürftig gehalten. Im Rahmen tatrichterlicher Würdigung ist es jedoch davon ausgegangen, dass den von den Klägerinnen vorgelegten Auszügen aus dem Ph.
  197. Medienkatalog eine maß-
  198. - 10 -
  199. gebliche Indizwirkung für die Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte im
  200. Sinne von § 85 Abs. 1 UrhG zukommt und ein pauschales Bestreiten der Aktivlegitimation deshalb nicht ausreicht. Diese Beurteilung ist frei von Rechtsfehlern
  201. (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, Rn. 18 ff.
  202. - Tauschbörse I).
  203. 20
  204. 3. Die Revision rügt ohne Erfolg, entgegen der vom Berufungsgericht in
  205. Bezug genommenen Auffassung des Landgerichts handele es sich bei den Dateifragmenten, die über die Tauschbörse übermittelt würden, nicht um urheberrechtsschutzfähige Werke. Im Streitfall ist es unerheblich, ob auf dem Computer
  206. der Beklagten Dateien mit vollständigen Musikstücken oder lediglich Dateifragmente vorhanden waren. Das Berufungsgericht hat - bei verständiger Würdigung seiner Entscheidungsgründe - eine Verletzung des Tonträgerherstellerrechts gemäß § 85 Abs. 1 UrhG angenommen. Maßgeblicher Verletzungsgegenstand ist mithin kein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne von § 2
  207. UrhG. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Beklagte die Leistungsschutzrechte
  208. des Herstellers von Tonträgern im Sinne von § 85 UrhG verletzt hat. Schutzgegenstand des § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist aber nicht der Tonträger oder die
  209. Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger
  210. erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers. Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung
  211. für den gesamten Tonträger erbringt, gibt es keinen Teil des Tonträgers, auf
  212. den nicht ein Teil dieses Aufwands entfällt und der daher nicht geschützt ist.
  213. Mithin stellt selbst die Entnahme kleinster Tonpartikel einen Eingriff in die durch
  214. § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte Leistung des Tonträgerherstellers dar
  215. (BGH, Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 Rn. 14
  216. = WRP 2009, 308 - Metall auf Metall I). Soweit die Revision außerdem geltend
  217. macht, es sei nicht festgestellt worden, dass im Streitfall vollständige Dateien
  218. - 11 -
  219. hochgeladen worden seien, hat sie ebenfalls keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dargelegt. Für ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von
  220. § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist das Hochladen einer Datei nicht erforderlich. Ausreichend ist bereits, dass Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre
  221. des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird (BGH, Urteil vom
  222. 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, Rn. 28 - Tauschbörse I; zu § 19a UrhG BGH, Urteil
  223. vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 19 - Vorschaubilder I,
  224. mwN).
  225. 21
  226. 4. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die
  227. streitbefangenen 15 Musiktitel am 17. Dezember 2007 um 20.12 Uhr vom Internetanschluss der Beklagten durch deren Tochter öffentlich zugänglich gemacht
  228. wurden.
  229. 22
  230. a) Die dagegen von der Revision erhobene Rüge, aufgrund des Vortrags
  231. der Beklagten zu Fehlern in der Protokollierung und Zeiterfassung der IPAdresse könnten die Klägerinnen die behaupteten Urheberrechtsverletzungen
  232. nicht auf die von ihnen zur Akte gereichten Screenshots stützen, geht ins Leere.
  233. Das Berufungsgericht hat sich nicht auf diese Unterlagen gestützt, sondern
  234. - wie das Landgericht - angenommen, dass die Rechtsverletzung aufgrund des
  235. Geständnisses der Tochter der Beklagten feststeht. Soweit sich die Revision
  236. gegen die Echtheit und Authentizität der von den Klägerinnen eingereichten
  237. Screenshots wendet, hat sie zudem keine zulässige Revisionsrüge erhoben
  238. (§ 559 Abs. 1 ZPO). Die Revision legt nicht dar, dass die Beklagte in den Tatsacheninstanzen einen entsprechenden Vortrag gehalten hat.
  239. 23
  240. b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Tochter der
  241. Beklagten die in Rede stehenden Rechtsverletzungen begangen hat. Dies er-
  242. - 12 -
  243. gebe sich aus dem Geständnis der Tochter im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
  244. 24
  245. aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, einer Verwertung des polizeilichen Vernehmungsprotokolls stehe der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 ZPO) entgegen.
  246. 25
  247. Allerdings ist die grundsätzlich zulässige Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage in einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises unzulässig, wenn eine Partei zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die
  248. Vernehmung dieses Zeugen beantragt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2013
  249. - V ZR 85/12, MDR 2013, 1184 Rn. 7 f.). Diese Grundsätze sind im Streitfall
  250. beachtet worden. Das Berufungsgericht hat seine tatrichterliche Überzeugung
  251. nicht allein gemäß § 415 Abs. 1 ZPO auf das polizeiliche Vernehmungsprotokoll
  252. gestützt. Es hat außerdem berücksichtigt, dass das Landgericht die Tochter der
  253. Beklagten als Zeugin vernommen und diese bei ihrer Vernehmung bestätigt hat,
  254. vor der Polizei das Geständnis abgelegt zu haben.
  255. 26
  256. bb) Die Revision rügt ferner vergeblich, die Aussage der Zeugin sei nicht
  257. verwertbar, weil sie allenfalls über ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen nach § 384 Nr. 1 ZPO, nicht aber über das ihr gemäß § 383
  258. Abs. 1 Nr. 3 ZPO als Tochter der Beklagten aus persönlichen Gründen zustehende Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden sei.
  259. 27
  260. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Zeugin vor dem Landgericht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Tochter der Beklagten belehrt
  261. worden sei. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass das Berufungsgericht insoweit nicht die Vorschrift des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, sondern "§ 183
  262. Abs. 1 Nr. 3 ZPO" angeführt hat. Dem Berufungsgericht ist dabei ein offensicht-
  263. - 13 -
  264. liches Schreibversehen unterlaufen. Eine Belehrung gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3
  265. ZPO lässt sich auch dem Protokoll der landgerichtlichen Beweisaufnahme entnehmen (§ 165 ZPO). Dort ist festgehalten, dass die Zeugin die Tochter der
  266. Beklagten ist und sie nach besonderer Belehrung aussagebereit war. Wörtlich
  267. heißt es dort nach den Angaben zum Namen, Alter, Beruf und Wohnort: "Ich bin
  268. die Tochter der Beklagten, nach besonderer Belehrung aussagebereit."
  269. 28
  270. cc) Entgegen der Ansicht der Revision steht der Verwertung des polizeilichen Geständnisses nicht der Umstand entgegen, dass die Zeugin im Rahmen
  271. der Beweisaufnahme vor dem Landgericht zwar bestätigt hat, bei der Polizei die
  272. Verletzungshandlung gestanden zu haben, auf die Frage des Gerichts, ob sie
  273. es denn war, dazu aber nichts sagen wollte. Die Zeugnisverweigerung eines
  274. Zeugen im Zivilprozess schließt - anders als im Strafprozess gemäß § 252
  275. StPO - die Verwertung von Niederschriften früherer in Kenntnis des Zeugnisverweigerungsrechts getätigter Aussagen nicht aus (BGH, Beschluss vom
  276. 4. Dezember 2012 - VI ZB 2/12, NJW-RR 2013, 159 Rn. 17; Zöller/Greger,
  277. ZPO, 30. Aufl., § 383 Rn. 6).
  278. 29
  279. 5. Die Beklagte ist gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB für den durch die Verletzungshandlung ihrer Tochter verursachten Schaden verantwortlich. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sie ihre Aufsichtspflicht
  280. verletzt hat.
  281. 30
  282. a) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gemäß
  283. § 832 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach § 832
  284. Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt.
  285. - 14 -
  286. 31
  287. b) Die Beklagte war kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ihre
  288. damals 14-jährige und damit minderjährige Tochter verpflichtet (§ 1626 Abs. 1,
  289. § 1631 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen,
  290. dass die Beklagte ihrer Aufsichtspflicht nicht genügt hat.
  291. 32
  292. aa) Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind zu verhindern. Dazu zählt die Verhinderung der Urheberrechte verletzenden Teilnahme
  293. des Kindes an Tauschbörsen. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht
  294. über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote
  295. befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme
  296. daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch
  297. das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem
  298. Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich
  299. nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete
  300. Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH,
  301. Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 = WRP
  302. 2013, 799 - Morpheus).
  303. 33
  304. bb) Von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat
  305. angenommen, das Landgericht habe eine Belehrung der Tochter der Beklagten
  306. nicht festzustellen vermocht. Ebenso wenig sei erwiesen, dass eine Belehrung
  307. fruchtlos geblieben wäre. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen konnte sich die als
  308. Zeugin vernommene Tochter der Beklagten nicht erinnern, vor der Nutzung des
  309. Internets mit ihrer Mutter überhaupt über das Internet und seine Nutzung gesprochen zu haben. Ihr sei deswegen - so die Tochter in ihrer Aussage - gar
  310. nicht so recht bewusst gewesen, was illegale Downloads seien oder dass es
  311. - 15 -
  312. diese überhaupt gebe. Vielmehr habe ihr (älterer) Bruder ihr gezeigt, wie man
  313. Computer und Internet nutze.
  314. 34
  315. cc) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen einer Parteivernehmung der Beklagten gemäß § 448 ZPO nicht verneinen dürfen.
  316. 35
  317. (1) Gemäß § 448 ZPO kann das Gericht auch ohne Antrag einer Partei
  318. und ohne Rücksicht auf die Beweislast die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien anordnen, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit
  319. oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen. Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach § 448 ZPO obliegt dem Ermessen
  320. des Tatrichters und ist nur darauf überprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt worden sind oder das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden
  321. ist (BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 325/11, NJW 2013, 2601 Rn. 11). Die
  322. Parteivernehmung von Amts wegen darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende
  323. Tatsache spricht (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, GRUR 1999, 367,
  324. 368 = WRP 1999, 208 - Vieraugengespräch).
  325. 36
  326. (2) Von diesen Grundsätzen ist zutreffend das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, eine Vernehmung der Beklagten sei nicht geboten gewesen, weil nach den Bekundungen ihrer Tochter keinerlei Anhaltspunkte
  327. für eine hinreichende Belehrung vorgelegen hätten. Es habe deshalb an einer
  328. erforderlichen gewissen Wahrscheinlichkeit der von der Beklagten nicht weiter
  329. substantiierten gegenteiligen Behauptung gefehlt.
  330. - 16 -
  331. 37
  332. (3) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision vergeblich mit der
  333. Rüge, das Berufungsgericht habe wesentlichen Prozessstoff übersehen.
  334. 38
  335. Soweit sie geltend macht, die Zeugin habe ausgesagt, dass ihre Mutter
  336. generell Regeln zu "ordentlichem Verhalten" aufgestellt habe, ergibt sich daraus
  337. keine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Belehrung über die Rechtswidrigkeit
  338. der Teilnahme an Internettauschbörsen und ein Verbot der Teilnahme daran.
  339. Das Landgericht hat vielmehr festgestellt, die Zeugin habe sich nicht erinnern
  340. können, vor der Nutzung des Internets überhaupt mit ihrer Mutter über das Internet und seine Nutzung gesprochen zu haben. Entgegen der Ansicht der Revision entspricht es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass von einer Belehrung und einem Verbot der Teilnahme an Internettauschbörsen bereits deshalb auszugehen ist, weil die Beklagte dem ordentlichen Verhalten ihrer Kinder
  341. die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt haben mag. Ohne Erfolg meint die
  342. Revision außerdem, eine für die Anordnung einer Parteivernehmung ausreichende Wahrscheinlichkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass die Rechtsanwälte der Beklagten bereits in der Antwort auf das Abmahnschreiben der Klägerinnen darauf hingewiesen hätten, die Beklagte habe alle Familienmitglieder,
  343. die Zugang zum Internetanschluss gehabt hätten, ausdrücklich instruiert, weder
  344. Musik noch Filme über das Internet zu tauschen. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit einer streitigen Tatsache kann nicht durch die Vorlage
  345. von vorprozessualen Schreiben dargelegt werden, in denen die Tatsache lediglich behauptet wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1989 - VIII ZR 334/88, NJW
  346. 1989, 3222, 3223; Zöller/Greger aaO § 448 Rn. 4).
  347. 39
  348. 6. Die Revision wendet sich außerdem ohne Erfolg gegen die Beurteilung
  349. des Berufungsgerichts zur Höhe des Schadensersatzes. Das Berufungsgericht
  350. hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Klägerinnen könnten nach der von ihnen
  351. gewählten Berechnungsmethode der Lizenzanalogie gemäß § 97 UrhG einen
  352. - 17 -
  353. Betrag von 200 € für jeden der insgesamt 15 von ihnen in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel verlangen.
  354. 40
  355. a) Soweit die Revision geltend macht, die Klägerinnen hätten ausreichende Anknüpfungstatsachen für die Ermittlung eines konkreten ihnen entstandenen Schadens darlegen müssen, verkennt sie, dass die Klägerinnen gerade
  356. nicht den Ersatz eines ihnen konkret entstandenen Schadens geltend machen,
  357. sondern die Berechnungsart der Lizenzanalogie gewählt haben. Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerinnen den
  358. gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF zu ersetzenden Schaden nach den
  359. Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen können (BGH, Urteil vom 22. März
  360. 1990 - I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie).
  361. 41
  362. aa) Zu Unrecht rügt die Revision, diese Berechnungsart sei nicht anzuwenden, weil die Klägerinnen erklärtermaßen nicht bereit seien, eine Lizenz zur
  363. Zugänglichmachung von Musiktiteln im Rahmen eines Filesharing-Modells zu
  364. erteilen. Ihrer normativen Zielsetzung entsprechend setzt die - fiktive - Lizenz
  365. nicht voraus, dass es bei korrektem Verhalten des Verletzten tatsächlich zum
  366. Abschluss eines Lizenzvertrages gekommen wäre (BGH, Urteil vom 17. Juni
  367. 1992 - I ZR 107/90, GRUR 1993, 55, 58 = WRP 1992, 700 - Tchibo/Rolex II;
  368. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Rn. 23 =
  369. WRP 2006, 274 - Pressefotos; Urteil vom 16. August 2012 - I ZR 96/09, ZUM
  370. 2013, 406 Rn. 30 - Einzelbild).
  371. 42
  372. bb) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Schadensberechnung
  373. nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie scheide aus, weil der Gedanke vorliegend keine Rolle spiele, dass der Verletzer, der ein Schutzrecht ohne Genehmigung in Anspruch genommen habe, nicht privilegiert werden dürfe. Im
  374. Streitfall sei die Beklagte nicht Verletzerin, sondern lediglich Störerin, und kön-
  375. - 18 -
  376. ne deshalb nur im Rahmen der Störerhaftung auf Unterlassung, nicht aber auf
  377. Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Dem kann nicht beigetreten
  378. werden. Die Beklagte haftet nicht lediglich als Störerin. Sie ist vielmehr als Täterin für die schuldhafte Verletzung ihrer Aufsichtspflicht (§ 832 Abs. 1 BGB) verantwortlich. Grundlage für den nach dieser Bestimmung zu leistenden Schadensersatz ist die durch die zu beaufsichtigende Person widerrechtlich herbeigeführte Rechtsgutsverletzung. Im Streitfall ist dies die Verletzung des den Klägerinnen als Tonträgerherstellern zustehenden Verwertungsrechts der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 85 Abs. 1 UrhG. Die für die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie maßgebliche Erwägung,
  379. dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den
  380. Rechtsinhaber gestanden hätte (vgl. BGH, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie), gilt deshalb uneingeschränkt für den im Streitfall eingreifenden Schadensersatzanspruch gemäß § 832 Abs. 1 BGB.
  381. 43
  382. b) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht bei der
  383. Schadensschätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO sein Ermessen nicht fehlerhaft
  384. ausgeübt.
  385. 44
  386. aa) Gibt es - wie im Streitfall - keine branchenüblichen Vergütungssätze
  387. und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr
  388. vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (BGH, ZUM 2013, 406
  389. Rn. 30 - Einzelbild). Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem
  390. Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer
  391. Spielraum zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, GRUR 1993,
  392. 55, 59 = WRP 1992, 700 - Tchibo/Rolex II). Die tatrichterliche Schadensschät-
  393. - 19 -
  394. zung unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGH,
  395. Urteil vom 18. Februar 1993 - III ZR 23/92, NJW-RR 1993, 795, 796). Diesen
  396. Anforderungen hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensschätzung stand. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerinnen
  397. von der Beklagten einen Betrag von jeweils 200 € für die im Streitfall zur Grundlage des Schadensersatzantrags gemachten 15 Musiktitel verlangen kann.
  398. 45
  399. bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, im Rahmen der Schadensschätzung könnten verkehrsübliche Entgeltsätze für legale Downloadangebote
  400. im Internet und Rahmenvereinbarungen der Tonträger-Branche herangezogen
  401. werden. Hiervon ausgehend erscheine ein Betrag von 0,50 € pro Abruf angemessen. Gegen diese Beurteilung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt, hat
  402. die Revision keine konkret ausgeführten Rügen erhoben.
  403. 46
  404. cc) Das Berufungsgericht ist außerdem davon ausgegangen, dass der
  405. Ansatz von mindestens 400 möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer bei Musikaufnahmen der streitbefangenen Art angemessen ist.
  406. Entgegen der Ansicht der Revision ist diese Annahme nicht ins Blaue hinein
  407. erfolgt. Das Berufungsgericht hat vielmehr - mit Blick auf die hier maßgebliche
  408. Verletzungshandlung des öffentlichen Zugänglichmachens - zutreffend angenommen, dass von mindestens 400 möglichen Abrufen durch unbekannte
  409. Tauschbörsenteilnehmer auszugehen ist. Diese Annahme hat das Berufungsgericht auch nachvollziehbar begründet. Es hat auf die Ausführungen in einer
  410. eigenen Entscheidung (OLG Köln, WRP 2012, 1006, 1010 Rn. 38 f.) sowie die
  411. Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg (MMR 2014, 127, 130 f.) Bezug genommen, in denen die Angemessenheit des Ansatzes von 400 mögli-
  412. - 20 -
  413. chen Zugriffen plausibel begründet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015
  414. - I ZR 19/14, Rn. 61 - Tauschbörse I). Entgegen der Ansicht der Revision ist es
  415. angesichts des im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO geltenden weiten Schätzungsermessens nicht notwendig, in jedem Einzelfall konkret die Anzahl der
  416. zum Verletzungszeitpunkt online befindlichen Tauschbörsenteilnehmer festzustellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß die auf dem
  417. Computer eines Tauschbörsenteilnehmers befindlichen Dateien nicht nur zu
  418. dem vom Rechteinhaber zu Beweiszwecken festgestellten genauen Zeitpunkt
  419. zum Download für andere Teilnehmer zur Verfügung stehen. Soweit die Revision ferner geltend macht, es sei möglich zu ermitteln, welche Nutzer auf das
  420. konkrete Angebot hätten zugreifen können, stützt sie sich erneut in unzulässiger Weise auf erstmals in der Revisionsinstanz gehaltenen Tatsachenvortrag
  421. (§ 559 Abs. 1 ZPO). Die Revision hat nicht dargelegt, dass die Beklagte entsprechenden Sachvortrag gehalten hat.
  422. 47
  423. Anders als die Revision meint, steht der Richtigkeit der Annahme von
  424. durchschnittlich 400 möglichen Abrufen nicht der Umstand entgegen, dass im
  425. Streitfall auch deutsche Musikstücke streitbefangen sind. Es ist entgegen der
  426. Ansicht der Revision bereits nicht ersichtlich, dass dies ein Interesse von
  427. Tauschbörsenteilnehmern außerhalb von Deutschland ausschließt.
  428. 48
  429. dd) Soweit die Revision geltend macht, der vom Berufungsgericht pro
  430. streitbefangenem Musiktitel angesetzte Betrag von 200 € sei angesichts des
  431. Umstands, dass hier Schadensersatz für 15 Musiktitel verlangt werde, offensichtlich deutlich übersetzt, versucht sie lediglich in unzulässiger Weise, ihre
  432. eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen,
  433. ohne einen Rechtsfehler darzutun. Die Bestimmung eines fiktiven Lizenzbetrages in Höhe von 200 € je Musikaufnahme hält sich bei der Geltendmachung
  434. von 15 Verletzungsfällen noch im Rahmen dessen, was bei vertraglicher Ein-
  435. - 21 -
  436. räumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14,
  437. Rn. 65 - Tauschbörse I).
  438. 49
  439. ee) Das Berufungsgericht hat zudem ergänzend festgestellt, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die zu einem niedrigeren Ansatz führen
  440. müssten, weder dargetan noch ersichtlich sind. Diese Beurteilung hält der
  441. rechtlichen Nachprüfung stand (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14,
  442. Rn. 58 ff. - Tauschbörse I).
  443. 50
  444. (1) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe
  445. das höchstmöglich übertragbare Datenvolumen des im Jahr 2007 standardmäßig eingesetzten Internetzugangs DSL 1000 sowie die durchschnittlichen Dateigrößen von Musikstücken außer Acht gelassen. Mit diesem Vorbringen ist die
  446. Revision in der Revisionsinstanz ausgeschlossen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Die Revision legt nicht dar, dass das Berufungsgericht einen entsprechenden Vortrag
  447. der Beklagten zu den technischen Kapazitäten des von ihr 2007 eingesetzten
  448. Internetanschlusses und der Größe der im Streitfall maßgeblichen Dateien verfahrensordnungswidrig übergangen hat.
  449. 51
  450. (2) Die Revision macht ferner vergeblich geltend, das Berufungsgericht
  451. habe übersehen, dass angesichts der Anzahl von mindestens 250.000, möglicherweise auf 500.000 zu schätzenden jährlichen Abmahnungen zu Filesharing-Vorwürfen in Betracht gezogen werden müsse, dass sowohl der Anbieter
  452. als auch der Tauschpartner für denselben Fall abgemahnt würden. Abgesehen
  453. davon, dass sich die Revision wiederum auf neuen Tatsachenvortrag stützt, mit
  454. dem sie in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist, kann ihre Rüge auch aus
  455. Rechtsgründen keinen Erfolg haben. Die Revision geht unzutreffend davon aus,
  456. - 22 -
  457. dass bei einem Filesharing-Vorgang Anbieter und Tauschpartner dieselbe
  458. Rechtsverletzung begehen. Sie verkennt dabei, dass die im Streitfall relevante
  459. Verletzungshandlung in der Eröffnung der Zugriffsmöglichkeit an Dritte besteht
  460. und nicht in dem Absenden und Empfangen eines Dateifragments im Zweipersonenverhältnis. Daraus ergibt sich, dass eine eigenständige Verwertungshandlung im Sinne von §§ 85 Abs. 1, 19a UrhG vorliegt, wenn die Zugriffsmöglichkeit
  461. für Dritte eröffnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, Rn. 64
  462. - Tauschbörse I).
  463. 52
  464. (3) Das Landgericht, auf dessen Urteil das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist davon ausgegangen, dass die von der Beklagten angeführten
  465. (niedrigen) Tarife für Streaming-Angebote keinen adäquaten Maßstab zur Bemessung eines fiktiven Lizenzschadens für Filesharing-Angebote darstellen.
  466. Zum einen handele es sich beim Streaming um eine andere Nutzungsart, zum
  467. anderen lägen dem Geschäftsmodell der Streaming-Dienste wie etwa Spotify
  468. oder Simfy gänzlich andere wirtschaftliche Erwägungen und Kalkulationen zugrunde. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Mit
  469. ihrem Vortrag, es setze sich inzwischen die Auffassung durch, dass wirtschaftlich betrachtet die Nutzung von illegalen Filesharing-Netzwerken am ehesten
  470. mit der legalen Nutzung von Streaming-Diensten vergleichbar sei, nach Einschätzung von Branchenexperten habe das Streaming inzwischen den Filesharing-Sektor gewissermaßen als legale Alternative ersetzt, setzt die Revision
  471. lediglich ihre eigene Sicht der Dinge an die Stelle der in tatrichterlicher Würdigung vorgenommenen und nicht erfahrungswidrigen Sachverhaltsbewertung
  472. durch die Vorinstanzen.
  473. 53
  474. III. Das Berufungsgericht hat den Klägerinnen zu Recht einen Anspruch
  475. auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 952,32 € zugesprochen.
  476. - 23 -
  477. 54
  478. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Abmahnung einer Urheberrechtsverletzung unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag
  479. (§§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB) in Betracht kommt. Auf die Abmahnung vom
  480. 12. März 2008 ist die am 1. September 2008 in Kraft getretene und mit Wirkung
  481. vom 9. Oktober 2013 geänderte Regelung des § 97a UrhG nicht anwendbar
  482. (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 11
  483. - BearShare).
  484. 55
  485. 2. Ein auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag gestützter
  486. Erstattungsanspruch setzt voraus, dass die Abmahnung berechtigt war und
  487. dem Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten im Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand (BGHZ 200, 76 Rn. 12 - BearShare).
  488. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Beklagte hat gemäß § 832 Abs. 1
  489. BGB dafür einzustehen, dass ihre minderjährige Tochter im Sinne von § 97
  490. Abs. 1 Satz 1 UrhG aF ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht,
  491. hier das Verwertungsrecht des Tonträgerherstellers auf öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 85 Abs. 1 UrhG, verletzt hat.
  492. 56
  493. 3. Das Berufungsgericht ist außerdem zutreffend davon ausgegangen,
  494. dass der Inhalt der streitgegenständlichen Abmahnung den an sie zu stellenden
  495. Anforderungen entspricht.
  496. 57
  497. a) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten setzt gemäß § 677
  498. BGB voraus, dass die Abmahnung dem Interesse des Abgemahnten entspricht.
  499. Hieraus ergibt sich, dass Form und Inhalt der Abmahnung den Zweck erfüllen
  500. müssen, eine Befriedigung des Gläubigers ohne Prozess herbeizuführen (vgl.
  501. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 41
  502. Rn. 9, 14). Mahnt der Gläubiger zunächst ab, statt sofort Klage zu erheben oder
  503. - 24 -
  504. einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, gibt er damit
  505. dem Schuldner die Möglichkeit, die gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
  506. abzuwenden (BGH, Urteil vom 1. Juni 2006 - I ZR 167/03, GRUR 2007, 164
  507. Rn. 12 = WRP 2007, 67 - Telefax-Werbung II). Daher muss der Gläubiger dem
  508. Schuldner durch die Abmahnung zu erkennen geben, welches Verhalten des
  509. Schuldners er als rechtsverletzend ansieht (vgl. Teplitzky aaO Kap. 41 Rn. 14
  510. mwN). Die Verletzungshandlung muss so konkret angegeben werden, dass der
  511. Schuldner erkennen kann, was ihm in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
  512. vorgeworfen wird (Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 16). In einer Abmahnung sind deshalb der Sachverhalt und der daraus abgeleitete Vorwurf eines
  513. rechtswidrigen Verhaltens so genau anzugeben, dass der Abgemahnte den
  514. Vorwurf tatsächlich und rechtlich überprüfen und die gebotenen Folgerungen
  515. daraus ziehen kann. Der Anspruchsgegner ist in die Lage zu versetzen, die
  516. Verletzungshandlung unter den in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 139/07, GRUR
  517. 2009, 502 Rn. 13 = WRP 2009, 441 - pcb). Nicht erforderlich ist allerdings, alle
  518. Einzelheiten mitzuteilen (Fezer/Büscher aaO § 12 Rn. 16). Bleiben für den
  519. Schuldner gewisse Zweifel am Vorliegen einer Rechtsverletzung oder an der
  520. Aktivlegitimation des Abmahnenden, ist er nach Treu und Glauben gehalten,
  521. den Abmahnenden auf diese Zweifel hinzuweisen und gegebenenfalls nach den
  522. Umständen angemessene Belege für die behaupteten Rechtsverletzungen und
  523. die Legitimation zur Rechtsverfolgung zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom
  524. 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 32 - Stiftparfüm; vgl. zu § 97a
  525. Abs. 2 UrhG J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 23).
  526. 58
  527. b) Diesen Grundsätzen genügt die Abmahnung der Klägerinnen. In dieser
  528. wurde der Beklagten vorgeworfen, geschützte Tonaufnahmen im Umfang von
  529. - 25 -
  530. 407 Musikdateien unter Verstoß gegen §§ 97, 77, 78 Nr. 1, 85, 16, 19a UrhG
  531. am 17. Dezember 2007 um 20:12:46 Uhr über seinen Internetanschluss (IPAdresse "
  532. ") zum Herunterladen verfügbar gemacht zu haben.
  533. Das Berufungsgericht hat ferner - von der Revision nicht beanstandet - festgestellt, dass der Abmahnung eine Liste mit den maßgeblichen Audiodateien beigefügt war und dass die Klägerinnen insoweit ausschließliche Verwertungsrechte geltend gemacht haben. Der Umstand, dass in der Abmahnung nicht aufgeführt war, an welchem der aufgelisteten Titel welche Klägerin Rechte geltend
  534. macht, steht entgegen der Ansicht der Revision der Erstattungsfähigkeit der
  535. Abmahnkosten nicht entgegen. Eine solche konkrete Zuordnung in der Abmahnung war nicht geboten, um die Beklagte in den Stand zu setzen, den Vorwurf
  536. tatsächlich und rechtlich zu überprüfen und die gebotenen Folgerungen daraus
  537. zu ziehen. Für den Fall, dass bei einem oder mehreren der aufgelisteten Musikaufnahmen - etwa aufgrund eines Abgleichs mit den einschlägigen öffentlich
  538. zugänglichen Downloadplattformen wie Amazon oder iTunes - konkrete Zweifel
  539. an der Aktivlegitimation der Klägerinnen oder am Vorliegen eines urheberrechtlichen Schutzes entstanden wären, wäre die Beklagte nach Treu und Glauben
  540. gehalten gewesen, die Klägerinnen auf solche Zweifel hinzuweisen und um
  541. Aufklärung im Hinblick auf die behaupteten Rechtsverletzungen und die Legitimation zur Rechtsverfolgung nachzusuchen. Vorliegend hat die Revision nicht
  542. geltend gemacht, dass die Beklagte solche Zweifel gehabt und die Klägerinnen
  543. vergeblich um Aufklärung gebeten hat.
  544. 59
  545. c) Der Berechtigung der Abmahnung steht nicht entgegen, dass die Formulierung in der beigefügten Unterlassungserklärung darauf gerichtet ist, die
  546. Beklagte selbst möge es unterlassen, geschütztes Musikrepertoire ohne Einwilligung im Internet Dritten verfügbar zu machen. Formulierungen in der Unterlassungserklärung können die Berechtigung einer Abmahnung im Sinne von § 677
  547. - 26 -
  548. BGB nicht in Frage stellen, weil die Klägerinnen schon nicht verpflichtet waren,
  549. überhaupt eine solche Erklärung vorzuformulieren (vgl. Teplitzky aaO Kap. 41
  550. Rn. 14 bei Fn. 96 mwN).
  551. 60
  552. d) Ohne Erfolg rügt die Revision, der Ersatz des von den Klägerinnen geforderten Rechtsanwaltshonorars sei nicht geschuldet, weil die Einschaltung
  553. einer Anwaltskanzlei zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen sei. Bei
  554. den Klägerinnen handele es sich um Großunternehmen, denen es ohne weiteres möglich und zumutbar sei, für die Abmahnungen eigene Abteilungen zu
  555. schaffen.
  556. 61
  557. Grundsätzlich dürfen auch Unternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen
  558. es den Umständen nach für erforderlich halten, einen Rechtsanwalt mit der
  559. Abmahnung von Wettbewerbs- und Urheberrechtsverstößen zu beauftragen.
  560. Sie sind daher im Fall der Einschaltung eines Rechtsanwalts berechtigt, vom
  561. Abgemahnten den Ersatz der für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten
  562. zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, GRUR 2008,
  563. 996 Rn. 36 = WRP 2008, 1449 - Clone-CD, mwN). Konkrete Anhaltspunkte, die
  564. im Streitfall eine andere Beurteilung rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich.
  565. 62
  566. 4. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass den Klägerinnen gemäß § 670 BGB erstattungsfähige Aufwendungen auf der Basis des
  567. Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) entstanden sind.
  568. 63
  569. a) Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung einschließlich der Aufwendungen für die Abmahnung ist unter dem Gesichtspunkt
  570. der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB) ebenso
  571. wie als Schadensersatz nur begründet, soweit diese Kosten erforderlich waren
  572. (BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03, GRUR 2004, 789 = WRP 2004, 903
  573. - 27 -
  574. - Selbstauftrag; Urteil vom 24. Februar 2011 - I ZR 181/09, GRUR 2011, 754
  575. Rn. 15 = WRP 2011, 1057 - Kosten des Patentanwalts II).
  576. 64
  577. b) Das Berufungsgericht hat angenommen, im Streitfall hätten die Klägerinnen ihren Rechtsanwälten für die Abmahnung eine 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG VV zu erstatten. Hiergegen wendet sich die Revision ohne
  578. Erfolg.
  579. 65
  580. aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klägerinnen
  581. ihren Rechtsanwälten die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz maßgebliche Gebühr schuldeten. Soweit die Beklagte gemutmaßt habe, die Klägerinnen hätten mit ihren Prozessbevollmächtigten ein unter der gesetzlichen Vergütung liegendes Erfolgshonorar vereinbart, habe sie dafür weder greifbare Anhaltspunkte aufgezeigt noch Beweis angetreten. Diese Beurteilung lässt keinen
  582. Rechtsfehler erkennen.
  583. 66
  584. bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass bei der Frage
  585. der Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten im Regelfall von den im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz getroffenen Bestimmungen auszugehen ist.
  586. 67
  587. (1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe keine greifbaren Anhaltspunkte aufgezeigt, dass die Klägerinnen mit ihren Prozessbevollmächtigten ein erfolgsabhängiges, im Fall eines Vergleichsabschlusses unter
  588. der gesetzlichen Vergütung liegendes Honorar vereinbart hätten.
  589. 68
  590. (2) Dagegen macht die Revision vergeblich geltend, es dürfte inzwischen
  591. gerichtsbekannt sein, dass sich die Abmahnkanzleien bei Aufnahme von Verhandlungen mit den von den angeblichen Urheberrechtsverletzern eingeschalteten Rechtsanwälten regelmäßig auf Vergleiche einließen und dass ihr Vorge-
  592. - 28 -
  593. hen hierauf ausgerichtet sei. Mit diesem Vorbringen stellt die Revision auf vom
  594. Berufungsgericht nicht festgestellte tatsächliche Umstände ab und erhebt daher
  595. eine unzulässige Revisionsrüge (§ 559 Abs. 1 ZPO).
  596. 69
  597. (3) Soweit die Revision außerdem geltend macht, die Beklagte habe das
  598. Vorgehen der Klägerinnen und ihrer Prozessbevollmächtigten eingehend und
  599. unter Beweisantritt geschildert und dazu Berichterstattungen aus den Medien
  600. vorgelegt, lässt dies nicht erkennen, dass die Beklagte substantiiert vorgetragen
  601. hat, dass die Rechtsanwälte der Klägerinnen mit diesen im Streitfall keine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, sondern eine niedrigere
  602. Vergütung für den Fall eines vorgerichtlichen Vergleichs vereinbart hätten. Die
  603. Rüge ist damit bereits unzulässig (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Sie ist im
  604. Übrigen auch unbegründet. Die Klägerinnen haben dargelegt, dass ihre
  605. Rechtsanwälte die Abmahntätigkeit im vorliegenden Verfahren ihnen gegenüber
  606. nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bemessen und abgerechnet haben.
  607. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten. Sie hat vielmehr
  608. - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - lediglich Mutmaßungen
  609. zur generellen Abrechnungspraxis der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen angestellt.
  610. 70
  611. cc) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die Abmahnung der
  612. Klägerinnen sei nicht als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Nach Lage der Dinge könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie vorrangig den sachfremden Zweck verfolgt habe, eine möglichst hohe Geldforderung der Klägerinnen
  613. zu realisieren. An der Unterbindung von Verletzungen ihrer Tonträgerrechte an
  614. einer dreistelligen Zahl von Musikdateien hätten die Klägerinnen ein berechtigtes Interesse. Der Umstand allein, dass die Klägerinnen im nachfolgenden
  615. Rechtsstreit nicht an allen 407 in Rede stehenden Dateien Rechte dargelegt
  616. hätten und wohl auch nicht hätten darlegen können, begründe nicht den Vor-
  617. - 29 -
  618. wurf des Rechtsmissbrauchs, zumal das mit der Abmahnung unterbreitete Vergleichsangebot auf Zahlung eines Pauschalbetrages von 4.000 € angesichts
  619. der in Rede stehenden Schadensersatzbeträge nicht unangemessen erscheine.
  620. Die Revision setzt mit ihrer dies in Zweifel ziehenden Beurteilung lediglich ihre
  621. eigene Sicht der Dinge an die Stelle der vom Berufungsgericht in tatrichterlicher
  622. Würdigung vorgenommenen Sachverhaltsbewertung, ohne einen Rechtsfehler
  623. darzutun.
  624. 71
  625. c) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Gebührenforderung der
  626. Rechtsanwälte der Klägerinnen nicht verjährt. Die Revision macht insoweit geltend, die Rechtsanwälte seien bereits im Jahr 2007 mit der Verfolgung der Ansprüche beauftragt und tätig geworden, so dass zu diesem Zeitpunkt ihr angeblicher Vergütungsanspruch entstanden sei und somit im Innenverhältnis zwischen diesen Parteien mit Ablauf des Jahres 2010, also bereits vor Erteilung
  627. des Auftrags zur Einleitung des im November 2011 begonnenen gerichtlichen
  628. Mahnverfahrens verjährt gewesen sei. Damit hat sie keinen Erfolg. Gemäß § 8
  629. Abs. 1 Satz 1 RVG wird die Rechtsanwaltsvergütung fällig, wenn der Auftrag
  630. erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Mithin konnte der Erstattungsanspruch frühestens mit Versand der streitgegenständlichen Abmahnung im Jahr
  631. 2008 entstanden sein. Die Verjährungsfrist lief deshalb gemäß §§ 195, 199
  632. Abs. 1 BGB jedenfalls bis zum 31. Dezember 2011 und ist zuvor durch Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens gehemmt worden. Ob darüber hinausgehend - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - von der Beendigung des Auftrags erst nach Abschluss der außergerichtlichen Rechtsverfolgung im Jahre 2011 auszugehen ist, kann offenbleiben.
  633. 72
  634. 5. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen den vom Berufungsgericht der Berechnung der zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren zugrunde gelegten Streitwert in Höhe von 80.000 €.
  635. - 30 -
  636. 73
  637. Das Berufungsgericht hat den ursprünglich von den Klägerinnen ihrem Erstattungsantrag zugrunde gelegten Streitwert von 200.000 € auf 80.000 € reduziert, weil die Klägerinnen ihre Aktivlegitimation nicht für 407, sondern nur für
  638. 100 Musiktitel dargelegt hätten. Entgegen der Ansicht der Revision ist die
  639. Schätzung des Streitwerts vom Berufungsgericht nicht ins Blaue hinein erfolgt.
  640. Das Berufungsgericht ist vielmehr unter Bezugnahme auf das landgerichtliche
  641. Urteil davon ausgegangen, dass der reduzierte Streitwert dem Gefährdungspotential der Fortsetzung der Teilnahme an der Tauschbörse entspricht. Diese
  642. tatrichterliche Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit die Revision ausführt, dass der Teilnehmer an einer Tauschbörse lediglich "chunks" zur
  643. Verfügung stelle, dass bei gleichzeitigem Angebot einer Vielzahl von Titeln die
  644. Anzahl der Möglichkeiten von Interessenten im Hinblick auf die Dauer des Herunterladens begrenzt sei und bei der Vielzahl von Abmahnungen die doppelte
  645. Inanspruchnahme zweier Beteiligter nahe liege, erhebt sie wiederum gemäß
  646. § 559 Abs. 1 ZPO unzulässige Rügen.
  647. 74
  648. Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, das Berufungsgericht hätte
  649. bei der Bemessung des Streitwertes die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG
  650. berücksichtigen müssen. Diese Vorschrift ist auf Abmahnungen, die auf die Verletzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten gestützt sind,
  651. nicht entsprechend anwendbar (vgl. Retzer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl.,
  652. § 12 Rn. 916 mwN). Im Übrigen hat die Revision schon nicht geltend gemacht,
  653. dass die persönlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 UWG nach dem von
  654. der Beklagten gehaltenen Vortrag im Streitfall vorliegen.
  655. 75
  656. IV. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerinnen nicht verjährt sind. Es sei auszuschließen, dass die Klägerinnen von der erst am 28. Dezember 2007 bei der
  657. Staatsanwaltschaft Heilbronn eingegangenen Providerauskunft und damit von
  658. - 31 -
  659. der Person der Beklagten ohne grobe Fahrlässigkeit noch im Jahr 2007 hätten
  660. Kenntnis erlangen können. Gegen diese Beurteilung erhebt die Revision keine
  661. zulässige Rüge, sondern wiederholt lediglich die von der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Würdigung abweichende eigene Beurteilung der Beklagten.
  662. 76
  663. V. Die Revision ist somit zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht
  664. auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  665. Büscher
  666. Koch
  667. Schwonke
  668. Vorinstanzen:
  669. LG Köln, Entscheidung vom 02.05.2013 - 14 O 277/12 OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 6 U 96/13 -
  670. Löffler
  671. Feddersen