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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL UND VERSÄUMNISURTEIL
  4. I ZR 71/04
  5. Verkündet am:
  6. 8. Februar 2007
  7. Walz
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. bodo Blue Night
  18. MarkenG § 26 Abs. 3
  19. Besteht eine Übung, zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung mehrere Marken zu verwenden - etwa eine auf das Unternehmen hinweisende
  20. Hauptmarke und eine der Kennzeichnung der einzelnen Artikel dienende
  21. Zweitmarke -, können beide Marken für sich genommen rechtserhaltend benutzt werden.
  22. BGH, Urt. u. Versäumnisurt. v. 8. Februar 2007 - I ZR 71/04 - OLG Hamm
  23. LG Bochum
  24. -2-
  25. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  26. und
  27. die
  28. Richter
  29. Dr. v. Ungern-Sternberg,
  30. Pokrant,
  31. Dr. Schaffert
  32. und
  33. Dr. Kirchhoff
  34. für Recht erkannt:
  35. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
  36. Oberlandesgerichts Hamm vom 1. Juni 2004 aufgehoben.
  37. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  38. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Tatbestand:
  41. 1
  42. Die Klägerin ist Inhaberin der am 25. Oktober 1996 angemeldeten und
  43. am 7. März 1997 unter anderem für "Parfümerien, Eau de Toilette, After Shave"
  44. -3-
  45. eingetragenen Wortmarke "Blue Night". Sie geht aus dieser Marke gegen die
  46. Benutzung des Zeichens
  47. vor, das die Beklagte zu 2 für von der Beklagten zu 1 vertriebene Duftwässer
  48. (After Shave und Eau de Toilette) verwendet. Darüber hinaus ist die Klägerin
  49. Inhaberin der am 18. August 1998 für "Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur
  50. Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer" eingetragenen Wortmarke "Bodo".
  51. 2
  52. Die Klägerin verwendet die Marke "Blue Night" wie nachstehend wiedergegeben in Verbindung mit ihrer Marke "Bodo":
  53. 3
  54. Die Klägerin sieht in der oben wiedergegebenen Verwendung der Kennzeichnung "MAN BLUE NIGHT" eine Verletzung ihrer Marke "Blue Night". Das
  55. zusammengesetzte Zeichen "MAN BLUE NIGHT" werde durch den Bestandteil
  56. "Blue Night" geprägt. Dagegen sei der Bestandteil "MAN" ein rein beschreiben-
  57. -4-
  58. der Gattungsbegriff, der lediglich darauf hinweise, dass es sich um einen Duft
  59. für Männer handele. Bei der von ihr verwendeten Marke stelle "bodo" den
  60. Oberbegriff für eine Vielzahl von Parfümartikeln dar, die sie vertreibe.
  61. Die Klägerin macht Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und
  62. 4
  63. Feststellung der Schadensersatzpflicht gegen die Beklagten geltend.
  64. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben eine rechts-
  65. 5
  66. erhaltende Benutzung der Marke "Blue Night" durch die Klägerin in Abrede gestellt, da sie ausschließlich die Marke "bodo Blue Night" verwendet habe. Durch
  67. das Hinzufügen des ebenfalls prägenden Bestandteils "bodo" sei ein neues Gesamtzeichen entstanden, das der Verkehr nicht mehr mit der Marke "Blue
  68. Night" gleichsetze.
  69. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Beru-
  70. 6
  71. fungsgericht hat die Klage abgewiesen.
  72. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Be-
  73. 7
  74. klagte zu 1 beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte zu 2 war im Revisionsverfahren nicht vertreten.
  75. Entscheidungsgründe:
  76. 8
  77. I. Über den gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Revisionsantrag ist - da
  78. die Beklagte zu 2 trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungs-
  79. -5-
  80. termin nicht vertreten war - auf Antrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zu
  81. entscheiden.
  82. 9
  83. II. Das Berufungsgericht hat eine rechtserhaltende Benutzung der Marke
  84. "Blue Night" durch die Klägerin verneint. Dazu hat es ausgeführt:
  85. 10
  86. Die Klägerin habe die Wortmarke "Blue Night" nicht benutzt, sondern nur
  87. das - im Tatbestand wiedergegebene - Zeichen "bodo Blue Night". Gemäß § 26
  88. Abs. 3 MarkenG gelte als Benutzung einer Marke zwar auch die Verwendung
  89. einer Form, die von der Eintragung abweiche, soweit der kennzeichnende Charakter der Marke durch die Abweichungen nicht verändert werde. Der Verkehr
  90. verstehe "bodo" als Hinweis auf eine bestimmte Duftserie der Klägerin und
  91. "Blue Night" als die Bezeichnung einer Duftnote aus dieser Serie, zumal bei
  92. Duftwässern eine derartige Kennzeichnungspraxis nicht unüblich sei. Mit "bodo"
  93. werde auf die gemeinsame Qualität der Produkte dieser Duftserie verwiesen
  94. und das Produkt gleichsam als Serienmitglied zusätzlich gekennzeichnet. Dem
  95. Bestandteil "bodo", der selbst als Wortmarke für die Klägerin eingetragen sei,
  96. messe der Verkehr eine eigene kennzeichnende Wirkung bei und sehe daher in
  97. der Eintragung ("Blue Night") und der tatsächlichen Benutzungsform ("bodo
  98. Blue Night") nicht mehr ein und dasselbe Zeichen. Der Bestandteil "bodo" trete
  99. auch nicht aus anderen Erwägungen in dem Maße in den Hintergrund, dass der
  100. Verkehr ihm keine eigene kennzeichnende Wirkung beimesse.
  101. 11
  102. III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  103. Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hätte in
  104. Betracht ziehen müssen, dass der Verkehr in der Verwendung des Zeichens
  105. "Blue Night" neben "bodo" möglicherweise eine zweite Marke erkennt.
  106. -6-
  107. 12
  108. 1. Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke i.S. von § 26 Abs. 1
  109. MarkenG erfordert, dass die Marke in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware verwendet wird, für die sie eingetragen ist (BGH, Urt. v. 13.6.2002
  110. - I ZR 312/99, GRUR 2002, 1072, 1073 = WRP 2002, 1284 - SYLT-Kuh; Urt. v.
  111. 21.7.2005 - I ZR 293/02, GRUR 2005, 1047, 1049 = WRP 2005, 1527 - OTTO).
  112. Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt
  113. eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG nur vor, wenn die
  114. Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern.
  115. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit
  116. der eingetragenen Marke gleichsetzt, d.h. in der benutzten Form noch dieselbe
  117. Marke sieht (BGH, Urt. v. 28.8.2003 - I ZR 293/00, GRUR 2003, 1047, 1048 =
  118. WRP 2003, 1439 - Kellogg's/Kelly's).
  119. 13
  120. 2. Werden zur Kennzeichnung einer Ware - wie im Streitfall - zwei Zeichen verwendet, liegt es in der Regel nahe, dass der Verkehr darin ein aus zwei
  121. Teilen bestehendes zusammengesetztes Zeichen erblickt. Denkbar ist aber
  122. auch, dass der Verkehr in der Kennzeichnung keinen einheitlichen Herkunftshinweis, sondern zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen sieht (vgl.
  123. BGH, Urt. v. 5.4.2001 - I ZR 168/98, GRUR 2002, 171, 174 = WRP 2001, 1315
  124. - Marlboro-Dach; Urt. v. 22.7.2004 - I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 866 = WRP
  125. 2004, 1281 - Mustang). Da zur rechtserhaltenden Benutzung einer Marke auch
  126. deren Verwendung als Zweitmarke ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1993
  127. - I ZR 194/91, GRUR 1993, 972, 974 - Sana/Schosana; Beschl. v. 10.11.1999
  128. - I ZB 53/98, GRUR 2000, 510 = WRP 2000, 541 - Contura), muss diese Möglichkeit auch im Streitfall in die Betrachtung miteinbezogen werden (vgl. Hildebrandt, Marken und andere Kennzeichen, § 12 Rdn. 24 f.).
  129. -7-
  130. 14
  131. Der Verkehr ist vielfach an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt (BGH GRUR 1993, 972, 974 - Sana/Schosana, m.w.N.; GRUR 2000,
  132. 510 f. - Contura; BGH, Beschl. v. 20.1.2005 - I ZB 31/03, GRUR 2005, 515, 516
  133. = WRP 2005, 620 - FERROSIL). Ohne weiteres wird die Verwendung einer
  134. Zweitmarke dann deutlich, wenn es sich bei einem der beiden Zeichen um den
  135. dem Verkehr bekannten Namen des Unternehmens handelt. Die Verwendung
  136. einer Zweitmarke liegt aber auch bei Serienzeichen nahe, bei denen das eine
  137. Zeichen die Produktfamilie, das andere das konkrete Produkt benennt. Bei
  138. Duftwässern entspricht eine solche Kennzeichnungspraxis - wie auch das Berufungsgericht festgestellt hat - durchaus dem Üblichen.
  139. 15
  140. Die Verwendung mehrerer Marken zur Kennzeichnung einer Ware oder
  141. Dienstleistung stellt eine weit verbreitete, wirtschaftlich sinnvolle Praxis dar.
  142. Insbesondere ist es üblich, neben einem auf das Unternehmen hinweisenden
  143. Hauptzeichen weitere Marken zur Identifizierung der speziellen einzelnen Artikel einzusetzen. In solchen Fällen können sowohl die Haupt- als auch die
  144. Zweitmarke auf die betriebliche Herkunft hinweisen mit der Folge, dass beide
  145. für sich genommen rechtserhaltend benutzt werden (vgl. BGH GRUR 1993,
  146. 972, 974 - Sana/Schosana; GRUR 2000, 510 f. - Contura; Ströbele in Ströbele/
  147. Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 26 Rdn. 81).
  148. 16
  149. 3. Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen,
  150. ob das mit der Klagemarke "Blue Night" kombinierte Zeichen "bodo" vom Verkehr als eigenständiges Zeichen aufgefasst wird. Ist dies der Fall, kommt es bei
  151. der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarke nicht darauf an,
  152. dass die Produkte der Klägerin auch noch das Zeichen "bodo" tragen. Für die
  153. Annahme, dass der Verkehr in dem Zeichenbestandteil "bodo" eine selbständi-
  154. -8-
  155. ge Zweitmarke erblickt, könnten im Streitfall etwa die häufige Verwendung von
  156. Zweitmarken auf dem hier in Rede stehenden Warengebiet (vgl. BGH GRUR
  157. 1993, 972, 974 - Sana/Schosana; GRUR 2002, 171, 174 - Marlboro-Dach) und
  158. insbesondere eine entsprechende Verwendung des Zeichens "bodo" im Zusammenhang mit anderen Duftnoten sprechen. Die Revision rügt mit Erfolg,
  159. dass das Berufungsgericht dem entsprechenden Vorbringen der Klägerin nicht
  160. nachgegangen ist. Hat die Klägerin - wie von ihr vorgetragen und vom Landgericht festgestellt - unter dem Zeichen "bodo" eine Vielzahl von Düften verschiedener, gesondert gekennzeichneter Duftserien vertrieben, liegt die Annahme
  161. nahe, dass der Verkehr in dem Zeichen "Blue Night" die eingetragene Wortmarke der Klägerin wiedererkennt. Diese Frage bedarf der Klärung.
  162. -9-
  163. 17
  164. IV. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
  165. die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  166. Bornkamm
  167. v. Ungern-Sternberg
  168. Schaffert
  169. Vorinstanzen:
  170. LG Bochum, Entscheidung vom 01.10.2003 - 13 O 100/03 OLG Hamm, Entscheidung vom 01.06.2004 - 4 U 134/03 -
  171. Pokrant
  172. Kirchhoff