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20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 17/11
  5. Verkündet am:
  6. 18. Januar 2012
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Honda-Grauimport
  19. Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 9 Abs. 1 Buchst. a; BGB § 242 Cc
  20. a) Wiederholte gleichartige Markenverletzungen, die zeitlich unterbrochen auftreten, lösen jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch aus und lassen die
  21. für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebliche Frist
  22. jeweils neu beginnen (Anschluss an BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 236; Klarstellung zu BGH, Urteil vom
  23. 23. September 1992 - I ZR 251/90, GRUR 1993, 151, 153 = WRP 1993, 101
  24. - Universitätsemblem).
  25. b) Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB ist im Immaterialgüterrecht allein, dass ein Schutzrechtsinhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte
  26. konkrete bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht
  27. mehr durchzusetzen vermag.
  28. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 17/11 - OLG Düsseldorf
  29. LG Düsseldorf
  30. -2-
  31. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  32. und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
  33. für Recht erkannt:
  34. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats
  35. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 2010 unter
  36. Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagte über das Gebiet der
  37. Europäischen Union hinaus zur Unterlassung verurteilt hat.
  38. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 2a. Zivilkammer des
  39. Landgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2009 auf die Berufung der
  40. Beklagten abgeändert. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
  41. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
  42. Von Rechts wegen
  43. Tatbestand:
  44. 1
  45. Die in Japan ansässige Klägerin stellt Motorräder her. Sie ist Inhaberin
  46. der nachfolgend wiedergegebenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 3310034 (Klagemarke 1),
  47. -3-
  48. die am 3. November 2003 unter anderem für Fahrzeuge (Klasse 12) eingetragen worden ist. Weiterhin ist sie Inhaberin der in roter Schrift gehaltenen, im
  49. Übrigen identischen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2181519, die am 30. September 2002 ebenfalls für Fahrzeuge (Klasse 12) eingetragen worden ist (Klagemarke 2). Die Klägerin verwendet die Marken zur Kennzeichnung der von ihr
  50. hergestellten „HONDA“-Motorräder.
  51. 2
  52. Die Beklagte handelt mit Motorrädern. Im Januar 2007 lieferte sie zwei
  53. „HONDA“-Motorräder nach Spanien, die sie zuvor von Händlern aus Singapur
  54. und Hongkong erworben hatte. Ferner bot sie im Februar 2008 in ihrem Ladengeschäft ein Motorrad mit der Bezeichnung „Honda CBR 600 RR“ zum Kauf an,
  55. das sie ebenfalls aus Singapur importiert hatte. Die Klägerin sieht darin eine
  56. Verletzung ihrer Markenrechte und mahnte die Beklagte im März 2008 erfolglos
  57. ab.
  58. 3
  59. Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung beantragt,
  60. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, Motorräder der Marke Honda, die ohne Zustimmung der
  61. Klägerin erstmals auf dem Gebiet der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden sind, anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen und/oder
  62. solche Produkte erstmals ohne Zustimmung der Klägerin in die Europäische
  63. Union bzw. den Europäischen Wirtschaftsraum einzuführen.
  64. 4
  65. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich auf Erschöpfung der Markenrechte berufen und Verwirkung des Unterlassungsanspruchs
  66. eingewendet, weil sie seit 25 Jahren „HONDA“-Motorräder aus den USA, Singapur und Hongkong importiere, was der Klägerin nicht verborgen geblieben
  67. sei.
  68. -4-
  69. 5
  70. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung
  71. der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
  72. Entscheidungsgründe:
  73. 6
  74. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV zu. Zur Begründung hat es
  75. ausgeführt:
  76. 7
  77. Die Beklagte habe die Rechte der Klägerin aus der Klagemarke 1 verletzt, indem sie gekennzeichnete Markenware in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt sowie zum Kauf angeboten und weiterverkauft habe. Die Markenrechte seien nicht nach Art. 13 Abs. 1 GMV erschöpft, da die Klägerin die in
  78. Rede stehenden Motorräder im Europäischen Wirtschaftsraum weder selbst in
  79. Verkehr gebracht noch ihre Zustimmung hierzu erteilt habe. Eine Zustimmung
  80. ergebe sich weder daraus, dass die Klägerin dem Modell „Honda CBR 600 RR“
  81. sogenannte Homologationsunterlagen und eine deutschsprachige Bedienungsanleitung beigefügt habe, noch daraus, dass die Beklagte im Rahmen von
  82. Rückrufaktionen für Motorräder außereuropäischer Herkunft von der Honda Motor Europe (North) GmbH angeschrieben worden sei; auch ein Zuwarten der
  83. Klägerin vor Inanspruchnahme der Beklagten stehe der Klage nicht entgegen.
  84. 8
  85. Der Unterlassungsanspruch sei nicht nach § 242 BGB verwirkt. Ob die
  86. Grundsätze von Treu und Glauben bei unionsrechtlichen Ansprüchen anwendbar seien, könne dahinstehen, da jedenfalls die Voraussetzungen der Verwirkung nicht erfüllt seien. Es fehle bereits an einem länger andauernden ungestörten Gebrauch der angegriffenen Bezeichnung, weil jede Einfuhr eines
  87. -5-
  88. „HONDA“-Motorrades in den Europäischen Wirtschaftsraum eine eigene
  89. Rechtsverletzung darstelle und einen neuen Anspruch auslöse, wodurch jeweils
  90. die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung maßgebliche Frist neu
  91. zu laufen beginne.
  92. 9
  93. II. Die Revision der Beklagten hat im Wesentlichen keinen Erfolg. Das
  94. Berufungsgericht hat dem Unterlassungsantrag der Klägerin für das Gebiet der
  95. Europäischen Union zu Recht stattgegeben. Nur soweit das Verbot sich darüber hinaus auch auf das gesamte Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums
  96. erstreckt, ist der Revision stattzugeben.
  97. 10
  98. 1. Die Klage ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Klageantrags
  99. gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.
  100. 11
  101. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren auf zwei eingetragene Marken und
  102. damit auf zwei verschiedene Streitgegenstände gestützt (vgl. BGH, Beschluss
  103. vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 3 f. - TÜV I; Urteil vom
  104. 17. August 2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 25 ff. = WRP 2011, 1454
  105. - TÜV II). Auf den Hinweis des Senats hat die Klägerin klargestellt, dass sie ihre
  106. Rechte in erster Linie aus der Klagemarke 1 und nur für den Fall, dass solche
  107. Rechte nicht bestehen sollten, sodann aus der Klagemarke 2 verfolgt. Diese an
  108. sich schon in der Klage gebotene Klarstellung konnte die Klägerin auch noch in
  109. der Revisionsinstanz nachholen; sie ist auch verfahrensrechtlich unbedenklich,
  110. weil das Berufungsgericht die Verurteilung auf die Klagemarke 1 gestützt hat
  111. (vgl. BGH, GRUR 2011, 1043 Rn. 37 - TÜV II).
  112. 12
  113. 2. Das Berufungsgericht hat zu Recht den Verletzungstatbestand des
  114. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV bejaht und eine Erschöpfung des Markenrechts
  115. der Klägerin verneint.
  116. -6-
  117. 13
  118. a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte im Januar 2007 mit der Klagemarke 1 gekennzeichnete „HONDA“-Motorräder aus dem asiatischen Raum nach Deutschland
  119. eingeführt und nach Spanien verkauft. Zudem hat die Beklagte im Februar 2008
  120. ein solches Motorrad aus Asien nach Deutschland eingeführt und hier zum Kauf
  121. angeboten. Dass die darin liegende Zeichenbenutzung mit Zustimmung der
  122. Markeninhaberin erfolgt ist, hat die Beklagte nicht geltend gemacht.
  123. 14
  124. b) Eine Erschöpfung des Markenrechts nach Art. 13 Abs. 1 GMV ist nicht
  125. eingetreten. Die Klägerin hat die „HONDA“-Motorräder nicht selbst im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht. Mit Recht hat das Berufungsgericht
  126. angenommen, dass sie dazu auch keine Zustimmung erteilt hat.
  127. 15
  128. aa) Da die Zustimmung einem Verzicht des Inhabers auf sein ausschließliches Recht im Sinne des Art. 9 GMV gleichkommt und das entscheidende Element für die Erschöpfung dieses Rechts ist, muss sie auf eine Weise
  129. geäußert werden, die einen Willen zum Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lässt (vgl. zu Art. 7 Abs. 1 MarkenRL EuGH, Urteil vom 20. November 2001 - C-414/99, Slg. 2001, I-8691 = GRUR 2002, 156 Rn. 45 = WRP
  130. 2002, 65 - Davidoff; Urteil vom 15. Oktober 2009 - C-324/08, Slg. 2009, I-10019
  131. = GRUR 2009, 1159 Rn. 22 - Makro u.a./Diesel). Ein solcher Wille ergibt sich in
  132. der Regel aus einer ausdrücklichen Erteilung der Zustimmung. Er kann sich
  133. aber auch konkludent aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach
  134. dem Inverkehrbringen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ergeben,
  135. die ebenfalls mit Bestimmtheit einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht erkennen lassen (vgl. EuGH, GRUR 2002, 156 Rn. 46 f. - Davidoff).
  136. 16
  137. bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin dem Inverkehrbringen der „HONDA“-Motorräder im Europäischen Wirtschaftsraum
  138. -7-
  139. nicht ausdrücklich zugestimmt hat und auch keine Anhaltspunkte vorliegen, die
  140. die Annahme einer konkludenten Zustimmung rechtfertigen. Dem Umstand,
  141. dass sich die Klägerin um die Zulassungsfähigkeit der Motorräder der Baureihe
  142. „CBR 600 RR“ im Europäischen Wirtschaftsraum bemüht und eine dahingehende Homologation auch tatsächlich erhalten hat, hat das Berufungsgericht
  143. lediglich entnommen, dass die Klägerin die rechtlichen Voraussetzungen für einen Vertrieb dieses Modells in Europa schaffen wollte, damit aber keine Globalzustimmung für ein Inverkehrbringen aller Motorräder dieses Typs im Europäischen Wirtschaftsraum erteilt hat. Diese auf tatrichterlichem Gebiet liegende
  144. Würdigung wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Sie ist weder erfahrungswidrig noch sonst aus Rechtsgründen zu beanstanden.
  145. 17
  146. Gleiches gilt für die Beurteilung des Umstandes, dass die Klägerin die
  147. Motorräder nach europäischen Spezifikationen hergestellt und ihnen deutschsprachige Bedienungsanleitungen beigegeben hat. Das Berufungsgericht hat
  148. darin zu Recht lediglich Rationalisierungsmaßnahmen beim Herstellungsverfahren gesehen, nicht aber die generelle Zustimmung zum Inverkehrbringen der
  149. Waren in Europa. Die Erschöpfung der Rechte aus der Marke tritt immer nur im
  150. Hinblick auf die konkreten Warenstücke ein, für die die Voraussetzungen des
  151. Art. 13 Abs. 1 GMV vorliegen (EuGH, Urteil vom 1. Juli 1999 - C-173/98, Slg.
  152. 1999, I-4103 = GRUR Int. 1999, 870 Rn. 18 ff. = WRP 1999, 803 - Sebago; Urteil vom 3. Juni 2010 - C-127/09, Slg. 2010, I-4965 = GRUR 2010, 723 Rn. 31 =
  153. WRP 2010, 865 - Coty Prestige). Es genügt daher nicht, dass die Motorräder
  154. der Baureihe „CBR 600 RR“ allgemein für den europäischen Markt geeignet
  155. sind und andere Fahrzeuge aus dieser Baureihe mit Zustimmung der Klägerin
  156. möglicherweise dort in Verkehr gebracht wurden.
  157. 18
  158. cc) Eine konkludente Zustimmung der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte im Rahmen von Rückrufaktionen für Motorräder außer-
  159. -8-
  160. europäischer Herkunft von der Honda Motor Europe (North) GmbH angeschrieben wurde, ohne dass dabei der Import der Motorräder missbilligt wurde. Nach
  161. den insoweit weder erfahrungswidrigen noch anderweitig zu beanstandenden
  162. Feststellungen des Berufungsgerichts waren diese Schreiben allein Ausdruck
  163. der Verkehrssicherungspflicht der Klägerin; sie dienten dazu, die Besitzer betroffener Fahrzeuge über alle einschlägigen Betriebe zuverlässig zu erreichen.
  164. Ein Verzicht der Klägerin auf ihre Markenrechte folgt daraus nicht.
  165. 19
  166. dd) Das Berufungsgericht ist schließlich zutreffend davon ausgegangen,
  167. dass in einem Zuwarten der Klägerin mit der Beanstandung des Verhaltens der
  168. Beklagten selbst dann keine konkludente Zustimmung läge, wenn die Klägerin
  169. vom Parallelhandel der Beklagten Kenntnis erlangt haben sollte. Eine konkludente Zustimmung zum Vertrieb von Waren im Europäischen Wirtschaftsraum,
  170. die - wie im Streitfall - zunächst außerhalb dieses Gebietes in den Verkehr gebracht worden sind, kann sich nicht aus dem bloßen Schweigen des Markeninhabers ergeben (vgl. EuGH, GRUR 2002, 156 Rn. 55 - Davidoff).
  171. 20
  172. 3. Das Berufungsgericht hat eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs der Klägerin verneint, weil nach jeder Einfuhr eines mit der Marke
  173. „HONDA“ gekennzeichneten Motorrads in den Europäischen Wirtschaftsraum
  174. die maßgebliche Frist für die Beurteilung des erforderlichen Zeitmoments jeweils neu zu laufen beginne. Auch das hält der Nachprüfung durch das Revisionsgericht stand.
  175. 21
  176. a) Das Berufungsgericht konnte im Streitfall offenlassen, ob mitgliedstaatliche Grundsätze der Verwirkung der Ausübung der Rechte aus Gemeinschaftsmarken entgegenstehen können (insoweit verneinend im hier nicht eröffneten Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 MarkenRL jetzt EuGH, Urteil
  177. vom 22. September 2011 - C-482/09, GRUR 2012, 519 Rn. 33 ff. = WRP 2011,
  178. -9-
  179. 1559 - Budweiser, dazu Palzer/Preisendanz, EuZW 2012, 134, 138; Hacker,
  180. WRP 2012, 266, 267). Denn die Voraussetzungen einer Verwirkung liegen
  181. schon nach deutschem Recht nicht vor. Es bedarf deshalb unter diesem Aspekt
  182. auch keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
  183. 22
  184. aa) Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, bei dem der Verstoß gegen Treu und Glauben in
  185. der Illoyalität der verspäteten Rechtsausübung liegt (BGHZ 25, 47, 51 f.; BGH,
  186. Urteil vom 29.2.1984 - VIII ZR 310/82, NJW 1984, 1684). Dabei ist indes zu beachten, dass bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen jede Verletzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen lässt. So ist
  187. im Nachbarrecht anerkannt, dass wiederholte gleichartige Störungen, die zeitlich unterbrochen auftreten, jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch auslösen und die für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebliche Frist jeweils neu beginnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 236). Dieser nachbarrechtliche Grundsatz
  188. kann, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, auf die Verwirkung des
  189. markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs übertragen werden (ebenso für das
  190. Wettbewerbsrecht Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 11 Rn. 2.14).
  191. 23
  192. Auch längere Untätigkeit des Markeninhabers gegenüber bestimmten
  193. gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen eines
  194. Händlers begründen, der Markeninhaber dulde auch künftig sein Verhalten und
  195. werde weiterhin nicht gegen solche - jeweils neuen - Rechtsverletzungen vorgehen. Der Verwirkungseinwand, der auf einen im Vertrauen auf die Benutzungsberechtigung geschaffenen schutzwürdigen Besitzstand gegründet ist,
  196. darf nämlich nicht dazu führen, dass dem Benutzer eine zusätzliche Rechtsposition eingeräumt wird und die Rechte des nach Treu und Glauben nur ausnahmsweise und in engen Grenzen schutzwürdigen Rechtsverletzers über die-
  197. - 10 -
  198. se Grenzen hinaus erweitert werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 I ZR 162/05, GRUR 2008, 803 Rn. 29 = WRP 2008, 1192, 1195 - HEITEC).
  199. Rechtsfolge der allgemeinen Verwirkung auf der Grundlage des § 242 BGB ist
  200. im Markenrecht allein, dass ein Markeninhaber seine Rechte im Hinblick auf
  201. bestimmte konkrete, bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen vermag (vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen,
  202. BGB [2009], § 242 Rn. 304; MünchKomm.BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl., § 242
  203. Rn. 331). Ein Freibrief für künftige Schutzrechtsverletzungen ist damit nicht verbunden.
  204. 24
  205. Ohne Erfolg wendet die Revision ein, die in den speziell geregelten Verwirkungstatbeständen des § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie des Art. 54 Abs. 1
  206. und 2 GMV zum Ausdruck kommende Wertung gebiete es, für die Frage der
  207. Verwirkung auf den Zeitraum gleichgearteter Benutzungshandlungen abzustellen und nicht auf den einzelnen Importvorgang. Die genannten Bestimmungen
  208. betreffen nicht den vorliegenden Fall der über längere Zeit ständig wiederholten
  209. Benutzung einer fremden Marke beim Handel mit nicht erschöpfter Markenware, sondern setzen die ununterbrochene Benutzung eines eigenen Zeichens
  210. des Anspruchsgegners über einen Zeitraum von fünf Jahren voraus.
  211. 25
  212. Unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung kann der rechtsverletzend importierende Händler daher keine Rechtsposition erlangen, die ihm ein Recht auf
  213. immer neue Verletzungshandlungen gewähren und ihm so auf Dauer faktisch
  214. eine kostenlose Lizenz verschaffen würde. Es wäre ein nicht hinnehmbarer
  215. Wertungswiderspruch, wenn der Markenverletzer seine rechtsverletzenden
  216. Handlungen unbefristet fortsetzen dürfte, während jedem Lizenznehmer durch
  217. Ausübung eines vertraglichen Kündigungsrechts ein in der Vergangenheit zulässiger Vertrieb für die Zukunft untersagt werden könnte. Soweit der Senatsentscheidung „Universitätsemblem“ (BGH, Urteil vom 23. September 1992
  218. - 11 -
  219. - I ZR 251/09, GRUR 1993, 151, 153 = WRP 1993, 101 - Universitätsemblem,
  220. insoweit nicht in BGHZ 119, 237) etwas anderes entnommen werden kann, wird
  221. daran nicht festgehalten.
  222. 26
  223. bb) Die vom Antrag der Klägerin umfasste Verletzungsform ist die ohne
  224. ihre Zustimmung erfolgende Einfuhr von Motorrädern der Marke HONDA in den
  225. europäischen Wirtschaftsraum. Die für die Beurteilung des Zeitmoments der
  226. Verwirkung maßgebliche Frist hat daher mit jeder Einfuhr eines einzelnen Motorrads neu zu laufen begonnen. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des im
  227. Februar 2008 von ihr ausgestellten Honda-Motorrads bereits am 10. März 2008
  228. abgemahnt. Unabhängig von den sonstigen Einzelumständen des Streitfalls
  229. und insbesondere von der Frage einer fortgesetzten Importtätigkeit der Beklagten während des vorliegenden Gerichtsverfahrens kommt schon mangels eines
  230. relevanten Zeitmoments eine Verwirkung des von der Klägerin geltend gemachten, allein in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.
  231. Für die mögliche Verwirkung eines Schadensersatzanspruches ist damit nichts
  232. gesagt. Hierauf kommt es im Streitfall nicht mehr an, nachdem die Klägerin die
  233. Klage, soweit sie auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gerichtet war, in der Berufungsinstanz zurückgenommen hat.
  234. 27
  235. b) Ein etwa unmittelbar im Unionsrecht bestehender Verwirkungsgrundsatz könnte keine geringeren Anforderungen an den Eintritt der Verwirkung stellen als das in dieser Hinsicht bereits weitgehende deutsche Recht (zu anderen
  236. Rechtsordnungen vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen aaO § 242 Rn. 1116 ff.;
  237. zur engen Auslegung unionsrechtlicher Ausnahmen von Unterlassungspflichten
  238. aus Gemeinschaftsmarken vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006
  239. - C-316/05, Slg. 2006, I-12083 = GRUR 2007, 228 Rn. 30 - Nokia). Daran bestehen keine vernünftigen Zweifel, so dass auch insoweit eine Vorlage an den
  240. - 12 -
  241. Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht erforderlich ist.
  242. 28
  243. 4. Die Revision hat gleichwohl zu einem geringen Teil Erfolg. Die Klägerin hat in der Klagebegründung klargestellt, dass sie das Verbot hinsichtlich aller Verletzungshandlungen für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum
  244. erstrebt. Das Berufungsgericht hat die entsprechende Verurteilung durch das
  245. Landgericht in vollem Umfang bestätigt. Das Unterlassungsgebot kann indes
  246. nicht für das gesamte Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums ausgesprochen werden. Schutzgebiet der Gemeinschaftsmarke ist allein das Gebiet der
  247. Europäischen Union (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2007 - I ZR 33/05,
  248. GRUR 2008, 254 Rn. 39 = WRP 2008, 236 - THE HOME STORE).
  249. - 13 -
  250. 29
  251. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1
  252. ZPO.
  253. Bornkamm
  254. Pokrant
  255. Kirchhoff
  256. Schaffert
  257. Koch
  258. Vorinstanzen:
  259. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.05.2009 - 2a O 267/08 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.12.2010 - I-20 U 96/09 -