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9.4 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZR 218/07
  4. Verkündet am:
  5. 20. Mai 2009
  6. Führinger
  7. Justizangestellte
  8. als Urkundsbeamtin
  9. der Geschäftsstelle
  10. in dem Rechtsstreit
  11. Nachschlagewerk:
  12. BGHZ:
  13. BGHR:
  14. ja
  15. nein
  16. ja
  17. E-Mail-Werbung II
  18. UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 1 Ai, § 1004 Abs. 1 Satz 2
  19. Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit Werbung kann
  20. einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten
  21. Gewerbebetrieb darstellen.
  22. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 - I ZR 218/07 - OLG Frankfurt/Main
  23. LG Frankfurt/Main
  24. -2-
  25. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2009 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Prof.
  26. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
  27. beschlossen:
  28. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
  29. Der Wert des Revisionsverfahrens beträgt 6.000 €.
  30. Gründe:
  31. I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in F. eine
  32. 1
  33. Rechtsanwaltskanzlei betrieben hat.
  34. Die Beklagte zu 1 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren
  35. 2
  36. Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist. Sie sandte am 22. Februar 2006 eine
  37. E-Mail an die Klägerin, mit der sie einen von ihr erstellten Newsletter übersandte. Das 15 Seiten umfassende Schriftstück enthielt Informationen für Kapitalanleger.
  38. 3
  39. Mit Schreiben vom 23. Februar 2006 mahnte die Klägerin die Beklagte
  40. ab. Diese weigerte sich, die begehrte Unterwerfungserklärung abzugeben; sie
  41. -3-
  42. erklärte stattdessen, von einer weiteren Zusendung des Newletters an die Klägerin abzusehen.
  43. 4
  44. Die Klägerin hat beantragt,
  45. die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen,
  46. es zu unterlassen, die Klägerin geschäftsmäßig per E-Mail anzuschreiben, um
  47. Informationen zu Entwicklungen am Kapitalmarkt in Form eines Newsletters zu
  48. übermitteln und/oder solche Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, ohne dass das tatsächliche oder vermutete Einverständnis der Klägerin vorhanden
  49. ist.
  50. 5
  51. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt.
  52. 6
  53. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der
  54. Klägerin. Während des Revisionsverfahrens ist die Klägerin aufgelöst worden.
  55. Im Hinblick darauf haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der
  56. Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der jeweils anderen Partei die
  57. Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
  58. 7
  59. II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt
  60. erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des
  61. bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen gemäß § 91a Abs. 1
  62. ZPO zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen.
  63. 8
  64. Danach sind die Kosten in vollem Umfang den Beklagten aufzuerlegen,
  65. weil die Klage bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung zulässig und
  66. begründet war. Der Klägerin stand der begehrte Unterlassungsanspruch gegen
  67. die Beklagten zu.
  68. -4-
  69. 9
  70. 1. Die Klägerin konnte das Verbot allerdings nicht aus §§ 3, 7 Abs. 2
  71. Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG 2004 und § 7 Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1
  72. UWG 2008 herleiten. Der Klägerin stand ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht zu. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Parteien nicht Mitbewerber im Sinne
  73. dieser Vorschrift sind. Mitbewerber ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder
  74. Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide
  75. Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH, Urt. v.
  76. 3.5.2007 - I ZR 19/05, GRUR 2007, 978 Tz. 16 = WRP 2007, 1334 - Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Parteien gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Die Revision zeigt in dieser Hinsicht
  77. auch keinen Sachvortrag der Parteien als übergangen auf. Soweit die Revision
  78. unter Vorlage eines Ausdrucks der Homepage der Beklagten geltend macht,
  79. diese biete Kapitalanlegern Rechtsberatung an, handelt es sich um neuen Vortrag, mit dem die Klägerin in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist.
  80. 10
  81. 2. Der Klägerin stand der in Rede stehende Unterlassungsanspruch jedoch wegen eines Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
  82. 11
  83. a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung an Gewerbetreibende einen
  84. -5-
  85. rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
  86. darstellt. Zum Teil wird ein rechtswidriger Eingriff in das geschützte Rechtsgut
  87. des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs jedenfalls bei einer einmaligen Zusendung einer E-Mail mit Werbung verneint (AG Dresden NJW
  88. 2005, 2561; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 7
  89. Rdn. 199; Ohly in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 7 Rdn. 22; Baetge, NJW 2006,
  90. 1037, 1038). Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung und ein Teil des
  91. Schrifttums bejahen dagegen auch bei einer einmaligen E-Mail-Versendung
  92. eine entsprechende Rechtsverletzung (KG MMR 2002, 685; GRUR-RR 2005,
  93. 66; OLG München MMR 2004, 324; OLG Düsseldorf MMR 2004, 820; OLG
  94. Bamberg MMR 2006, 481; OLG Naumburg DB 2007, 911; LG Berlin NJW 2002,
  95. 2569; Fezer/Mankowski, UWG, § 7 Rdn. 97; Koch in Ullmann, jurisPK-UWG,
  96. 2. Aufl., § 7 Rdn. 189). Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen.
  97. 12
  98. b) Die Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung des
  99. Adressaten stellt einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Davon
  100. ist auszugehen bei Eingriffen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also
  101. betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare
  102. Rechte oder Rechtsgüter betreffen (BGHZ 29, 65, 74; 69, 128, 139; 86, 152,
  103. 156). Unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den
  104. Betriebsablauf des Unternehmens. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Zudem können,
  105. soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten für die Herstellung
  106. der Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider anfallen. Die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mail können zwar gering
  107. sein. Auch der Arbeitsaufwand für das Aussortieren einer E-Mail kann sich in
  108. engen Grenzen halten, wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt,
  109. dass es sich um Werbung handelt. Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn
  110. es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt oder wenn der Emp-
  111. -6-
  112. fänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen
  113. muss. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch verschiedene Absender ist aber immer dann zu
  114. rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick
  115. auf die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung mit einem immer
  116. weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen (vgl. BGH, Urt. v.
  117. 11.3.2004 - I ZR 81/01, GRUR 2004, 517, 518 = WRP 2004, 731 - E-MailWerbung).
  118. 13
  119. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang
  120. geltend, die E-Mail der Beklagten enthalte keine Werbung. Werbung ist jede
  121. Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien
  122. Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende
  123. und vergleichende Werbung). Dazu zählt auch die in Rede stehende E-Mail der
  124. Beklagten, mit der sie ihre Geschäftstätigkeit gegenüber der Klägerin darstellt.
  125. 14
  126. Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der
  127. Klägerin ist auch rechtswidrig. Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu Lasten der Beklagten aus. Nach § 7
  128. Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt von dem hier nicht interessierenden Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG abgesehen jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten eine
  129. unzumutbare Belästigung dar. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Beurteilung der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuches ebenfalls heranzuziehen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (vgl. Köhler in Hefermehl/
  130. Köhler/Bornkamm aaO § 7 Rdn. 14; Koch in Ullmann, jurisPK-UWG aaO § 7
  131. Rdn. 189). Wegen des unzumutbar belästigenden Charakters derartiger Wer-
  132. -7-
  133. bung gegenüber dem Empfänger ist die Übersendung einer Werbe-E-Mail ohne
  134. vorherige ausdrückliche Einwilligung grundsätzlich rechtswidrig.
  135. 15
  136. Für die unerlaubte Handlung haftet auch der Beklagte zu 2, weil er Absender der in Rede stehenden E-Mail auf Seiten der Beklagten zu 1 war.
  137. Bergmann
  138. Pokrant
  139. Schaffert
  140. Büscher
  141. Koch
  142. Vorinstanzen:
  143. LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 31.10.2006 - 2/5 O 154/06 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 11.10.2007 - 3 U 294/06 -