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35 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 134/08
  5. Verkündet am:
  6. 3. Februar 2011
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. World's End
  19. VerlG § 1 Satz 2, § 5 Abs. 1, § 17
  20. a) Das Recht des Verlegers, Folgeauflagen eines Werkes zu veranstalten, kann
  21. sich auch ohne ausdrückliche Erwähnung aus dem Gesamtinhalt des Verlagsvertrages ergeben.
  22. b) § 17 Satz 3 VerlG ist auch auf Übersetzungsverträge anwendbar.
  23. c) Der Verleger kann der ihn treffenden Last, eine Neuauflage zu veranstalten,
  24. auch dadurch nachkommen, dass er eine Taschenbuch- oder eine Sonderausgabe herausgibt. Dem steht es gleich, wenn er die Taschenbuch- oder
  25. Sonderausgabe nicht im eigenen, sondern in einem anderen Verlag veranlasst.
  26. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - I ZR 134/08 - OLG München
  27. LG München I
  28. -2-
  29. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  30. und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
  33. Oberlandesgerichts München vom 17. Juli 2008 unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Beklagten im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil des
  34. Klägers erkannt hat.
  35. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  36. München I, 21. Zivilkammer, vom 13. Dezember 2006 wird insgesamt zurückgewiesen.
  37. Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Der Kläger, ein Verlag, schloss mit dem Beklagten, einem Übersetzer,
  42. Verträge, mit denen dieser sich zur Übersetzung folgender Romane des Autors
  43. T. C. Boyle in die deutsche Sprache verpflichtete: „World’s End“ (Vertrag vom
  44. 26. November/16. Dezember 1987), „If the River was Whiskey“ (Vertrag vom
  45. 30. August/18. Oktober 1989) und „The Tortilla Curtain“ (Vertrag vom 31. März/
  46. 20. April 1995).
  47. -3-
  48. 2
  49. Der Kläger veröffentlichte die Übersetzungen des Beklagten zunächst in
  50. einer Hardcover-Ausgabe. Hardcover-Exemplare der Übersetzungen von
  51. „World’s End“ waren von 1989 bis 1999, von „If the River was Whiskey“ (in der
  52. deutschen Ausgabe „Wenn der Fluss voll Whisky wär“) von 1991 bis 1999 und
  53. von „The Tortilla Curtain“ (in der deutschen Ausgabe „América“) von 1996 bis
  54. 2002 lieferbar. Jeweils zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung gab der Deutsche Taschenbuchverlag die Übersetzungen in Lizenz des Klägers als Taschenbuch heraus. Sämtliche Werke sind heute noch als Taschenbuch lieferbar.
  55. 3
  56. Der Beklagte setzte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Januar 2004 eine
  57. Frist zum 1. Juli 2004 zur Veranstaltung einer Neuauflage seiner Übersetzungen und kündigte an, dass er nach Verstreichen dieser Frist gemäß § 17 VerlG
  58. vom Vertrag zurücktreten werde. Nachdem der Kläger den „Rechterückruf“ für
  59. unwirksam erklärt hatte, stellte der Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 2004
  60. klar, dass er keinen Rückruf der Rechte (nach § 41 UrhG), sondern seinen
  61. Rücktritt vom Verlagsvertrag (nach § 17 VerlG) angekündigt habe und dass die
  62. Voraussetzungen für diesen Rücktritt seiner Ansicht nach erfüllt seien, wenn
  63. der Verlag keine eigene Neuauflage veranstalte. Nachdem der Kläger mit
  64. Schreiben vom 30. Juni 2004 mitgeteilt hatte, er habe mit der Vorbereitung von
  65. Nachauflagen der Titel begonnen, die im Laufe des Sommers erscheinen würden, erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 7. Juli 2004, er verlängere die gesetzte Frist.
  66. 4
  67. Der Beklagte rief mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom
  68. 12. Juli 2005 die Nutzungsrechte an den Übersetzungen zurück und erklärte
  69. gemäß § 17 und §§ 30, 32 VerlG den Rücktritt vom Verlagsvertrag. Dies begründete er damit, dass der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Frist keine eigene Neuauflage der Titel veranstaltet habe und offenbar nur Lizenzausgaben
  70. beibehalten wolle. Mit Schreiben vom 19. August 2005 und 21. Oktober 2005
  71. -4-
  72. wandte der Beklagte sich an Lizenznehmer des Klägers und teilte diesen mit,
  73. dass die Rechte an den Übersetzungen wieder ihm zustünden.
  74. 5
  75. Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte sei weder zum Rückruf noch
  76. zum Rücktritt berechtigt.
  77. 6
  78. Er beantragt festzustellen, dass die urheberrechtlichen Nutzungsrechte
  79. an den Übersetzungen nicht durch Rückruf oder Rücktritt an den Beklagten zurückgefallen sind.
  80. 7
  81. Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben (LG München I, ZUM 2007, 417 = GRUR-RR 2007, 195). Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Entscheidung des Landgerichts teilweise abgeändert (OLG München, ZUM 2008, 875). Es hat festgestellt, die Nutzungsrechte an den Übersetzungen seien - mit Ausnahme des Rechts zur Veranstaltung der Neuauflage einer Hardcover-Ausgabe - nicht durch Rückruf oder Rücktritt an den Beklagten zurückgefallen; die Klage hinsichtlich des Rechts zur Veranstaltung der Neuauflage einer Hardcover-Ausgabe hat es abgewiesen. Mit
  82. seiner - vom Senat zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen
  83. Urteils. Mit seiner Anschlussrevision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
  84. Entscheidungsgründe:
  85. 8
  86. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Recht zur Veranstaltung
  87. weiterer Hardcover-Ausgaben sämtlicher Übersetzungen stehe dem Beklagten
  88. zu; die übrigen Rechte an den Übersetzungen stünden dagegen dem Kläger zu.
  89. Zur Begründung hat es ausgeführt:
  90. 9
  91. -5-
  92. Bei sämtlichen Übersetzungsverträgen handele es sich um echte Verlagsverträge und nicht um bloße Bestellverträge. Der Beklagte habe dem Kläger damit das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung seiner
  93. Übersetzungen und insbesondere das Recht zur Lizenzierung von Taschenbuchausgaben eingeräumt.
  94. 10
  95. Hinsichtlich der Übersetzungen der Romane „World’s End“ und „If the River was Whiskey“ habe der Beklagte dem Kläger das Recht zur Veranstaltung
  96. von Folgeauflagen nicht vertraglich eingeräumt. Daher sei der Kläger nur zur
  97. Veranstaltung einer Auflage berechtigt gewesen und der Beklagte von vornherein Inhaber des Rechts zur Veranstaltung weiterer Auflagen geblieben. Selbst
  98. wenn der Beklagte dem Kläger das Recht zur Veranstaltung von Folgeauflagen
  99. eingeräumt hätte, wäre nur das Hardcover-Recht an den Beklagten zurückgefallen, da er seinen Rücktritt oder Rückruf ausschließlich mit der Nichtdurchführung einer Folgeauflage der Hardcover-Ausgabe begründet habe. Die E-Mail
  100. des Klägers vom 30. Juni 2004 enthalte keine rechtsverbindliche Zusage einer
  101. Neuauflage der Hardcover-Ausgabe. Der Beklagte sei daher auch nicht wegen
  102. der Missachtung einer solchen Zusage zum Rücktritt berechtigt gewesen.
  103. 11
  104. Bezüglich der Übersetzung von „The Tortilla Curtain“ habe der Beklagte
  105. dem Kläger zwar das Recht zur Veranstaltung von Folgeauflagen vertraglich
  106. eingeräumt. Dem Beklagten habe jedoch ein Rücktrittsrecht nach § 17 VerlG
  107. zugestanden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshof „Oceano Mare“ stehe
  108. einer Anwendbarkeit dieser Bestimmung im Streitfall nicht entgegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt, da der Kläger keine Neuauflage
  109. der Hardcover-Ausgabe veranstaltet, sondern sich auf die Lizenzierung einer
  110. Taschenbuchausgabe beschränkt habe. Der Beklagte sei daher berechtigt gewesen, das Recht zur Veranstaltung von Hardcover-Ausgaben - aber auch nur
  111. dieses - zurückzurufen.
  112. 12
  113. -6-
  114. II. Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die Anschlussrevision des Beklagten ist dagegen nicht begründet. Die urheberrechtlichen Nutzungsrechte,
  115. die der Beklagte dem Kläger an seinen Übersetzungen der Werke des Autors
  116. T. C. Boyle „World’s End“, „If the River was Whiskey“ und „The Tortilla Curtain“
  117. eingeräumt hat, sind nicht - auch nicht hinsichtlich der Veranstaltung einer
  118. Hardcover-Ausgabe - durch den mit Schreiben des anwaltlichen Vertreters des
  119. Beklagten vom 12. Juli 2005 erklärten Rücktritt vom Vertrag (§ 17 Satz 3, §§ 30,
  120. 32 VerlG, § 323 BGB) oder infolge eines Rückrufs der Nutzungsrechte (§ 41
  121. UrhG) an den Beklagten zurückgefallen.
  122. 13
  123. 1. Die Übersetzungsverträge sind Verlagsverträge, da der Beklagte sich
  124. mit ihnen verpflichtet hat, dem Kläger seine urheberrechtlich geschützten Übersetzungen (§ 3 Satz 1 UrhG) zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene
  125. Rechnung zu überlassen (§ 1 Satz 1 VerlG). Das Berufungsgericht ist für alle
  126. drei Übersetzungsverträge rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich
  127. um echte Verlagsverträge mit Auswertungspflicht (§ 1 Satz 2 VerlG) und nicht
  128. um bloße Bestellverträge ohne Auswertungspflicht (§ 47 VerlG) handelt.
  129. 14
  130. 2. Der Beklagte hat dem Kläger hinsichtlich sämtlicher Übersetzungen
  131. sowohl das Recht zur Veranstaltung eigener Verlagsausgaben als auch das
  132. Recht zur Vergabe von Lizenzen für Taschenbuchausgaben und Sonderausgaben an andere Verlage eingeräumt. In § 3 der Verträge vom 26. November/
  133. 16. Dezember 1987 („World’s End“) und vom 30. August/18. Oktober 1989 („If
  134. the River was Whiskey“) hat der Beklagte dem Kläger das ausschließliche
  135. Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung seiner Übersetzungen (§ 3 Abs. 1
  136. und 2 Satz 1 Halbsatz 1) und alle Nebenrechte, wie das Recht der Lizenzvergebung von billigen Taschenbuch-, Volks-, Sonder-, Reprint- oder Schulausgaben an Dritte, insbesondere an fremde Verlage und an Buchgemeinschaften
  137. usw. (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. h) zeitlich unbeschränkt („World’s
  138. End“) bzw. für die Dauer des der Übersetzung zugrunde liegenden Lizenzver-
  139. -7-
  140. trages („If the River was Whiskey“) eingeräumt. An seiner Übersetzung des
  141. Romans „The Tortilla Curtain“ hat der Beklagte dem Kläger nach § 4 des Vertrags vom 31. März/20. April 1995 für die Dauer des der Übersetzung zugrunde
  142. liegenden Lizenzvertrags das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und
  143. Verbreitung seiner Übersetzung für alle Ausgaben und Auflagen ohne Stückzahlbegrenzung (§ 4 Nr. 1) und bestimmte ausschließliche Nebenrechte, darunter das Recht der Vergabe von Lizenzen für Taschenbuch-, Volks-, Sonder-,
  144. Reprint-, Schul- oder Buchgemeinschaftsausgaben (§ 4 Nr. 2 Buchst. c), eingeräumt.
  145. 15
  146. 3. Der Beklagte hat dem Kläger auch das Recht zur Veranstaltung von
  147. Folgeauflagen eingeräumt, und zwar - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht nur hinsichtlich seiner Übersetzung des Werkes „The Tortilla Curtain“, sondern auch bezüglich seiner Übersetzungen der Werke „World’s End“
  148. und „If the River was Whiskey“.
  149. 16
  150. a) Für die Übersetzung des Werkes „The Tortilla Curtain“ hat der Beklagte dem Kläger in § 4 Nr. 1 des Vertrags vom 31. März/20. April 1995 für die
  151. Dauer des der Übersetzung zugrunde liegenden Lizenzvertrags das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung seiner Übersetzung - ausdrücklich - für alle Ausgaben und Auflagen ohne Stückzahlbegrenzung eingeräumt.
  152. -8-
  153. 17
  154. b) Hinsichtlich der Übersetzungen der Werke „World’s End“ und „If the
  155. River was Whiskey“ hat das Berufungsgericht angenommen, der Beklagte habe
  156. dem Kläger lediglich das Recht zur Veranstaltung einer einzigen HardcoverAuflage eingeräumt und sei damit Inhaber des Rechts zur Veranstaltung weiterer Hardcover-Auflagen geblieben. Hierzu hat es ausgeführt, dass die Berechtigung zur Veranstaltung von Folgeauflagen in den Verträgen nicht geregelt sei.
  157. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 VerlG sei der Verleger daher nur zu einer Auflage berechtigt. Die im Urheberrecht geltende Übertragungszwecklehre spreche gleichfalls dafür, dass der Beklagte dem Kläger das Recht zu Folgeauflagen nicht
  158. eingeräumt habe. Schließlich zeige die Einräumung des Rechts zur Veranstaltung von Folgeauflagen in § 4 Nr. 1 des Vertrags über die Übersetzung des
  159. Werkes „The Tortilla Curtain“, dass der Beklagte dem Kläger das Recht zur
  160. Veranstaltung von Folgeauflagen hinsichtlich der beiden anderen Werke nicht
  161. eingeräumt habe.
  162. 18
  163. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Das Recht zur Veranstaltung mehrerer Auflagen kann sich auch ohne ausdrückliche Erwähnung aus
  164. dem Gesamtinhalt des Vertrags ergeben (Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 5
  165. Rn. 7). Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass sich aus § 9 der
  166. Verträge über die Übersetzung der Werke „World’s End“ und „If the River was
  167. Whiskey“ und aus den nachträglichen Äußerungen des Beklagten zweifelsfrei
  168. ergibt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. April 2004 - I ZR 174/01, GRUR 2004,
  169. 938, 939 = WRP 2004, 1497 - Comic-Übersetzungen III), dass der Kläger nach
  170. dem Willen der Parteien das Recht zur Veranstaltung von Neuauflagen (§ 17
  171. Satz 1 VerlG) haben soll. Unter diesen Umständen greift die (Auslegungs-)Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 VerlG, wonach der Verleger (im Zweifel) nur zu
  172. einer Auflage berechtigt ist, nicht ein (Schricker aaO § 5 Rn. 6).
  173. -9-
  174. 19
  175. aa) Die Parteien haben in § 9 des Vertrags vom 26. November/16. Dezember 1987 („World’s End“) die vorformulierte Regelung „Dem Übersetzer stehen nicht die Rechte aus § 17 Verlagsgesetz zu“ gestrichen. Damit haben sie
  176. auch zum Ausdruck gebracht, dass dem Beklagten das Recht aus § 17 Satz 3
  177. VerlG erhalten bleiben soll, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Kläger keine
  178. neue Auflage veranstaltet. Dieses Rücktrittsrecht des Beklagten setzt ein Recht
  179. des Klägers zur Veranstaltung von Folgeauflagen voraus. In § 9 des Vertrags
  180. vom 30. August/18. Oktober 1989 („If the River was Whiskey“) haben die Parteien zunächst den auch hier vorformulierten Ausschluss der Rechte des Übersetzers aus § 17 VerlG gestrichen. Später haben sie eine gleichlautende Regelung wieder eingefügt; dass die vom Beklagten vorgelegte Vertragsausfertigung
  181. - anders als die vom Kläger vorgelegte Vertragsausfertigung nicht § 17 VerlG,
  182. sondern § 7 VerlG nennt, ist offenbar ein Schreibfehler. Die Parteien haben damit ausdrücklich vereinbart, dass der Beklagte kein Recht zum Rücktritt vom
  183. Vertrag aus § 17 Satz 3 VerlG haben soll, wenn der Kläger keine neue Auflage
  184. veranstaltet. Auch diese Regelung setzt ein Recht des Klägers zur Veranstaltung von Folgeauflagen voraus.
  185. 20
  186. bb) Die Revision rügt zudem mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei
  187. der Auslegung der Verträge das nachträgliche Verhalten des Beklagten nicht
  188. hinreichend berücksichtigt hat. Das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber
  189. Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und des tatsächlichen
  190. Verständnisses der Vertragsparteien (BGH, Urteil vom 22. April 2010
  191. - I ZR 197/07, GRUR 2010, 1093 Rn. 19 = WRP 2010, 1523 - Concierto de
  192. Aranjuez, mwN). Der Beklagte hat dem Kläger in seiner E-Mail vom 5. Mai 2004
  193. hinsichtlich sämtlicher hier in Rede stehender Übersetzungen eine Frist gemäß
  194. § 17 VerlG zur Nutzung der Verlagsrechte und Veranstaltung von Neuauflagen
  195. gesetzt. Er hat ihm mit E-Mail vom 18. Mai 2004 ausdrücklich vorgehalten, dass
  196. die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Verlagsvertrag erfüllt seien, „wenn
  197. - 10 -
  198. der Verlag keine - eigene! - Neuauflage veranstaltet“. In seiner E-Mail vom
  199. 7. Juli 2004 hat der Beklagte erklärt, dass er dem Kläger bei der angekündigten
  200. Neuauflage der drei Titel „keine Steine in den Weg legen“ wolle. Aus diesen
  201. Äußerungen des Beklagten geht eindeutig hervor, dass auch er von einem
  202. Recht des Klägers zur Veranstaltung von Neuauflagen ausgegangen ist.
  203. 21
  204. 4. Der vom Beklagten mit Schreiben vom 12. Juli 2005 wegen der unterbliebenen Neuauflage seiner Übersetzungen im Verlag des Klägers erklärte
  205. Rücktritt vom Vertrag war nicht nach § 17 Satz 3 VerlG berechtigt.
  206. 22
  207. a) Hat ein Verleger - wie hier der Kläger - das Recht, eine neue Auflage
  208. zu veranstalten, so kann ihm der Verfasser eine angemessene Frist zur Ausübung dieses Rechtes bestimmen; der Verfasser ist nach dem Ablauf der Frist
  209. gemäß § 17 Satz 3 VerlG berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten, wenn
  210. nicht die Veranstaltung der Neuauflage rechtzeitig erfolgt ist.
  211. 23
  212. b) Dem Beklagten stand ein Rücktrittsrecht aus § 17 Satz 3 VerlG von
  213. vornherein nur hinsichtlich der Verträge über die Übersetzung der Werke
  214. „World’s End“ und „The Tortilla Curtain“, nicht dagegen hinsichtlich des Vertrags
  215. über die Übersetzung des Werks „If the River was Whiskey“ zu.
  216. 24
  217. aa) Die Parteien haben § 9 des Vertrages vom 26. November/16. Dezember 1987 („World’s End“) gestrichen, der bestimmte, dass dem Übersetzer
  218. die Rechte aus § 17 VerlG nicht zustehen. Der Vertrag vom 31. März/20. April
  219. 1995 („The Tortilla Curtain“) enthält gleichfalls keine Regelung, nach der die
  220. Rechte des Übersetzers aus § 17 VerlG ausgeschlossen sind. Der Beklagte ist
  221. daher bezüglich dieser Verträge nicht daran gehindert, sein Rücktrittsrecht aus
  222. § 17 Satz 3 VerlG geltend zu machen.
  223. 25
  224. bb) Dagegen haben die Parteien die Regelung in § 9 des Vertrags vom
  225. 30. August/18. Oktober 1989 („If the River was Whiskey“), nach der dem Über-
  226. - 11 -
  227. setzer die Rechte aus § 17 VerlG nicht zustehen, zunächst zwar gestrichen,
  228. sodann aber wieder eingefügt. Damit haben sie das Rücktrittsrecht des Übersetzers aus § 17 Satz 3 VerlG ausdrücklich ausgeschlossen. Der Beklagte kann
  229. sich hinsichtlich dieser Übersetzung daher nicht auf ein Rücktrittsrecht aus § 17
  230. Satz 3 VerlG berufen.
  231. 26
  232. c) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 17
  233. Satz 3 VerlG auch auf Übersetzungsverträge anwendbar ist. Die Senatsentscheidung „Oceano Mare“ (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - I ZR 136/01, GRUR
  234. 2005, 148 = WRP 2005, 230) steht dem nicht entgegen.
  235. aa) Der Senat hat in der Entscheidung „Oceano Mare“ ausgeführt (BGH,
  236. 27
  237. GRUR 2005, 148, 151 f.), dass § 17 Satz 1 VerlG für den Übersetzungsvertrag
  238. mit Auswertungspflicht nicht passt. Diese Bestimmung besagt, dass ein Verleger, dem das Recht zu weiteren Auflagen eingeräumt ist, nicht verpflichtet ist,
  239. von diesem Recht Gebrauch zu machen. Für den Regelfall ist diese Bestimmung interessengerecht, weil sie dem Urheber für den Fall der Verweigerung
  240. der Neuauflage das Recht einräumt, den Verlagsvertrag zu kündigen und die
  241. Verlagsrechte an seinem Werk einem anderen Verlag einzuräumen. Für den
  242. Übersetzer, der dem Verleger die Rechte an der Übersetzung im Rahmen eines
  243. Verlagsvertrages eingeräumt hat, wäre eine solche Regelung - würde sie isoliert auf den Übersetzungsvertrag angewandt - dagegen gänzlich unangemessen. Denn der Übersetzer kann seine Übersetzung nur dann anderweit verwerten, wenn der Verleger auch das Original freigibt. Diese vom Regelfall abweichende Interessenlage führt dazu, dass den Verleger eine Verpflichtung auch
  244. zur Veranstaltung von Neuauflagen unter Verwendung der Übersetzung treffen
  245. kann.
  246. 28
  247. bb) Der Entscheidung „Oceano Mare“ lässt sich entgegen der Ansicht
  248. der Revision nicht entnehmen, dass § 17 Satz 3 VerlG nicht auf Übersetzungs-
  249. - 12 -
  250. verträge anwendbar ist. Diese Bestimmung räumt dem Verfasser das Recht
  251. zum Rücktritt vom Vertrag für den Fall ein, dass der Verleger sein Recht zur
  252. Veranstaltung einer Neuauflage nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist ausübt. Die Entscheidung „Oceano Mare“ verhält sich nicht zu der
  253. Frage, ob der Übersetzer vom Vertrag zurücktreten kann, wenn der Verleger
  254. von einer Neuauflage des übersetzten Werkes absieht. Sie setzt sich allein mit
  255. der Frage auseinander, ob der Übersetzer vom Verleger, der sich zu einer Neuauflage des übersetzten Werkes entschließt, verlangen kann, dass dieser für
  256. die Neuauflage seine Übersetzung verwendet. Der Umstand, dass der Übersetzer seine Übersetzung nur dann anderweit verwerten kann, wenn der Verleger auch das Original freigibt, rechtfertigt es entgegen der Ansicht der Revision
  257. nicht, dem Übersetzer das Rücktrittsrecht zu nehmen. Bleibt dem Übersetzer
  258. sein Rücktrittsrecht erhalten, ist der Verleger nicht etwa - entgegen § 17 Satz 1
  259. VerlG - aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen, eine Neuauflage des übersetzten Werkes zu veranstalten (aA Nordemann-Schiffel in Fromm/
  260. Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 17 VerlG Rn. 8). Es steht ihm vielmehr
  261. frei, von einer Neuauflage des übersetzten Werkes abzusehen und - im Falle
  262. eines Rücktritts des Übersetzers vom Vertrag - das Werk in einer anderen
  263. Übersetzung aufzulegen.
  264. 29
  265. d) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe das ihm
  266. nach § 17 Satz 3 VerlG zustehende Rücktrittsrecht durch den Rückruf vom
  267. 12. Juli 2005 wirksam ausgeübt. Der Kläger habe keine eigene Neuauflage der
  268. Hardcover-Ausgabe veranstaltet. Er habe sich auf die Lizenzierung der Taschenbuchausgabe an einen Dritten beschränkt. Da zwischen den einzelnen
  269. Rechten zu unterscheiden sei, stelle die Ausübung des Nebenrechts für eine
  270. Taschenbuchausgabe keine Veranstaltung einer Neuauflage der HardcoverAusgabe dar. Auf die bloße Lieferbarkeit des Werkes stelle weder das Gesetz
  271. noch der Vertrag ab. Da der Beklagte das Rücktrittsrecht nur hinsichtlich des
  272. - 13 -
  273. Rechts zur Veranstaltung neuer Hardcover-Auflagen ausgeübt habe, sei allerdings auch nur dieses Recht an ihn zurückgefallen.
  274. 30
  275. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen des § 17
  276. Satz 3 VerlG nicht erfüllt. Der Kläger hat sein Recht zur Veranstaltung einer
  277. neuen Auflage der übersetzten Werke ausgeübt, indem er durch die Vergabe
  278. von Lizenzen darauf hingewirkt hat, dass nach der Hardcover-Ausgabe der
  279. Werke im eigenen Verlag Taschenbuchausgaben und Sonderausgaben der
  280. Werke in anderen Verlagen erschienen sind.
  281. 31
  282. aa) Das dem Kläger eingeräumte ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung der Übersetzungen des Beklagten ist nach sämtlichen
  283. hier in Rede stehenden Verträgen nicht auf Hardcover-Ausgaben beschränkt,
  284. sondern umfasst alle Ausgaben des Werkes und damit auch Taschenbuch- und
  285. Sonderausgaben (vgl. oben II 2). Die einer Hardcover-Ausgabe nachfolgende
  286. Taschenbuch- oder Sonderausgabe stellt sich gegenüber dem Verfasser regelmäßig - und so auch hier - als neue Auflage dar (vgl. Schricker aaO § 5
  287. Rn. 5; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 5 VerlG Rn. 2). Dem
  288. steht, anders als das Berufungsgericht möglicherweise gemeint hat, nicht entgegen, dass Taschenbuch- und Hardcover-Ausgaben aufgrund ihrer unterschiedlichen äußeren Gestaltungsmerkmale selbständige Nutzungsarten bilden
  289. (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 - I ZR 165/89, GRUR 1992, 310, 311 f.
  290. - Taschenbuch-Lizenz), an denen deshalb selbständige Nutzungsrechte eingeräumt werden können. Hätte der Kläger nach der Hardcover-Ausgabe eine Taschenbuchausgabe im eigenen Verlag veranstaltet, hätte er damit sein Recht
  291. zur Veranstaltung einer Neuauflage ausgeübt; der Beklagte wäre in diesem Fall
  292. nicht zum Rücktritt berechtigt.
  293. 32
  294. - 14 -
  295. bb) Der Verleger übt sein Recht zur Veranstaltung einer Neuauflage im
  296. Sinne des § 17 VerlG aber nicht nur dann aus, wenn er eine neue Auflage im
  297. eigenen Verlag veranstaltet, sondern auch dann, wenn er eine neue Auflage in
  298. einem anderen Verlag veranstalten lässt, dem er die dafür erforderlichen Nutzungsrechte einräumt (vgl. Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 17
  299. VerlG Rn. 2). Der Kläger hat sein Recht zur Veranstaltung einer Neuauflage der
  300. Übersetzungen daher dadurch ausgeübt, dass er Lizenzausgaben sämtlicher
  301. Übersetzungen beim Deutschen Taschenbuchverlag (als Taschenbuch) und
  302. - nach dem, wie die Revision mit Recht rügt, vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Vorbringen des Klägers - eine weitere Lizenzausgabe der Übersetzung von „If the River was Whiskey“ bei Amazon (als Hardcover-Sonderausgabe) veranlasst hat.
  303. 33
  304. (1) Der Wortlaut des § 17 VerlG erlaubt es, auch die im fremden Verlag
  305. erscheinende Neuauflage als eine vom Verleger veranstaltete Neuauflage anzusehen, soweit der Verleger diese Neuauflage durch die Vergabe der erforderlichen Rechte veranlasst hat.
  306. 34
  307. (2) Es gibt auch unter Berücksichtigung der Interessen des Verfassers
  308. keinen überzeugenden Grund, hinsichtlich seiner Berechtigung zum Rücktritt
  309. nach § 17 Satz 3 VerlG danach zu unterscheiden, ob der Verleger die Neuauflage im eigenen Verlag oder im fremden Verlag veranstaltet hat. Es wäre daher,
  310. wie die Anschlussrevision mit Recht geltend macht, sachlich nicht gerechtfertigt,
  311. den selbstverwertenden Verleger, der einen eigenen Taschenbuchverlag unterhält, gegenüber dem lizenzgebenden Verleger, der die Dienste eines fremden
  312. Taschenbuchverlages in Anspruch nimmt, im Blick auf § 17 VerlG hinsichtlich
  313. der Anforderungen an die Veranstaltung einer Neuauflage schlechter zu stellen.
  314. 35
  315. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass eine Lizenzausgabe für den Verfasser regelmäßig ungünstiger ist als eine Verlagsausgabe. Dies lässt sich auch
  316. - 15 -
  317. nicht der von der Revisionserwiderung des Beklagten herangezogenen Entscheidung des Senats „Ludwig Thoma“ (BGH, Urteil vom 19. November 1954
  318. - I ZR 241/52, BGHZ 15, 209) entnehmen. Dieser Entscheidung lag eine außergewöhnliche Fallgestaltung zugrunde. Die dort in Rede stehende Lizenzausgabe beruhte auf dem im Jahre 1945 eingeführten und im September 1949 wieder
  319. aufgehobenen Lizenzzwang für Verlagsunternehmen und stellte daher eine
  320. „dem ursprünglichen Vertrag nicht entsprechende verlegerische Ausnutzung
  321. der dem klagenden Verlag gegebenen Werke“ dar (BGHZ 15, 209, 214 ff.
  322. - Ludwig Thoma). Die in jener Entscheidung für die Nachteile der Lizenzausgabe angeführten Gründe lassen sich daher nicht verallgemeinern und treffen für
  323. den Regelfall - und so auch im Streitfall - nicht zu. Das gilt sowohl für die Erwägung, die Lizenzausgabe führe wegen der Lizenzgebühren zu einem höheren
  324. Buchpreis, der sich absatzhemmend und daher für das Autorenhonorar nachteilig auswirke, als auch für die Überlegung, der Lizenzverlag werde in der Regel
  325. nur geringere Kosten für die Werbung des ihm nur für eine begrenzte Zeit anvertrauten Werkes aufwenden als der Originalverleger (BGHZ 15, 209, 215 f.
  326. - Ludwig Thoma).
  327. 36
  328. 5. Der vom Beklagten mit Schreiben vom 12. Juli 2005 erklärte Rücktritt
  329. vom Vertrag war auch nicht nach §§ 30, 32 VerlG berechtigt.
  330. - 16 -
  331. 37
  332. a) Fordert der Verfasser den Verleger zur Erklärung darüber auf, ob er
  333. von seinem bereits eingeräumten Recht zu einer neuen Auflage Gebrauch machen wolle und antwortet der Verleger in bejahendem Sinn, so liegt darin regelmäßig ein Vertragsschluss über die neue Auflage oder eine die Neuauflage
  334. einschließende Änderung des ursprünglichen Vertrages. Kommt der Verleger
  335. seiner damit begründeten Verpflichtung zur Veranstaltung einer Neuauflage
  336. nicht nach, ergibt sich das Rücktrittsrecht des Verfassers nicht aus § 17, sondern aus § 32 in Verbindung mit § 30 VerlG (Schricker aaO § 17 Rn. 2). Wird
  337. das Werk nicht vertragsmäßig vervielfältigt oder verbreitet, so gibt § 32 VerlG
  338. dem Verfasser das Recht, dem Verleger in entsprechender Anwendung des
  339. § 30 VerlG eine angemessene Frist für die Vervielfältigung oder Verbreitung mit
  340. der Erklärung zu setzen, dass er die Annahme der Leistung nach dem Ablauf
  341. der Frist ablehne (§ 30 Abs. 1 Satz 1 VerlG), und nach dem Ablauf der Frist
  342. vom Vertrag zurückzutreten, wenn nicht die Leistung rechtzeitig erbracht worden ist (§ 30 Abs. 1 Satz 3 VerlG).
  343. 38
  344. b) Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Beklagten unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kein Rücktrittsrecht zu. Der Kläger habe nicht
  345. gegen eine nach Abschluss der Übersetzungsverträge getroffene Vereinbarung
  346. der Parteien zur Veranstaltung der Neuauflage einer Hardcover-Ausgabe der
  347. Übersetzungen verstoßen. Die Parteien hätten bereits keine rechtlich bindende
  348. Vereinbarung über die Veranstaltung einer Neuauflage getroffen. Der E-Mail
  349. des Klägers vom 30. Juni 2004 lasse sich kein Rechtsbindungswille für die Zusage der Neuauflage einer Hardcover-Ausgabe entnehmen. Aus der E-Mail des
  350. Beklagten vom 7. Juli 2004 ergebe sich, dass er die E-Mail des Klägers ganz
  351. offensichtlich selbst nicht als rechtsverbindliche Zusage, sondern nur als bloße
  352. Absichtserklärung verstanden habe. Die gegen diese Beurteilung gerichteten
  353. Angriffe der Anschlussrevision sind nicht begründet.
  354. - 17 -
  355. 39
  356. Die Anschlussrevision rügt ohne Erfolg, die Würdigung der Erklärung des
  357. Klägers vom 30. Juni 2004 durch das Berufungsgericht sei offensichtlich rechtsund erfahrungswidrig. Die E-Mail des Klägers vom 30. Juni 2004 hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
  358. Meine juristischen Berater sind offenbar (noch) schlechter als der Ihre, weil sie
  359. mir noch keinen passablen Weg weisen konnten, wie wir diese Ihre Attacke parieren können. Es geht um die definitorische Frage: ist unter der in § 17 VerlG
  360. genannten „Auflage“ auch eine vom Verleger lizensierte „Lizenzauflage“ zu verstehen. Der gesunde Menschenverstand würde das ohne Weiteres bejahen.
  361. aber, lieber Herr Richter, wo ist der denn noch zu Hause. Klarheit in diesem
  362. Punkte scheint nur eine richterliche Entscheidung herbeizuführen und diese ist
  363. mir noch nicht gefunden worden. Also werden wir diese jetzt auch noch nicht
  364. herbeiführen, sondern haben mit der Vorbereitung von Nachauflagen der Titel
  365. World’s End, Wenn der Fluss voll Whisky wäre, América begonnen, die im Laufe des Sommers erscheinen werden.
  366. 40
  367. Die Erklärung des Klägers beruht damit - entgegen der Darstellung der
  368. Anschlussrevision - nicht auf der Annahme, es sei rechtlich ungesichert, ob eine
  369. Pflicht des Klägers besteht, eine neue Hardcover-Ausgabe im eigenen Verlagshaus aufzulegen. Ein Verleger, der das Recht hat, eine neue Auflage zu veranstalten, ist nach § 17 Satz 1 VerlG nicht verpflichtet, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Den Verleger trifft hinsichtlich seines Neuauflagenrechts
  370. keine Ausübungspflicht, sondern nur eine Ausübungslast (BGH, Urteil vom
  371. 11. Juni 1969 - I ZR 54/67, GRUR 1970, 40, 42 f. - Musikverleger I; Schricker
  372. aaO § 17 Rn. 1). Das ist rechtlich nicht zweifelhaft und war auch den Parteien
  373. bewusst. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Beklagte dem Kläger mit
  374. Schreiben vom 30. Januar 2004 geantwortet hat: „Ich weiß, dass Sie zur Veranstaltung von Neuauflagen nicht verpflichtet sind.“
  375. 41
  376. Die Erklärung des Klägers beruht vielmehr ersichtlich auf der Annahme,
  377. es sei rechtlich ungesichert, ob der Verleger seiner Ausübungslast mit einer Lizenzausgabe genügt. Mit der Ankündigung einer Nachauflage der Werke im eigenen Verlag wollte der Kläger sich daher nicht zu einer solchen Nachauflage
  378. verpflichten. Er wollte mit der angekündigten Nachauflage vielmehr lediglich si-
  379. - 18 -
  380. cherstellen, dass er seiner Ausübungslast auch dann entspricht, wenn er dieser
  381. nicht schon mit der Lizenzausgabe nachgekommen sein sollte.
  382. 42
  383. 6. Der vom Beklagten erklärte Rücktritt vom Vertrag ist ferner nicht nach
  384. § 323 Abs. 1 BGB berechtigt.
  385. 43
  386. a) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige
  387. Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger nach § 323
  388. Abs. 1 BGB vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Schuldner erfolglos eine
  389. angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat.
  390. 44
  391. b) Es kann offenbleiben, ob § 323 Abs. 1 BGB neben § 17 Satz 3 VerlG
  392. und §§ 30, 32 VerlG anwendbar ist. Der Beklagte ist nach dieser Bestimmung
  393. nicht zum Rücktritt von den Verträgen berechtigt, da der Kläger sich - wie
  394. soeben ausgeführt (Rn. 38 ff.) - nach der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zur Veranstaltung von Neuauflagen der
  395. Titel verpflichtet und daher auch nicht gegen eine entsprechende Verpflichtung
  396. verstoßen hat.
  397. 45
  398. 7. Die Voraussetzungen für einen Rückruf der Nutzungsrechte nach § 41
  399. UrhG sind nicht erfüllt.
  400. 46
  401. a) Übt der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht
  402. nicht oder nur unzureichend aus und werden dadurch berechtigte Interessen
  403. des Urhebers erheblich verletzt, so kann dieser nach § 41 Abs. 1 Satz 1 UrhG
  404. das Nutzungsrecht zurückrufen.
  405. 47
  406. b) Es kann offenbleiben, inwieweit § 41 UrhG neben § 17 Satz 3 VerlG
  407. und §§ 30, 32 VerlG anwendbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986
  408. - I ZR 144/83, GRUR 1986, 613 - Ligäa; Urteil vom 15. Oktober 1987
  409. - I ZR 114/85, GRUR 1988, 303, 305 - Sonnengesang; Schricker aaO § 32
  410. - 19 -
  411. Rn. 9; Schricker/Peukert in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 41
  412. UrhG Rn. 7). Nicht erfüllt ist im Streitfall jedenfalls die Voraussetzung des § 41
  413. Abs. 1 Satz 1 UrhG, dass der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts
  414. das Recht nicht oder nur unzureichend ausübt.
  415. 48
  416. Ob der Nutzungsberechtigte seine Ausübungslast ausreichend wahrgenommen hat, ist im Einzelfall nach Maßgabe des Vertragszwecks aufgrund einer Interessenabwägung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der
  417. Verkehrssitte zu ermitteln (Schricker/Peukert in Schricker/Loewenheim aaO
  418. § 41 UrhG Rn. 14; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 41 Rn. 15). Danach hat der Kläger sein ausschließliches Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung der Übersetzungen nicht deshalb unzureichend ausgeübt, weil er nach
  419. der Veranstaltung einer Hardcover-Ausgabe keine weitere Hardcover-Ausgabe
  420. im eigenen Verlag veranstaltet, sondern durch die Vergabe der erforderlichen
  421. Rechte das Erscheinen von Taschenbuch- und Sonderausgaben in fremden
  422. Verlagen veranlasst hat (vgl. Schricker/Peukert in Schricker/Loewenheim aaO
  423. § 41 UrhG Rn. 14; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 41 Rn. 19; Wandtke in
  424. Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 41 UrhG Rn. 13; Kotthoff in Dreyer/
  425. Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 2. Aufl., § 41 Rn. 6; J.B. Nordemann in Fromm/
  426. Nordemann aaO § 41 UrhG Rn. 14).
  427. 49
  428. Der Einwand des Beklagten, er verdiene an einer TaschenbuchLizenzausgabe weniger als an einer Hardcover-Verlagsausgabe, greift nicht
  429. durch. Es liegt grundsätzlich im wirtschaftlichen Interesse sämtlicher Beteiligter
  430. und ist daher erfahrungsgemäß üblich, einer Hardcover-Ausgabe (im eigenen
  431. Verlag) bei nachlassendem Absatz eine Taschenbuchausgabe (im eigenen Verlag oder im Verlag eines Dritten) folgen zu lassen, um dem Werk damit weitere
  432. Käufer zu erschließen. So verhält es sich auch im Streitfall. Die Revision weist
  433. zutreffend darauf hin, dass der Absatz der Übersetzungen von „If the River was
  434. Whiskey“ (vier Exemplare) und „The Tortilla Curtain“ (76 Exemplare) als Hard-
  435. - 20 -
  436. cover-Ausgabe nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers zuletzt äußerst mäßig war. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass dem Beklagten durch die Veröffentlichung einer Taschenbuch-Lizenzausgabe Nachteile
  437. entstanden sind. Soweit der Verkauf der Werke als Taschenbuch dazu führt,
  438. dass weniger gebundene Exemplare der Romane verkauft werden, ist vielmehr
  439. davon auszugehen, dass der Verlust aus dem Verkauf gebundener Bücher angesichts des zuletzt nur mäßigen Verkaufserfolges gering ist und durch den Gewinn aus dem Verkauf der Taschenbücher mehr als ausgeglichen wird.
  440. - 21 -
  441. 50
  442. III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Beklagten im Kostenpunkt und insoweit
  443. aufzuheben, als das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers erkannt hat.
  444. Die Berufung des Beklagten gegen Urteil des Landgerichts ist insgesamt zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1
  445. ZPO.
  446. Bornkamm
  447. Büscher
  448. Koch
  449. Schaffert
  450. Löffler
  451. Vorinstanzen:
  452. LG München I, Entscheidung vom 13.12.2006 - 21 O 20997/05 OLG München, Entscheidung vom 17.07.2008 - 6 U 2168/07 -