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357 lines
19 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 129/13
  5. Verkündet am:
  6. 18. Dezember 2014
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Schlafzimmer komplett
  19. UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1; Richtlinie 2005/29/EG Art. 2 Buchst. k,
  20. Art. 6 Abs. 1
  21. a) Eine nicht weiter erläuterte Werbung für Schlafzimmereinrichtungen mit der
  22. hervorgehobenen Angabe "KOMPLETT" (hier: komplett Drehtürenschrank
  23. Doppelbett Nachtkonsolen) und der Abbildung eines Bettes mit Matratze erweckt beim Verbraucher den Eindruck, das Angebot umfasse ein Bett mit
  24. Lattenrost und Matratze.
  25. b) Eine objektiv unzutreffende Aussage, die blickfangmäßig herausgestellt ist,
  26. kann auch ohne Sternchenhinweis durch klarstellende Angaben im weiteren
  27. Text aufgeklärt werden, wenn der Verbraucher sich vor einer geschäftlichen
  28. Entscheidung mit dem gesamten Text befassen wird.
  29. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - I ZR 129/13 - OLG München
  30. LG München I
  31. -2-
  32. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher,
  33. die
  34. Richter
  35. Prof. Dr. Schaffert,
  36. Dr. Koch,
  37. Dr. Löffler und die
  38. Richterin
  39. Dr. Schwonke
  40. für Recht erkannt:
  41. Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Mai 2013 wird auf Kosten des Klägers
  42. zurückgewiesen.
  43. Von Rechts wegen
  44. Tatbestand:
  45. 1
  46. Die Beklagte betreibt mehrere Möbelhäuser. In einer Beilage zum "F.
  47. Tagblatt" vom 18. April 2012 warb sie in einem 20-seitigen Prospekt "Extrem
  48. SPARTAGE 2012" unter anderem für Schlafzimmermöbel. Auf den Seiten 14/15 war oben in der Mitte ein Schlafzimmer mit einem Doppelbett abgebildet, auf dem eine Matratze und Decken sowie Kissen lagen. Auf der nachstehend wiedergegebenen - Abbildung befand sich in großen roten Ziffern
  49. der Preis von 1499 € und darunter die Angabe "Schlafzimmer komplett". Ein
  50. eingerahmter Kasten enthielt ebenfalls hervorgehoben in rot unterlegter Schrift
  51. den Hinweis "KOMPLETT". Darunter waren in fetter schwarzer Schrift die Bestandteile "DREHTÜRENSCHRANK", "DOPPELBETT" und "NACHTKONSOLEN" genannt. Links unten war in der Abbildung am Ende eines in kleiner
  52. -3-
  53. schwarzer Schrift gehaltenen Textes vermerkt "Ohne Lattenroste, Matratzen,
  54. Beimöbel und Deko".
  55. -4-
  56. -5-
  57. 2
  58. Auf derselben Doppelseite wurde links in der Mitte und unten in entsprechend eingerahmten Kästen mit der rot unterlegten Angabe "KOMPLETT" für
  59. zwei weitere Schlafzimmereinrichtungen mit Betten zum Preis von 1699 € und
  60. 1999 € geworben. Dazu befand sich unterhalb der Abbildungen wiederum jeweils in kleiner schwarzer Schrift unter anderem der Hinweis "Ohne Lattenroste,
  61. Matratzen, … Beimöbel und Deko". Die Werbung war folgendermaßen gestaltet:
  62. -6-
  63. 3
  64. Die Beklagte warb auf derselben Doppelseite unten in der Mitte mit der
  65. Abbildung eines weiteren Schlafzimmers mit Bett, bei dem die Preise für den
  66. Schrank und das "Komfort-Doppelbett" getrennt angeführt waren. Das Bett war
  67. mit Matratze und Bettzeug abgebildet. Der Preis für das Bett war dabei in gro-
  68. -7-
  69. ßen gelben Ziffern mit "399,-" angegeben. Auch hier fand sich am linken unteren Rand in kleiner schwarzer Schrift ein Hinweis "Ohne Lattenroste, Matratzen,
  70. … Beimöbel und Deko".
  71. 4
  72. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen
  73. Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder an einem
  74. lauteren Wettbewerb gehört. Er hält die vorstehend beschriebene Werbung der
  75. Beklagten für irreführend, weil sie mit der Abbildung komplett ausgestatteter
  76. Betten, darauf bezogenen Preisangaben und der hervorgehobenen Angabe
  77. "KOMPLETT" suggeriere, dass der Preis nicht lediglich das Bettgestell, sondern
  78. das gesamte Möbelstück einschließlich Lattenrost und Matratze umfasse. Der
  79. aufklärende Hinweis, dass zum blickfangmäßig herausgestellten Preis nur ein
  80. leeres Bettgestell geliefert werde, habe am Blickfang nicht teil.
  81. 5
  82. Das Landgericht hat der auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten
  83. gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung
  84. der Klage geführt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
  85. Entscheidungsgründe:
  86. 6
  87. I. Das Berufungsgericht hat den Kläger als klage- und anspruchsbefugt
  88. angesehen, die Klage aber für unbegründet erachtet, weil die beanstandete
  89. Werbung nicht geeignet sei, den mit ihr angesprochenen Verbraucher irrezuführen. Dieser werde der Werbung wegen der wirtschaftlichen Tragweite eines
  90. entsprechenden Kaufentschlusses die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringen. Der Verbraucher sei daran gewöhnt, dass auch bloße Bettgestelle in der in Rede stehenden Weise beworben würden. Er ginge
  91. beim Betrachten der Werbung nicht davon aus, dass jeweils die Matratze und
  92. der Lattenrost mit zum Angebot gehörten. Dem Verbraucher erschließe sich
  93. -8-
  94. ohne weiteres, dass Gegenstände wie die bei der beanstandeten Werbung abgebildeten Schuhe, der Teppich, die Wandbilder sowie die Elektrogeräte auf
  95. dem Nachttisch nicht zum beworbenen Lieferumfang zählten. Er wisse zudem,
  96. dass Matratzen und Lattenroste in der heutigen Zeit in zahlreichen, auf die individuellen Gewohnheiten und Bedürfnisse der Kunden zugeschnittenen Ausstattungsformen und zu sehr unterschiedlichen Preisen angeboten würden. Er werde daher auch ohne Kenntnis des aufklärenden Hinweises im unteren Teil der
  97. streitgegenständlichen Werbung "Ohne Lattenroste, Matratzen, Beimöbel und
  98. Deko" annehmen, dass das Angebot den Lattenrost und die Matratze nicht umfasse.
  99. 7
  100. Der angesprochene Verbraucher werde sich bei einer beabsichtigten Investition in vierstelliger Höhe regelmäßig für den gesamten Inhalt einer Werbeaussage interessieren, selbst wenn Teile davon in einer im Vergleich zur übrigen Werbung klein gehaltenen Schrift abgefasst seien. Er werde den Hinweis
  101. am unteren Rand der jeweiligen Werbeabbildung, das Angebot umfasse nicht
  102. den Lattenrost und die Matratzen, zur Kenntnis nehmen. Dies gelte auch deshalb, weil sich der Verbraucher ohne die im Hinweis "Schlafzimmer" jeweils genannten Angaben der Möbel keine hinreichende Kenntnis vom Inhalt des Angebots verschaffen könne. Der Verbraucher habe aus diesem Grund Anlass, den
  103. erläuternden Text auch ohne klarstellenden Hinweis etwa in Form eines Sternchenhinweises zur Kenntnis zu nehmen.
  104. 8
  105. II. Das gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsmittel des Klägers ist
  106. im Ergebnis nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte verstoße mit der beanstandeten Werbung ohne Berücksichtigung des
  107. aufklärenden Hinweises am unteren Rand der jeweiligen Werbeabbildung nicht
  108. gegen das in § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG geregelte Irreführungsgebot, hält zwar den Angriffen der Revision nicht stand (dazu unter II.1). Das
  109. Berufungsgericht hat eine Irreführung der Verbraucher aber zu Recht mit der
  110. Erwägung verneint, es sei davon auszugehen, der Verbraucher werde die in
  111. -9-
  112. nicht hervorgehobener Schrift gehaltene Erläuterung des Angebotsinhalts zur
  113. Kenntnis nehmen (dazu unter II.2).
  114. 9
  115. 1. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, kann ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot nicht schon mit der Begründung verneint werden,
  116. der Verbraucher werde die Abbildung voll ausgestatteter Betten und die im
  117. Blickfang herausgestellten Angaben in der Werbung nicht dahin verstehen,
  118. dass das Angebot Matratzen und Lattenroste umfasst.
  119. 10
  120. a) Das Berufungsgericht ist allerdings im rechtlichen Ansatz zutreffend
  121. davon ausgegangen, dass bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche
  122. Verhältnisse zur Irreführung geeignet ist, auf die Auffassung der Verbraucher
  123. abzustellen ist, an die sich die Werbung richtet. Mit Recht hat es angenommen,
  124. dass für die Beurteilung einer Werbeaussage als irreführend im Sinne von § 5
  125. UWG das Verständnis maßgeblich ist, das der Verkehr von dem von der betreffenden Aussage ausgehenden Gesamteindruck hat, und dass einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung nicht aus dem Zusammenhang,
  126. in dem sie stehen, gerissen und isoliert betrachtet werden dürfen. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, bei der Beurteilung der Frage,
  127. welche Aufmerksamkeit der Verbraucher der verfahrensgegenständlichen Werbung entgegenbringe, seien die wirtschaftliche Tragweite eines entsprechenden
  128. Kaufentschlusses sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass Anschaffungen
  129. dieser Art in der Regel für einen Zeitraum von mehreren Jahren erfolgten und
  130. die persönlichen Lebensverhältnisse des interessierten Kunden berührten.
  131. 11
  132. b) Dagegen hält die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Verbraucher
  133. nehme nicht an, dass jeweils auch die Matratze und der Lattenrost mit zum beworbenen Leistungsangebot und Lieferumfang gehörten, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  134. - 10 -
  135. 12
  136. aa) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Verbraucher sei seit
  137. langem ähnlichen Werbeaussagen vornehmlich durch große Möbelhäuser ausgesetzt und daher daran gewöhnt, dass Bettgestelle nicht isoliert dargestellt,
  138. sondern in einer Vollausstattung mit Matratze, Kissen und Bettdecken abgebildet würden. Nicht selten seien die Betten in eine komplette Schlafzimmerausstattung mit entsprechendem Mobiliar eingebunden. Der Verbraucher wisse,
  139. dass Matratzen und Lattenroste heutzutage in zahlreichen auf die individuellen
  140. Lebensgewohnheiten und Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Ausstattungsformen zahlreicher Hersteller zu sehr unterschiedlichen Preisen angeboten würden. Er werde daher auch ohne Kenntnis des aufklärenden Hinweises
  141. "ohne Lattenroste, Matratzen, Beimöbel und Deko" annehmen, das Angebot der
  142. Beklagten umfasse nicht den Lattenrost und die Matratzen. Er werde in dieser
  143. Vorstellung dadurch bestärkt, dass aus der blickfangmäßig herausgestellten
  144. Werbeaussage
  145. "KOMPLETT
  146. DREHTÜRENSCHRANK
  147. DOPPELBETT
  148. NACHTKONSOLEN" gerade nicht hervorgehe, das Doppelbett sei komplett.
  149. 13
  150. bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist erfahrungswidrig. Eine
  151. - wie vom Berufungsgericht an dieser Stelle seiner Entscheidung unterstellt nicht weiter erläuterte Werbung für Schlafzimmereinrichtungen mit den hervorgehobenen Angaben "KOMPLETT DREHTÜRENSCHRANK (FUNKTIONSSCHRANK) DOPPELBETT (STOLLENBETT) NACHTKONSOLEN (BETTPANEELE)" und der Abbildung eines Bettes mit Matratze erweckt beim Durchschnittsverbraucher den Eindruck, dass das Angebot ein funktionsgerecht ausgestattetes Bett samt Lattenrosten und Matratzen und nicht lediglich ein Bettgestell umfasst, das erst durch den Zukauf dieser für die zweckentsprechende
  152. Nutzung unverzichtbaren Bestandteile zu einem kompletten Bett wird (vgl. auch
  153. OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 13 W 83/02, Anlage K 5;
  154. Kammergericht, Beschluss vom 19. September 2008 - 5 U 120/06, MD 2008,
  155. 1135; OLG Bamberg, Urteil vom 21. September 2011 - 3 U 129/11, MD 2011,
  156. 973).
  157. - 11 -
  158. 14
  159. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts ist wesentlich darauf
  160. gestützt, der Verbraucher sehe sich seit langem ähnlichen Werbeaussagen
  161. großer Möbelhäuser ausgesetzt und sei daran gewöhnt, dass dadurch nur ein
  162. Bettgestell beworben würde. Zu Recht beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe nicht weiter begründet, wie es zu der von ihm angenommenen Verkehrsgewöhnung gekommen sei. Das war aber erforderlich, weil diese
  163. Annahme mit der Verkehrsauffassung nicht in Einklang steht, wie sie den vorstehend wiedergegebenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle und
  164. Bamberg und des Kammergerichts zugrunde liegt. Nach diesen Entscheidungen fasst der Verkehr die Abbildung eines kompletten Bettes als Angebot des
  165. Bettgestells mit Lattenrost und Matratze auf. An diesem Ergebnis ändert der
  166. Umstand nichts, dass der Verbraucher die in der Werbung abgebildeten weiteren Dekorationsartikel (Schuhe, Teppich, Wandbilder, Elektronikgeräte) als
  167. nicht vom Angebot umfasst ansieht. Mit diesen Artikeln sind Matratzen und Lattenroste nicht vergleichbar. Erst durch diese Teile werden aus einem reinen
  168. Bettgestell die in der Werbung abgebildeten Betten. Abweichendes folgt nicht
  169. aus dem Umstand, dass Matratzen und Lattenrost häufig in an die Bedürfnisse
  170. der Kunden angepassten Ausführungen vertrieben werden, die erhebliche
  171. Preisunterschiede aufweisen. Bei den hier in Rede stehenden preisgünstigen
  172. Angeboten wird der Verkehr nicht annehmen, zwischen verschiedenen preislich
  173. sehr unterschiedlichen Ausstattungen wählen zu können. Das schließt aber
  174. nicht aus, dass der Verkehr davon ausgeht, das Angebot umfasse Matratzen
  175. und Lattenroste zu den Betten in bestimmten, nicht näher konkretisierten Ausführungen.
  176. 15
  177. 2. Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat
  178. eine Irreführung der Verbraucher zu Recht mit der Erwägung verneint, es sei
  179. davon auszugehen, dass der Verbraucher die in kleiner Schrift gehaltene Erläuterung des Angebotsinhalts auch ohne einen klarstellenden Hinweis etwa in
  180. Gestalt eines Sternchenhinweises zur Kenntnis nehmen werde.
  181. - 12 -
  182. 16
  183. a) Die Revision weist allerdings mit Recht darauf hin, dass nach der
  184. Rechtsprechung des Senats in Fällen, in denen der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden muss, der selbst am Blickfang teilhat. Danach reicht es nicht aus,
  185. wenn etwa der beworbene Artikel zusammen mit weiteren Artikeln abgebildet
  186. wird, ohne die er nicht benutzt werden kann, und der aufklärende Hinweis nur
  187. innerhalb der Produktbeschreibung steht, ohne am Blickfang teilzuhaben und
  188. die Zuordnung zu den herausgestellten Angaben zu wahren (vgl. BGH, Urteil
  189. vom 28. November 2002 - I ZR 110/00, GRUR 2003, 249 f. = WRP 2003, 379
  190. - Preis ohne Monitor).
  191. 17
  192. b) Das verhilft der Revision aber nicht zum Erfolg.
  193. 18
  194. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der angesprochene Verbraucher sich bei einer beabsichtigten Investition regelmäßig für den gesamten Inhalt einer Werbeaussage interessieren und sich ebenfalls mit den Teilen der
  195. Werbung befassen wird, die in kleinerer als der im Blickfang gehaltenen Schrift
  196. abgefasst sind. Er werde daher bei der beanstandeten Werbung den Hinweis
  197. am unteren Rand der jeweiligen Werbeabbildung zur Kenntnis nehmen, das
  198. Angebot umfasse nicht den Lattenrost und die Matratze. Dafür spreche bei der
  199. angegriffenen Werbung, dass sich der Verbraucher ohne die Maßangaben der
  200. Möbel nicht ausreichend über das Angebot informieren könne. Der Verbraucher
  201. habe aus diesem Grund Anlass, den erläuternden Text auch ohne klarstellenden Hinweis etwa in Form eines Sternchenhinweises zur Kenntnis zu nehmen.
  202. 19
  203. c) Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung
  204. stand. Entgegen der Annahme der Revision ist nicht in jedem Fall ein Sternchenhinweis oder ein anderer klarstellender Hinweis an den isoliert irreführenden blickfangmäßigen Angaben in einer Werbung erforderlich, um einen Irrtum
  205. der Verbraucher auszuschließen. Vielmehr kann es genügen, dass es sich um
  206. - 13 -
  207. eine Werbung - etwa für langlebige und kostspielige Güter - handelt, mit der
  208. sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis
  209. nehmen wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - I ZR 50/00, GRUR 2003,
  210. 163, 164 = WRP 2003, 273 - Computerwerbung II; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 5 Rn. 2.98; Großkomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5
  211. Rn. 105; Fezer/Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 226). So liegen die Dinge im
  212. Streitfall. Der Verbraucher wird ohne weiteres auf die zwar erst am Ende der
  213. Texte und in nicht hervorgehobener Schrift gegebene, aber in den - jeweils kurzen und übersichtlich gestalteten - Texten nicht versteckte Information stoßen,
  214. das Angebot umfasse nicht die Lattenroste und Matratzen für die Betten. Diese
  215. Information ist unzweideutig und geeignet, den beim Verbraucher zuvor erweckten gegenteiligen Eindruck zu beseitigen und ihn von einer auf Irrtum beruhenden geschäftlichen Entscheidung abzuhalten.
  216. 20
  217. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die - unrichtigen - Angaben im Blickfang geeignet sind, den Verbraucher zu veranlassen, sich überhaupt mit der Werbung näher zu befassen. Das reicht für eine Irreführung allein
  218. nicht aus. Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken ist eine Geschäftspraxis irreführend, wenn sie zum einen falsche Angaben enthält oder den Durchschnittsverbraucher zu täuschen geeignet
  219. ist und zum anderen den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer
  220. geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte.
  221. Eine geschäftliche Entscheidung ist gemäß Art. 2 Buchst. k der Richtlinie
  222. 2005/29/EG jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter
  223. welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will. Dieser Begriff erfasst außer
  224. der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit
  225. unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-281/12, GRUR
  226. 2014, 196 Rn. 36 bis 38 = WRP 2014, 161 - Trento Sviluppo; vgl. dazu auch
  227. Köhler, WRP 2014, 259, 260). Dagegen stellt die Entscheidung des Verbrau-
  228. - 14 -
  229. chers, sich mit einem beworbenen Angebot in einer Werbeanzeige näher zu
  230. befassen, die durch eine blickfangmäßig herausgestellte irreführende Angabe
  231. veranlasst worden ist, für sich gesehen mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit einem Erwerbsvorgang noch keine geschäftliche Entscheidung
  232. im Sinne von Art. 2 Buchst. k und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG dar.
  233. Die beanstandete Werbeanzeige wäre daher nur als irreführend anzusehen,
  234. wenn anzunehmen wäre, dass der Durchschnittsverbraucher nicht durch die
  235. weiteren in der Anzeige enthaltenen Angaben davon abgehalten wird, eine auf
  236. Irreführung beruhende geschäftliche Entscheidung zu treffen. Davon kann aber
  237. keine Rede sein.
  238. 21
  239. 3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach
  240. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober
  241. 1982 - 287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil
  242. vom 11. September 2008 - C-428/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 757
  243. Rn. 42 - UGT Rioja u.a.). Dass die Entscheidung des Verbrauchers, sich mit
  244. einem beworbenen Angebot in einer Werbeanzeige näher zu befassen, die
  245. durch eine blickfangmäßig herausgestellte irreführende Angabe veranlasst worden ist, für sich gesehen mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit
  246. einem Erwerbsvorgang noch keine geschäftliche Entscheidung im Sinne von
  247. Art. 2 Buchst. k, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG darstellt, unterliegt keinem vernünftigen Zweifel. Eine Geschäftspraxis, die den Durchschnittsverbraucher täuscht oder zu täuschen geeignet ist, ist nur unter den - im Streitfall nicht
  248. gegebenen - Voraussetzungen der Nummern 1 bis 23 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG, die durch die Nummern 1 bis 16 und 18 bis 24 des Anhangs
  249. zu § 3 Abs. 3 UWG in deutsches Recht umgesetzt worden sind, unabhängig
  250. davon als unzulässig anzusehen, ob sie den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten
  251. nicht getroffen hätte.
  252. - 15 -
  253. 22
  254. III. Nach alledem ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus
  255. § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  256. Büscher
  257. Schaffert
  258. Löffler
  259. Koch
  260. Schwonke
  261. Vorinstanzen:
  262. LG München I, Entscheidung vom 30.10.2012 - 1 HKO 10037/12 OLG München, Entscheidung vom 16.05.2013 - 6 U 4729/12 -