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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. VERSÄUMNISURTEIL
  4. I ZR 122/09
  5. Verkündet am:
  6. 20. Januar 2011
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Makler als Vertreter im Zwangsversteigerungsverfahren
  19. ZPO § 79 Abs. 2; ZVG §§ 9, 71 Abs. 2
  20. Immobilienmakler sind nicht befugt, einen Gläubiger als Beteiligten im Sinne
  21. von § 9 ZVG in einem gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren zu vertreten. Die Befugnis, Bieter zu vertreten, bleibt davon unberührt.
  22. BGH, Versäumnisurteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 122/09 - OLG Oldenburg
  23. LG Oldenburg
  24. -2-
  25. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  26. und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
  27. für Recht erkannt:
  28. Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. 1
  32. Die Kläger sind zugelassene Rechtsanwälte, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für Gläubiger gerichtliche Zwangsversteigerungstermine wahrnehmen. Die Beklagte, eine Immobilienmaklerin, bietet ihren Kunden diese
  33. Dienstleistung ebenfalls an.
  34. 2
  35. Die Kläger haben die Ansicht vertreten, seit dem Inkrafttreten des
  36. Rechtsdienstleistungsgesetzes am 1. Juli 2008 sei die Vertretung in Zwangsversteigerungsverfahren nur noch Rechtsanwälten und denjenigen Personen
  37. gestattet, welche die in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZPO genannten Kriterien
  38. erfüllten. Immobilienmakler gehörten nicht dazu. Die Kläger haben in dem auch
  39. nach dem 1. Juli 2008 fortgesetzten Angebot der in Rede stehenden Dienstleistung durch die Beklagte einen wettbewerbsrechtlich relevanten Verstoß gegen
  40. § 79 Abs. 2 ZPO gesehen.
  41. -3-
  42. 3
  43. Sie haben beantragt,
  44. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen,
  45. es zu unterlassen, sich zu erbieten, für Gläubiger in gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren Terminsvertretungen zu übernehmen und diese durchzuführen.
  46. 4
  47. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, bei einem Zwangsversteigerungsverfahren handele es sich nicht um einen "Parteiprozess" im Sinne von § 79 ZPO. Jedenfalls gebiete eine verfassungskonforme
  48. Auslegung dieser Vorschrift ihre Zulassung als "Prozessvertreter" eines Gläubigers in einem Zwangsversteigerungstermin.
  49. 5
  50. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die
  51. Kläger waren im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Revision trotz
  52. ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Die Beklagte beantragt, über ihr
  53. Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
  54. Entscheidungsgründe:
  55. 6
  56. I. Die Entscheidung hat angesichts der Säumnis der Kläger und Revisionsbeklagten im Termin zur Verhandlung über die Revision durch Versäumnisurteil zu ergehen. Sie beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern ist eine Entscheidung in der Sache, die ebenso ergangen wäre, wenn die Kläger in der
  57. mündlichen Revisionsverhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen wären
  58. (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
  59. 7
  60. II. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger - in
  61. Übereinstimmung mit dem Landgericht - aus § 8 Abs. 1 und 3, §§ 3, 4 Nr. 11
  62. -4-
  63. UWG in Verbindung mit § 79 ZPO für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
  64. 8
  65. Der Anwendungsbereich des § 79 ZPO sei eröffnet, da das Zwangsversteigerungsverfahren gesetzessystematisch dem "Parteiprozess" im Sinne der
  66. genannten Vorschrift zuzuordnen sei. Die Zwangsversteigerung sei ein spezifischer Verfahrensabschnitt im Rahmen der zur Zivilprozessordnung gehörenden
  67. Zwangsvollstreckung nach den §§ 704 ff. ZPO. Die gesetzgeberische Entscheidung für die Zuordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens zum Zivilprozess
  68. indiziere zugleich die Anwendung der Vertretungsregelungen in den §§ 78 ff.
  69. ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten werde das nach dem Klageantrag maßgeblich betroffene Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner auch
  70. typischerweise von gegenläufigen Interessen und daraus resultierenden Streitigkeiten geprägt.
  71. 9
  72. Der aus § 79 Abs. 2 ZPO folgende Ausschluss der Immobilienmakler von
  73. der Vertretung eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin verstoße weder gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) noch
  74. gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Vorschrift des § 79 Abs. 2 ZPO beschränke zwar diejenigen, die weder Rechtsanwälte seien noch zu den in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
  75. bis 4 ZPO genannten Personengruppen gehörten, in ihrem grundgesetzlich geschützten Recht auf freie Berufsausübung, wenn sie im Zusammenhang mit
  76. ihrer beruflichen Tätigkeit im Zwangsversteigerungstermin als Vertreter eines
  77. Gläubigers tätig werden wollten. Diese Beschränkung der Vertretungsbefugnis
  78. in gerichtlichen Verfahren beruhe jedoch auf sachlich tragenden Gründen im
  79. wohlverstandenen Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer geordneten Rechtspflege und rechtsstaatlicher Verfahrensabläufe.
  80. -5-
  81. 10
  82. Die vom Gesetzgeber in § 79 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgenommene Abgrenzung des zur Vertretung berechtigten Personenkreises sei auch unter den
  83. Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots verfassungsrechtlich unbedenklich.
  84. 11
  85. III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  86. keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass den
  87. Klägern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 und 3,
  88. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 79 Abs. 2 ZPO zusteht.
  89. 12
  90. 1. Die Kläger haben mit ihrem Klageantrag begehrt, der Beklagten zu untersagen, sich zu erbieten, für Gläubiger im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren Terminsvertretungen zu übernehmen und diese durchzuführen.
  91. Der so gefasste Unterlassungsantrag umfasst nach seinem Wortlaut auch die
  92. Vertretung eines Gläubigers bei der Abgabe eines Eigengebots (siehe dazu
  93. BGH, Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 98/05, NJW 2006, 1355;
  94. Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 85a Anm. 4.1). Der Streitgegenstand (der prozessuale
  95. Anspruch) wird aber nicht nur durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, sondern auch von dem
  96. Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte
  97. Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - I ZR 235/03, BGHZ 168,
  98. 179 Rn. 15 - Anschriftenliste).
  99. 13
  100. Die Kläger haben in erster Instanz mit Schriftsatz vom 26. Januar 2009
  101. ausdrücklich klargestellt, dass es ihnen nicht darum geht, ob die Beklagte berechtigt ist, als Vertreterin eines Bieters im Zwangsversteigerungsverfahren
  102. aufzutreten. Sie erstreben vielmehr ein Verbot für die Beklagte, Gläubiger als
  103. Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG zu vertreten.
  104. -6-
  105. 14
  106. Bieter zählen nicht zu den Beteiligten im Sinne der genannten Vorschrift.
  107. Dementsprechend beurteilt sich die Wirksamkeit ihrer Vertretung im Zwangsversteigerungstermin nach den §§ 164 ff. BGB und nicht nach § 79 ZPO. Ein
  108. Bieter kann sich daher von jeder bevollmächtigten natürlichen oder juristischen
  109. Person vertreten lassen (Stöber aaO § 71 Anm. 6.3; Böttcher, ZVG, 5. Aufl.,
  110. § 71 Rn. 15; a.A. Klawikowski, Rpfleger, 2008, 404, 407). Dies gilt auch für den
  111. Gläubiger, soweit er am Versteigerungstermin lediglich als Bieter teilnimmt und
  112. ein Gebot abgibt.
  113. 15
  114. 2. Die Kläger haben ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) und dazu ihrer Auffassung nach von der
  115. Beklagten im Zeitraum von Juli bis Oktober 2008 begangene Zuwiderhandlungen gegen § 79 Abs. 2 ZPO vorgetragen. Da der Unterlassungsanspruch auf
  116. die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn
  117. auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt
  118. ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es anderenfalls an der
  119. Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 2010
  120. - I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 10 = WRP 2010, 872 - Costa del Sol, mwN).
  121. 16
  122. Das zur Zeit der beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten geltende
  123. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414)
  124. ist zwar Ende 2008 geändert worden. Diese - der Umsetzung der Richtlinie
  125. 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dienende - Gesetzesänderung
  126. ist für den Streitfall jedoch ohne Bedeutung. Die von der Beklagten angebotenen Dienste erfüllen sowohl die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung
  127. gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 als auch diejenigen einer geschäftlichen
  128. Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der jetzt geltenden Fassung. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG hat durch die UWG-Novelle 2008 keine Änderung
  129. -7-
  130. erfahren. Im Übrigen bleiben nach Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/29/EG alle
  131. spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen
  132. Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem
  133. Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen
  134. können. Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen, die das Marktverhalten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln, auch nach dem UWG 2008 zulässig (BGH, Urteil vom
  135. 29. Juli 2009 - I ZR 166/06, GRUR 2009, 1077 Rn. 21 = WRP 2009, 1380
  136. - Finanz-Sanierung;
  137. Köhler
  138. in
  139. Köhler/Bornkamm,
  140. UWG,
  141. 28. Aufl.,
  142. §4
  143. Rn. 11.6a).
  144. 3. Die Bestimmung des § 79 Abs. 2 ZPO zählt zu den Vorschriften im
  145. 17
  146. Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln. Die Vertretungsbeschränkung im Zivilprozess dient vor allem auch der Sicherstellung
  147. einer sachgerechten Vertretung der Partei im gerichtlichen Verfahren (Begründung
  148. des
  149. Regierungsentwurfs
  150. zum
  151. Rechtsdienstleistungsgesetz,
  152. BT-
  153. Drucks. 16/3655 S. 66; vgl. auch BGH, GRUR 2009, 1077 Rn. 20 - FinanzSanierung).
  154. 18
  155. 4. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte
  156. mit ihrem Angebot, für Gläubiger in gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren Terminsvertretungen zu übernehmen und durchzuführen, gegen § 79
  157. Abs. 2 ZPO verstößt.
  158. 19
  159. a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich
  160. bei einem gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren um einen "Parteiprozess" im Sinne von § 79 ZPO handelt.
  161. -8-
  162. 20
  163. aa) Die Revision rügt, das gerichtliche Zwangsversteigerungsverfahren
  164. falle nicht in den Anwendungsbereich des § 79 ZPO. Sie macht geltend, die
  165. Zivilprozessordnung spreche in dem die Zwangsvollstreckung betreffenden achten Buch nur im ersten Abschnitt von "Parteien". Im Abschnitt zwei über die
  166. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen, zu dem systematisch auch die
  167. Zwangsversteigerung gehöre, werde der Begriff der Partei nicht verwandt. Auch
  168. das Zwangsversteigerungsgesetz benutze diesen Begriff nicht. Gläubiger und
  169. Schuldner würden vielmehr entweder direkt als solche bezeichnet oder fielen
  170. unter den Begriff der Beteiligten. Angesichts dieser strikten terminologischen
  171. Unterscheidung könne nicht angenommen werden, dass die Vertretungsregelungen in den §§ 78 ff. ZPO im Zwangsversteigerungsverfahren zur Anwendung
  172. kämen.
  173. 21
  174. Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Zwangsversteigerungsverfahren nach
  175. der Gesetzessystematik dem Parteiprozess des § 79 ZPO zuzuordnen ist. Das
  176. Zwangsversteigerungsverfahren ist eine spezielle Art der Zwangsvollstreckung
  177. wegen Geldforderungen, die im zweiten Abschnitt des achten Buches der Zivilprozessordnung behandelt wird. Dieser Zuordnung steht nicht entgegen, dass
  178. die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung nach § 869 ZPO durch ein
  179. besonderes Gesetz (Zwangsversteigerungsgesetz) geregelt werden. Für das
  180. Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 704 ff. ZPO gelten neben den spezifischen Verfahrensvorschriften auch die allgemeinen prozessualen Regelungen
  181. in den §§ 1 bis 252 ZPO sinngemäß, soweit sich aus dem Zwangsversteigerungsgesetz nicht etwas anderes ergibt (vgl. RGZ 73, 194, 195; Stöber aaO
  182. Einl. Rn. 19; Sievers in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der
  183. Zwangsvollstreckung, 2010, Vorbem. zu §§ 1 ff. ZVG Rn. 1). Das Zwangsversteigerungsgesetz enthält lediglich besondere Vorschriften über den Nachweis
  184. der Vertretungsmacht im Versteigerungstermin (§ 71 Abs. 2, § 81 Abs. 3 ZVG).
  185. -9-
  186. Die Frage, wer zur Vertretung eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin
  187. befugt ist, wird im Zwangsversteigerungsgesetz nicht geregelt, so dass die Anwendung von § 79 ZPO nicht ausgeschlossen ist. Auf den Umstand, dass der
  188. Begriff "Partei" weder im zweiten Abschnitt des achten Buches der Zivilprozessordnung noch im Zwangsversteigerungsgesetz verwendet wird, kommt es
  189. für die Zuordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens zum Parteiprozess im
  190. Sinne von § 79 ZPO in Anbetracht der Gesetzessystematik nicht entscheidend
  191. an.
  192. 22
  193. bb) Die Revision macht des Weiteren geltend, Sinn und Zweck des § 79
  194. ZPO erforderten nicht dessen Anwendung auf Terminsvertretungen im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren. Im Zwangsversteigerungstermin finde
  195. - anders als im Erkenntnisverfahren - grundsätzlich kein kontradiktorisches Aufeinandertreffen von Gläubigern und Schuldnern statt. Daher könne der Versteigerungstermin als solcher nicht als Parteiprozess angesehen werden.
  196. 23
  197. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Die durch § 79 Abs. 2 ZPO bewirkte Vertretungsbeschränkung im Parteiprozess dient einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Parteien im gerichtlichen Verfahren
  198. und andererseits der Ordnung des Prozesses (BT-Drucks. 16/3655 S. 66;
  199. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 79 Rn. 1). Diese Zielsetzung des Gesetzgebers ist auch bei der Zwangsversteigerung von Immobilien berührt, da es
  200. sich hierbei um ein gerichtliches Verfahren mit in der Regel erheblicher Tragweite handelt (vgl. Stöber aaO Einl. Rn. 22). Gläubiger und Schuldner stehen,
  201. wenn etwa Streit über die Anordnung, Einstellung oder Fortsetzung des
  202. Zwangsversteigerungsverfahrens herrscht, auch regelmäßig in einem kontradiktorischen Verhältnis zueinander, da sie zwangsläufig widerstreitende Interessen
  203. verfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ
  204. 170, 378 Rn. 7 f.).
  205. - 10 -
  206. 24
  207. Entgegen der Ansicht der Revision ist zwischen dem Versteigerungstermin einerseits und der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidung über
  208. mögliche Anträge der Beteiligten im Zwangsversteigerungsverfahren andererseits nicht dergestalt zu unterscheiden, dass zumindest die Vertretung eines
  209. Gläubigers im Versteigerungstermin durch einen Immobilienmakler oder seinen
  210. Angestellten zulässig sein muss. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs des Rechtsdienstleistungsgesetzes sollte die Zulässigkeit der Prozessvertretung einheitlich für das gesamte Verfahren geregelt und die vor der Gesetzesänderung durch § 157 ZPO bewirkte Trennung zwischen der Vertretung außerhalb der Verhandlung und der Vertretung im Termin gerade beseitigt werden, weil die einheitliche Regelung der Vertretungsbefugnis den Vorteil bietet,
  211. dass ein erzwungener Vertreterwechsel im Prozess nicht mehr erforderlich ist
  212. (BT-Drucks. 16/3655 S. 187 f.). Mit Recht hat das Berufungsgericht für maßgeblich erachtet, dass das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im
  213. Versteigerungstermin typischerweise von gegenläufigen Interessen und daraus
  214. resultierenden Streitigkeiten geprägt wird (vgl. BGHZ 170, 378 Rn. 7 f.). Eine
  215. sachgerechte Wahrnehmung der Interessen eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin erfordert daher eine erschöpfende Beratung des Mandanten,
  216. die gerade auch umfassende materielle und formelle Rechtskenntnisse voraussetzt (vgl. Stöber aaO Einl. Rn. 36; derselbe, ZVG-Handbuch, 8. Aufl. Rn. 301).
  217. 25
  218. Der Hinweis der Revision, dass bis zur Neufassung des § 79 ZPO
  219. Zwangsversteigerungstermine vielfach von Immobilienmaklern und deren Mitarbeitern wahrgenommen worden seien, ohne dass hierdurch ein Missstand
  220. aufgetreten sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber hat sich
  221. gerade nicht an Einzelfällen orientiert, sondern hat der Gesetzesfassung in
  222. sachgerechter Weise eine generalisierende Wertung und typisierende Betrachtung zugrunde gelegt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen,
  223. dass dies auf der Erfahrung beruht, dass die Wahrung eines rechtsstaatlichen
  224. - 11 -
  225. Verfahrens am besten durch Personen gesichert wird, die - wie es etwa bei
  226. Rechtsanwälten der Fall ist - ganz allgemein nach Ausbildung und Berufserfahrung eine grundlegende Gewähr für eine sach- und verfahrenskundige Begleitung in einem gerichtlichen Verfahren bieten und die darüber hinaus verpflichtet
  227. sind, sich angemessen gegen Berufshaftpflichtrisiken zu versichern.
  228. 26
  229. b) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass Immobilienmakler nicht zu den in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZPO aufgeführten
  230. Personengruppen gehören.
  231. 27
  232. 5. Entgegen der Auffassung der Revision sind die Regelungen in § 79
  233. Abs. 2 ZPO nicht wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG und/oder Art. 3
  234. Abs. 1 GG verfassungswidrig.
  235. 28
  236. a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auf freie Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit durch die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO beschränkt wird,
  237. weil es ihr untersagt ist, in einem Zwangsversteigerungstermin als Vertreter des
  238. Gläubigers als Beteiligten im Sinne von § 9 ZVG tätig zu werden.
  239. 29
  240. aa) Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt das Recht, den Beruf
  241. frei zu wählen und frei auszuüben. Die Berufsfreiheit umfasst das Recht der am
  242. Markt Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen. Soweit
  243. Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt
  244. werden, ist dies an ihren Grundrechten zu messen und nicht an denen der anderen Marktteilnehmer (BVerfGE 106, 275, 299). Bei der Frage, ob Immobilienmakler Gläubiger als Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG im Zwangsversteigerungstermin vertreten dürfen, geht es um eine solche Festlegung.
  245. - 12 -
  246. 30
  247. Wenn verfahrensrechtliche Vorschriften wesentliche berufliche Funktionen untersagen, betreffen sie unmittelbar die Ausübung des Berufs. Das trifft
  248. auch auf den vorliegenden Fall zu. Die Beklagte wird von der Vertretung eines
  249. Gläubigers in einem gerichtlichen Zwangsversteigerungstermin generell ausgeschlossen.
  250. 31
  251. bb) Diese Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Beklagten
  252. durch § 79 Abs. 2 ZPO ist entgegen der Auffassung der Revision jedoch gerechtfertigt und damit nicht verfassungswidrig.
  253. 32
  254. (1) Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind allerdings nur dann mit
  255. Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl.
  256. BVerfGE 94, 372, 390; 101, 331, 347; 117, 163, 182). Die Beschränkungen
  257. stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und darf
  258. nicht weitergehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Zudem müssen
  259. Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen
  260. (vgl. BVerfGE 54, 301, 313; 101, 331, 347; 117, 163, 182). Diesen Anforderungen genügen die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO.
  261. 33
  262. (2) Als übergeordnete Gemeinwohlziele sind der Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung und eine funktionierende Rechtspflege anerkannt (vgl.
  263. BVerfGE 108, 150, 161 f.; 117, 163, 182). Die Vertretungsbeschränkung im Zivilprozess gemäß § 79 Abs. 2 ZPO soll einerseits der Sicherstellung einer
  264. sachgerechten Vertretung der Partei im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses dienen (BT-Drucks. 16/3655 S. 66). Das sind
  265. legitime Zwecke, die eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen können.
  266. - 13 -
  267. 34
  268. (3) Die Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess ist zur
  269. Erreichung der mit § 79 Abs. 2 ZPO angestrebten legitimen Ziele geeignet.
  270. 35
  271. Für die Eignung reicht es aus, wenn durch die Berufsausübungsregelung
  272. der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt mithin bereits die
  273. Möglichkeit einer Zweckerreichung (BVerfGE 100, 313, 373; 103, 293, 307;
  274. 117, 163, 188 f.). Diese ist hier gegeben. Auch wenn Immobilienmakler - wie die
  275. Revision geltend macht - über für den Versteigerungstermin wichtige praktische
  276. Kenntnisse und Erfahrungen verfügen können, etwa auf dem Gebiet der Grundstücksbewertung, so ist doch nicht festgestellt, dass diese Berufsgruppe auch
  277. die für eine sachgerechte Wahrnehmung der Vertretung eines Gläubigers im
  278. Zwangsversteigerungstermin notwendigen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Kenntnisse hat (siehe zu den vielfältigen Fragen, die für einen
  279. Gläubiger im Zwangsversteigerungstermin zu prüfen sein können, Stöber, ZVGHandbuch aaO Rn. 301).
  280. 36
  281. (4) Zur Erreichung der genannten legitimen Gemeinwohlziele kann die
  282. Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess auch als erforderlich
  283. angesehen werden.
  284. 37
  285. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist allerdings nur dann erforderlich, wenn
  286. ein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes
  287. Mittel nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 80, 1, 30). Auch soweit die Freiheit der Berufsausübung betroffen ist, dürfen Eingriffe nicht weitergehen, als es
  288. die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. BVerfGE 106, 216,
  289. 219; 117, 163, 189). Entgegen der Ansicht der Revision besteht ein weniger
  290. einschränkendes Mittel nicht darin, dass das Verbot der Vertretung von Gläubigern im Zwangsversteigerungsverfahren durch Immobilienmakler auf Tätigkeiten außerhalb eines Zwangsversteigerungstermins beschränkt wird. Die einheitliche Regelung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess bietet den Vorteil,
  291. - 14 -
  292. dass ein erzwungener Vertreterwechsel im Prozess nicht mehr notwendig ist.
  293. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Unterstützung im gerichtlichen Verfahren - angefangen bei der Beratung zum prozessualen Vorgehen über die Vorbereitung und den Entwurf von Schriftsätzen bis hin zur Begleitung zum Gerichtstermin als Beistand - gemäß § 90 Abs. 1 ZPO grundsätzlich zulässig
  294. bleibt.
  295. 38
  296. (5) Die vom Gesetzgeber zur Verfolgung legitimer Zwecke gewählten
  297. Mittel müssen schließlich nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch angemessen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass das Maß der Belastung des
  298. Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen steht (vgl. BVerfGE 76, 1, 51; 117, 163, 192 f.). Um dies
  299. beurteilen zu können, ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen,
  300. zu deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte erforderlich ist, und den
  301. Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig (vgl.
  302. BVerfGE 92, 277, 327; 117, 163, 193). Die danach gebotene Gesamtabwägung
  303. führt zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung der Vertretungsbefugnis von
  304. Immobilienmaklern im Zwangsversteigerungstermin auch verhältnismäßig ist.
  305. 39
  306. Bei der in Rede stehenden Beschränkung der Vertretungsbefugnis von
  307. Immobilienmaklern handelt es sich um eine Regelung der Berufsausübung. Eine solche liegt vor, wenn der Eingriff nicht einen selbständigen Beruf, sondern
  308. lediglich Tätigkeiten betrifft, die als Bestandteil eines umfassenderen oder als
  309. Erweiterung eines anderen Berufs ausgeübt werden und deren Regelung die
  310. eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt lässt
  311. (vgl. BVerfGE 68, 272, 281; 75, 246, 274).
  312. 40
  313. Das Verbot der Vertretung von Gläubigern als Beteiligte im Sinne von § 9
  314. ZVG in Zwangsversteigerungsterminen stellt schon keinen erheblichen Eingriff
  315. in den Kernbereich der Maklertätigkeit dar. Demgegenüber sind die mit § 79
  316. - 15 -
  317. Abs. 2 ZPO verfolgten Interessen des Gemeinwohls - insbesondere mit Blick
  318. auf den Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung - derart gewichtig, dass sie die
  319. Zumutbarkeit der Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit zu begründen
  320. vermögen.
  321. 41
  322. b) Einen Verstoß der Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO gegen Art. 3 Abs. 1
  323. GG hat das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht verneint.
  324. 42
  325. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist grundsätzlich
  326. auch im Rahmen von Regelungen der Berufsfreiheit zu beachten. Dies bedeutet, dass Differenzierungen oder Ungleichbehandlungen bei berufsrechtlichen
  327. Regelungen nur dann verfassungsgemäß sind, wenn die betreffende Ungleichbehandlung oder Differenzierung nicht willkürlich ist oder einen sachlichen
  328. Rechtfertigungsgrund hat. Rechtfertigungsgründe dieser Art können sich auch
  329. aus der Berufsfreiheit und ihren Ordnungsbelangen selbst ergeben. Dementsprechend verlangt Art. 12 Abs. 1 GG etwa die sachgerechte Differenzierung
  330. nach Maßgabe jeweils unterschiedlicher Berufsbilder (Scholz in Maunz/Dürig,
  331. Grundgesetz, Stand 2010, Art. 12 Rn. 153, mwN).
  332. 43
  333. Ein solcher sachlicher Rechtfertigungsgrund ist im Hinblick auf die beschränkte Vertretungsbefugnis der Inkassounternehmen zu bejahen. Diese beruht nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Rechtsdienstleistungsgesetz zum einen auf der Nähe der Inkassotätigkeit zu den diesen Unternehmen künftig erlaubten Prozesshandlungen und zum anderen darauf, dass es
  334. sich bei den ihnen erlaubten Tätigkeiten, insbesondere bei der Beantragung
  335. von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden, um eine weitgehend automatisierte
  336. Tätigkeit handelt, für die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten eines Rechtsanwalts nicht erforderlich sind. Da das Mahnverfahren zudem auf der Gerichtsseite ganz überwiegend durch zentrale Mahngerichte im automatisierten Verfahren betrieben wird, sind Inkassounternehmen bei der oft als Massengeschäft
  337. - 16 -
  338. betriebenen Beantragung von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden zur Zusammenarbeit mit dem Gericht in gleicher Weise qualifiziert wie ein Rechtsanwalt (BT-Drucks. 16/3655 S. 194). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der
  339. Vertretung des Gläubigers in einem Zwangsversteigerungstermin um eine Tätigkeit, die umfassende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Kenntnisse
  340. erfordert. Eine unterschiedliche Behandlung von Immobilienmaklern und Inkassounternehmen ist daher aus Sachgründen gerechtfertigt.
  341. 44
  342. IV. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
  343. Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  344. Bornkamm
  345. Pokrant
  346. Kirchhoff
  347. Büscher
  348. Koch
  349. Vorinstanzen:
  350. LG Oldenburg, Entscheidung vom 11.03.2009 - 5 O 3055/08 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 16.07.2009 - 1 U 34/09 -