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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 119/10
  5. Verkündet am:
  6. 12. Mai 2011
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Innerhalb 24 Stunden
  19. UWG § 5 Abs. 1 Nr. 1
  20. Die Angabe "Original Druckerpatronen innerhalb 24 Stunden" in einer AdwordsAnzeige ist im Hinblick auf die zutreffenden näheren Informationen, auf die die
  21. Anzeige verweist, nicht irreführend, wenn die Einschränkungen - Lieferung am
  22. Folgetag nur bei Bestellung bis 16.45 Uhr, keine Auslieferung am Sonntag sich in dem Rahmen bewegen, mit dem der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher ohnehin rechnet.
  23. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 119/10 - OLG Hamm
  24. LG Bielefeld
  25. -2-
  26. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  27. und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Mai 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. 1
  33. Die Beklagte, die beim Vertrieb von Druckerzubehör über das Internet
  34. mit der Klägerin in Wettbewerb steht, wirbt in einer sogenannten AdwordsAnzeige beim Suchmaschinenbetreiber Google (Anlage K 3) unter dem Suchwort „Druckerpatronen“ mit der Aussage
  35. Original-Druckerpatronen
  36. innerhalb 24 Stunden
  37. günstig - schnell - zuverlässig.
  38. 2
  39. Über die in dieser Anzeige als elektronischer Verweis (Link) ausgestaltete Internetadresse der Beklagten gelangt man zur Startseite des Internetauftritts
  40. der Beklagten. Dort heißt es auf der linken Seite hervorgehoben „Lieferung in
  41. 24 Stunden durch DHL EuroPack“; auf der rechten Seite wird dies - in deutlich
  42. kleinerer Schrift - wie folgt erläutert:
  43. -3-
  44. 24 Stunden Lieferservice ohne Aufschlag
  45. Artikel, die Sie bei uns bis 16:45h bestellen, gelangen noch am gleichen Tag
  46. zum Versand und sind in der Regel am nächsten Tag (Mo-Sa) bei Ihnen.
  47. 3
  48. Die Startseite ist nachfolgend wiedergegeben:
  49. 4
  50. Soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist, hält die Klägerin diese Werbung für irreführend, weil die Anzeige bei Google den Eindruck
  51. vermittle, dass die Beklagte binnen 24 Stunden ohne Einschränkung liefere. Die
  52. tatsächlich bestehende erhebliche Einschränkung sei erst auf der Startseite des
  53. Internetauftritts ersichtlich. Die Irreführung liege in der Anlockwirkung, die auf
  54. die Verbraucher von der Anzeige bei Google ausgehe. Die Darstellung auf der
  55. Startseite treffe im Übrigen ebenfalls nicht zu. Gemäß § 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
  56. der Beklagten
  57. werde
  58. den
  59. Kunden
  60. innerhalb
  61. von
  62. 24 Stunden mitgeteilt, ob die bestellten Produkte verfügbar seien; nur soweit
  63. dies der Fall sei, würden die Produkte innerhalb eines Werktags nach Eingang
  64. der Bestellung zum Versand gebracht.
  65. 5
  66. Die Klägerin hat beantragt,
  67. es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber
  68. -4-
  69. Verbrauchern den Abschluss von entgeltlichen Verträgen über Druckerzubehör,
  70. insbesondere Tintenstrahldruckerpatronen und Lasertonerkartuschen, mit der
  71. Behauptung „Originalpatronen innerhalb 24 Stunden“ zu bewerben, ohne
  72. gleichzeitig bereits bei der Bewerbung in leicht erkennbarer Weise die Einschränkung der beworbenen Lieferzeit darzustellen, insbesondere wenn
  73. a) nicht darauf hingewiesen wird, dass die beworbene Lieferzeit nur für Bestellungen bis 16.45 Uhr gilt,
  74. und/oder
  75. b) nicht darauf hingewiesen wird, dass die Bestellung innerhalb von 24 Stunden
  76. bearbeitet wird und dem Verbraucher dann erst mitgeteilt wird, ob die bestellten Waren bei der Beklagten verfügbar sind,
  77. wenn dies geschieht wie in den Anlagen ….
  78. 6
  79. Darüber hinaus hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Auskunft über den Umfang der bisherigen Benutzung der im Unterlassungsantrag
  80. beschriebenen Handlungen unter Angabe der Werbeträger, der Verbreitungsgebiete, der Verbreitungszeiträume und der Anzahl der Vertragsabschlüsse
  81. sowie zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.005,40 € nebst Zinsen
  82. und ferner die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt.
  83. 7
  84. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Nach ihrer Auffassung führt
  85. die beanstandete Anzeige die Leser deshalb nicht irre, weil sie von ihr aus mit
  86. einem Klick den Werbeauftritt der Beklagten erreichten und dort sofort über die
  87. geringfügige Einschränkung des 24-Stunden-Lieferservice unterrichtet würden.
  88. Die in gleicher Weise gestaltete Werbung anderer Versandhändler bei Google
  89. zeige, dass ein solcher Service regelmäßig mit derartigen Einschränkungen
  90. versehen sei, die Verbraucher mit ihnen deshalb bestens vertraut seien und sie
  91. geradezu erwarteten. Auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten komme es insoweit nicht an, weil die Beklagte sich tatsächlich so wie in
  92. ihrem Internetauftritt beschrieben verhalte.
  93. -5-
  94. 8
  95. Landgericht und Berufungsgericht (vgl. im Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung des OLG Hamm, GRUR-RR 2010, 36) haben die Klage für
  96. unbegründet erachtet.
  97. 9
  98. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre bislang erfolglosen
  99. Klageanträge weiter.
  100. Entscheidungsgründe:
  101. 10
  102. I. Das Berufungsgericht hat eine relevante Irreführung durch die beanstandete Adwords-Anzeige verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
  103. 11
  104. Ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher werde aufgrund
  105. von Erfahrungen mit dem 24-Stunden-Lieferservice anderer Unternehmen bereits wissen, dass es wegen der in den Liefervorgang eingeschalteten Versandunternehmen in der Regel zu zeitlichen Beschränkungen komme, und deshalb
  106. annehmen, dass die Angaben der Beklagten in der Anzeige wegen des begrenzten Platzes unvollständig seien und daher im Internetauftritt der Beklagten
  107. näher erläutert würden. Der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher wisse, dass sonntags regelmäßig keine Lieferungen erfolgten, ändere allerdings
  108. nichts daran, dass die Herausstellung der Lieferung innerhalb 24 Stunden ohne
  109. „Wenn und Aber“ Verbrauchern als eine Garantie erscheinen könne, die den
  110. besonderen Vorzug des Angebots der Beklagten bilde. Wer die Aussage für
  111. „bare Münze“ nehme, gewinne zunächst tatsächlich den unzutreffenden Eindruck, dass Lieferungen stets innerhalb von 24 Stunden erfolgten. Die damit
  112. möglicherweise bewirkte Fehlvorstellung reiche für die Annahme einer Irreführung aber nicht aus, weil die Beklagte die Verbraucher auf ihrer Startseite sofort
  113. über die maßgeblichen Einschränkungen aufkläre. Zwar könne eine nachträgli-
  114. -6-
  115. che Aufklärung in einem nachfolgenden Werbetext eine zuvor eingetretene Irreführung wegen der Anlockwirkung grundsätzlich nicht mehr beseitigen. Dieser
  116. Grundsatz gelte aber nicht für die im Streitfall zu beurteilende Werbung. Die
  117. meisten Verbraucher rechneten schon nicht mit einem uneingeschränkt gewährleisteten 24-Stunden-Lieferservice. Außerdem stehe die verknappte und
  118. schlagwortartige Werbung der Beklagten in ihrer Adwords-Anzeige in einem
  119. kaum trennbaren Zusammenhang mit der klarstellenden Aussage auf ihrer
  120. Startseite, auf die der Verbraucher bei näherer Befassung mit dem Angebot
  121. stets gelange. Die in Rede stehende Werbung sei nach den Grundsätzen der
  122. Blickfangwerbung zu beurteilen. Es handle sich um eine schlagwortartige Aufmerksamkeitswerbung, bei der zunächst nur die halbe Wahrheit mitgeteilt werde und später eine Präzisierung erfolge. In einem solchen Fall scheide eine Irreführung aus, wenn ein Hinweis den Betrachter zu der aufklärenden Angabe
  123. führe.
  124. 12
  125. II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
  126. Aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen im Berufungsurteil ergibt
  127. sich, dass das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts
  128. davon ausgegangen ist, dass der Durchschnittsverbraucher der Aussage in der
  129. beanstandeten Adwords-Anzeige „innerhalb 24 Stunden“ aufgrund von Erfahrungen mit dem 24-Stunden-Lieferservice anderer Unternehmen entnimmt,
  130. dass er damit nur mit einem Lieferservice rechnen kann, wie er auf der Startseite des Internetauftritts der Beklagten unter der Überschrift „24 Stunden Lieferservice ohne Aufschlag“ beschrieben ist. Unter diesen Umständen kommt es
  131. nicht darauf an, ob derjenige, der die Aussage in der Adwords-Anzeige für bare
  132. Münze nimmt, durch die Angaben auf der von der Anzeige aus unmittelbar zu
  133. erreichenden Internetseite hinreichend aufgeklärt wird.
  134. -7-
  135. 13
  136. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Prüfung, wie die angesprochenen Verbraucher, die über das Internet Druckerpatronen erwerben wollen,
  137. die beanstandete Adwords-Anzeige verstehen, festgestellt, dass der durchschnittlich aufmerksame und interessierte Verbraucher ohnehin weiß, dass am
  138. Sonntag regelmäßig nicht geliefert wird. Im Weiteren hat es dann - bei der Prüfung der Frage, ob eine möglicherweise verursachte Fehlvorstellung durch
  139. nachträgliche Aufklärung beseitigt worden ist - festgestellt, dass bereits ein
  140. überwiegender Großteil der Verbraucher gänzlich einschränkungslose Auslieferungen auch zu Abend- und Nachtzeiten sowie an Sonntagen nicht erwartet
  141. und damit vertraut ist, dass ein 24-Stunden-Lieferservice im Allgemeinen nicht
  142. einschränkungslos gewährleistet wird. Diese Erwägungen lassen keinen
  143. Rechtsfehler erkennen und werden auch von der Revision nicht angegriffen.
  144. 14
  145. Diese Erwägungen tragen die Verneinung einer relevanten Irreführung
  146. durch das Berufungsgericht. Sie werden durch die sich anschließenden Ausführungen nicht eingeschränkt, die das Berufungsgericht zu den Verbrauchern
  147. gemacht hat, die - anders als der Durchschnittsverbraucher - die Aussage für
  148. bare Münze nehmen. Auch eine „dreiste Lüge“ - also eine leicht zu vermeidende, eindeutig falsche Werbeaussage, für die kein vernünftiger Anlass besteht
  149. (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 - I ZR 222/97, GRUR 2001, 78, 79 = WRP
  150. 2000, 1402 - Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2001 - I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716 = WRP 2002, 977 - ScannerWerbung; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 Rn. 2.209) - hat
  151. das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Danach handelt es sich bei der
  152. beanstandeten Werbeaussage „Originalpatronen innerhalb 24 Stunden“ um
  153. eine erkennbar unvollständige Kurzangabe, die - ähnlich einer Überschrift - dazu einlädt, die ausführliche und präzise Information zur Kenntnis zu nehmen,
  154. auf die der Link verweist.
  155. -8-
  156. 15
  157. Der Durchschnittsverbraucher, auf den allein abzustellen ist, wird danach
  158. durch die beanstandete Werbung nicht in die Irre geführt, sondern allenfalls dazu veranlasst, sich auf die Startseite des Internetauftritts der Beklagten zu begeben. Dort findet er dann seine Annahme bestätigt, dass auch beim Lieferservice der Beklagten bestimmte Einschränkungen bestehen, wobei er über diese
  159. Einschränkungen nach den getroffenen Feststellungen sofort und in von ihm
  160. nicht zu übersehender Weise unterrichtet wird. Dass weitergehende Einschränkungen bestehen, mit denen der Durchschnittsverbraucher aufgrund der ihm in
  161. diesem Zusammenhang gegebenen Informationen nicht zu rechnen braucht,
  162. hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht, wobei seine in dieser
  163. Hinsicht gemachten Ausführungen keinen Rechtsfehler erkennen lassen. Danach wird der Durchschnittsverbraucher auch durch die Angaben zum Lieferservice der Beklagten auf der Startseite ihres Internetauftritts nicht irregeführt.
  164. -9-
  165. 16
  166. III. Die Revision der Klägerin hat danach keinen Erfolg und ist mit der
  167. Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
  168. Bornkamm
  169. Büscher
  170. Koch
  171. Schaffert
  172. Löffler
  173. Vorinstanzen:
  174. LG Bielefeld, Entscheidung vom 06.11.2009 - 17 O 64/09 OLG Hamm, Entscheidung vom 27.05.2010 - I-4 U 213/09 -