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6.9 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZA 1/01
  4. vom
  5. 19. April 2001
  6. in Sachen
  7. -2-
  8. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. April 2001 durch
  9. den
  10. Vorsitzenden
  11. Richter
  12. Prof. Dr. Erdmann
  13. und
  14. die
  15. Richter
  16. Starck,
  17. Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert
  18. beschlossen:
  19. Der Antrag der Klägerin vom 2. Februar 2001 auf Bewilligung von
  20. Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S.
  21. zur Durchführung eines Revisionsverfahrens gegen das Urteil des
  22. 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
  23. 21. Dezember 2000 wird abgelehnt.
  24. Gründe:
  25. I. Die Klägerin hat die Beklagte auf Einwilligung in die Löschung ihrer
  26. Marke Nr.
  27. "T.
  28. B. " wegen Nichtbenutzung in Anspruch genom-
  29. men.
  30. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main
  31. haben die Parteien am 11. März 1999 vor dem Vorsitzenden des 6. Zivilsenats
  32. einen Vergleich geschlossen, dem die durch die Klägerin als Geschäftsführerin
  33. vertretene
  34. T.
  35. B.
  36. GmbH
  37. beigetreten
  38. ist
  39. und
  40. auszugsweise wie folgt lautet:
  41. "1. Die Klägerin (Frau A.
  42. ) wird sämtliche von ihr angemeldeten oder bereits eingetragenen Marken und Geschäftskennzei-
  43. der
  44. -3-
  45. chen von Gesellschaften, an denen sie beteiligt ist oder die sie
  46. vertritt, die die Bezeichnung "T. B. " in Wort- oder Wort-/Bildzeichen enthalten, im In- und Ausland aufgeben.
  47. Die Klägerin (Frau A.
  48. ) wird sämtliche Angriffe gegen "T.
  49. B. "-Marken der Beklagten oder mit ihr verbundener Unternehmen einschließlich ihrer ehemaligen Muttergesellschaft einstellen. D.h., die Klägerin (Frau A.
  50. ) wird unverzüglich alle dazu
  51. erforderlichen Prozeßerklärungen und rechtsgeschäftlichen Erklärungen im In- und Ausland abgeben.
  52. Die Parteien sind sich darüber einig, daß hierbei der kostengünstigste Weg gewählt werden soll.
  53. 2. ..."
  54. Nach Abschluß des Vergleichs hat die Klägerin den Rechtsstreit vor dem
  55. Berufungsgericht fortgesetzt und geltend gemacht, der Vergleich sei nicht wirksam zustande gekommen. Sie hat zudem die Anfechtung des Vergleichs erklärt
  56. und die Fortsetzung des Rechtsstreits verlangt.
  57. Das Berufungsgericht hat durch Urteil vom 21. Dezember 2000 ausgesprochen, daß der Rechtsstreit durch den am 11. März 1999 vor dem Vorsitzenden des Senats geschlossenen Vergleich beendet ist.
  58. Die Klägerin beantragt, ihr Prozeßkostenhilfe für die Durchführung eines
  59. beabsichtigten Revisionsverfahrens zu bewilligen und ihr Rechtsanwältin
  60. S.
  61. beizuordnen.
  62. II. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Durchführung des beab-
  63. sichtigten Revisionsverfahrens kommt nicht in Betracht, weil die erforderliche
  64. Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO.
  65. -4-
  66. 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß Rechtsanwalt
  67. Dr. L.
  68. über die erforderliche Prozeßvollmacht zum Abschluß des Ver-
  69. gleichs für die Klägerin und die dem Vergleich beigetretene T.
  70. B.
  71. GmbH verfügt habe.
  72. a) Die notwendige Prozeßvollmacht hat die Antragstellerin Rechtsanwalt
  73. Dr. L.
  74. erteilt.
  75. Die Einräumung einer Prozeßvollmacht ist formfrei wirksam; sie kann
  76. daher auch schlüssig erteilt werden (vgl. BGHZ 40, 197, 203; BGH, Beschl. v.
  77. 14.6.1995 - XII ZB 177/94, FamRZ 1995, 1484). Ihr Umfang richtet sich nach
  78. den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1992
  79. - V ZR 7/91, NJW 1992, 1963, 1964). Die bei den Vergleichsverhandlungen vor
  80. dem Berufungsgericht anwesende Antragstellerin hat ihren Prozeßbevollmächtigten zu dem über den Streitgegenstand des Prozesses hinausgehenden Vergleichsabschluß sowohl für sich als auch für die T.
  81. B.
  82. GmbH in dem Termin schlüssig bevollmächtigt.
  83. Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist für den Umfang der Vollmacht von Rechtsanwalt Dr. L.
  84. die Vorschrift des § 96 MarkenG über
  85. die Bestellung eines Inlandsvertreters nicht maßgeblich, weil dessen Voraussetzungen
  86. - die
  87. Antragstellerin
  88. und
  89. die
  90. T.
  91. B.
  92. GmbH haben ihren (Wohn-)Sitz im Inland - nicht vorliegen.
  93. b) Eine Bindungswirkung des Vergleichs entfällt nicht wegen einer von
  94. der Antragstellerin geltend gemachten mißbräuchlichen Verwendung der Prozeßvollmacht durch ihren Prozeßbevollmächtigten (vgl. hierzu BGHZ 112, 345,
  95. 349 f.). Der von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang gegen Rechtsanwalt Dr. L.
  96. erhobene Vorwurf des Parteiverrats ist nicht hinreichend
  97. -5-
  98. konkretisiert. Auch im Klageerzwingungsverfahren sind die Erfolgsaussichten
  99. der Antragstellerin wegen Parteiverrats von Rechtsanwalt Dr. L.
  100. mit
  101. Beschluß vom 8. November 2000 (OLG Frankfurt a.M. - 2 Ws 90/00 - 2 ARs
  102. 106/00) verneint worden.
  103. c) Die Antragstellerin macht ohne Erfolg geltend, sie habe sich als Geschäftsführerin
  104. der
  105. T.
  106. B.
  107. GmbH
  108. nicht
  109. zu
  110. einer
  111. Firmenänderung verpflichten und ihrem Prozeßbevollmächtigten deshalb auch
  112. nicht eine derartige Verpflichtung umfassende Vollmacht erteilen können.
  113. Ob die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers einer GmbH nach
  114. § 35 GmbHG die Eingehung einer Verpflichtung zur Änderung der Firma umfaßt (verneinend Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 35
  115. Rdn. 50; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 35 Rdn. 9; für die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses als Wirksamkeitsvoraussetzung
  116. einer Vertretung durch den Geschäftsführer: Scholz/Schneider, GmbH-Gesetz,
  117. 9. Aufl., § 35 Rdn. 40), kann im Streitfall offenbleiben. Die Wirksamkeit des
  118. Vergleichs vom 11. März 1999 wird hierdurch nicht berührt. Denn die Auslegung des Vergleichs nach seinem Sinn und Zweck ergibt, daß sich die Antragstellerin in ihm nur insoweit zur Aufgabe von Geschäftskennzeichen verpflichten wollte und verpflichtet hat, als ihr dies rechtlich wirksam möglich war.
  119. 2. Eine Unwirksamkeit des Vergleichs ergibt sich nicht aus der von der
  120. Antragstellerin geltend gemachten Verletzung einer Hinweispflicht des Gerichts
  121. nach §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO.
  122. Der Prozeßvergleich ist sowohl Rechtsgeschäft im materiell-rechtlichen
  123. Sinne als auch Prozeßhandlung (vgl. BGHZ 79, 71, 74 m.w.N.). Die Wirksamkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages wird durch eine
  124. -6-
  125. Verletzung der Hinweispflicht des Gerichts vor Vergleichsabschluß nicht berührt. Sie vermag im Streitfall auch keine Anfechtung des Vergleichs wegen
  126. Irrtums durch die Antragstellerin zu begründen (§§ 119, 142, 143 BGB). Mit
  127. Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß für die Beurteilung von
  128. Willensmängeln nach § 166 Abs. 1 BGB allein die Kenntnis des Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin in Betracht kommt und von ihr nicht geltend gemacht ist, daß dieser sich bei Vergleichsschluß in einem Irrtum befand.
  129. 3. Der Vergleich ist nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten
  130. nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen,
  131. daß die von der Antragstellerin übernommenen Verpflichtungen in Anbetracht
  132. des für die Antragstellerin in den verschiedenen Verfahren bestehenden Prozeßrisikos in keinem auffälligen Mißverhältnis zur erhaltenen Gegenleistung
  133. stehen.
  134. Erdmann
  135. Starck
  136. Born-
  137. kamm
  138. Büscher
  139. Schaffert