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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (Brfg) 29/11
  4. vom
  5. 28. September 2011
  6. in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
  7. wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  8. - 2 -
  9. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende
  10. Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterinnen Roggenbuck und Lohmann sowie
  11. die Rechtsanwälte Dr. Frey und Dr. Braeuer am 28. September 2011
  12. beschlossen:
  13. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
  14. Urteil des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofes vom
  15. 2. Mai 2011 wird abgelehnt.
  16. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
  17. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
  18. Gründe:
  19. 1
  20. 1. Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
  21. 2
  22. Mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung zeigt der
  23. Kläger weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf (§ 112c Abs. 1
  24. Satz 1 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch stellen sich insoweit rechtsgrundsätzliche Fragen (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
  25. - 3 -
  26. 3
  27. 2. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist,
  28. es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet
  29. sind.
  30. 4
  31. a) Dass sich der Kläger in Vermögensverfall befindet, hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - D.
  32. vom 18. Februar 2010 wurde das Insolvenzverfahren we-
  33. gen Zahlungsunfähigkeit des Klägers eröffnet. Solange das Insolvenzverfahren
  34. über das Vermögen des Klägers läuft, ist die Grundlage der gesetzlichen Vermutung nicht entfallen. Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners können
  35. grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der
  36. Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu
  37. verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als
  38. geordnet angesehen werden (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2007 - AnwZ (B) 96/06 Rn. 9 und vom 18. Oktober 2010 - AnwZ (B) 21/10
  39. Rn. 5). Auch der Umstand, dass der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb
  40. des Klägers freigegeben hat (§ 35 Abs. 2 InsO), beseitigt die Insolvenz und
  41. damit den Vermögensverfall des Klägers nicht (Senatsbeschluss vom 26. November 2007 aaO).
  42. 5
  43. b) Der Gesetzgeber geht, wie dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO
  44. zu entnehmen ist, grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der
  45. Rechtsuchenden aus, wenn sich ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus
  46. dem Vorliegen des Vermögensverfalls folgt, wird diese im nach der gesetzli-
  47. - 4 -
  48. chen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden können (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom
  49. 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 und vom 8. Februar 2010
  50. - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11, jeweils m.w.N.). Sie kann nach
  51. der Rechtsprechung des Senats dann ausgeschlossen sein, wenn der Rechtsanwalt die zum Schutz der Interessen der Rechtsuchenden in seiner Lage erforderlichen Vorkehrungen trifft und (vertrags-)rechtlich und tatsächlich sicherstellt, dass diese Vorkehrungen auch eingehalten werden. Das setzt regelmäßig
  52. die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzelanwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der Organisation der
  53. Sozietät, dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen vertraglichen und tatsächlichen Vorkehrungen einen effektiven Schutz der Interessen der Rechtsuchenden erwarten
  54. lässt (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2010 - AnwZ (B) 21/10 Rn. 9 m.w.N.).
  55. 6
  56. c) Das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend verneint. Denn eine effektive Kontrolle der klägerischen Tätigkeit ist
  57. nach seinem eigenen Vortrag nicht hinreichend gesichert. Der Kläger ist weiterhin als Einzelanwalt tätig, und zwar in Bürogemeinschaft mit Rechtsanwalt
  58. S.
  59. . Zwar gehen Mandantengelder auf einem Treuhandkonto ein, des-
  60. sen Inhaber Rechtsanwalt S.
  61. ist, der jeden Geldausgang von diesem
  62. Konto abzeichnen muss. Der Kläger trägt jedoch selbst vor, dass es ihm durchaus möglich gewesen wäre - und somit weiterhin möglich ist -, ein eigenes
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  64. neues Geschäftskonto zu eröffnen und damit die Unterschrift Rechtsanwalt
  65. S.
  66. nicht mehr zu benötigen.
  67. Kessal-Wulf
  68. Roggenbuck
  69. Frey
  70. Lohmann
  71. Braeuer
  72. Vorinstanz:
  73. AGH Frankfurt, Entscheidung vom 02.05.2011 – 2 AGH 18/10