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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 5 StR 7/14
  4. vom
  5. 20. Februar 2014
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schwerer Brandstiftung u.a.
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2014 beschlossen:
  11. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27. September 2013 nach § 349 Abs. 4
  12. StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  13. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
  14. als unbegründet verworfen.
  15. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  16. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
  20. wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat, wegen vorsätzlicher Brandstiftung und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die
  21. Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Im
  22. Übrigen ist das Rechtsmittel entsprechend der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
  23. 2
  24. 1. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Schuldfähigkeitsprüfung
  25. hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
  26. -3-
  27. 3
  28. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts setzte der Angeklagte in
  29. einem Kellerabteil seines Wohnhauses Matratzen in Brand und verursachte
  30. dadurch Schäden von mindestens rund 40.000 €. Wegen einer Unterbrechung
  31. der Strom- und Telefonversorgung und erhöhter Schadstoffwerte musste das
  32. mehrstöckige Mietshaus vorübergehend vollständig evakuiert werden. In der
  33. auf die Tat folgenden Nacht entfachte der Angeklagte mit Brandbeschleunigern
  34. in einer Wohnung im vierten Stock des Hauses einen weiteren Brand, der zur
  35. Unbewohnbarkeit des Gebäudes und zu Schäden von mindestens rund
  36. 750.000 € führte. Die Strafkammer legt zugrunde, dass sich der Angeklagte
  37. durch die Taten triftige Entschuldigungsgründe verschaffen wollte, um an den
  38. Tattagen seinen Dienst in einem Sicherheitsunternehmen nicht antreten zu
  39. müssen.
  40. 4
  41. Die Verurteilung wegen Sachbeschädigung erfolgte, weil der Angeklagte
  42. wenige Wochen zuvor bei seinem Dienst in der Arena Leipzig mit einem Zündmittel einen Schmorbrand an einer Steckdose verursacht hatte, der einen Feuerwehreinsatz zur Folge hatte. Die Tat beging er, um bei den Brandbekämpfungsmaßnahmen seine Einsatzbereitschaft und Verlässlichkeit untermauern
  43. zu können.
  44. 5
  45. Schließlich liegen dem Angeklagten – durch die Strafkammer nach § 154
  46. Abs. 2 StPO ausgeschieden – fünf in rascher Folge begangene Brandlegungen
  47. in einer Kleingartenanlage zur Last, die dieser jeweils mit einem Kollegen im
  48. Auftrag seines Unternehmens „bestreift“ hatte. Der in Anwendung des Zweifelssatzes ergangene Freispruch betrifft eine weitere (sechste) Brandlegung in
  49. dieser Anlage.
  50. 6
  51. b) Das Landgericht hat auf der Grundlage des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen eine Persönlichkeitsakzentuierung des Angeklagten
  52. -4-
  53. angenommen, die unter dem Blickwinkel der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB unerheblich sei und dementsprechend
  54. keine relevante Schuldminderung bewirkt habe. Diese Bewertung ist lückenhaft
  55. und deswegen durchgreifend rechtsbedenklich. Denn die Urteilsgründe setzen
  56. sich mit den im jeweiligen Tatbild in Verbindung mit der Motivation des Angeklagten zu Tage getretenen markanten Auffälligkeiten überhaupt nicht auseinander. Diese sind indessen jedenfalls nicht ohne Weiteres mit einem sich im
  57. Rahmen des Normalpsychologischen haltenden Geltungsdrang erklärbar, von
  58. dem der psychiatrische Sachverständige und ihm folgend die Strafkammer
  59. ausgegangen sind. Mithin ermangelt es der gebotenen umfassenden Würdigung des Zustands des Angeklagten bei den Taten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse
  60. vom 27. November 2008 – 5 StR 526/08 Rn. 10, vom 30. September 2008
  61. – 5 StR 305/08, vom 25. Juli 2006 – 4 StR 141/06, NStZ-RR 2006, 335, 336,
  62. jeweils mwN).
  63. 7
  64. 2. Der Rechtsfehler entzieht dem Rechtsfolgenausspruch die Grundlage.
  65. Hingegen bleibt der Schuldspruch unberührt, weil eine vollständige Aufhebung
  66. der Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgeschlossen werden kann.
  67. 8
  68. 3. Das neue Tatgericht wird demgemäß – naheliegend unter Hinzuziehung eines anderen psychiatrischen Sachverständigen – die Schuldfähigkeit
  69. des Angeklagten bei Begehung der Taten erneut zu prüfen haben. Es wird dabei die Tatserie von sechs Brandstiftungen in der Kleingartenanlage gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. dazu Schöch in LK StGB,
  70. 12. Aufl., § 20 Rn. 235 mwN) als vom Angeklagten begangen in die Würdigung
  71. einzubeziehen haben.
  72. 9
  73. Für den Fall sicherer Feststellung verminderter Schuldfähigkeit wird ferner zu erörtern sein, ob eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiat-
  74. -5-
  75. rischen Krankenhaus (§ 63 StGB) in Betracht kommt. Dass nur der Angeklagte
  76. Revision eingelegt hat, würde die Anordnung der Maßregel dabei nicht hindern
  77. (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass Erkenntnisse aus den von der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO betroffenen
  78. fünf Taten in der Kleingartenanlage nur bei deren sicherer Feststellung für die
  79. den Angeklagten beschwerende Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB herangezogen werden dürften. Der Freispruchsfall scheidet hierfür von vornherein
  80. aus.
  81. Basdorf
  82. Sander
  83. Dölp
  84. Schneider
  85. König