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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 5 StR 267/17
  5. (alt: 5 StR 504/15)
  6. vom
  7. 21. Februar 2018
  8. in der Strafsache
  9. gegen
  10. wegen Mordes u.a.
  11. ECLI:DE:BGH:2018:210218U5STR267.17.0
  12. -2-
  13. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
  15. Richter am Bundesgerichtshof
  16. Prof. Dr. Sander,
  17. Richterin am Bundesgerichtshof
  18. Dr. Schneider,
  19. die Richter am Bundesgerichtshof
  20. Dölp,
  21. Dr. Berger
  22. als beisitzende Richter,
  23. Bundesanwalt
  24. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  25. Rechtsanwalt
  26. W.
  27. als Verteidiger,
  28. Rechtsanwalt K.
  29. ,
  30. Rechtsanwältin B.
  31. als Vertreter der Nebenklägerinnen,
  32. Justizangestellte
  33. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  34. -3-
  35. für Recht erkannt:
  36. 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
  37. Landgerichts Dresden vom 13. Dezember 2016 dahingehend
  38. geändert, dass
  39. a) für den Mord lebenslange Freiheitsstrafe festgesetzt wird,
  40. b) der Angeklagte wegen Mordes und Störung der Totenruhe zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt ist.
  41. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  42. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die
  43. hierdurch den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Jedoch werden
  44. die Gebühr für das Revisionsverfahren um ein Achtel ermäßigt und der Staatskasse ein Achtel der in der Rechtsmittelinstanz entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt.
  45. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil
  46. wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines
  47. Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  48. - Von Rechts wegen -
  49. -4-
  50. Gründe:
  51. Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 1. April 2015
  52. 1
  53. wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe schuldig gesprochen,
  54. eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten festgesetzt und eine
  55. Einziehungsentscheidung getroffen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten mit den Feststellungen aufgehoben (BGH, Urteil vom 6. April 2016 – 5 StR 504/15, NStZ 2016, 469). Mit
  56. der nunmehr angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht den Angeklagten wegen Mordes und Störung der Totenruhe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
  57. von acht Jahren und sieben Monaten verurteilt und bei den Taten verwendete
  58. Gegenstände eingezogen. Die hiergegen gerichtete, auf Verfahrensrügen und
  59. die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos. Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, sachlichrechtlich begründeten, auf Teile des Rechtsfolgenausspruchs beschränkten und
  60. vom Generalbundesanwalt insofern vertretenen Revision Erfolg, als sie die
  61. Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe für die Mordtat sowie als Gesamtstrafe erstrebt; im Übrigen ist sie unbegründet.
  62. 1. Das Landgericht hat zu den Taten folgende Feststellungen getroffen:
  63. 2
  64. Anfang September 2013 registrierte sich der Angeklagte auf einer Inter3
  65. netplattform, deren Nutzer sich mit kannibalistischen Phantasien beschäftigten.
  66. In der Folge verfasste der Angeklagte eine Vielzahl von Nachrichten an unterschiedliche Chatpartner. Dabei stellte er heraus, an der „realen Schlachtung“
  67. eines Menschen interessiert zu sein, diese jedoch nur mit dem Einverständnis
  68. des anderen durchführen zu wollen, und bemühte sich, Treffen zu vereinbaren.
  69. Hierzu kam es in zwei Fällen.
  70. -5-
  71. 4
  72. Am 12. September 2013 holte der Angeklagte den Zeugen
  73. Bu.
  74. in dessen über 450 km entferntem Wohnort ab. Dessen Wunsch, vom
  75. Angeklagten aufgespießt und gegrillt zu werden, wurde jedoch nicht erfüllt, weil
  76. der Angeklagte zögerte und schließlich mitteilte, dass er hierzu nicht mehr bereit sei; der Zeuge Bu.
  77. sei „zu jung zum Sterben“.
  78. Bei seinen Versuchen, ein Treffen zu vereinbaren, hatte der Angeklagte
  79. 5
  80. nur noch bei dem 59 Jahre alten
  81. St.
  82. Erfolg. Dieser war
  83. zumindest seit 2011 im Internet auf der Suche nach einer Person, die ihn
  84. „schlachten und verspeisen“ würde. Auch er hatte sich bei der genannten Internetplattform angemeldet. Am 2. Oktober 2013 nahm er Kontakt zum Angeklagten auf. In der Folge kam es wiederholt zu schriftlicher und telefonischer Kommunikation. Immer wieder drang St.
  85. hierbei auf eine konkrete Verab-
  86. redung. Am 4. November 2013 reiste er schließlich vereinbarungsgemäß mit
  87. dem Bus nach Dresden, wo der Angeklagte ihn abholte. In der Nacht zuvor war
  88. dieser in seinem im Keller des Hauses befindlichen SM-Studio vor eine Videokamera getreten. An seinem Geschlechtsteil manipulierend, kündigte er an:
  89. „Morgen ist großes Schlachtfest hier. Da wird der Schwanz abgeschnitten und
  90. die Eier rausgeschnitten. Das wird geil für mich morgen werden. Sein fleischiges Etwas – wird sehr lecker sein. Das kann ich versprechen.“
  91. Auf der Fahrt vom Busbahnhof unterhielten sie sich über das gemeinsa6
  92. me Vorhaben, zu dem St.
  93. im Unterschied zum Angeklagten fest ent-
  94. schlossen war und auf dessen Umsetzung er auch nach der Ankunft im Haus
  95. des Angeklagten drang. Beide kamen schließlich überein, dass der Angeklagte,
  96. „der wegen der unmittelbar vor ihm stehenden Verwirklichung seiner sexuell
  97. motivierten Schlacht-Phantasien seine dagegenstehende Hemmung, einen
  98. -6-
  99. Menschen zu töten, daraufhin endgültig überwunden hatte,“ ihn im Kellerstudio
  100. erhängen, zerlegen und verspeisen sollte.
  101. Dort war an einem Deckenbalken ein elektrischer Seilhebezug ange7
  102. bracht. An einem Kletterseil wurde ein sogenannter Henkersknoten geknüpft.
  103. Die vorgefertigte Schlinge legte sich St.
  104. um seinen Hals. Das andere
  105. Ende des Seiles verknotete der Angeklagte an dem am Ende des zuvor heruntergelassenen Seilzuges befindlichen Karabinerhaken. Auf St.
  106. ´ Auf-
  107. forderung fesselte der Angeklagte ihm die Hände auf dem Rücken mit Kabelbindern und verklebte den Mund mit Panzertape.
  108. Zwischen 17.43 Uhr und 17.47 Uhr setzte der Angeklagte den Seilhebe8
  109. zug mittels der Fernbedienung in Bewegung. Infolge der sich um den Hals zuziehenden Henkersschlaufe wurde(n) die Halsschlagader(n) des anfangs noch
  110. aufrecht stehenden St.
  111. abgedrückt; dieser wurde nach wenigen Se-
  112. kunden bewusstlos, was der voll schuldfähige Angeklagte erkannte. Er handelte, um St.
  113. in dessen Einverständnis zu töten. Durch die Tötung woll-
  114. te er die anschließende Zerstückelung des Körpers ermöglichen, „wovon er sich
  115. sexuellen Lustgewinn versprach. Die Vorstellung der Empfindung sexueller Befriedigung verband er insbesondere mit dem Herauspräparieren des Geschlechtsteils“. Der Angeklagte fertigte ab 17.47 Uhr Videoaufnahmen an, um
  116. sich diese später zur eigenen sexuellen Befriedigung anschauen zu können. Er
  117. wusste, dass die „Schlachtung“ und die Aufnahmen von der Zerstückelung der
  118. Leiche gegen das Pietätsgefühl der Allgemeinheit verstießen.
  119. Nachdem der Körper des Tatopfers noch mehrfach deutlich sichtbar ge9
  120. zuckt hatte, schaltete der Angeklagte die Kamera aus und ließ die Seilwinde
  121. herunter. Dann durchschnitt er die Kehle des zu diesem Zeitpunkt möglicherweise schon Verstorbenen und trennte den Kopf ab. Nachdem er die Kamera
  122. -7-
  123. erneut eingeschaltet hatte, legte er Penis und beide Hoden frei, bevor er sie mit
  124. dem Messer komplett abtrennte. Sodann eröffnete er mit einem größeren Messer die Bauchhöhle durch die vordere Rumpfwand. Um 18.14 Uhr stellte er die
  125. Kamera wieder aus. Als er sie um 19.02 Uhr erneut aktivierte, hatte er den Körper bereits weitgehend zerteilt. Er hatte den Rumpf durchschnitten und die Organe der Brust- und Bauchhöhle entfernt. Auf einem mit einer weißen Decke
  126. versehenen Biertisch hatte er einzelne Körperteile abgelegt. Die Hoden und den
  127. Penis hatte er dort auf einer Servierschale „drapiert“. Um 19.14 Uhr filmte sich
  128. der Angeklagte dabei, wie er – nunmehr vollständig unbekleidet – die rechte
  129. Hand von dem auf einem Schneidebrett liegenden Arm abtrennte und im Anschluss daran mit seinen blutigen Händen an seinem Penis manipulierte. Den
  130. Kopf kochte er; anschließend zertrümmerte er ihn mit einem Vorschlaghammer.
  131. Er zerlegte die Leiche noch in derselben Nacht in kleine Teile und vergrub sie
  132. im Garten, wo sie später fast vollständig aufgefunden wurden; lediglich ein Hoden und der Penis fehlten.
  133. 2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Tötung auf Verlangen
  134. 10
  135. (§ 216 StGB) verneint; der Tötungswunsch von St.
  136. sei für den Ange-
  137. klagten nicht handlungsleitend gewesen. Es ist davon ausgegangen, dass sich
  138. der Angeklagte wegen Mordes und Störung der Totenruhe schuldig gemacht
  139. habe. Er habe sowohl zur Befriedigung des Geschlechtstriebs als auch zur Ermöglichung einer Störung der Totenruhe (§ 168 Abs. 1 StGB) gehandelt.
  140. Von der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe gemäß § 211 Abs. 1
  141. 11
  142. StGB für den Mord hat das Landgericht abgesehen und die Strafe „ungeachtet
  143. des Fehlens eines typisierten Strafmilderungsgrundes“ dem nach § 49 Abs. 1
  144. Nr. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen. Eine dem entgegenstehende
  145. Bindungswirkung des ersten Senatsurteils in dieser Sache hat es verneint.
  146. -8-
  147. Vielmehr sei die Anwendung der sogenannten Rechtsfolgenlösung geboten, da
  148. es einen „fundamentalen Unterschied“ darstelle, ob ein Mensch gegen seinen
  149. Willen oder auf seinen Wunsch hin getötet werde; der Angeklagte habe zudem
  150. das Leben St.
  151. ´ seinen sexuellen Wünschen gerade nicht unterge-
  152. ordnet.
  153. 3. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
  154. 12
  155. a) Die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ergänzend, bemerkt der
  156. 13
  157. Senat zu den erhobenen Verfahrensrügen:
  158. aa) Die Rüge, es habe mit der 5. Großen Strafkammer kein Schwurge-
  159. 14
  160. richt entschieden, ist jedenfalls unbegründet. Denn diese war vom Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Dresden als alleiniger „Auffangspruchkörper“
  161. für zurückverwiesene Verfahren der 1. Großen Strafkammer vorgesehen; dieser
  162. wiederum waren nach dem Vortrag der Revision ausschließlich Schwurgerichtssachen zugewiesen. Es versteht sich danach von selbst, dass die 5. Große Strafkammer insofern (jedenfalls auch) als Schwurgericht tätig werden sollte.
  163. bb) Soweit die Revision einen Verstoß gegen das Gebot fairen Prozes-
  164. 15
  165. sierens geltend macht, weil der Angeklagte und seine Verteidiger schon im Vorfeld und während der Hauptverhandlung durch falsche Erwartungen weckende
  166. Bemerkungen des Vorsitzenden „gezielt hinters Licht geführt“ worden seien,
  167. dringt sie damit nicht durch. Der Vorsitzende hat in einer ausführlichen dienstlichen Erklärung dargelegt, die behaupteten Äußerungen nicht oder anders getätigt zu haben. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Verfahrensrüge
  168. aus diesem Grund bereits unzulässig sein könnte. Jedenfalls ist sie unbegründet, weil sich dem (erwiesenen) Verhalten des Vorsitzenden auch in einer Gesamtschau kein täuschendes Element entnehmen lässt.
  169. -9-
  170. 16
  171. cc) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG erweist
  172. sich als unbegründet. Der Senat kann aus den von dem Generalbundesanwalt
  173. in seiner Antragsschrift aufgeführten Gründen ausschließen (§ 337 Abs. 1
  174. StPO), dass der Angeklagte in seinem letzten Wort oder seine Verteidiger in
  175. den Schlussvorträgen zusätzliche entlastende Umstände wegen der anwesenden Öffentlichkeit nicht vorgebracht hat.
  176. b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat ebenfalls keinen
  177. 17
  178. den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt.
  179. aa) Die (revisionsgerichtlicher Prüfung nur eingeschränkt zugängliche)
  180. 18
  181. Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich mit den
  182. während des Verfahrens mehrfach wechselnden Angaben des Angeklagten
  183. auseinandergesetzt und diese danach zum Kerngeschehen mit plausiblen Erwägungen als unzutreffend bewertet. Insbesondere erweisen sich die zum festgestellten Tötungsgeschehen angestellten Berechnungen als richtig, die daraus
  184. gezogenen Schlüsse als möglich und somit rechtsfehlerfrei. Das Landgericht
  185. hat seine aufgrund einer Gesamtschau aller wesentlichen Umstände gewonnene Überzeugung, St.
  186. habe sich nicht selbst getötet, tragfähig be-
  187. gründet. Angesichts dessen war es nicht geboten, den im ersten Urteil des Senats (BGH, Urteil vom 6. April 2016 – 5 StR 504/15, NStZ 2016, 469) bezeichneten Rekonstruktionsversuch durchzuführen.
  188. bb) Auch die vom Tatgericht vorgenommene rechtliche Würdigung ist
  189. 19
  190. nicht zu beanstanden. Insbesondere hat es rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen einer Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) verneint. Hierfür hätte der
  191. Angeklagte durch St.
  192. zur Tötung bestimmt worden, d. h. dessen Tö-
  193. tungsverlangen hätte handlungsleitend gewesen sein müssen (vgl. BGH, Urteil
  194. vom 22. April 2005 – 2 StR 310/04, BGHSt 50, 80, 91 f.). Das war nach den
  195. - 10 -
  196. Feststellungen aber nicht der Fall. Zwar sah der Angeklagte das Einverständnis
  197. seines Opfers als Voraussetzung für die Tat an. Bei der Tötung zielte er aber
  198. darauf ab, seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen und durch die Zerstückelung
  199. der Leiche die Totenruhe zu stören, so dass die Verwirklichung der beiden vom
  200. Landgericht zutreffend bejahten Mordmerkmale im Vordergrund stand (vgl.
  201. BGH, aaO, 86 ff. einer- und 88 ff. andererseits).
  202. cc) Einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten weist die Strafzu20
  203. messung nicht auf.
  204. 4. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat im eingangs dargelegten Um-
  205. 21
  206. fang Erfolg. Hierauf sowie auf die Entscheidung nach den §§ 57a, 57b StGB ist
  207. sie beschränkt. Das Rechtsmittel erfasst daher nicht die für die Störung der Totenruhe zugemessene fünfmonatige Freiheitsstrafe und die Einziehungsentscheidung.
  208. a) Zwar hat die Staatsanwaltschaft ihre Revision mit der Begründungs-
  209. 22
  210. schrift auf den „Rechtsfolgenausspruch“ insgesamt beschränkt. Sie hat aber
  211. lediglich beantragt, „als Einsatzstrafe eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen und den Angeklagten zu einer Gesamtstrafe von lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen“. Auch die folgende Begründung befasst sich ausschließlich mit der vom Landgericht angewendeten sogenannten Rechtsfolgenlösung und wendet sich nicht gegen die übrigen Rechtsfolgenaussprüche.
  212. Die Beschränkung der Revision in dem dargestellten Umfang ist auch
  213. 23
  214. wirksam. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Aussprüche über einzelne
  215. Rechtsfolgen grundsätzlich selbständig angegriffen werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass zwischen angefochtenen und übrigen Rechtsfolgen keine
  216. Wechselwirkung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09). So
  217. - 11 -
  218. verhält es sich hier. Dem Urteil sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen,
  219. dass zwischen der unterbliebenen Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe und
  220. der weiteren festgesetzten Einzelstrafe bzw. der Einziehungsentscheidung ein
  221. innerer Zusammenhang besteht und das Landgericht bei Festsetzung der absoluten Strafe die beiden genannten Rechtsfolgen anders bestimmt hätte. Hingegen kann die nachgeordnete Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu
  222. bejahen ist, nicht vom Revisionsangriff ausgenommen werden.
  223. b) Das Landgericht hat zu Unrecht davon abgesehen, den Mord mit le24
  224. benslanger Freiheitsstrafe zu sanktionieren. Dabei kann dahinstehen, ob es
  225. bereits durch die sich aus § 358 Abs. 1 StPO ergebende Bindungswirkung gehindert war, wiederum die sogenannte Rechtsfolgenlösung heranzuziehen.
  226. Denn die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass das Landge-
  227. 25
  228. richt unter Heranziehung der sogenannten Rechtsfolgenlösung von der Verhängung der nach § 211 Abs. 1 StGB bei einer Verurteilung wegen Mordes
  229. vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen hat, weil die Voraussetzungen dieser Milderungsmöglichkeit nicht erfüllt sind. Der Senat kann
  230. daher auch die Fragen unbeantwortet lassen, ob er selbst an seine in der ersten Entscheidung in dieser Sache (BGH, Urteil vom 6. April 2016
  231. – 5 StR 504/15, NStZ 2016, 469) vertretene diesbezügliche Rechtsansicht gebunden
  232. ist
  233. (vgl.
  234. hierzu
  235. BGH,
  236. Beschluss
  237. vom
  238. 7.
  239. November
  240. 1985
  241. – GSSt 1/85, BGHSt 33, 356, 360 ff.; Beschluss vom 10. Januar 2007
  242. – 5 StR 305/06, BGHSt 51, 202, 204 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 358
  243. Rn. 15) und ob an der sogenannten Rechtsfolgenlösung überhaupt festzuhalten
  244. ist.
  245. - 12 -
  246. aa) Die ihr zugrundeliegende Entscheidung des Großen Senats für Straf26
  247. sachen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981 – GSSt 1/81, BGHSt 30, 105) betraf allein das Mordmerkmal der Heimtücke. Eine Anwendung der insofern aufgestellten Grundsätze auch auf die hier erfüllten Mordmerkmale der Befriedigung des Geschlechtstriebes sowie der Ermöglichungsabsicht ist weder von
  248. Verfassungs wegen (BVerfG, NJW 2009, 1061, 1062 ff.) noch einfachgesetzlich
  249. geboten (ebenso zur Habgier BGH, Urteil vom 15. November 1996
  250. – 3 StR 79/96, BGHSt 42, 301, 304). Dies käme allenfalls in Betracht, wenn
  251. Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben,“
  252. vorlägen, so „dass jener ‚Grenzfall‘ (BVerfGE 45, 187, 266, 267) eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich geminderter Schuld unverhältnismäßig wäre“ (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981 – GSSt 1/81, BGHSt 30, 105,
  253. 118 f.). Dies soll etwa bei Taten in Betracht gezogen werden können, die durch
  254. eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motiviert, in großer Verzweiflung begangen, aus tiefem Mitleid oder aus „gerechtem Zorn“ auf Grund
  255. einer schweren Provokation verübt worden sind oder in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren
  256. Kränkungen des Täters durch das Opfer ihren Grund haben, die das Gemüt
  257. immer wieder heftig bewegen (BGH, aaO, 119). Es müssten schuldmindernde
  258. Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind und im Hinblick auf die überragende Bedeutung
  259. des geschützten Rechtsguts nicht voreilig bejaht werden dürfen (BGH, Urteile
  260. vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7;
  261. vom 23. November 2004 – 1 StR 331/04, NStZ 2005, 154, 155).
  262. - 13 -
  263. bb) Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Der Angeklagte handelte
  264. 27
  265. nicht aus einer außergewöhnlichen Notlage heraus; er befand sich auch nicht in
  266. einer den angeführten Beispielen entsprechenden notstandsnahen Bedrängnis.
  267. Vielmehr tötete er primär zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. Dabei erwächst der gesteigerte Unwert der Tat aus dem groben Missverhältnis von Mittel und Zweck, indem der Täter das Leben eines anderen Menschen der Befriedigung eigener Geschlechtslust unterordnet (BGH, Urteil vom 22. April 2005
  268. – 2 StR 310/04, BGHSt 50, 80, 86). In einem solchen Fall ist die Verhängung
  269. einer lebenslangen Freiheitsstrafe nur dann unverhältnismäßig, wenn der (konkreten) Tat das Merkmal einer besonderen Verwerflichkeit nicht anhaftet
  270. (BVerfG, NJW 2009, 1061, 1063). Dies ist hier nicht gegeben. Denn die vom
  271. Angeklagten erstrebte sexuelle Befriedigung bezog sich auf den Lustgewinn
  272. während des Zerstückelns der Leiche (UA S. 74). Sie war damit in spezifischer
  273. Weise auf den Tötungsakt selbst bezogen.
  274. An der sich hierauf gründenden besonderen Verwerflichkeit der Tötung
  275. 28
  276. vermochte im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung auch der Wunsch des
  277. Tatopfers, getötet zu werden, nichts zu ändern. Ihm kommt daher eine besondere schuldmindernde Wirkung nicht zu. Das menschliche Leben steht in der
  278. Werteordnung des Grundgesetzes – ohne zulässige Relativierung – an oberster
  279. Stelle der zu schützenden Rechtsgüter (BGH, Urteil vom 7. Februar 2001
  280. – 5 StR 474/00, BGHSt 46, 279). Hierdurch wird auch die sich aus § 216 StGB
  281. ergebene Einwilligungssperre legitimiert (BGH, Urteil vom 20. Mai 2003
  282. – 5 StR 66/03, NStZ 2003, 537). Nur unter den engen – vom Landgericht
  283. rechtsfehlerfrei verneinten – Voraussetzungen dieser Vorschrift kann eine Einwilligung bei einer vorsätzlichen Tötung eines Menschen Bedeutung erlangen
  284. und die Tat in einem milderen Licht erscheinen lassen. Ein Absehen von der
  285. - 14 -
  286. Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe kommt mithin vorliegend nicht in
  287. Betracht.
  288. c) An die Stelle der vom Landgericht für den Mord verhängten Freiheits29
  289. strafe von acht Jahren und sechs Monaten tritt daher lebenslange Freiheitsstrafe, auf die der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO erkannt hat (vgl. BGH, Urteil
  290. vom 2. Februar 2000 – 2 StR 550/99, NStZ-RR 2000, 168). Aus dieser Einsatzstrafe und der wegen Störung der Totenruhe festgesetzten fünfmonatigen Freiheitsstrafe hat er die nach § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB allein zulässige lebenslange
  291. Gesamtfreiheitsstrafe gebildet.
  292. d) Einer Zurückverweisung der Sache im Übrigen bedurfte es nicht. Zwar
  293. 30
  294. handelt es sich bei der Frage, ob die Schuld des Angeklagten besonders
  295. schwer wiegt (vgl. § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB), um eine primär tatgerichtliche Wertung (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 2/94,
  296. BGHSt 40, 360, 366 f.; Urteil vom 2. Februar 2000 – 2 StR 550/99,
  297. NStZ-RR 2000, 168). In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt
  298. schließt der Senat aber angesichts der besonderen Tatumstände, namentlich
  299. des vom Opfer gebilligten Vorgehens des Angeklagten, aus, dass ein neu entscheidendes Tatgericht sie aufgrund der gebotenen zusammenfassenden Würdigung der Straftaten (§ 57b StGB) bejahen würde. Die Revision der Staatsanwaltschaft war aus diesem Grund insoweit zu verwerfen.
  300. 5. Die Entscheidung über die Kosten der Revision des Angeklagten folgt
  301. 31
  302. aus § 473 Abs. 1 StPO, diejenige über die Kosten der teilweise erfolglosen Revision der Staatsanwaltschaft aus § 473 Abs. 4 StPO. Der Senat sieht keinen
  303. Anlass, den Angeklagten von einem Teil der notwendigen Auslagen der Neben-
  304. - 15 -
  305. klägerinnen im Revisionsverfahren zu entlasten (vgl. BGH, Beschlüsse vom
  306. 11. August 1993 – 2 StR 384/93, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 7; vom
  307. 17. September 1998 – 5 StR 224/98).
  308. Mutzbauer
  309. Sander
  310. Dölp
  311. Schneider
  312. Berger