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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 4 StR 506/04
- vom
- 10. März 2005
- in der Strafsache
- gegen
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- wegen Totschlags
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- Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. März 2005 gemäß
- §§ 44 ff., 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
- 1.
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- Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in
- den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung der §§ 141 ff. StPO zu gewähren, wird verworfen.
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- 2.
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- Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
- Landgerichts Zweibrücken vom 7. Juli 2004 wird verworfen.
- Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
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- Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung zweier früherer Verurteilungen zu einer Jugendstrafe von acht Jahren
- verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel
- hat keinen Erfolg.
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- 1. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Verfahrensrüge zu gewähren, mit der er der die
- Ablehnung seines vor Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrages vom
- 7. Mai 2004 beanstandet, ihm anstelle von Rechtsanwalt Sch.
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- seinen
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- Wahlverteidiger Rechtsanwalt G.
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- als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist un-
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- zulässig.
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- Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ausführung einer bisher nicht in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge kommt, wenn die Revision - wie hier - jedenfalls mit der Sachrüge form- und fristgerecht begründet
- worden ist, grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 4, 7; BGH, Beschluß vom 6. Mai 1997 - 4 StR 152/97; BGH, Beschluß
- vom 8. August 2001 - 2 StR 313/01). Sie ist in der Rechtsprechung nur in eng
- begrenzten Ausnahmefällen für zulässig erachtet worden (vgl. Meyer-Goßner
- StPO 47. Aufl. § 44 Rdn. 7a m. zahlr. N.), etwa wenn dem Verteidiger bis zum
- Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trotz mehrfacher Mahnung keine Akteneinsicht gewährt oder das Sitzungsprotokoll nicht zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wurde (vgl. BGH NStZ 1984, 418; Meyer-Goßner aaO m. w. N.)
- und er dadurch an einer ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge
- gehindert war. Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nach dem Vorbringen des
- insoweit darlegungspflichtigen (vgl. BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag
- 10; BGH, Beschluß vom 6. Mai 1997 - 4 StR 152/97 m.w.N.) Beschwerdeführers nicht vor.
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- Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
- StPO nicht, weil die Revisionsbegründung die den geltend gemachten Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen nicht vollständig angegeben hat, sondern
- lediglich „der Einfachheit halber auf die Schriftsätze in den Akten verwiesen
- und Bezug genommen“ hat (vgl. Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rn. 39
- m. w. N.). Der Beschwerdeführer hat sich aber nur, soweit es den von ihm
- handschriftlich verfaßten Antrag vom 7. Mai 2004 betrifft, darauf berufen, daß
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- der „konkrete Wortlaut“ in der Revisionsbegründung nicht habe mitgeteilt werden können, weil seinem Wahlverteidiger – obwohl von diesem beantragt –
- „keinerlei Akteneinsicht“ gewährt worden sei.
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- Im übrigen ist auch nicht dargetan, daß sich der Wahlverteidiger vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in angemessener Weise um eine umfassende Einsichtnahme in die Akten bemüht hat. Dieser hatte Gelegenheit in die
- Bände I bis VIII der Zweitakten am 13. Mai 2003 Einsicht zu nehmen (Vermerk
- Bd. VIII Bl. 2173 R d.A.) und sandte sie mit Schriftsatz vom gleichen Tage an
- das Landgericht zurück (Bd. IX Bl. 2310 d. A.). Sofern die Zweitakten zu diesem Zeitpunkt unvollständig gewesen sein sollten, hätte es einer nochmaligen
- Einsicht in die Akten bedurft. Mit seiner Revisionseinlegungsschrift vom 10. Juli
- 2004 hat der Wahlverteidiger jedoch lediglich die Überlassung des Bandes der
- Akten beantragt, "in dem sich die Sitzungsniederschriften befinden", und diesen zur Einsicht erhalten (Bd. X Bl. 2699 d. A.).
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- 2. Zu den erhobenen Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zur
- Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 11. November 2004:
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- a) Die unzulässige Rüge der Verletzung der §§ 141 ff. StPO hätte auch
- in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hält die Ablehnung des vom Angeklagten
- zwei Tage vor Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrags, ihm Rechtsanwalt G.
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- als Anwalt seines Vertrauens anstelle von Rechtsanwalt Sch.
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- beizuordnen, durch den Vorsitzenden der Jugendkammer rechtlicher Nachprüfung stand.
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- Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist aufzuheben, wenn konkrete
- Umstände vorgetragen und gegebenenfalls nachgewiesen werden, aus denen
- sich ergibt, daß das Vertrauensverhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Angeklagtem endgültig und nachhaltig erschüttert und deshalb zu besorgen ist,
- daß die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann
- (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695, 3697; BGHSt 39, 310, 314 f; BGH StV 2004,
- 302). Diese Grenze für die Begründetheit vorgebrachter Einwände gegen den
- beigeordneten Pflichtverteidiger gilt allerdings nur dann, wenn zuvor im Rahmen des Bestellungsverfahrens dem Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör und – regelmäßige – Beiordnung des von ihm bezeichneten Vertrauensanwalts Genüge getan worden ist (vgl. BVerfG aaO; BGH NJW 2001,
- 237, 238). Das war hier jedoch der Fall.
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- Rechtsanwalt Sch.
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- wurde am 25. November 2003 zum Beistand be-
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- stellt (Bd. III Bl. 642 d.A.). Dieser hatte seine Bestellung zum Pflichtverteidiger
- ausweislich der Akten, deren Inhalt die Revision insoweit jedoch nicht vorgetragen hat, mit dem Einverständnis auch des Angeklagten beantragt, den er
- zuvor bereits in einem anderen Strafverfahren vor dem Amtsgericht Mainz verteidigt hatte. Nach seiner Festnahme in dieser Sache hatte der Angeklagte bei
- seiner polizeilichen Vernehmung am 22. November 2003 erklärt, an der Vorführung beim Haftrichter solle sein Rechtsanwalt, dessen Name er allerdings
- „momentan“ nicht wisse, teilnehmen, und den Vernehmungsbeamten gebeten,
- dies seinem Vater mitzuteilen (Bd. I Bl. 58/59 d.A.). An der Vorführung des
- Angeklagten nahm Rechtsanwalt Sch.
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- (Bd. III Bl. 473 d.A.) aufgrund
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- ausdrücklicher Bitte des Vaters und auch auf Wunsch des Anklagten teil (Stellungnahme des Pflichtverteidigers vom 10. Mai 2004, Bd. VIII Bl. 2129). Der
- Pflichtverteidiger suchte den Angeklagten danach mehrfach in der Justizvollzugsanstalt auf und verteidigte den Angeklagten in zwei Hauptverhandlungen
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- und verteidigte den Angeklagten in zwei Hauptverhandlungen vor dem Amtsgericht Mainz (Bd. VIII Bl. 2129 d.A.).
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- Konkrete Umstände, aus denen sich ein wichtiger Grund für die Ersetzung seines Pflichtverteidigers ergeben könnte, hat der Angeklagte im Entpflichtungsverfahren nicht vorgetragen. Die Ablehnung der Entpflichtung des
- Pflichtverteidigers war daher nicht ermessens- und damit auch nicht rechtsfehlerhaft (vgl. BGH StV 1997, 564, 565 m. w. N.), zumal der Wahlverteidiger, der
- an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, noch mit Schriftsatz vom 8. Mai
- 2004 (Bd. VIII Bl. 2123) die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers angeregt hatte.
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- b) Auch die Rüge, der Wahlverteidiger habe am Nachmittag des 21. Juni
- 2004 nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen können, weil die Termine nur
- mit dem Pflichtverteidiger abgesprochen worden seien, kann keinen Erfolg haben. Dem Revisionsvorbringen lässt sich schon nicht entnehmen, ob der Wahlverteidiger unter Hinweis auf seine Verhinderung eine Unterbrechung der
- Hauptverhandlung beantragt und – gegebenenfalls – darüber einen Gerichtsbeschluß herbeigeführt hat. Zudem ermöglicht die Revisionsbegründung weder
- die nach § 337 StPO erforderliche Prüfung des Beruhens des Urteils auf der
- von der Revision nicht näher bezeichneten Gesetzesverletzung noch die im
- Falle einer Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO gebotene Prüfung, ob die Verteidigung
- in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden ist. Hierfür läßt sich im übrigen der Sitzungsniederschrift nichts entnehmen.
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- 3. Die Überprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; daß er we-
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- gen Totschlags und nicht wegen Raubmordes verurteilt worden ist, beschwert
- ihn nicht.
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- 4. Für den beim Landgericht am 18. Oktober 2004 eingegangenen Antrag des Angeklagten vom 14. Oktober 2004, ihm zur Durchführung des Revisionsverfahrens Rechtsanwalt G.
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- als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist - an-
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- ders als für die Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung (vgl. Kuckein
- aaO § 350 Rdn. 11 m.w.N.) - der Vorsitzende des Gerichts, dessen Urteil angefochten worden ist, zuständig (vgl. BGHR StPO § 141 Bestellung 3; MeyerGoßner aaO § 141 Rdn. 6 m.w.N.). Eines Zuwartens mit der Entscheidung des
- Senats über die Revision bedurfte es nicht. Die Bestellung des erstinstanzlichen Verteidigers wirkt im Revisionsverfahren fort. Zudem ist die Revision des
- Angeklagten sowohl von seinem Pflichtverteidiger als auch von seinem Wahlverteidiger form- und fristgerecht mit der Sachbeschwerde begründet worden.
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- VRi'inBGH Dr. Tepperwien
- ist wegen Krankheit verhindert
- zu unterschreiben.
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- Kuckein
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- Athing
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- Kuckein
- Ernemann
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- Sost-Scheible
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