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- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- 3 StR 53/02
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- URTEIL
- vom
- 23. Mai 2002
- in der Strafsache
- gegen
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- ,
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- wegen schweren Raubes u.a.
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- Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Mai 2002,
- an der teilgenommen haben:
- Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
- Prof. Dr. Tolksdorf,
- Richterin am Bundesgerichtshof
- Dr. Rissing-van Saan,
- die Richter am Bundesgerichtshof
- Dr. Miebach,
- Winkler,
- von Lienen
- als beisitzende Richter,
- Staatsanwältin
- als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
- Justizangestellte
- als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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- für Recht erkannt:
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- Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 29. Oktober 2001 und ihre sofortigen
- Beschwerden gegen die Kostenentscheidung des vorgenannten
- Urteils sowie gegen die Entscheidung über die Entschädigung
- des Angeklagten werden verworfen.
- Die Kosten der Rechtsmittel sowie die dem Angeklagten durch
- diese entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
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- Von Rechts wegen
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- Gründe:
- Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren Raubes und der tateinheitlich damit begangenen schweren Körperverletzung zum
- Nachteil des Zeugen S.
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- freigesprochen.
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- Gegen diesen Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer
- - vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen - Revision, mit der die Beweiswürdigung des Landgerichts aus sachlich-rechtlichen Erwägungen beanstandet
- wird. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
- Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil es nicht hat
- ausschließen können, daß der Zeuge S.
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- dem Angeklagten am Vorabend
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- des Tattages freiwillig zwei Schmuckstücke ausgehändigt hatte und der Angeklagte später in dem Streit mit S.
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- um die Rückforderung der Schmuck-
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- stücke von diesem mit einem Messer angegriffen wurde. Gegen diesen Angriff
- durfte sich der Angeklagte nach Auffassung des Landgerichts mit dem lebensbedrohlichen Messerstich verteidigen.
- 1. Wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom
- 5. März 2002 zutreffend ausgeführt hat, weist die dem Freispruch zugrunde
- liegende Beweiswürdigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Der geschädigte Zeuge S.
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- hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, bei der poli-
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- zeilichen Vernehmung im Krankenhaus "sauer" auf den Angeklagten gewesen
- zu sein und deshalb bei seiner Schilderung übertrieben und zum Teil gelogen
- zu haben. Insbesondere hat er in der Hauptverhandlung angegeben, es könne
- sein, daß er dem Angeklagten den Ring und die Halskette "im Suff" geschenkt
- habe. An den Tathergang im Zusammenhang mit dem Messerstich konnte der
- Zeuge sich nicht mehr erinnern, räumte aber einen Streit um die Rückgabe der
- Schmuckstücke ein. Das Landgericht hat deshalb die Einlassung des Angeklagten, der Zeuge S.
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- habe im Rahmen eines heftigen verbalen Streits ein
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- auf dem Küchentisch liegendes ca. 17 cm langes Küchenmesser ergriffen und
- sich gerade von seinem Stuhl in seine Richtung erhoben, so daß er angenommen habe, dieser werde ihn jeden Moment "abstechen", als nicht widerlegbar
- angesehen und ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo von einer Notwehrlage ausgegangen, zumal bei der polizeilichen Tatortaufnahme tatsächlich ein
- zweites Messer auf dem Küchentisch gefunden wurde. Angesichts der Tatsache, daß beide Kontrahenten - der Angeklagte und der Zeuge S.
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- - bei
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- dem Streit erheblich alkoholisiert waren, bedurfte es bei der Erörterung der
- Frage, ob der sofortige Stich in das Herz des Geschädigten die erforderliche
- Verteidigungshandlung war, nicht notwendig der ausdrücklichen Erwähnung,
- daß der Angeklagte während des sowjetischen Afghanistan-Krieges eine militärische Einzelkämpferausbildung erhalten hatte.
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- 2. Den nicht näher begründeten sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils und über
- die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft ist
- ebenfalls der Erfolg zu versagen.
- a) Das Landgericht hat bei seiner Kostenentscheidung die Ermessensvorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO nicht ausdrücklich geprüft. Diese
- Vorschrift kommt jedoch nicht zur Anwendung, weil schon ihre Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Angeklagte hat sich weder selbst wahrheitswidrig belastet noch wesentliche entlastende Umstände verschwiegen und dadurch die
- Anklageerhebung verursacht. Der Angeklagte hat allerdings gegenüber einer
- Nachbarin und den am Tatort eingesetzten Polizeibeamten spontane Äußerungen über den Tathergang gemacht und dabei seine in der Hauptverhandlung
- vorgebrachte Notwehrlage verschwiegen; bei seinen förmlichen Vernehmungen
- hat er aber keine Angaben zur Sache gemacht.
- Der Senat kann offen lassen, ob ein schuldhaftes Verschweigen von
- entlastenden Umständen Erklärungen des Beschuldigten zur Sache voraussetzt, die dieser in einer förmlichen Vernehmung i. S. d. §§ 136, 163 a Abs. 1
- Satz 1 und 2 StPO abgegeben hat (so Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO
- 25. Aufl. § 467 Rdn. 41 f.; vgl. auch Franke in KK-StPO 4. Aufl. § 467 Rdn. 8),
- oder ob auch Äußerungen in einer informatorischen Vernehmung oder schriftlichen Erklärung als Grundlage für eine Ermessensentscheidung nach § 467
- Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO dienen können (so Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO
- 45. Aufl. § 467 Rdn. 8). Angesichts des Umstandes, daß der Angeklagte in der
- Tatsituation betroffen und durch die Aussage des Geschädigten im Ermittlungsverfahren maßgeblich belastet worden war, scheidet das Verschweigen
- der später vorgebrachten Umstände als vorwerfbare Mitverursachung der An-
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- klageerhebung aus. Ein rechtzeitiges Vorbringen der Notwehrlage hätte nichts
- an dem wesentlich auf den früheren, erst in der Hauptverhandlung widerrufenen Angaben des geschädigten Zeugen S.
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- beruhenden dringenden Tat-
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- verdacht des Raubes geändert. Auch hätte ein solches Vorbringen im Widerspruch zu den Bekundungen dieses Zeugen zu dem sich um die Rückgabe des
- Schmucks entwickelnden Streit gestanden.
- b) Aus diesen Gründen scheidet das Aussageverhalten des Angeklagten
- auch als Ursache für die Anordnung und Auf rechterhaltung der Untersuchungshaft aus. Die Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft kann
- deshalb weder nach § 5 Abs. 2 StrEG noch nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG versagt werden.
- Tolksdorf
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- Rissing-van Saan
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- Winkler
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- Miebach
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- Richter am Bundesgerichtshof
- von Lienen ist infolge Urlaubs
- an der Unterschrift gehindert.
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- Tolksdorf
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