You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

847 lines
33 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 355/13
  4. vom
  5. 11. Februar 2014
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
  9. -2-
  10. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2014 beschlossen:
  11. I. Auf die Revision des Angeklagten R.
  12. gegen das Urteil des
  13. Landgerichts Augsburg vom 21. Dezember 2012 wird
  14. 1. das Verfahren unter Erstreckung auf die Angeklagten
  15. H.
  16. und N.
  17. eingestellt, soweit in den Fällen B.I.6.a)
  18. Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe die Angeklagten R.
  19. H.
  20. und
  21. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
  22. bzw. der Angeklagte N.
  23. wegen Bestechung im ge-
  24. schäftlichen Verkehr verurteilt worden sind; im Umfang der
  25. Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur
  26. Last;
  27. 2. das genannte Urteil unter Erstreckung auf die Angeklagten
  28. H.
  29. und N.
  30. geändert,
  31. a) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte R.
  32. der
  33. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 60 Fällen,
  34. der Angeklagte H.
  35. der Bestechlichkeit im geschäftli-
  36. chen Verkehr in 180 Fällen und der Angeklagte N.
  37. der Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 180 Fällen
  38. schuldig sind, und
  39. b) im Rechtsfolgenausspruch dahin, dass hinsichtlich der
  40. Verfallsentscheidung festgestellt wird, dass hinsichtlich
  41. des Angeklagten R.
  42. wegen eines Geldbetrages in
  43. Höhe von 899.050 Euro sowie hinsichtlich des Ange-
  44. -3-
  45. klagten H.
  46. wegen eines Betrages in Höhe von
  47. 2.804.006,96 Euro, den die Angeklagten jeweils aus der
  48. Tat erlangt haben, von der Anordnung von Wertersatzverfall nur deshalb abgesehen wird, weil Ansprüche von
  49. Verletzten entgegenstehen.
  50. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
  51. II. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
  52. Rechtsmittels zu tragen.
  53. Gründe:
  54. 1
  55. Das Landgericht hat den Angeklagten R.
  56. wegen Bestechlichkeit im
  57. geschäftlichen Verkehr in 63 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
  58. Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Zugleich
  59. hat es den Angeklagten H.
  60. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Ver-
  61. kehr in 183 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun
  62. Monaten sowie den Angeklagten N.
  63. wegen Bestechung im geschäftlichen
  64. Verkehr in 183 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei
  65. Monaten verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. Zudem hat es u.a. festgestellt, dass hinsichtlich des Angeklagten R.
  66. wegen eines Geldbetrages
  67. von 1.041.050 Euro sowie hinsichtlich des Angeklagten H.
  68. wegen eines
  69. Geldbetrages von 2.946.006,96 Euro nur deshalb nicht auf Wertersatzverfall
  70. erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen.
  71. -4-
  72. 2
  73. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte R.
  74. mit seiner auf die
  75. Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg
  76. (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
  77. StPO.
  78. I.
  79. 3
  80. Das Landgericht hat u.a. folgende, den Angeklagten R.
  81. betreffende
  82. Feststellungen und Wertungen getroffen:
  83. 4
  84. 1. Der Angeklagte R.
  85. war hochrangiger Manager des M.
  86. Konzerns. Als Geschäftsführer Vertrieb und Personal der M.
  87. Management GmbH war er Mitglied des Entscheidungsgremiums für die zukünftige Ausgestaltung des bundesweiten Vertriebs von DSL-Verträgen in den
  88. M.
  89. . Im zweiten Quartal 2005 wurde die Entscheidung für den ex-
  90. ternen Vertrieb der DSL-Verträge durch eine zentral für alle M.
  91. bun-
  92. desweit zuständige Marketingagentur getroffen. Der Auftrag für den Vertrieb
  93. der DSL-Verträge wurde an eine vom Angeklagten N.
  94. geführte Agentur
  95. vergeben. Der Auftragsvergabe waren Gespräche des Angeklagten N.
  96. dem Angeklagten H.
  97. , der als Mitglied des M.
  98. mit
  99. Management Teams
  100. in die Entscheidungen des Projekts „DSL-Verträge“ in beratender Funktion eingebunden war, vorausgegangen, in denen der Angeklagte N.
  101. für den Fall
  102. der Auftragserteilung Schmiergeldzahlungen in Höhe von je 5 Euro pro „Manntag“ an die Angeklagten R.
  103. H.
  104. und H.
  105. in Aussicht stellte. Der Angeklagte
  106. gab dieses Angebot an den Angeklagten R.
  107. weiter, der sich ebenfalls
  108. mit dem Vorschlag einverstanden erklärte. In Umsetzung der Vereinbarung
  109. -5-
  110. zahlte der Angeklagte N.
  111. im Zeitraum November 2005 bis März 2010 in 52
  112. Fällen insgesamt 1.162.100 Euro in bar an den Angeklagten H.
  113. , der davon
  114. absprachegemäß jeweils wenige Tage nach der Geldübergabe die Hälfte der
  115. Schmiergelder an den Angeklagten R.
  116. 5
  117. weitergab.
  118. Als Anfang des Jahres 2010 die Insolvenz der vom Angeklagten N.
  119. geführten Marketingagentur drohte, brachte er gegenüber dem Angeklagten
  120. H.
  121. die Übernahme des Vertriebs der DSL-Verträge durch die Agentur der
  122. früheren Mitangeklagten G.
  123. und L.
  124. unter Aufrechterhaltung der
  125. Schmiergeldabrede ins Spiel. Der Angeklagte H.
  126. schlag mit dem Angeklagten R.
  127. besprach diesen Vor-
  128. . Beide kamen überein, den Auftragsüber-
  129. gang unternehmensintern zu unterstützen, wenn die Schmiergelder auch weiterhin gezahlt würden. Dies sagte der Angeklagte N.
  130. G.
  131. und L.
  132. auch im Namen von
  133. zu. Im April 2010 wurde der Auftrag - ohne dass der
  134. Auftrag ausgeschrieben oder Konkurrenzangebote eingeholt worden wären - an
  135. die Agentur von G.
  136. te N.
  137. und L.
  138. vergeben, an der auch der Angeklag-
  139. über einen Strohmann beteiligt war. Hinsichtlich der Schmiergeldzah-
  140. lungen einigten sich die Angeklagten auf ein modifiziertes Abrechnungsmodell,
  141. das vorsah, dass beginnend am 1. Juli 2010 quartalsweise zunächst 80.000
  142. Euro an Schmiergeld ausgezahlt werden und mit Ablauf des Quartals eine Abrechnung auf Basis der tatsächlich geleisteten „Manntage“ erfolgen sollte. Im
  143. Zeitraum September 2010 bis Oktober 2011 wurden in 11 Fällen insgesamt
  144. 935.000 Euro in bar an den Angeklagten H.
  145. übergeben, von denen dieser
  146. 460.000 Euro teils bis zu mehreren Wochen nach der Geldübergabe an den
  147. Angeklagten R.
  148. 6
  149. weiterleitete.
  150. 2. Das Landgericht hat das Geschehen bezüglich des Angeklagten R.
  151. als Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB gewer-
  152. -6-
  153. tet und dabei jede Geldübergabe als rechtlich selbständige Tat angesehen. Im
  154. Rahmen der Strafzumessung hat es den Strafrahmen des § 300 Satz 1 StGB
  155. zugrunde gelegt. Der Angeklagte R.
  156. habe gewerbsmäßig (§ 300 Satz 2 Nr. 2
  157. Alt. 1 StGB) sowie als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat (§ 300 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB), gehandelt.
  158. Zudem bezögen sich die Taten in Fällen, in denen dem Angeklagten R.
  159. Schmiergeldzahlungen von mehr als 50.000 Euro zugeflossen seien, auf einen
  160. Vorteil großen Ausmaßes (§ 300 Satz 2 Nr. 1 StGB).
  161. II.
  162. 7
  163. Die von der Revision geltend gemachten Rügen der Verletzung von Verfahrensrecht greifen nicht durch.
  164. 8
  165. 1. Die vom Angeklagten R.
  166. erhobene Verfahrensrüge, mit der er eine
  167. unzulässige Beschränkung der Verteidigung gemäß § 338 Nr. 8 StPO sowie
  168. eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 20 Abs. 3 GG,
  169. Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und b MRK durch rechtsfehlerhafte Ablehnung eines
  170. Antrags auf Aussetzung des Verfahrens zur Gewährung vollständiger Akteneinsicht in zumutbarer Weise geltend macht, hat keinen Erfolg.
  171. 9
  172. a) Der Verfahrensrüge liegt im Wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde:
  173. -7-
  174. 10
  175. aa) Im Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten R.
  176. und die übri-
  177. gen Angeklagten wurden umfangreiche Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt, im Rahmen derer ca. 45.000 Telefongespräche aufgezeichnet sowie ca. 34.000 weitere Datensätze (z.B. SMS/MMS, Systemdateien, Reportdateien) gespeichert wurden.
  178. 11
  179. Anträge der Verteidigung auf Einsichtnahme in die Telekommunikationsüberwachung unter Überlassung der Tondateien auf einem Datenträger wurden
  180. von der Staatsanwaltschaft sowie durch das Landgericht unter Verweis auf
  181. Persönlichkeitsschutzinteressen Dritter abgelehnt und die Verteidigung auf die
  182. Möglichkeit verwiesen, die Aufzeichnungen der Telefongespräche in den
  183. Räumlichkeiten der Kriminalpolizei abzuhören. Im Dezember 2011 wurden dem
  184. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. J.
  185. zunächst die Mitschnitte von 27 Telefon-
  186. gesprächen, im April 2012 von weiteren ca. 2.200 Gesprächen zur Verfügung
  187. gestellt. Auf Beschwerde des Angeklagten ordnete das Landgericht am 3. Mai
  188. 2012 - mithin einen Monat vor Beginn der Hauptverhandlung - das Aufspielen
  189. sämtlicher Tondateien auf ein Notebook und das Ermöglichen des Abhörens
  190. der Telefongespräche auch gemeinsam mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt an. Im Übrigen blieb die Beschwerde ohne Erfolg.
  191. 12
  192. Ab dem 9. Mai 2012 wurden die Tondateien auf dem Notebook in der
  193. Form zur Verfügung gestellt, dass die Gespräche aus einer Liste ausgewählt
  194. werden konnten, aus der sich Datum und Uhrzeit des Gesprächsbeginns, die
  195. Identnummer sowie der Dateiname ergaben. In der Liste waren auch aufgelaufene SMS enthalten, die jedoch aufgrund technischer Einschränkungen teilweise nicht in ihrem vollen Wortlaut abgedruckt waren. Anträge der Verteidigung
  196. auf Überlassung einer Auflistung sämtlicher Telefongespräche, in der auch die
  197. Gesprächsteilnehmer und deren Rufnummern sowie die Dauer des Gesprächs
  198. -8-
  199. enthalten waren, blieben - auch im Beschwerdeverfahren - ohne Erfolg. Hinsichtlich der SMS wurde die Verteidigung auf eine Bereitstellung des vollen
  200. Wortlauts auf Einzelanforderung verwiesen.
  201. 13
  202. Bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 6. Juni 2012 wurden durch
  203. den Verteidiger Rechtsanwalt Dr. J.
  204. an sieben Terminen - davon zwei
  205. Termine nach Aufspielen der Audiodateien auf ein Notebook - Gespräche angehört. Während der laufenden Hauptverhandlung kamen weitere 16 Termine
  206. zustande, bei denen Rechtsanwalt Dr. J.
  207. sich teilweise durch einen Kolle-
  208. gen unterstützen ließ. Nach dem 31. Oktober 2012 wurden seitens der Verteidigung keine weiteren Termine zum Anhören von Telefongesprächen nachgefragt.
  209. 14
  210. bb) Im Ermittlungsverfahren wurden zudem ca. 14 Mio. elektronische
  211. Dateien (z.B. Emails, Dokumente) sichergestellt. Diese wurden der Verteidigung am 22. Mai 2012 in durch das Landeskriminalamt aufbereiteter Form zur
  212. Verfügung gestellt, weshalb zur Auswertung der Daten eine spezielle Software
  213. mit Anschaffungskosten von ca. 4.000 Euro erforderlich war. Der Antrag der
  214. Verteidigung auf Zurverfügungstellung der Softwarelizenz bzw. auf Erklärung
  215. der Kostenübernahme wurde durch das Landgericht im Laufe der Hauptverhandlung mit Beschluss vom 16. Juli 2012 abgelehnt. Die Dateien wurden
  216. schließlich am 4. September 2012 - mithin knapp drei Monate nach Beginn der
  217. Hauptverhandlung - in ihrer ursprünglichen Form überlassen.
  218. 15
  219. cc) Im März 2012 beantragte die Verteidigung, dem Angeklagten R.
  220. in
  221. der Justizvollzugsanstalt Einsicht in die elektronisch geführten Verfahrensakten
  222. zu gewähren. Der Vorsitzende der Strafkammer gestattete dies und übertrug
  223. die organisatorische Abwicklung der Justizvollzugsanstalt. Aufgrund technischer Schwierigkeiten wurde dem Angeklagten R.
  224. erstmals am 29. Mai 2012
  225. -9-
  226. - mithin eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung am 6. Juni 2012 - Akteneinsicht gewährt, wobei ein Computer nur von montags bis freitags in der
  227. Zeit von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr sowie von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr zur Verfügung stand und dieser auch von Mitgefangenen genutzt wurde.
  228. 16
  229. dd) Den am zweiten Hauptverhandlungstag am 26. Juni 2012 gestellten
  230. und während des Fortgangs der Hauptverhandlung stetig erneuerten Antrag auf
  231. Aussetzung des Verfahrens, um die Auswertung der aufgezeichneten Telefongespräche und der sichergestellten Dateien in zumutbarer Weise zu ermöglichen und dem Angeklagten R.
  232. vollständige Einsicht in die elektronischen
  233. Akten zu gewähren, lehnte die Kammer am 14. November 2012 mit der Begründung ab, eine unzulässige Beschränkung des Akteneinsichtsrechts liege
  234. nicht vor. Der Verteidigung sei zeitnah die Möglichkeit gegeben worden, die
  235. Telefongespräche bei der Polizei, ab Mai 2012 auch gemeinsam mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt anzuhören. Der Email-Verkehr sei der
  236. Verteidigung in aufbereiteter und zusätzlich in seiner ursprünglichen Form zur
  237. Verfügung gestellt worden, da der Angeklagte nicht bereit gewesen sei, die
  238. Auswertungssoftware anzuschaffen. Verzögerungen lägen in der Sphäre der
  239. Verteidigung, insbesondere habe der Verteidiger sich bei der Besichtigung nicht
  240. der Unterstützung durch Hilfspersonen bedient; die beiden weiteren Verteidiger
  241. hätten von ihrem Akteneinsichtsrecht gar keinen Gebrauch gemacht.
  242. 17
  243. b) Es bestehen bereits Zweifel, ob die Verfahrensrüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.
  244. 18
  245. Für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung
  246. wesentlichen Punkt beschränkt worden, reicht es nicht aus, dass diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung
  247. zu beeinflussen. Vielmehr ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 8
  248. - 10 -
  249. StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl.
  250. Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 338 Rn. 59 und Gericke in
  251. KK-StPO, 7. Aufl., § 338 Rn. 101). Bei der Rüge der Beschränkung der Verteidigung durch rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung des
  252. Verfahrens zur Gewährung vollständiger Akteneinsicht in zumutbarer Art und
  253. Weise (§ 265 Abs. 4, § 147 Abs. 1 StPO) ist daher ein substantiierter Vortrag
  254. erforderlich, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen
  255. der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung daraus folgten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2010 - 4 StR 599/09, NStZ
  256. 2010, 530, 531 und vom 2. Februar 1999 - 1 StR 636/98, StV 2000, 248, 249
  257. jeweils mwN).
  258. 19
  259. Zwar trägt die Revision „exemplarisch“ drei Telefongespräche vor, die
  260. nach ihrer Auffassung die vom Landgericht angenommene Tatbeteiligung des
  261. Angeklagten R.
  262. widerlegen sollen. Jedoch war die Inaugenscheinnahme der
  263. Mitschnitte dieser Telefongespräche bereits Gegenstand eines bedingten Beweisantrags des Angeklagten R.
  264. vom 13. Dezember 2012, den das Landge-
  265. richt in den Urteilsgründen rechtsfehlerfrei gemäß § 244 Abs. 5 Satz 1 StPO
  266. abgelehnt hat. Konkrete weitere Erkenntnisse, die sich aus der Einsichtnahme
  267. in die aufgezeichneten Telefongespräche oder die sonstigen sichergestellten
  268. Dateien ergeben hätten, trägt die Revision dagegen nicht vor.
  269. 20
  270. Der Senat verkennt im Zusammenhang der Anforderungen an den Tatsachenvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) bei der hier erhobenen Verfahrensrüge nicht, dass bei sehr umfangreichen Akten einschließlich umfänglichen
  271. Beweismaterials die Angabe konkreter Tatsachen sowie der sich daraus für
  272. den Revisionsvortrag ergebenden Konsequenzen für einen Revisionsführer mit
  273. - 11 -
  274. erheblichem Aufwand verbunden sein kann. Welche aus § 344 Abs. 2 Satz 2
  275. StPO resultierenden Erfordernisse an die Zulässigkeit einer entsprechenden
  276. Rüge in derartigen Konstellationen zu stellen sind, bedarf jedoch vorliegend
  277. keiner Entscheidung.
  278. 21
  279. c) Die Verfahrensrüge ist nämlich jedenfalls nicht begründet. Es fehlt an
  280. einer für die Annahme einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung erforderlichen Verletzung einer Verfahrensvorschrift (BGH, Beschluss vom
  281. 14. November 1997 - 3 StR 529/97, BGHR StPO § 338 Nr. 8 Beschränkung 5).
  282. Eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht und Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke gemäß § 147 Abs. 1 StPO liegt im Ergebnis nicht vor.
  283. 22
  284. aa) Die Beanstandungen der Revision, es sei im Hinblick auf die große
  285. Datenmenge angesichts der eingeschränkten Dienst- und Öffnungszeiten nicht
  286. ausreichend gewesen, das Abhören nur in Räumlichkeiten der Kriminalinspektion oder der Justizvollzugsanstalt zu gestatten, greifen nicht durch.
  287. 23
  288. (1) Die aufgezeichneten Daten der Telekommunikationsüberwachung
  289. unterliegen insgesamt dem Recht auf Akteneinsicht und Besichtigung amtlich
  290. verwahrter Beweisstücke gemäß § 147 Abs. 1 StPO, das - konkretisiert durch
  291. die Identität von Tat und Täter - jedenfalls das gesamte vom ersten Zugriff der
  292. Polizei (§ 163 StPO) an gesammelte Beweismaterial einschließlich etwaiger
  293. Bild- und Tonaufnahmen umfasst, das gerade in dem gegen den Angeklagten
  294. gerichteten Ermittlungsverfahren angefallen ist (BGH, Urteil vom 18. Juni 2009
  295. - 3 StR 89/09, StV 2010, 228; vgl. auch Esser in Löwe/Rosenberg, StPO, Band
  296. 11, 26. Aufl., EMRK Art. 6 Rn. 636 mwN).
  297. 24
  298. Bei den Tonaufzeichnungen handelt es sich um Augenscheinobjekte, die
  299. als Beweisstücke nach § 147 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 147 Abs. 1 StPO grund-
  300. - 12 -
  301. sätzlich nur am Ort ihrer amtlichen Verwahrung besichtigt bzw. bei Tonaufzeichnungen angehört werden können. Der Senat kann offen lassen, ob in Fällen, in denen die bloße Besichtigung zu Informationszwecken nicht ausreichend
  302. ist, im Einzelfall zur Gewährleistung einer angemessenen Verteidigung und eines fairen Verfahrens ein Anspruch auf Anfertigung und Überlassung einer Kopie besteht (Meyer-Goßner aaO, § 147 Rn. 19; Laufhütte/Willnow in KK-StPO,
  303. 7. Aufl., § 147 Rn. 10; Lüderssen/Jahn in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl.,
  304. § 147 Rn. 112, 117; Wessing in Beck-OK-StPO, Stand 30. September 2013,
  305. § 147 Rn. 19; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 2 Ws 146/12,
  306. NJW 2012, 2742; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2001 - 3 Ws
  307. 853/01, StV 2001, 611; für einen generellen Anspruch auf Überlassung einer
  308. Kopie: Beulke/Witzigmann, StV 2013, 75, Meyer-Mews, NJW 2012, 2743).
  309. 25
  310. (2) Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor; das Recht auf Akteneinsicht und Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke wurde in ausreichendem Umfang gewährt.
  311. 26
  312. (a) Für die Verteidigung bestand zumindest seit dem 9. Mai 2012 die
  313. Möglichkeit, sämtliche im Ermittlungsverfahren aufgezeichneten Telefongespräche in den Räumlichkeiten der Kriminalinspektion anzuhören. Daneben war
  314. ab diesem Zeitpunkt auch sichergestellt, dass die Mitschnitte der Telefongespräche gemeinsam mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt angehört
  315. werden konnten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 30. September 1994 - 2 Ws
  316. 400/94, StV 1995, 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2001
  317. - 3 Ws 853/01, StV 2001, 611, Laufhütte/Willnow in KK-StPO, aaO, § 147
  318. Rn. 10).
  319. 27
  320. (b) Entgegen der Auffassung der Revision ist dabei nicht zu beanstanden, dass der Verteidigung keine Auflistung der aufgezeichneten Gespräche
  321. - 13 -
  322. mit zusätzlichem Ausweis der Gesprächsteilnehmer und ihrer Rufnummern sowie der Gesprächsdauer zur Verfügung gestellt wurden. Das Recht auf Besichtigung von Beweisstücken erfasst diese lediglich in ihrem gegenwärtigen Zustand. Ein Anspruch auf Erstellung weiterer Aktenteile besteht nicht (vgl. zur
  323. Übersetzung von in fremder Sprache geführten Telefongesprächen BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 3 StR 404/07, NStZ 2008, 230; OLG Koblenz,
  324. Beschluss vom 30. Juni 1995 - 1 Ws 322/95, NStZ 1995, 611).
  325. 28
  326. (c) Bei der Gewährung des Akteneinsichtsrechts und des Rechts auf Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke sind die in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3
  327. Buchst. b EMRK enthaltenen Gewährleistungen zu berücksichtigen. Dabei
  328. muss der Verteidigung eine auch in zeitlicher Hinsicht ausreichende Gelegenheit gegeben werden, in die Akten und die Beweismittel Einblick zu nehmen
  329. (vgl. EGMR, Urteil vom 12. März 2003 - 46221/99 „Öcalan ./. Turkey“ Abs. 166169; bestätigend EGMR (Große Kammer), Urteil vom 12. Mai 2005 - 46221/09
  330. „Öcalan ./. Turkey“ Abs. 146-148; siehe auch Esser aaO, Rn. 647 mwN).
  331. 29
  332. Es lässt sich hier aber nicht erkennen, dass die Verteidigung in der Zeit
  333. vom 9. Mai 2012 bis zur Urteilsverkündung am 21. Dezember 2012 nicht in zumutbarer Weise in der Lage gewesen wäre, die Gesprächsaufzeichnungen abzuhören. Denn die Verteidigung hat aufgrund von ihr zu vertretener Umstände
  334. die gewährten Möglichkeiten zur Besichtigung der Beweismittel nicht ausgeschöpft. Insoweit treffen den Angeklagten und seine Verteidigung prozessuale
  335. Obliegenheiten, sich um die Erlangung der benötigten Informationen innerhalb
  336. einer angemessenen Frist zu bemühen (vgl. EGMR, Urteil vom 21. September
  337. 1993 - 12350/86 „Kremzow ./. Austria“ Abs. 48 und 50; SK-StPO/Paeffgen,
  338. 4. Aufl., Band X, EMRK Art. 6 Rn. 130 mwN). Zwar muss sich der Verteidiger
  339. Rechtsanwalt Dr. J.
  340. nicht darauf verweisen lassen, dass er sich bei der
  341. - 14 -
  342. Sichtung der Beweismittel der Unterstützung weiterer Hilfspersonen hätte bedienen können (zur Zulässigkeit der Übertragung des Akteneinsichtsrechts auf
  343. juristische Mitarbeiter und Sachverständige vgl. OLG Brandenburg, Beschluss
  344. vom 20. September 1995 - 2 Ws 174/95; Esser, aaO, Rn. 647). Ebenso wenig
  345. kann ihm zum Vorwurf gemacht werden, dass die beiden anderen Verteidiger
  346. des Angeklagten nicht von ihrem Recht auf Besichtigung der Beweisstücke
  347. Gebrauch gemacht haben. Denn das Recht auf Akteneinsicht bzw. Besichtigung der Beweismittel besteht in vollem Umfang für jeden der Verteidiger in
  348. eigener Person (Laufhütte/Willnow in KK-StPO, aaO, § 147 Rn. 3).
  349. 30
  350. Jedoch erfordert die Annahme einer unzureichenden Gewährung des
  351. Rechts auf Akteneinsicht bzw. auf Besichtigung von Beweisstücken, dass die
  352. Verteidigung durchgehend im Rahmen der Zumutbarkeit von den ihr eröffneten
  353. Möglichkeiten zur Akteneinsicht bzw. zur Besichtigung von Beweismitteln Gebrauch macht. Seitens der Verteidigung wurden nach dem 31. Oktober 2012
  354. keine Termine mehr für das Abhören weiterer Gespräche durchgeführt.
  355. 31
  356. bb) Mit der Beanstandung, die Bereitstellung der sonstigen sichergestellten elektronischen Dateien in „verschlüsselter“ Form sei nicht ausreichend gewesen, eine Auswertung der erst drei Monate nach Beginn der Hauptverhandlung in ihrer ursprünglichen Form zur Verfügung gestellten Dateien sei zeitlich
  357. nicht möglich gewesen, dringt die Revision im Ergebnis ebenfalls nicht durch.
  358. 32
  359. In diesem Zusammenhang braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob
  360. die Verteidigung auf die Anschaffung einer speziellen Auswertungssoftware zur
  361. Lesbarmachung entsprechender Dateien auf eigene Kosten verwiesen werden
  362. kann. Daran könnten Zweifel zumindest dann bestehen, wenn - wie hier - das
  363. fragliche Datenmaterial bei dem Zugriff der Ermittlungsbehörden darauf in einer
  364. mit Standardprogrammen lesbaren Form vorlagen und die Lesbarkeit allein mit
  365. - 15 -
  366. einer speziellen Software erst durch Verschlüsselungsmaßnahmen der Polizei
  367. hervorgerufen worden ist. Auch wenn diese Vorgehensweise, die mit einer Verzögerung des Zugriffs auf die Beweismaterialien einhergehen kann, hier zu einer Verletzung des Akteneinsichtsrechts geführt haben sollte, beruhte das angefochtene Urteil auf einer solchen Rechtsverletzung nicht.
  368. 33
  369. Denn die Dateien standen in ihrer ursprünglichen Form der Verteidigung
  370. seit dem 4. September 2012 und damit für einen Zeitraum von mehr als drei
  371. Monaten vor der Verkündung des Urteils zur Verfügung. Dass die Verteidigung
  372. in dieser Zeit nicht in ausreichendem Umfang in der Lage gewesen sein sollte,
  373. die Dateien einzusehen, ist nicht ersichtlich.
  374. 34
  375. cc) Auch der von der Revision gerügte Umstand, dass dem Angeklagten
  376. die elektronische Ermittlungsakte erst eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung zugänglich gemacht wurde und ihm diese aufgrund der eingeschränkten Nutzungszeiten des Computers nicht jederzeit zur Verfügung stand, führt
  377. nicht zu einem Verstoß gegen § 147 StPO.
  378. 35
  379. Das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 147 Abs. 1 StPO steht grundsätzlich ausschließlich dem Verteidiger zu. Da sachgerechte Verteidigung voraussetzt, dass der Angeklagte weiß, worauf sich der gegen ihn gerichtete Vorwurf
  380. stützt, ist der Verteidiger in der Regel berechtigt und unter Umständen sogar
  381. verpflichtet, dem Angeklagten zu Verteidigungszwecken mitzuteilen, was er aus
  382. den Akten erfahren hat (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79,
  383. BGHSt 29, 99, 102 f.; Laufhütte/Willnow in KK-StPO, aaO, § 147 Rn. 14). Lediglich der unverteidigte Angeklagte hat gemäß § 147 Abs. 7 StPO Anspruch
  384. auf Erteilung von Auskünften und Abschriften aus den Akten, soweit dies zu
  385. einer angemessenen Verteidigung erforderlich ist, der Untersuchungszweck
  386. - 16 -
  387. nicht gefährdet wird und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter
  388. entgegenstehen.
  389. 36
  390. 2. Soweit die Revision geltend macht, die Urteilsfeststellungen stünden
  391. im Widerspruch zu den mit Beweisantrag Anlage 46 zum Hauptverhandlungsprotokoll unter Beweis gestellten und im Ablehnungsbeschluss als bereits erwiesen angesehenen Tatsachen, verhilft dies der Verfahrensrüge nicht zum
  392. Erfolg.
  393. 37
  394. Das Landgericht hat die Beweisbehauptung der Verteidigung, der Zeuge
  395. K.
  396. , Geschäftsführer der M.
  397. Management GmbH für
  398. den Bereich Einkauf, habe im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur
  399. Vergabe des DSL-Projekts dem Entscheidungsgremium vorgetragen, dass nur
  400. die Agentur des Angeklagten N.
  401. bereit und in der Lage sei, das DSL-
  402. Projekt in der geplanten Form umzusetzen und den Auftrag zu übernehmen,
  403. den Feststellungen in unveränderter Form zugrunde gelegt. Aus dieser als bereits erwiesen angesehenen Tatsache hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise jedoch nicht die vom Angeklagten R.
  404. gewünschten
  405. Schlüsse - nämlich das Fehlen der für § 299 StGB erforderlichen Wettbewerbslage bzw. des auf das Bestehen einer Wettbewerbslage gerichteten Vorsatzes
  406. des Angeklagten R.
  407. 38
  408. - gezogen.
  409. 3. Die übrigen Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 13. August 2013 zutreffend dargelegten Gründen keinen Erfolg.
  410. III.
  411. - 17 -
  412. 39
  413. 1. Auf die Revision des Angeklagten R.
  414. ist das Verfahren in den Fäl-
  415. len B.I.6.a) Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe - gemäß § 357 Satz 1 StPO auch hinsichtlich der nicht revidierenden Angeklagten N.
  416. und H.
  417. - wegen des
  418. Verfahrenshindernisses der Strafverfolgungsverjährung gemäß § 206a Abs. 1
  419. i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO einzustellen. In den verbleibenden Fällen ist die Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr revisionsrechtlich
  420. nicht zu beanstanden.
  421. 40
  422. a) Das Landgericht hat hinsichtlich des Angeklagten R.
  423. zu Recht
  424. 63 Taten der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr angenommen. Mehrere
  425. Vorteilsannahmen stehen untereinander grundsätzlich im Verhältnis der Tatmehrheit. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit hinsichtlich aller aus
  426. einer Unrechtsvereinbarung erlangten Vorteile ist nur auszugehen, wenn die
  427. Annahme auf eine Unrechtsvereinbarung zurückgeht, die den zu leistenden
  428. Vorteil genau festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen
  429. sein (BGH, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 302;
  430. 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 30, und vom 20. August 2003
  431. - 2 StR 160/03, wistra 2004, 29).
  432. 41
  433. Eine solch genaue Festlegung des Vorteils bei der Unrechtsvereinbarung
  434. hat das Landgericht nicht festgestellt. Bei Zustandekommen der Unrechtsvereinbarung mit dem Angeklagten N.
  435. war lediglich vereinbart, dass als Ge-
  436. genleistung für die Auftragserteilung und dessen Aufrechterhaltung Schmiergelder in Höhe von je 5 Euro pro „Manntag“ zu zahlen sind (UA S. 34). Gleiches
  437. gilt hinsichtlich der Unrechtsvereinbarung mit den Angeklagten G.
  438. L.
  439. und
  440. , die zunächst quartalsweise 80.000 Euro zahlen sollten, bevor nach
  441. Ablauf des Quartals eine Abrechnung auf Basis der geleisteten „Manntage“ erfolgte (UA S. 59). Das genaue Volumen der Schmiergeldzahlungen war damit
  442. - 18 -
  443. im Zeitpunkt der jeweiligen Unrechtsvereinbarung noch nicht abzusehen. Die
  444. getroffenen Vereinbarungen reichen nicht aus, die späteren Zahlungsannahmen zu einer Tat zu verbinden.
  445. 42
  446. b) Hinsichtlich der Fälle B.I.6.a) Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe ist jedoch
  447. Verfolgungsverjährung eingetreten.
  448. 43
  449. Die Einzeltaten waren bereits mit der Übergabe des Schmiergeldes an
  450. den Angeklagten H.
  451. i.S.v. § 78a StGB beendet. Nach der Unrechtsverein-
  452. barung vereinnahmte der Angeklagte H.
  453. das Schmiergeld sowohl im eige-
  454. nen Namen als auch im Namen des Angeklagten R.
  455. ten N.
  456. , G.
  457. Übergabe an H.
  458. und L.
  459. , weshalb die Angeklag-
  460. ihre Zahlungsverpflichtung bereits mit der
  461. als einen der Mittäter erfüllten. Die erst zu einem späteren
  462. Zeitpunkt erfolgte Auskehr seines Anteils an den Angeklagten R.
  463. muss da-
  464. her außer Acht bleiben (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. März 2001 - 5 StR
  465. 454/00, NJW 2001, 2102, 2105).
  466. 44
  467. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist in den Fällen
  468. B.I.6.a) Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe zugunsten des Angeklagten R.
  469. auszugehen, dass die Übergabe an den Angeklagten H.
  470. davon
  471. vor dem
  472. 22. Februar 2006 erfolgte (zur Anwendung des Zweifelssatzes auf die Verjährung begründende Tatsachen vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2001 - 5 StR
  473. 454/00, NJW 2001, 2102, 2105). Die erste die Verjährung unterbrechende
  474. Handlung erfolgte durch den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen am
  475. 22. Februar 2011, so dass insoweit die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78
  476. Abs. 3 Nr. 4 StGB bereits vor der Unterbrechungshandlung abgelaufen war.
  477. - 19 -
  478. 45
  479. 2. Dementsprechend war der Schuldspruch dahingehend zu ändern,
  480. dass der Angeklagte R.
  481. der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in le-
  482. diglich 60 Fällen schuldig ist.
  483. 46
  484. 3. Die Teileinstellung des Verfahrens führt hinsichtlich des Angeklagten
  485. R.
  486. zum Wegfall der verhängten Einzelstrafen im Fall B.I.6.a) Nr. 1 der Ur-
  487. teilsgründe von einem Jahr und zehn Monaten und in den Fällen B.I.6.a) Nr. 2
  488. und 3 der Urteilsgründe von jeweils einem Jahr und zwei Monaten. Der Gesamtstrafenausspruch bleibt hiervon unberührt, da der Senat angesichts der
  489. verbleibenden Einzelstrafen ausschließen kann, dass das Landgericht ohne die
  490. entfallenden Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt
  491. hätte.
  492. 47
  493. 4. Die Einstellung des Verfahrens wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung in den Fällen B.I.6.a) Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe war gemäß § 357
  494. Satz 1 StPO auf die nichtrevidierenden Angeklagten H.
  495. und N.
  496. zu er-
  497. strecken.
  498. 48
  499. a) Eine Erstreckung gemäß § 357 Satz 1 StPO hat auch in Fällen fehlender Verfahrensvoraussetzungen und bestehender Verfahrenshindernisse zu
  500. erfolgen, soweit diese auch für den Nichtrevidenten Bedeutung haben (vgl.
  501. Gericke in KK-StPO, aaO, § 357 Rn. 7, Meyer-Goßner, aaO, § 357 Rn. 10,
  502. BGH, Beschlüsse vom 31. März 2011 - 4 StR 657/10, wistra 2011, 308, 309;
  503. und vom 29. Juli 1998 - 2 StR 197/98). Der Eintritt der Verfolgungsverjährung
  504. ist regelmäßig vom konkreten Verfahrensgang hinsichtlich des jeweiligen Angeklagten abhängig, wobei sich in Bezug auf dieselbe Tat auch bei Mittätern unterschiedliche Verjährungszeitpunkte - z.B. aufgrund unterschiedlicher Unterbrechungshandlungen i.S.v. § 78c StGB - ergeben können. Vorliegend erfolgte
  505. jedoch die erste verjährungsunterbrechende Maßnahme auch hinsichtlich der
  506. - 20 -
  507. Angeklagten H.
  508. und N.
  509. erst durch den Erlass der Durchsuchungsbe-
  510. schlüsse am 22. Februar 2011, so dass sich die Gesetzesverletzung auch bei
  511. ihnen auswirkt.
  512. 49
  513. b) Entsprechend war der Schuldspruch dahingehend zu ändern, dass
  514. der Angeklagte H.
  515. Angeklagte N.
  516. der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und der
  517. der Bestechung im geschäftlichen Verkehr in jeweils 180
  518. Fällen schuldig ist.
  519. 50
  520. c) Der Senat hat trotz des Wegfalls der in den Fällen B.I.6.a) Nr. 1 bis 3
  521. der Urteilsgründe jeweils verhängten Einzelstrafen hinsichtlich der Angeklagten
  522. H.
  523. und N.
  524. von einer Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs abgese-
  525. hen, da er auch hier angesichts der in den übrigen Fällen verhängten Einzelstrafen ausschließen kann, dass das Landgericht ohne die drei entfallenden
  526. Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
  527. IV.
  528. 51
  529. 1. Die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass hinsichtlich des
  530. Angeklagten R.
  531. aufgrund entgegenstehender Ansprüche Verletzter wegen
  532. eines Betrages von 1.041.050 Euro nicht auf Wertersatzverfall erkannt werden
  533. konnte, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht uneingeschränkt stand.
  534. 52
  535. a) Die Regelung des § 111i Abs. 2 StPO ist erst durch das Gesetz zur
  536. Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BGBl. I 2350) geschaffen worden und am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Ihrer Anwendung auf bereits zuvor beendete Taten
  537. - 21 -
  538. steht § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB entgegen, wonach insoweit das mildere alte
  539. Recht gilt, nach dem diese bedingte Verfallsanordnung nicht möglich war (vgl.
  540. BGH, Beschlüsse vom 10. April 2013 - 1 StR 22/13, NStZ-RR 2013, 254 mwN,
  541. und vom 23. Oktober 2008 - 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56).
  542. 53
  543. b) Nach den landgerichtlichen Feststellungen erfolgte in den Fällen
  544. B.I.6.a) Nr. 1 bis 14 der Urteilsgründe die Übergabe an den Angeklagten H.
  545. und damit die Beendigung der Taten vor dem 1. Januar 2007 (UA S. 35 f.), so
  546. dass das Landgericht insoweit keine Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO treffen durfte. Der Senat reduziert daher den festgestellten Betrag um die in den
  547. Fällen B.I.6.a.) Nr. 1 bis 14 der Urteilsgründe an den Angeklagten R.
  548. weiter-
  549. geleiteten hälftigen Schmiergeldzahlungen in Höhe von 142.000 Euro auf insgesamt 899.050 Euro.
  550. 54
  551. 2. Die Korrektur der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO ist hinsichtlich
  552. der Fälle B.I.6.a) Nr. 1 bis 14 der Urteilsgründe gemäß § 357 Satz 1 StPO auf
  553. den Angeklagten H.
  554. zu erstrecken, da auch insoweit der Betrag aufgrund
  555. derselben Gesetzesverletzung zu hoch angesetzt wurde. Insoweit reduziert der
  556. Senat den festgestellten Betrag um 142.000 Euro auf insgesamt 2.804.006,96
  557. Euro.
  558. - 22 -
  559. V.
  560. 55
  561. Der nur geringe Teilerfolg der verbleibenden Revision rechtfertigt es
  562. nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen
  563. Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO).
  564. Wahl
  565. Rothfuß
  566. Radtke
  567. Cirener
  568. Mosbacher