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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 135/07
  4. vom
  5. 25. April 2007
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
  9. -2-
  10. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 beschlossen:
  11. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  12. Augsburg vom 6. Dezember 2006 wird mit der Maßgabe verworfen,
  13. dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
  14. nicht geringer Menge unter Mitführung einer Schusswaffe in Tateinheit
  15. mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
  16. schuldig ist (§ 349 Abs. 2 StPO).
  17. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
  18. Ergänzend bemerkt der Senat:
  19. Ein Verbot der Verwertung der bei der Durchsuchung der Wohnung
  20. des Angeklagten in G.
  21. bei Augsburg sichergestellten Be-
  22. weismittel besteht nicht. Die Anordnung der Durchsuchung (§ 102
  23. StPO) durch den Bereitschaftsstaatsanwalt W.
  24. der Staatsanwalt-
  25. schaft Kempten am 25. Dezember 2005 wegen Gefahr im Verzug
  26. (§ 105 Abs. 1 StPO) war rechtens.
  27. Bei einer Verkehrskontrolle gegen 11.50 Uhr fiel der Angeklagte wegen fehlender Pupillenreaktion auf. Der auf freiwilliger Basis durchgeführte Mahsantest ergab Hinweise auf Tetrahydrocannabinol (Cannabis), Benzoylecgonin (Kokain) und Amphetamin. Damit bestand zunächst der Verdacht einer Straftat gemäß § 316 StGB, jedenfalls einer
  28. Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG und hieraus auch der
  29. Verdacht eines Betäubungsmitteldelikts.
  30. -3-
  31. Die Zuständigkeit der für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwaltschaft folgt nach § 143 Abs. 1 GVG dem Gerichtsstand (Gericht der
  32. 1. Instanz) gemäß §§ 7 ff. StPO. Zuständigkeitsbegründend sind also
  33. alternativ insbesondere der Tatort, der Wohnsitz oder Aufenthaltsort
  34. und der Ergreifungsort. Allerdings soll nach den Richtlinien für das
  35. Straf- und Bußgeldverfahren grundsätzlich die für den Tatort zuständige Staatsanwaltschaft tätig werden (RiStBV Nr. 2 Abs. 1). Der (bis dahin einzige) Tatort war zunächst Kempten. Dementsprechend wandte
  36. sich die ermittelnde Polizeibeamtin, POMin L.
  37. , an den Be-
  38. reitschaftsstaatsanwalt in Kempten. Dieser trug ihr auf, mit dem gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO (Richter des Durchsuchungs-orts) zuständigen Augsburger Ermittlungsrichter und, falls dieser nicht erreichbar sei, mit dem - im Hinblick auf den Tatort eines möglichen Betäubungsmitteldelikts und den Wohnsitz zuständigen - Augsburger Bereitschaftsstaatsanwalt Rücksprache zu halten, ob eine Durchsuchung
  39. der Wohnung angeordnet wird. Der Richter war unerreichbar; der
  40. Augsburger Staatsanwalt ordnete keine Wohnungsdurchsuchung an.
  41. Die Polizeibeamtin unterrichtete darüber - selbstverständlich - ihren
  42. Auftraggeber, den zuerst mit der Sache befassten (§ 12 Abs. 1 StPO)
  43. Bereitschaftsstaatsanwalt in Kempten, der die Durchsuchung wegen
  44. Gefahr im Verzug in eigener Zuständigkeit (§§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 1
  45. StPO) anordnete, die dann um 14.00 Uhr durchgeführt wurde.
  46. Für die richterliche Anordnung war der Ermittlungsrichter in Augsburg
  47. ausschließlich zuständig (§ 162 Abs. 1 Satz 1 StPO), da die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO (Zuständigkeit des Ermittlungsrichters am Sitz der Staatsanwaltschaft bei Untersuchungshandlungen in mehreren Amtsgerichtsbezirken) nicht vorlagen. Ein Antrag
  48. -4-
  49. beim Ermittlungsrichter in Kempten kam daher entgegen der Meinung
  50. des Beschwerdeführers nicht in Betracht. Es ist zwar nicht akzeptabel,
  51. dass in einer Stadt der Größe Augsburgs um die Mittagszeit des
  52. 1. Weihnachtsfeiertags kein Bereitschaftsrichter erreichbar ist (vgl.
  53. BVerfG StV 2006, 676; StraFo 2006, 368). Eine gezielte Umgehung
  54. des Richtervorbehalts - oder eine willkürliche Auswahl eines bestimmten Staatsanwalts, was freilich zu einer anderen Bewertung hätte führen können - seitens der Ermittlungsbehörden, eine willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug sind jedoch nicht ersichtlich (vgl. BVerfG
  55. NJW 2006, 2684, 2686 Rdn. 26 f.; BGH NStZ 2004, 449). Dass die erforderlichen Dokumentationen über die Annordnung der Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug nicht vorgenommen wurden, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Fehlende Dokumentation hätte allerdings auch nicht zu einem Verwertungsverbot geführt (vgl. BGH NStZ
  56. 2005, 392).
  57. Tatverdacht lag vor. Bei dem, der als aktuell unter Betäubungsmitteleinfluss stehend erkannt wird, ist es nahe liegend, dass er verbotene Drogen zumindest auch in Besitz hat. Gerade für die Wohnung besteht ein hohes Maß an Auffindungswahrscheinlichkeit. Eile war geboten, um die Beseitigung von Beweismitteln rechtzeitig zu unterbinden.
  58. -5-
  59. Zur Relevanz des von der Revision behaupteten Verwertungsverbotes
  60. ist abschließend zu bemerken, dass der Angeklagte ausweislich der
  61. Urteilsgründe die Aufbewahrung der Betäubungsmittel (nach eigener
  62. Einlassung teilweise zur gewinnbringenden Weiterveräußerung) und
  63. Waffen in seiner Wohnung in der Hauptverhandlung ausdrücklich eingeräumt hat. Ein Verwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung gefundenen Beweismittel hätte auf die Verwertungsmöglichkeit
  64. dieses Geständnisses keine Auswirkung.
  65. Nack
  66. Wahl
  67. Kolz
  68. Frau Richterin am BGH Elf
  69. befindet sich in Urlaub und ist
  70. deshalb an der Unterschrift
  71. gehindert.
  72. Hebenstreit
  73. Nack