laywerrobot/BGH/xii_zb___6-16.pdf.txt

162 lines
6.2 KiB
Text
Raw Normal View History

2020-08-27 21:55:39 +02:00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 6/16
vom
27. September 2017
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1835 a Abs. 1, 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789; FamFG § 168
Der Anspruch eines unentgeltlich tätigen Pflegers auf eine Aufwandsentschädigung
entsteht erst mit seiner förmlichen Bestellung. Für eine rückwirkende Festsetzung
eines entsprechenden Anspruchs aus anderen Rechtsgründen ist im Verfahren nach
§ 168 FamFG kein Raum (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 30. August 2017
- XII ZB 562/16 -
zur
Veröffentlichung
bestimmt
und
vom
2. März
2016
- XII ZB 196/13 - FamRZ 2016, 1072).
BGH, Beschluss vom 27. September 2017 - XII ZB 6/16 - Kammergericht Berlin
AG Pankow/Weißensee
ECLI:DE:BGH:2017:270917BXIIZB6.16.0
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2017 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling
und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats
- Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom
3. November 2015 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1
zurückgewiesen.
Wert: 3.876 €
Gründe:
I.
1
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 3. November 2003 wurde der Kindesmutter die Personensorge für die 1994 und 1995 geborenen betroffenen
Kinder entzogen und auf die Großmutter mütterlicherseits als Pflegerin übertragen. Die förmliche Verpflichtung der Pflegerin (Beteiligte zu 1) erfolgte dagegen
erst am 23. Februar 2011.
2
Mit Anträgen vom 22. Februar 2011 und 2. März 2011 hat die Pflegerin
die Festsetzung einer pauschalen Aufwandsentschädigung (jährlich 323 € pro
Kind) für die Zeit ab November 2003 beantragt.
3
Das Amtsgericht hat ihren Antrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat der Pflegerin für die Zeit vom 23. Februar 2010 bis zum 22. Februar
2011 eine Aufwandsentschädigung von 323 € pro Kind zugesprochen und ihre
-3-
weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Pflegerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihr Begehren für
den Zeitraum von November 2003 bis November 2009 weiterverfolgt.
II.
4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, unter Berücksichtigung von Treu und Glauben wäre der Pflegerin eine
Aufwandsentschädigung trotz ihrer erst im Februar 2011 erfolgten förmlichen
Verpflichtung zwar grundsätzlich bereits ab Übertragung der Personensorge im
November 2003 zu gewähren gewesen. Denn sie sei auf das Erfordernis einer
förmlichen Verpflichtung nicht hingewiesen worden und ihren Aufgaben mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von Anfang an in vollem Umfang nachgekommen.
6
Die Ansprüche seien aber für den Zeitraum bis einschließlich November
2009 erloschen, weil die Pflegerin es versäumt habe, diese jeweils binnen drei
Monaten nach Ablauf des betreffenden Jahres geltend zu machen. Lediglich für
den Zeitraum vom 23. Februar 2010 bis zum 22. Februar 2011 sei ihr Antrag
am 4. März 2011 rechtzeitig eingegangen. Die Anwendung der Ausschlussfrist
sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, da eine Aufklärungsverpflichtung seitens
des Amtsgerichts bezüglich der Geltendmachung einer Aufwandsentschädigung nicht bestanden habe.
-4-
7
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
8
a) Gemäß §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 a Abs. 1 BGB kann der unentgeltlich tätige Pfleger zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz
eine jährliche Aufwandsentschädigung in Höhe des Neunzehnfachen desjenigen verlangen, was für einen Zeugen als Entschädigungshöchstbetrag für eine
Stunde versäumter Arbeitszeit nach § 22 JVEG (bis 31. Juli 2013: 17 €) vorgesehen ist. Die Aufwandsentschädigung ist jährlich zu zahlen, erstmals ein Jahr
nach Bestellung des Pflegers (§§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 a Abs. 2 BGB).
9
Die Bestellung des Pflegers erfolgt noch nicht durch die Anordnung der
Pflegschaft in dem das Sorgerecht teilweise entziehenden Beschluss, sondern
nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1789 BGB erst durch die förmliche Verpflichtung
zu treuer und gewissenhafter Führung der Pflegschaft, welche mittels Handschlags an Eides statt erfolgen soll. Im vorliegenden Fall erfolgte die maßgebliche Bestellung zur Pflegerin daher nicht bereits durch die Übertragung der Personensorge mit Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 3. November 2003, sondern erst im Wege der förmlichen Verpflichtung durch die
Rechtspflegerin des Familiengerichts am 23. Februar 2011.
10
Dementsprechend sind die im Rechtsbeschwerdeverfahren noch geltend
gemachten Ansprüche bereits nicht entstanden. Für eine ausnahmsweise rückwirkende Festsetzung auch für die Zeit vor der förmlichen Bestellung fehlt es an
einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. August 2017
- XII ZB 562/16 - zur Veröffentlichung bestimmt zum Umgangspfleger und vom
2. März 2016 - XII ZB 196/13 - FamRZ 2016, 1072 Rn. 10 mwN zur Betreuervergütung; anders noch OLG Schleswig Beschluss vom 12. Dezember 2013
- 15 WF 301/13 - juris Rn. 11 mwN; OLG Hamm FamRZ 2014, 672; OLG
Saarbrücken FamRZ 2012, 888, 889). Auf die von der Rechtsbeschwerde
-5-
- entsprechend dem angefochtenen Beschluss - aufgeworfene Frage, ob der
Pflegerin die Ausschlussfrist nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1835 a Abs. 4 BGB
entgegengehalten werden kann, kommt es daher nicht an.
11
b) Ob das Amtsgericht pflichtwidrig untätig geblieben ist, weil es die förmliche Bestellung der - ehrenamtlich tätigen - Pflegerin nicht veranlasst hat und
ob dieser aufgrund einer anderen Anspruchsgrundlage eine Aufwandsentschädigung oder entsprechender Schadensersatz zusteht, kann im vorliegenden
Verfahren offenbleiben. Denn im Festsetzungsverfahren nach § 168 FamFG
können nur solche Ansprüche geltend gemacht werden, die auf den dort genannten Anspruchsgrundlagen beruhen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. August
2017 - XII ZB 562/16 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 2. März 2016
- XII ZB 196/13 - FamRZ 2016, 1072 Rn. 10 zur Betreuervergütung).
Dose
Klinkhammer
Guhling
Schilling
Krüger
Vorinstanzen:
AG Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 27.06.2011 - 13 F 1021/11 Kammergericht Berlin, Entscheidung vom 03.11.2015 - 18 UF 201/11 -