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2020-08-27 21:55:39 +02:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 259/17
vom
26. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2017:261017U4STR259.17.0
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Oktober
2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Bender,
Dr. Quentin,
Dr. Feilcke,
Dr. Paul
als beisitzende Richter,
Richterin am Amtsgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Dortmund vom 27. Oktober 2016 im
Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte
Urteil im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom
24. Februar 2016 und Einbeziehung der dort verhängten Einzelfreiheitsstrafen
zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und
den Verfall von Wertersatz in Höhe von 30.000 Euro angeordnet. Hiergegen
richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der
-4-
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die
vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Mit ihrem ausdrücklich auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittel beanstandet die Beschwerdeführerin die Strafzumessung, insbesondere die Bemessung der Einzelstrafen
und die Einbeziehung der für die Tat II. Anklagepunkt 13 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe in die nach § 55 StGB gebildete Gesamtfreiheitsstrafe. Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision, die mit der Sachrüge
begründet ist, gegen seine Verurteilung.
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet; das Rechtsmittel des
Angeklagten führt lediglich zu einer Aufhebung der Verfallsentscheidung.
I.
3
Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte im Juli oder August
2014 an einem nicht mehr näher feststellbaren Tag nach dem 7. Juli 2014 zum
gewinnbringenden Weiterverkauf 150 Gramm Kokainzubereitung mit einem
Wirkstoffgehalt von 90 % Kokainhydrochlorid, die er anschließend zu einem
Grammpreis von 60 Euro im Straßenverkauf absetzte. In den folgenden vier
Wochen bezog er von demselben Lieferanten in weiteren zehn Fällen Kokainzubereitungen zum Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung. In sechs
Fällen erwarb er jeweils 50 Gramm, in drei Fällen jeweils 100 Gramm und in
einem Fall 150 Gramm Kokainzubereitung. Die erworbenen Mengen, die zu
denselben Konditionen im Straßenverkauf abgesetzt wurden, hatten jeweils
eine Wirkstoffkonzentration von 90 % Kokainhydrochlorid (Taten II. Anklagepunkte 1 bis 11 der Urteilsgründe).
-5-
4
Anfang des Jahres 2016 vor dem 24. Februar 2016 bezog der Angeklagte von einem unbekannt gebliebenen Verkäufer 580 Gramm Kokainzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 97,6 % Kokainhydrochlorid zum Zwecke
des gewinnbringenden Weiterverkaufs. Er bunkerte die Menge in einem Versteck im Keller des von ihm bewohnten Hauses und verkaufte hieraus bis zum
24. Februar 2016 ca. 100 Gramm im Straßenverkauf zu einem Verkaufspreis
von 60 Euro je Gramm. Am 24. Februar 2016 verurteilte das Amtsgericht Dortmund den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren (Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten) und
setzte die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus. Aufgrund des Eindrucks
der Hauptverhandlung und des Drängens seiner Lebensgefährtin fasste der
Angeklagte anlässlich der Hauptverhandlung den Entschluss, seine Tätigkeiten
im Betäubungsmittelgeschäft endgültig einzustellen. Dies versprach er seiner
Lebensgefährtin und stellte mit dem 24. Februar 2016 jedwede auf ein Handeltreiben gerichtete Tätigkeit ein. Eine Restmenge von 477,96 Gramm Kokainzubereitung verblieb in dem Kellerversteck, wo es am 6. April 2016 bei einer
Durchsuchung aufgefunden und sichergestellt wurde. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung wurde die Wohnung im zweiten Obergeschoss des Anwesens nach
wie vor vom Angeklagten genutzt (Fall II. Anklagepunkt 13 der Urteilsgründe).
5
Das Landgericht hat sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der
konkreten Bemessung der Einzelstrafen strafmildernd berücksichtigt, dass der
Angeklagte infolge der Verurteilung mit ausländerrechtlichen Konsequenzen zu
rechnen hat. Es hat jeweils aus dem Normalstrafrahmen des § 29a Abs. 1
BtMG für die ersten elf Fälle Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und
drei Monaten sowie einem Jahr und neun Monaten verhängt und im Fall II. Anklagepunkt 13 der Urteilsgründe auf die Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren
-6-
und drei Monaten erkannt. Die Einbeziehung der Einzelfreiheitsstrafe für die
Tat II. Anklagepunkt 13 der Urteilsgründe in die nach § 55 StGB unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom
24. Februar 2016 und Auflösung der dortigen Gesamtstrafe gebildete Gesamtfreiheitsstrafe hat die Strafkammer damit begründet, dass an den über die endgültige Aufgabe des Absatzwillens hinaus fortdauernden Besitz des Angeklagten an der Restmenge der Kokainzubereitung „keine weitergehenden strafrechtlichen Konsequenzen geknüpft werden können“.
II.
6
Revision der Staatsanwaltschaft
7
Das Rechtsmittel, das ausweislich der Ausführungen in der Begründungsschrift der Staatsanwaltschaft über die ausdrückliche Beschränkungserklärung hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 3 StR 122/09 Rn. 3 ff.)
wirksam auf den Strafausspruch des angefochtenen Urteils beschränkt ist, hat
vollen Erfolg.
8
Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist
seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der
Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen
hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen,
sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die Strafzumessungsentscheidung des Tatrichters kann das Revisionsgericht nur eingreifen,
-7-
wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich
fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann
eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen
(st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 GSSt 1/86, BGHSt 34,
345, 349).
10
b) Von diesem revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab ausgehend kann
der Strafausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben, weil die
Strafkammer sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung
im engeren Sinne mögliche ausländerrechtliche Konsequenzen der Verurteilung
strafmildernd berücksichtigt hat, ohne hierfür eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Begründung zu geben.
11
Ausländerrechtliche Folgen einer Verurteilung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine bestimmenden Strafmilderungsgründe. Dies war bereits zur früheren ausländerrechtlichen Rechtslage
auch für die damals vorgesehene zwingende Ausweisung anerkannt und gilt
nunmehr vor dem Hintergrund der seit 17. März 2016 geltenden Regelung des
§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG, nach der bei einer Ausweisungsentscheidung generell eine Abwägung zwischen Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und
Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) vorzunehmen ist, umso mehr. Eine andere
strafzumessungsrechtliche Bewertung ist nur gerechtfertigt, wenn im Einzelfall
zusätzliche Umstände hinzutreten, welche die Beendigung des Aufenthalts im
Inland als besondere Härte erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom
5. Dezember 2001 2 StR 273/01, NStZ 2002, 196; Beschlüsse vom 12. Januar 2016 5 StR 502/15; vom 13. Oktober 2011 1 StR 407/11, NStZ 2012,
-8-
147; vom 31. August 2007 2 StR 304/07, StV 2008, 298; vom 27. November 1998 3 StR 436/98, NStZ 1999, 240; vom 11. September 1996 3 StR
351/96, NStZ 1997, 77; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46
Rn. 55 mwN). Solche einzelfallbezogenen Umstände hat das Landgericht weder dargetan, noch sind sie angesichts des Umstands, dass gegen den Angeklagten bereits seit dem 23. Mai 2013 eine Ausweisungsverfügung vorliegt und
die dagegen eingereichte Klage am 20. Februar 2015 abgewiesen worden ist,
sonst ersichtlich.
12
Die Bemessung der gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen
und der Gesamtstrafe bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung
und Entscheidung.
13
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die für die Tat II. Anklagepunkt 13 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren
und drei Monaten in die unter Berücksichtigung des Urteils des Amtsgerichts
Dortmund vom 24. Februar 2016 gebildete Gesamtstrafe einbezogen hat, halten ebenfalls einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
14
a) Die Einbeziehung einer Strafe in eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe setzt nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB voraus, dass die Tat, für welche
die Strafe verhängt worden ist, vor der früheren Verurteilung begangen wurde.
Für die Frage, ob dies der Fall ist, kommt es auf die Beendigung der materiellrechtlichen Tat an. Denn erst zu diesem Zeitpunkt kann die Tat abschließend
beurteilt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. August 2015 1 StR
305/15, NStZ-RR 2015, 305; vom 16. September 2014 3 StR 423/14 Rn. 4;
vom 1. Juli 2009 2 StR 116/09, StraFo 2010, 37; vom 4. April 2000 5 StR
105/00; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 9 mwN).
-9-
15
b) Die im Fall II. Anklagepunkt 13 der Urteilsgründe abgeurteilte Tat im
materiell-rechtlichen Sinne umfasst auch den vom Landgericht angenommenen
Besitz des Angeklagten an der nach Aufgabe des Absatzwillens im Kellerversteck verbliebenen Restmenge der Kokainzubereitung, der was die Strafkammer ebenfalls erkannt hat im Zeitpunkt der Verurteilung am 24. Februar
2016 nicht beendet war.
16
Der als Dauerdelikt ausgestaltete Tatbestand des unerlaubten Besitzes
von Betäubungsmitteln in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG erfasst das von einem
Besitzwillen getragene tatsächliche Herrschaftsverhältnis über eine Betäubungsmittelmenge bis zu deren Aufhebung. Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die
Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2015 4 StR
430/15, NStZ-RR 2016, 82 mwN; vom 17. Mai 1996 3 StR 631/95, BGHSt 42,
162, 165 f.). Dies gilt indes nur, soweit der einheitliche Besitz von Betäubungsmitteln in dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln aufgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 1988 1 StR 466/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3
Konkurrenzen 3; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1370). Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zu Handelszwecken und teils aus anderen Gründen, geht
lediglich der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf, während es für die anderen Zwecken
dienende Menge bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verbleibt. Zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und
dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge
besteht Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2015 4 StR
430/15 aaO; vom 25. Februar 2015 4 StR 516/14, NStZ-RR 2015, 174 jeweils
mwN; Kotz in MüKoStGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1209). Nicht anders zu be-
- 10 -
werten ist der Fall, in dem der Täter wie hier bei unverändert fortbestehender Sachherrschaft über die Betäubungsmittelmenge den ursprünglich verfolgten Handelszweck aufgibt. Auch in diesem Fall verbleibt es für den nach der
Aufgabe des Handelszwecks nicht mehr im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln aufgehenden Besitz bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln, die angesichts der durchgehend unverändert gebliebenen
Besitzlage zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Verhältnis der Tateinheit steht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 1974 1 StR 119/74; Beschluss vom
1. Oktober 1980 2 StR 497/80; Weber aaO Rn. 1375). Allein die Veränderung
der mit den besessenen Betäubungsmitteln verfolgten Zwecksetzung, die vom
tatbestandlich erforderlichen Besitzwillen zu unterscheiden ist (vgl. Weber aaO
Rn. 1339), ist nicht geeignet, einen einheitlichen Betäubungsmittelbesitz in verschiedene materiell-rechtliche Taten aufzuspalten.
17
Dass das Landgericht den tateinheitlich zum unerlaubten Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begangenen unerlaubten Besitz
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht ausgeurteilt hat, steht
dessen Berücksichtigung bei der für die Gesamtstrafenbildung relevanten Frage
der Beendigung nicht entgegen.
18
c) Die Ansicht des Landgerichts, an den über die Verurteilung durch das
Amtsgericht Dortmund am 24. Februar 2016 hinaus andauernden tateinheitlichen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge „keine weitergehenden strafrechtlichen Konsequenzen“ knüpfen zu können, widerspricht der
gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 StGB, die an die Beendigung der materiell-rechtlichen Tat anknüpft, und entbehrt damit jeglicher rechtlicher Grundlage. Die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen zum Strafklageverbrauch, wonach ein Täter nach rechtskräftiger Verur-
- 11 -
teilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einen unentdeckt gebliebenen Rest der zur abgeurteilten Bewertungseinheit gehörenden Betäubungsmittelmenge verkaufen könne, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten
zu müssen, sind zudem rechtsirrig. Denn das Landgericht verkennt die einer
rechtskräftigen Verurteilung zukommende Zäsurwirkung, welche eine Aufspaltung eines einheitlichen Geschehens in verschiedene Taten zur Folge hat (vgl.
BGH, Urteil vom 18. Juli 1956 6 StR 28/56, BGHSt 9, 324, 326; OLG Karlsruhe, StV 1998, 22, 29 f.; OLG Hamm, NStZ 2011, 102).
III.
19
Revision des Angeklagten
20
1. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuld- und Strafausspruch
ohne Erfolg. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund
der Revisionsrechtfertigung aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
21
Durch die fehlerhafte Gesamtstrafenbildung ist der Angeklagte nicht beschwert. Der Senat schließt aus, dass neben der nicht in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten für die
Tat II. Anklagepunkt 13 der Urteilsgründe aus den elf Einzelfreiheitsstrafen für
die übrigen Taten zwischen einem Jahr und drei Monaten sowie einem Jahr
und neun Monaten und den zwei einzubeziehenden Einzelfreiheitsstrafen aus
dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 24. Februar 2016 von jeweils
einem Jahr und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe in noch bewährungsfähiger Höhe gebildet worden wäre.
- 12 -
22
2. Demgegenüber hält die Verfallsentscheidung einer rechtlichen Prüfung
nicht stand, weil die Strafkammer im Rahmen der Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB aF die gebotene vorrangige Prüfung des § 73c Abs. 1
Satz 2 StGB aF nicht vorgenommen hat.
23
a) Da das Landgericht in dem angefochtenen Urteil eine Entscheidung
über den Verfall von Wertersatz getroffen hat, findet § 73c StGB aF unbeschadet des Inkrafttretens des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 872) am 1. Juli 2017 weiterhin
Anwendung (Art. 316h Satz 2 EGStGB).
24
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus
dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend
zum Ausschluss der Verfallserklärung führenden Regelung in § 73c Abs. 1
Satz 1 StGB aF einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2
StGB aF andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anwendung des Verfalls oder des
Wertersatzverfalls abgesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. März
2015 4 StR 463/14, wistra 2015, 270; Beschlüsse vom 15. November 2016
3 StR 385/16, StraFo 2017, 74 f.; vom 16. Juli 2015 4 StR 265/15, NStZ-RR
2015, 307). Eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF
scheidet nur aus, soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig
nicht hinter dem anzuordnenden Verfallsbetrag zurückbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2016 3 StR 385/16 aaO mwN).
25
c) Das Landgericht, das lediglich das Vorliegen einer unbilligen Härte im
Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB aF unter Hinweis auf großzügige Abschläge bei der Schätzung des Erlangten nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF verneint
- 13 -
hat, hat ein (teilweises) Absehen von der Verfallsanordnung gemäß § 73c
Abs. 1 Satz 2 StGB aF nicht geprüft, obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nach den getroffenen Feststellungen zur Person des
Angeklagten jedenfalls nicht fernliegen. So ging der Angeklagte in der Vergangenheit bis zur Hauptverhandlung keiner Beschäftigung nach und bezog auch
keine staatlichen Leistungen. Legale Einkommensquellen sind nicht bekannt
geworden. Dass der Angeklagte über den bei der Durchsuchung sichergestellten Geldbetrag in Höhe von insgesamt 8.907,50 Euro hinaus, auf dessen Rückgabe er in der Hauptverhandlung verzichtet und den die Strafkammer bei der
Verfallsanordnung in Abzug gebracht hat, über weiteres Vermögen verfügt, hat
die Strafkammer nicht festgestellt.
Sost-Scheible
Bender
Feilcke
Quentin
Paul