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2020-08-27 21:55:39 +02:00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 401/17
vom
5. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:051017B3STR401.17.0
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 5. Oktober 2017 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 31. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung von früher gegen die Angeklagten verhängten Strafen zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und vier Monaten
(H.
) sowie drei Jahren und acht Monaten (R.
) verurteilt. Die dagegen
gerichteten, auf Verfahrensbeanstandungen sowie die Rüge der Verletzung
materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben mit der
Sachbeschwerde Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung nicht
stand, weil die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist.
3
a) Die Angeklagten haben zu dem Anklagevorwurf, am 9. Januar 2016
zusammen mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten K.
fall auf einen Kiosk in B.
an einem Über-
beteiligt gewesen zu sein, bei dem K.
die in
-3-
dem Kiosk beschäftigte Verkäuferin dem gemeinsamen Tatplan entsprechend
mit einem Schreckschussrevolver bedrohte und dadurch zur Herausgabe von
Bargeld in Höhe von 260 Euro veranlasste, keine Angaben gemacht. Das
Landgericht hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung der Angeklagten im
Wesentlichen auf die entsprechenden Angaben von K.
genaussage des Vaters des Angeklagten R.
in einer Therapieeinrichtung in
E.
gestützt. Der Zeu-
, wonach dieser ihn zur Tatzeit
besuchte, hat die Strafkammer nicht
geglaubt. Sie hat dies insbesondere mit folgenden Erwägungen begründet:
4
Der Vater des Angeklagten R.
habe "nicht annähernd plausibel er-
klären" können, "warum er erst jetzt entsprechende Angaben gemacht habe",
obwohl er, wie er selbst eingeräumt habe, bereits kurze Zeit nach der Tat erfahren haben wolle, dass sein Sohn an der Tat beteiligt gewesen sein könnte. Dies
sei umso weniger verständlich, als er eingeräumt habe, zunächst selbst geglaubt zu haben, dass sein Sohn an dem Überfall beteiligt gewesen sei. Er habe seinen Sohn dann aber - mindestens etliche Monate vor der Hauptverhandlung - darauf angesprochen, dass dieser ihn am Tattage doch besucht habe.
Die Frage, warum er seinen Sohn dann "nicht bereits vorher durch Mitteilung
des mutmaßlichen Alibis bei der Polizei" entlastet habe, habe der Zeuge "nicht
plausibel erklären" können.
5
b) Diese Würdigung der Aussage des Vaters des Angeklagten R.
verstößt gegen den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hervorgehobenen Grundsatz, dass die Unglaubwürdigkeit eines zur Verweigerung
des Zeugnisses berechtigten Zeugen aus Rechtsgründen nicht daraus hergeleitet werden darf, dieser habe im Ermittlungsverfahren geschwiegen und erst in
der Hauptverhandlung seine entlastenden Angaben gemacht; denn selbst die
Verweigerung des Zeugnisses hätte nicht zum Nachteil des Angeklagten
-4-
R.
gewertet werden dürfen. Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisver-
weigerungsberechtigter von sich aus (zunächst) nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht
mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er befürchten müsste, dass daraus
später nachteilige Schlüsse zu Lasten des Angeklagten gezogen würden (BGH,
Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 46/87, BGHR StPO § 52 Abs. 1 Verweigerung
1; Beschlüsse vom 13. August 2009 - 3 StR 168/09, NStZ 2010, 101, 102; vom
8. Dezember 2015 - 3 StR 298/15, NStZ 2016, 301).
6
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht der Schuldspruch in Bezug auf beide
Angeklagten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung auch im Hinblick auf den Angeklagten H.
zu ei-
nem anderen Beweisergebnis gelangt wäre.
7
2. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
8
Das Landgericht hat die gegen den Angeklagten R.
verhängte Ge-
samtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung einer durch Urteil vom 13. Juli 2016 wegen einer am 30. September 2014 begangenen Tat verhängten und noch nicht
erledigten Freiheitsstrafe gebildet. Das stößt im Hinblick auf § 55 Abs. 1 Satz 1
-5-
StGB insoweit auf rechtliche Bedenken, als R.
zwischenzeitlich am
3. Februar 2015 sowohl vom Amtsgericht Brake als auch vom Amtsgericht
Nordenham zu Geldstrafen verurteilt wurde und sich den Urteilsgründen der
diesbezügliche Vollstreckungsstand nicht entnehmen lässt.
Schäfer
Gericke
Tiemann
Spaniol
Hoch