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173 lines
7.1 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZR 8/13
  4. vom
  5. 13. März 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO §§ 233 B, D, 544; EGZPO § 26 Nr. 8
  14. a) Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Revisionsgericht über die
  15. Höhe der Beschwer selbst zu befinden. An eine - möglicherweise verfehlte Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht ist der Bundesgerichtshof nicht
  16. gebunden
  17. (im
  18. Anschluss
  19. an
  20. Senatsbeschluss
  21. vom
  22. 13. Oktober
  23. 2004
  24. - XII ZR 110/02 - NJW-RR 2005, 224).
  25. b) Erhöht das Berufungsgericht den Streitwert nach Erlass seines Urteils auf einen
  26. Betrag oberhalb der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO (derzeit 20.000 €), rechtfertigt dies keine Wiedereinsetzung.
  27. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - XII ZR 8/13 - OLG Hamm
  28. LG Hagen
  29. -2-
  30. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2013 durch den
  31. Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger und Dr. Botur
  32. beschlossen:
  33. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen
  34. Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des
  35. 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. Mai 2012
  36. wird zurückgewiesen.
  37. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil wird auf ihre Kosten verworfen.
  38. Beschwerdewert: 35.000 €
  39. Gründe:
  40. I.
  41. 1
  42. Die Klägerin verlangt als Mitvermieterin sowie Miteigentümerin einer Gewerbefläche nach Beendigung des Mietvertrages von dem Beklagten den Abriss von Bauten.
  43. 2
  44. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert entsprechend den Angaben in der Klageschrift auf 35.000 € festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung zurückgewiesen und mit Beschluss vom selben Tag den Streitwert auf 15.000 € festgesetzt. Das Urteil ist der Klägerin am 13. Juni 2012 zugestellt worden. Auf eine
  45. -3-
  46. entsprechende Eingabe der Klägerin hat das Oberlandesgericht mit Beschluss
  47. vom 28. Dezember 2012 den Streitwert auf 35.000 € heraufgesetzt. Dieser Beschluss ist der Klägerin am 9. Januar 2013 zugestellt worden. Mit ihrer beim
  48. Bundesgerichtshof am 21. Januar 2013 eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich die Klägerin gegen die unterbliebene Zulassung der Revision in dem genannten Urteil. Zugleich beantragt sie Wiedereinsetzung in die
  49. Einlegungs- und Begründungsfrist.
  50. II.
  51. 3
  52. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig und deshalb
  53. zu verwerfen.
  54. 4
  55. 1. Die Klägerin hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht fristgerecht
  56. beim Bundesgerichtshof eingereicht.
  57. 5
  58. a) Gemäß § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist die Beschwerde innerhalb einer
  59. Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Danach kommt es
  60. für den Fristbeginn grundsätzlich auf die Zustellung des Urteils und nicht etwa
  61. - wie die Klägerin meint - auf die Zustellung des den Streitwert korrigierenden
  62. Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 28. Dezember 2012 an. Die Beschwer ergibt sich für die Klägerin bereits daraus, dass das Oberlandesgericht
  63. ihre Berufung zurückgewiesen und damit die Klageabweisung bestätigt hat.
  64. 6
  65. Das angefochtene Urteil ist der Klägerin am 13. Juni 2012 zugestellt
  66. worden, mithin war die Notfrist von einem Monat bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 21. Januar 2013 deutlich überschritten.
  67. -4-
  68. 7
  69. b) Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Berichtigung des
  70. Streitwertbeschlusses für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde
  71. auch nicht erforderlich. Abgesehen davon, dass sich aus der Festsetzung des
  72. Streitwertes nicht immer auf die entstandene Beschwer schließen lässt (vgl.
  73. §§ 39 ff. GKG einerseits und §§ 2 ff. ZPO andererseits), ist das Oberlandesgericht zur Festsetzung der Beschwer auch nicht befugt.
  74. 8
  75. Während nach dem bis Ende 2001 geltenden Zivilprozessrecht das
  76. Oberlandesgericht gemäß § 546 Abs. 2 ZPO aF in Rechtsstreitigkeiten über
  77. vermögensrechtliche Ansprüche den Wert der Beschwer in seinem Urteil festzusetzen hatte und das Revisionsgericht hieran gebunden war, wenn der festgesetzte Wert der Beschwer die Revisionssumme überstieg, sieht das geltende
  78. Zivilprozessrecht die Festsetzung der Beschwer durch das Berufungsgericht
  79. nicht mehr vor. An eine - möglicherweise verfehlte - Festsetzung der Beschwer
  80. durch das Berufungsgericht ist das Gericht der Nichtzulassungsbeschwerde
  81. deshalb auch nicht gebunden. Vielmehr hat das Revisionsgericht über die Höhe
  82. der Beschwer selbst zu befinden (Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2004
  83. - XII ZR 110/02 - NJW-RR 2005, 224; siehe auch BGH Beschluss vom 6. Dezember 2010 - II ZR 99/09 - juris Rn. 3).
  84. 9
  85. 2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO
  86. scheidet aus, weil die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die
  87. Nichtzulassungsbeschwerde rechtzeitig einzulegen. Dabei ist der Klägerin das
  88. Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
  89. 10
  90. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin musste die Rechtslage kennen
  91. und deshalb innerhalb der Notfrist von einem Monat ab Zustellung des Urteils
  92. -5-
  93. unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach vorliegende Beschwer von über
  94. 20.000 € Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
  95. 11
  96. Mit dem Einwand, die Klägerin habe erst durch das ihr vom Gericht am
  97. 3. September 2012 übersandte Gutachten von der tatsächlichen Beschwer
  98. Kenntnis erhalten, kann sie nicht gehört werden. Selbst wenn es darauf angekommen wäre, hätte die Klägerin in diesem Fall innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO von zwei Wochen Wiedereinsetzung in
  99. den vorigen Stand beantragen müssen. Im Übrigen hatte die Klägerin auch
  100. deshalb Veranlassung, von dem Erreichen der notwendigen Beschwer gemäß
  101. § 26 Nr. 8 EGZPO (über 20.000 €) auszugehen, weil sie selbst in ihrer Klageschrift einen Wert von 35.000 € angenommen und das Landgericht im erstinstanzlichen Verfahren einen solchen auch festgesetzt hatte.
  102. 12
  103. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2012 (I ZR 160/11 - GRUR-RR 2012, 496 Rn. 4), wonach
  104. Einwände gegen die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts im Verfahren
  105. der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht erhoben werden können,
  106. sofern die Wertfestsetzung durch den Beschwerdeführer in der Instanz nicht
  107. beanstandet worden ist. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren hatten die Instanzgerichte den Streitwert entsprechend den Angaben
  108. des dortigen Klägers in der Klageschrift und in der Berufungsschrift auf
  109. 10.000 € festgesetzt, ohne dass er dies im instanzgerichtlichen Verfahren beanstandet hätte. Damit ist der vorliegende Fall indessen nicht zu vergleichen,
  110. -6-
  111. weil die Klägerin hier - wie ausgeführt - ebenso wie das Landgericht von einem
  112. höheren Wert ausgegangen war und erst das Berufungsgericht bei Abschluss
  113. des Berufungsverfahrens einen niedrigeren Wert festgesetzt hat.
  114. Dose
  115. Schilling
  116. Nedden-Boeger
  117. Günter
  118. Botur
  119. Vorinstanzen:
  120. LG Hagen, Entscheidung vom 23.08.2011 - 4 O 90/11 OLG Hamm, Entscheidung vom 30.05.2012 - I-30 U 157/11 -