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26 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 17/09
  5. Verkündet am:
  6. 8. Juni 2011
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Familiensache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 1578 b; EGZPO § 36
  19. a) Die Anwendung des § 36 Nr. 1 EGZPO und des darin enthaltenen Zumutbarkeitskriteriums ist auf die Fälle beschränkt, in denen sich der Abänderungsgrund
  20. aus dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 ergibt (im
  21. Anschluss an Senatsurteile BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111; BGHZ 186, 1
  22. = FamRZ 2010, 1238 und vom 27. Januar 2010 - XII ZR 100/08 - FamRZ 2010,
  23. 538).
  24. b) Zur Feststellung ehebedingter Nachteile in der Altersvorsorge, wenn der Versorgungsausgleich nur einen Teil der Ehezeit erfasst (im Anschluss an Senatsurteile
  25. vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 und vom 2. März 2011
  26. - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011, 713).
  27. BGH, Urteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - OLG Nürnberg
  28. AG Nürnberg
  29. -2-
  30. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  31. vom 8. Juni 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
  32. Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
  33. für Recht erkannt:
  34. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats und
  35. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom
  36. 17. Dezember 2008 aufgehoben.
  37. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
  38. Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. Tatbestand:
  41. 1
  42. Die Parteien streiten über die Abänderung eines Urteils über nachehelichen Unterhalt. Sie heirateten im Januar 1968 im Alter von 24 (Kläger) und
  43. 19 Jahren (Beklagte). Aus der Ehe ging eine im Mai 1968 geborene Tochter
  44. hervor. Im August 1994 zog die Beklagte aus der gemeinsamen Wohnung aus.
  45. Auf den im September 1995 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe,
  46. rechtskräftig seit Oktober 1997, geschieden.
  47. 2
  48. Der Kläger heiratete 1999 erneut. Die Beklagte ist seit 1994 mit G. H. befreundet, mit dem sie ein intimes Verhältnis unterhält.
  49. -3-
  50. 3
  51. Im Hinblick auf den vom Kläger, der aus einer vermögenden Familie
  52. stammt, erwarteten Vermögenszufluss von mehreren Millionen Mark übertrug
  53. der Kläger der Beklagten im Jahr 1973 ein Einfamilienhausgrundstück in
  54. N.
  55. im Wert von mindestens 650.000 DM. Anschließend vereinbarten die
  56. Parteien Gütertrennung. Darüber hinaus erhielt die Beklagte aus der Teilungsversteigerung einer gemeinsamen Eigentumswohnung im Jahr 2000 rund
  57. 95.000 DM. Nachdem dem Kläger aus dem elterlichen Vermögen Anfang der
  58. 1980iger Jahre ein erhebliches Vermögen zugeflossen war, widmete er sich
  59. ausschließlich der Verwaltung seines Vermögens und bestritt den Unterhalt der
  60. Familie aus Vermögenseinkünften.
  61. 4
  62. Die Beklagte hatte vor der Eheschließung eine Lehre als Hotelfachfrau
  63. abgeschlossen und anschließend als Büroangestellte bei einem Versicherungsunternehmen gearbeitet. Nach der Geburt der Tochter unterbrach sie ihre
  64. Erwerbstätigkeit für dreieinhalb Jahre und arbeitete anschließend mit Unterbrechungen halbtags bei verschiedenen Arbeitgebern. Ab 1983 unterstützte sie
  65. den Kläger im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bei der Vermögensverwaltung und widmete sich im Übrigen der Haushaltsführung und Betreuung
  66. des gemeinsamen Kindes.
  67. 5
  68. Aufgrund der eingeschränkten Erwerbstätigkeit des Klägers während der
  69. Ehe wurden der Beklagten im Versorgungsausgleich lediglich Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 107,18 DM übertragen. Der nacheheliche Unterhalt wurde zuletzt durch Urteil des Berufungsgerichts vom 6. November 2000
  70. auf monatlich 1.990 DM Elementarunterhalt (Aufstockungsunterhalt) und
  71. 487 DM Vorsorgeunterhalt festgesetzt.
  72. 6
  73. Der Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des Unterhalts ab Mai 2008 und stützt sein Begehren auf die geänderte Rechtsprechung
  74. -4-
  75. des Bundesgerichtshofs zum Aufstockungsunterhalt sowie die seit 1. Januar
  76. 2008 geänderte Rechtslage. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das
  77. Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
  78. Entscheidungsgründe:
  79. 7
  80. Die Revision hat Erfolg.
  81. I.
  82. 8
  83. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte auch
  84. unter Berücksichtigung der Erziehung der gemeinsamen Tochter, der Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der
  85. Dauer der Ehe keine ehebedingten Nachteile erlitten habe und deshalb eine
  86. Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung der Billigkeit entsprechen würde.
  87. Dennoch könne dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden, da im
  88. vorliegenden Fall, in dem es um die Abänderung eines rechtskräftigen Titels
  89. gehe, zusätzlich zu prüfen sei, ob der Beklagten eine solche Änderung unter
  90. Berücksichtigung ihres Vertrauens zumutbar sei (§ 36 Nr. 1 EGZPO). Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Zumutbarkeit zu verneinen.
  91. 9
  92. Fraglich sei, ob die Umstände, auf die der Kläger sich berufe, erst durch
  93. das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 erheblich geworden seien oder, weil es sich um Aufstockungsunterhalt handele, bereits durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. April 2006
  94. (FamRZ 2006, 1006). Diese Frage sei aber dahin zu beantworten, dass § 36
  95. Nr. 1 EGZPO auch im vorliegenden Fall anzuwenden sei. Gerade in den Fällen,
  96. bei denen die Abänderung eines Titels über Aufstockungsunterhalt mit dem
  97. -5-
  98. Fehlen von ehebedingten Nachteilen begründet werde, sei, da es insoweit zu
  99. gravierenden Beschneidungen bestehender Unterhaltsansprüche kommen
  100. könne, von einem gesteigerten Schutzbedürfnis des Unterhaltsberechtigten
  101. auszugehen. Außerdem sei in der Begründung des Gesetzentwurfs beispielhaft
  102. als Umstand die Dauer der Ehe genannt. Das lasse den Schluss zu, dass auch
  103. bei Abänderung von Titeln über Aufstockungsunterhalt, obwohl insoweit die Änderung der Gewichtung des Kriteriums der Ehedauer bereits durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. April 2006 eingetreten sei, eine
  104. Zumutbarkeitsprüfung stattfinden solle.
  105. 10
  106. An der Zumutbarkeit der Abänderung fehle es auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Beklagten - wie das Berufungsgericht unterstelle - ehebedingte Nachteile nicht entstanden seien. Für den Vertrauensschutz spreche
  107. vor allem die lange Dauer der bestehenden Unterhaltsregelung. Der Kläger habe, nachdem er bereits zwei Jahre Trennungsunterhalt geleistet habe, seit
  108. 1. November 1997 bis heute an die Beklagte ununterbrochen Unterhalt gezahlt,
  109. und zwar in Höhe von insgesamt 4.070 DM ab 1. November 1997, von insgesamt 3.000 DM ab 1. Oktober 1999 und von insgesamt 2.477 DM ab 1. November 2000. Eine Abänderung sei nach Erlass des letzten Urteils bereits siebeneinhalb Jahre nicht mehr geltend gemacht worden. Bei dieser Situation habe die Beklagte sich darauf einrichten können, dass sie auch weiterhin Unterhaltszahlungen seitens des Klägers, dem diese aufgrund seiner sehr guten
  110. Vermögensverhältnisse in finanzieller Hinsicht nicht schwerfielen, erhalten werde. Auch die lange Ehedauer spreche für einen Vertrauensschutz. Die Parteien
  111. seien beinahe 28 Jahre verheiratet gewesen. Spätestens seit Anfang der
  112. 1980iger Jahre hätten sie einen gehobenen Lebensstil gepflegt. Nach nunmehr
  113. beinahe 41 Jahren sei der Beklagten nicht mehr zumutbar, eine Begrenzung
  114. des Unterhalts hinzunehmen zu einem Zeitpunkt, in dem sie beinahe 60 Jahre
  115. -6-
  116. alt sei und durch Fortbildung oder andere Maßnahmen nicht mehr in der Lage
  117. sei, für höhere eigene Einkünfte zu sorgen.
  118. 11
  119. Weiter sprächen die nur geringen im Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften gegen die Zumutbarkeit der Befristung. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nicht allein auf die Überlegung abgestellt
  120. werden könne, durch den Unterhaltswegfall entfalle der Einsatzzeitpunkt für den
  121. späteren Anspruch auf Altersunterhalt, stehe dem nicht entgegen. Denn diese
  122. Rechtsprechung beziehe sich nur auf § 1578 b BGB, nicht auf § 36 Nr. 1
  123. EGZPO. Außerdem sei hier eine Ausnahme von dieser Regel gerechtfertigt,
  124. weil die Beklagte im Einvernehmen mit dem Kläger auf eine Erwerbstätigkeit
  125. verzichtet habe und der Kläger ab 1980 nicht mehr erwerbstätig gewesen sei
  126. und somit keine Anwartschaften mehr erworben habe, die hätten übertragen
  127. werden können. Während der Kläger seinen eigenen Altersbedarf aus Vermögenseinkünften decken könne, sei bei der Beklagten nur der Wohnbedarf und
  128. ein geringer Teil der restlichen Bedarfe durch Kapitaleinkünfte gedeckt.
  129. 12
  130. Bei Beurteilung der Zumutbarkeit komme ein Rückgriff auf die Kriterien
  131. des § 1579 BGB in Betracht. Der Behauptung des Klägers, die Beklagte sei aus
  132. der Ehe ausgebrochen und eine verfestigte Lebensgemeinschaft eingegangen,
  133. komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil eine Begrenzung der Unterhaltsansprüche gemäß § 1579 BGB bereits in den Vorprozessen rechtskräftig
  134. abgelehnt worden sei und die Beklagte insoweit darauf habe vertrauen dürfen,
  135. dass diese Argumente bei der Bemessung ihres nachehelichen Unterhaltsanspruchs keine Rolle mehr spielten. Soweit nunmehr behauptet werde, dass die
  136. Lebensgemeinschaft der Beklagten mit G. H. sich inzwischen zu einer verfestigten Lebensgemeinschaft entwickelt habe, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Da die Partner getrennte Wohnsitze unterhielten, genüge es nicht, dass
  137. sie sich überwiegend im Haus eines Partners aufhielten, die Freizeit gemein-
  138. -7-
  139. sam verbrächten und sich die Anfangsbuchstaben der Vornamen beider Partner
  140. im amtlichen Kennzeichen ihrer Pkw befänden. Ein gemeinsames Haushalten,
  141. ein Füreinander-Dasein und Sich-Beistehen wie in der Ehe ergebe sich daraus
  142. nicht. Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, würde dies nicht zu einem
  143. anderen Ergebnis führen, weil dieses Vorbringen des Klägers wegen grober
  144. Nachlässigkeit gemäß § 621 d ZPO als verspätet zurückgewiesen worden wäre.
  145. 13
  146. Das Vermögen, das die Beklagte durch Zuwendungen des Klägers während der Ehe erhalten habe, sei kein hinreichender Grund für die Bejahung des
  147. Zumutbarkeitserfordernisses in § 36 Nr. 1 EGZPO, denn dieser Umstand sei bei
  148. der Bemessung des Unterhalts bereits hinreichend berücksichtigt. Die Frage,
  149. ob die Beklagte das Vermögen zur Deckung ihres Unterhalts verwerten müsse,
  150. sei nicht problematisiert worden und stelle sich auch im Hinblick auf die statistisch noch hohe Lebenserwartung der Beklagten von ca. 25 Jahren nicht.
  151. II.
  152. 14
  153. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  154. 15
  155. Die im vorliegenden Verfahren vom Kläger begehrte Abänderung richtet
  156. sich gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG noch nach dem bis zum 31. August
  157. 2009 geltenden Verfahrensrecht (Senatsbeschluss vom 3. November 2010
  158. - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 9 f. mwN) und ist mithin nach § 323
  159. ZPO aF zu beurteilen (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 323
  160. Rn. 1).
  161. 16
  162. 1. Die Abänderungsklage ist zulässig. Der Kläger hat sich mit der Änderung der Rechtsprechung des Senats zur Herabsetzung und Befristung des
  163. -8-
  164. Aufstockungsunterhalts auf eine wesentliche Änderung der dem abzuändernden Urteil vom 6. November 2000 zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnisse
  165. berufen, was für die Zulässigkeit der Klage ausreicht (vgl. Senatsurteil vom
  166. 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884 Rn. 11 f.).
  167. 17
  168. 2. Die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhalt setzt nach § 323 Abs. 1 ZPO aF voraus, dass sich die für die Bestimmung
  169. der Höhe und Dauer der Leistungen maßgebenden Verhältnisse wesentlich
  170. geändert haben. Dabei ist zu beachten, dass die Grundlagen der Ausgangsentscheidung im Abänderungsverfahren zu wahren sind und eine Fehlerkorrektur
  171. wegen der Rechtskraft des Ausgangsurteils nicht zulässig ist (Senatsurteile
  172. vom 12. Mai 2010 - XII ZR 98/08 - FamRZ 2010, 1150 Rn. 19 mwN, vom 2. Juni
  173. 2010 - XII ZR 160/08 - FamRZ 2010, 1318 Rn. 38 und vom 29. September
  174. 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884 Rn. 15).
  175. 18
  176. Die Abänderung wegen wesentlicher Änderung der rechtlichen Verhältnisse kann sowohl auf eine Gesetzesänderung als auch auf eine Änderung der
  177. gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gestützt werden, was nunmehr
  178. in § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO nF klargestellt worden
  179. ist (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010,
  180. 1884 Rn. 16 mwN). Im Fall des Aufstockungsunterhalts ist zudem anerkannt,
  181. dass eine Abänderung auf die durch das Senatsurteil vom 12. April 2006
  182. (XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006) geänderte Senatsrechtsprechung zur Bedeutung der Ehedauer im Rahmen der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts gestützt werden kann und dies unabhängig davon gilt, ob aus der Ehe
  183. - wie hier - Kinder hervorgegangen sind oder nicht (Senatsurteil vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884 Rn. 16 mwN).
  184. -9-
  185. 19
  186. Dementsprechend ist im vorliegenden Fall - neben weiteren Fragen - zu
  187. überprüfen, ob nach der geänderten Rechtsprechung eine Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB begründet ist. Diese Prüfung hat
  188. das Berufungsgericht unterlassen. Seine Auffassung, auf die Anwendung des
  189. § 1578 b BGB komme es nicht an, weil eine Abänderung jedenfalls nach § 36
  190. Nr. 1 EGZPO scheitere, weil sie der Beklagten nicht zumutbar sei, trifft nicht zu.
  191. 20
  192. 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist § 36 Nr. 1 EGZPO
  193. nicht anwendbar.
  194. 21
  195. Nach § 36 Nr. 1 EGZPO sind bei vor dem 1. Januar 2008 erlassenen
  196. rechtskräftigen Entscheidungen Umstände, die vor diesem Tag entstanden und
  197. durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007
  198. erheblich geworden sind, nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil
  199. unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar
  200. ist. Voraussetzung ist demnach, dass die für die Abänderung angeführten Umstände erst durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember
  201. 2007 erheblich geworden sind. Das ist hier nicht der Fall. Denn das abzuändernde Urteil verhält sich, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben
  202. hat, über Aufstockungsunterhalt. Dieser ließ indessen schon vor dem 1. Januar
  203. 2008 unter denselben Voraussetzungen sowohl eine Befristung (§ 1573 Abs. 5
  204. BGB aF) als auch eine Herabsetzung (§ 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) zu.
  205. 22
  206. Dementsprechend hat der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass § 36 Nr. 1 EGZPO nur auf die Abänderung solcher Unterhaltstitel und -vereinbarungen anwendbar ist, deren Grundlagen sich durch das
  207. Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 geändert haben.
  208. Bei der Abänderung eines vor dem 1. Januar 2008 erlassenen Urteils oder ei-
  209. - 10 -
  210. ner zuvor geschlossenen Vereinbarung zum Aufstockungsunterhalt ist das nicht
  211. der Fall (Senatsurteile BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111 Rn. 16, 62 f.; BGHZ
  212. 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 41 und vom 27. Januar 2010 - XII ZR 100/08 FamRZ 2010, 538 Rn. 22).
  213. 23
  214. Für eine entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 1 EGZPO besteht kein
  215. Raum. Vielmehr kann das Unterhaltsverhältnis nicht anders beurteilt werden,
  216. als wenn das Abänderungsverfahren schon vor dem 1. Januar 2008 durchgeführt worden wäre. Die Überlegung des Berufungsgerichts, dass es in Fällen
  217. fehlender ehebedingter Nachteile zu gravierenden Beschneidungen bestehender Unterhaltsansprüche kommen könne, beschreibt die Folgen der im Jahr
  218. 2006 geänderten Senatsrechtsprechung, begründet aber weder eine Gesetzeslücke noch kann sie als Leitmotiv des Gesetzgebers auch für solche Fälle gelten, die vom Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 nicht
  219. betroffen sind. Das vom Berufungsgericht angeführte Schutzbedürfnis auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ist schließlich im Rahmen der nach § 1578 b
  220. BGB anzustellenden Billigkeitsabwägung angemessen zu berücksichtigen, in
  221. die auch ein berechtigtes Vertrauen des Unterhaltsberechtigten in die - ungekürzte - Weiterzahlung des Unterhalts Eingang findet.
  222. 24
  223. Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben.
  224. III.
  225. 25
  226. Da das Berufungsgericht die gebotene Prüfung der Herabsetzung oder
  227. Befristung des Unterhalts gemäß § 1578 b BGB unterlassen hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.
  228. - 11 -
  229. 26
  230. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, schon weil
  231. die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht widerspruchsfrei sind. Für die
  232. Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB ist nach ständiger Senatsrechtsprechung zunächst zu prüfen, ob auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ehebedingte Nachteile eingetreten sind (vgl. Senatsurteil vom
  233. 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 23 mwN). Das Berufungsgericht ist hierzu in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils
  234. davon ausgegangen, dass der Beklagten keine ehebedingten Nachteile entstanden seien und deshalb eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung der
  235. Billigkeit entsprechen würde. An anderer Stelle des Berufungsurteils ist jedoch
  236. lediglich unterstellt, dass der Beklagten keine ehebedingten Nachteile entstanden seien. Schließlich hat das Berufungsgericht wiederum, wie sich aus der
  237. weiteren Begründung ergibt, wegen der geringen übertragenen Rentenanwartschaften einen ehebedingten Nachteil der Beklagten sogar ausdrücklich festgestellt. Da sich insoweit aus dem Berufungsurteil eindeutige Feststellungen nicht
  238. ergeben, fehlt es an der für eine Sachentscheidung erforderlichen tatsächlichen
  239. Grundlage.
  240. 27
  241. Da es zudem an einer auf § 1578 b BGB bezogenen Ausübung des tatrichterlichen Ermessens - auch im Hinblick auf eine Herabsetzung des Unterhalts - fehlt, ist dem Senat eine abschließende Sachentscheidung verwehrt.
  242. IV.
  243. 28
  244. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
  245. 29
  246. 1. a) Das Berufungsgericht hat bislang keine ausreichenden Feststellungen zum Fehlen ehebedingter Nachteile im Sinne von § 1578 b Abs. 1 BGB
  247. - 12 -
  248. getroffen, welchen nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil
  249. vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 23 mwN) vorrangige Bedeutung zukommt.
  250. 30
  251. aa) Im Hinblick auf die aufgrund der Rollenverteilung während des ehelichen Zusammenlebens entstandenen Nachteile in der Altersvorsorge ist der
  252. Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge nach ständiger Senatsrechtsprechung vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (Senatsurteile vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 und vom
  253. 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508).
  254. 31
  255. Ob hier eine Ausnahme angezeigt ist, die der Senat in mehreren Fallgestaltungen zugelassen hat, lässt sich aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilen. Der Senat hat eine Ausnahme
  256. dann angenommen, wenn die vom Unterhaltsberechtigten aufgrund der ehelichen Rollenverteilung erlittene Einbuße bei seiner Altersvorsorge durch den
  257. Versorgungsausgleich nicht vollständig erfasst wird, weil der Unterhaltspflichtige nur für einen geringen Teil der Ehezeit Rentenanwartschaften erworben hat
  258. (Senatsurteil vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 Rn. 25).
  259. Eine weitere Ausnahme gilt für den Fall, dass der Berechtigte allein aufgrund
  260. des Versorgungsausgleichs noch nicht die Voraussetzungen für eine Rente
  261. wegen Erwerbsminderung erfüllte, während dies ohne die Berufspause der Fall
  262. gewesen wäre (Senatsurteil vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09 - FamRZ 2011,
  263. 713 Rn. 20).
  264. 32
  265. Im vorliegenden Fall kommt die erstgenannte Ausnahme in Betracht.
  266. Hierzu hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger seit 1980 bis zum Ende der Ehezeit keine Rentenanwart-
  267. - 13 -
  268. schaften mehr erworben habe, was einen vom Versorgungsausgleich nicht erfassten ehebedingten Nachteil nahelegt. Ob der Beklagten im Ergebnis ein
  269. ehebedingter Nachteil verblieben ist, ist demnach unter Berücksichtigung der ihr
  270. seit 1980 durch die eheliche Rollenverteilung entgangenen eigenen Rentenanwartschaften zu beurteilen. Dass ein - unterstellter - Nachteil die Beklagte derzeit noch nicht belastet, sondern sich erst auswirken wird, wenn die Beklagte
  271. zum Bezug einer Rente berechtigt sein wird, steht einer Berücksichtigung im
  272. Rahmen von § 1578 b BGB nicht entgegen. Dies steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung, dass es nicht zulässig ist, von einer Unterhaltsbefristung
  273. nur deswegen abzusehen, um den Einsatzzeitpunkt für den Altersunterhalt zu
  274. wahren (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508).
  275. Denn im vorliegenden Fall greift der Versorgungsausgleich als das speziellere
  276. Ausgleichsinstrument nicht - vollständig - ein.
  277. 33
  278. bb) Ob ehebedingte Nachteile entstanden sind, ist zu ermitteln, indem
  279. die Lage, wie sie sich ohne Eheschließung und die gewählte Rollenverteilung
  280. ergeben hätte, und die tatsächlich bestehende Lage gegenüber gestellt werden.
  281. Dabei können zunächst entstandene Nachteile durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile - auch nach der Ehescheidung - kompensiert worden sein. Im
  282. vorliegenden Fall sind im Hinblick auf einen in der Zeit seit 1980 entstandenen
  283. Nachteil in der Altersvorsorge der Beklagten insbesondere die Vermögenszuwendungen des Klägers an die Beklagte und der vom Kläger geleistete Altersvorsorgeunterhalt zu berücksichtigen.
  284. 34
  285. Außerdem ist der ehebedingte Nachteil in der Altersvorsorge durch die
  286. Höhe der bei (gedachter) unverändert fortgesetzter Erwerbstätigkeit des Klägers im Wege des Versorgungsausgleichs zusätzlich übertragenen Rentenanwartschaften begrenzt. Das folgt daraus, dass der Unterhaltsberechtigte im
  287. Ausnahmefall des nicht vollständig eingreifenden Versorgungsausgleichs nicht
  288. - 14 -
  289. besser stehen darf als im Regelfall des Versorgungsausgleichs, der die ehebedingten Versorgungsnachteile nicht notwendig vollständig kompensiert, sondern
  290. entstandene Nachteile gleichmäßig auf beide Ehegatten verteilt.
  291. 35
  292. b) Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende
  293. Billigkeitsabwägung beschränkt sich allerdings nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern hat darüber hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Unterhaltstatbestände, die - wie der Alters- oder Krankheitsunterhalt nach §§ 1571, 1572
  294. BGB - bereits ihre Begründung in der nachehelichen Solidarität finden, sondern
  295. auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB.
  296. 36
  297. Als Aspekte kommen im vorliegenden Fall die lange Dauer der Ehe und
  298. die guten Vermögensverhältnisse des Klägers in Betracht. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen für sich genommen aber noch keine lebenslange Lebensstandardgarantie, wie sie sich als Konsequenz des Berufungsurteils in der Sache
  299. ergeben hätte. Vielmehr ist auch die zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten zu beachten,
  300. die um so gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, und dementsprechend das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität begrenzt. Die
  301. zunehmende Distanz zu den ehelichen Lebensverhältnissen wird im vorliegenden Fall auch dadurch verdeutlicht, dass die Beklagte schon seit vielen Jahren
  302. ein intimes Verhältnis zu G. H. unterhält, sodass eine weitere Gewährleistung
  303. des unveränderten Lebensstandards durch den geschiedenen Ehegatten ungeachtet dessen guter Vermögensverhältnisse nicht mehr ohne weiteres der Billigkeit entspricht.
  304. 37
  305. Die vom Berufungsgericht herangezogene Dauer der Unterhaltsleistungen dürfte hingegen für eine Fortdauer des Unterhalts nicht angeführt werden
  306. - 15 -
  307. können. Allerdings kann sich unter Umständen aus der Fortzahlung des Unterhalts ein Vertrauenstatbestand für den Unterhaltsberechtigten insoweit ergeben,
  308. als er im berechtigten Vertrauen darauf Dispositionen getroffen hat, die rückgängig zu machen ihm nicht oder nicht sogleich möglich oder zumutbar ist. So
  309. kann etwa die vom Unterhaltspflichtigen hingenommene eingeschränkte Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten einen Vertrauenstatbestand bilden,
  310. der gegen eine Begrenzung des Unterhalts angeführt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 37).
  311. Vergleichbare Dispositionen der Beklagten aufgrund berechtigten Vertrauens
  312. hat das Berufungsgericht hier indessen nicht festgestellt. Vielmehr ist der Beklagten bereits in dem abzuändernden Urteil wegen der Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit für die Zeit ab Oktober 1999 ein fiktives Einkommen aus
  313. vollschichtiger Tätigkeit zugerechnet worden. Damit hat der vom Kläger geleistete Unterhalt in der Vergangenheit nicht nur den ehelichen Lebensstandard
  314. aufrechterhalten, sondern zum Teil auch die sich aus der nicht ausreichenden
  315. Erwerbstätigkeit der Beklagten ergebende Einkommenslücke geschlossen, was
  316. eher für als gegen eine Begrenzung des Unterhalts spricht (vgl. auch Senatsurteil vom 30. März 2011 - XII ZR 63/09 - FamRZ 2011, 875 Rn. 22 mwN).
  317. 38
  318. c) Demnach wird das Berufungsgericht vor allem zu überprüfen haben,
  319. ob der Beklagten ehebedingte Nachteile entstanden und auch nicht durch Zuwendungen und (Vorsorge-)Unterhaltszahlungen kompensiert worden sind. Dabei ist eine zweckentsprechende Verwendung des Vorsorgeunterhalts zu unterstellen. Sollten ehebedingte Nachteile fortbestehen, so wäre eine Herabsetzung
  320. auf den angemessenen Unterhalt zu überprüfen (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 23). Sollten keine ehebedingten Nachteile bestehen und der Aufstockungsunterhalt folglich allein auf
  321. nachehelicher Solidarität beruhen, dürfte jedenfalls ein dauerhafter unvermin-
  322. - 16 -
  323. derter Unterhaltsanspruch auch in Anbetracht der Ehedauer und der guten
  324. Vermögensverhältnisse des Klägers der Billigkeit widersprechen.
  325. 39
  326. 2. Zudem haben die Parteien durch die Zurückverweisung Gelegenheit,
  327. zu der vom Kläger eingewandten Verwirkung wegen verfestigter Lebensgemeinschaft nach § 1579 Nr. 2 BGB ergänzend vorzutragen und Beweis anzubieten. Der Senat weist darauf hin, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft
  328. nicht zwingend voraussetzt, dass die Partner einen gemeinsamen Haushalt unterhalten (vgl. etwa Senatsurteile vom 28. Januar 2004 - XII ZR 259/01 FamRZ 2004, 614, 616 und vom 24. Oktober 2001 - XII ZR 284/99 - FamRZ
  329. - 17 -
  330. 2002, 23, 25). Unstreitig unterhielt die Beklagte die intime Beziehung mit G. H.
  331. zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bereits
  332. seit vierzehn Jahren.
  333. Hahne
  334. Weber-Monecke
  335. RiBGH Dr. Günter ist urlaubsbedingt verhindert
  336. zu unterschreiben.
  337. Klinkhammer
  338. Nedden-Boeger
  339. Hahne
  340. Vorinstanzen:
  341. AG Nürnberg, Entscheidung vom 08.08.2008 - 108 F 1358/08 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 17.12.2008 - 7 UF 1230/08 -