|
|
- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- XII ZB 30/13
- vom
- 15. April 2015
- in der Familiensache
- Nachschlagewerk:
-
- ja
-
- BGHZ:
-
- nein
-
- BGHR:
-
- ja
-
- VersAusglG § 51 Abs. 3, 4
- a) Wurde in einer nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht ergangenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich eine Betriebsrente gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nur zum Teil ausgeglichen, findet hinsichtlich
- des nicht ausgeglichenen Teils nicht das Abänderungsverfahren nach § 51
- VersAusglG statt, sondern ist insoweit der Ausgleich nach der Scheidung
- gemäß §§ 20 ff. VersAusglG eröffnet und vorrangig (im Anschluss an Senatsbeschlüsse BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 und vom 25. Juni 2014
- - XII ZB 410/12 - FamRZ 2014, 1614).
- b) In diesem Verfahren ist auch zu klären, ob und inwiefern ein bei der Scheidung durch Vergleich vereinbarter Verzicht auf den weitergehenden Ausgleich der Betriebsrente wirksam ist.
- BGH, Beschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 30/13 - OLG Hamm
- AG Iserlohn
-
- -2-
-
- Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2015 durch den
- Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
- Dr. Botur und Guhling
- beschlossen:
- Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für
- Familiensachen
-
- des
-
- Oberlandesgerichts
-
- Hamm
-
- vom
-
- 19. Dezember 2012 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
- Wert: 3.237 €
-
- Gründe:
- I.
- 1
-
- Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Ihre im Mai 1971 geschlossene Ehe wurde auf den im März 1999 zugestellten Scheidungsantrag durch
- Verbundurteil vom 1. Dezember 2000 geschieden, in dem auch der Versorgungsausgleich geregelt wurde.
-
- 2
-
- Beide Ehegatten hatten ehezeitliche Anwartschaften in der gesetzlichen
- Rentenversicherung erworben, der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann)
- außerdem statische Anrechte auf eine Werkspension und die Antragstellerin (im
- Folgenden: Ehefrau) Anwartschaften aus einer privaten Rentenversicherung. Im
- Scheidungstermin schlossen die Ehegatten einen Vergleich, in dem der Ehemann auf die Einbeziehung der privaten Rentenversicherung der Ehefrau und
- diese "auf eine Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 6,52 DM
-
- -3-
-
- aus der Betriebsrente des Antragstellers" verzichteten. Bei dem Betrag von
- 6,52 DM handelte es sich um die Differenz des hälftigen mit Hilfe der seinerzeit
- gültigen Barwertverordnung ermittelten volldynamischen Ausgleichswerts von
- 94,72 DM zu dem seinerzeit gültigen Höchstbetrag gemäß § 1587 b Abs. 3
- BGB i.V.m. § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG von 88,20 DM. Dieser Betrag wurde der
- Ehefrau neben dem Ausgleich von Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausgleich der Betriebsrente des Ehemanns im Weg des
- erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG übertragen.
- 3
-
- Im vorliegenden Verfahren hat die Ehefrau die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich gemäß § 51 Abs. 3 VersAusglG beantragt. Sie hat sich darauf berufen, dass die Betriebsrente des Ehemanns auf
- verfassungswidrige Weise zu niedrig bewertet worden sei. Die seinerzeit mit
- jährlich 19.130,16 DM in den Versorgungsausgleich eingeflossene Betriebsrente belaufe sich im Jahr 2009 auf 20.790,48 €, was nunmehr zu korrigieren sei.
- Außerdem sei der Ehezeitanteil unzutreffend ermittelt worden. Die Abänderung
- sei durch den gerichtlichen Vergleich nicht ausgeschlossen, da es sich aus damaliger Sicht auf beiden Seiten um Bagatellbeträge gehandelt habe.
-
- 4
-
- Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag zurückgewiesen. Die von
- der Ehefrau eingelegte Beschwerde ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen
- worden. Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher
- die Ehefrau ihren Abänderungsantrag weiterverfolgt.
-
- II.
- 5
-
- Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
-
- -4-
-
- 6
-
- 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen die Voraussetzungen
- einer wesentlichen Wertänderung nach § 51 VersAusglG nicht vor. Eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG sei gemäß § 51 Abs. 4 VersAusglG ausgeschlossen, wenn für ein Anrecht nach einem Teilausgleich gemäß § 3 b
- Abs. 1 Nr. 1 VAHRG noch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche nach den
- §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend gemacht werden könnten. Durch den Vorrang
- der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung erübrige
- sich in diesen Fällen der Aufwand einer vollständig neuen Ausgleichsentscheidung im Weg der Abänderung. Diese würde es erforderlich machen, wegen der
- fehlerhaften Bewertung eines einzelnen Anrechts den gesamten bereits entschiedenen öffentlich-rechtlichen Wertausgleich neu aufzurollen, während die
- Ausgleichsansprüche nach der Scheidung nur das einzelne Anrecht beträfen.
- Eine Totalrevision nach den §§ 51, 52 VersAusglG würde daher gegenüber einem Verfahren über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung zu einem vom
- Gesetzgeber nicht beabsichtigten Mehraufwand führen. Ob Ausgleichsansprüche nach der Scheidung durch den von den Ehegatten geschlossenen Vergleich ausgeschlossen seien, sei im Verfahren nach §§ 20 ff. VersAusglG zu
- prüfen.
-
- 7
-
- Eine Wertänderung der in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 51 Abs. 2 VersAusglG
- sei nicht dargetan.
-
- 8
-
- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
-
- 9
-
- a) Die Abänderung einer Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen
- Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht
- getroffen worden ist, ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VersAusglG auch dann zulässig, wenn sich bei Anrechten der berufsständischen, betrieblichen oder priva-
-
- -5-
-
- ten Altersvorsorge (§ 1587 a Abs. 3 oder 4 BGB) der vor der Umrechnung ermittelte Wert des Ehezeitanteils wesentlich von dem dynamisierten und aktualisierten Wert unterscheidet. Durch die Regelung soll die Abänderung von nach
- bisherigem Recht erzielten Ergebnissen ermöglicht werden, die eine angemessene Teilhabe verfehlten und im Hinblick auf Betriebsrenten insbesondere auf
- einer sich aus der Umwertung (Dynamisierung) nach der Barwert-Verordnung
- ergebenden Wertverzerrung beruhten (BT-Drucks. 16/10144 S. 88 f.).
- 10
-
- Eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 ist hingegen gemäß § 51 Abs. 4
- VersAusglG ausgeschlossen, wenn für das Anrecht nach einem Teilausgleich
- gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend gemacht werden können. Im
- Fall eines Teilausgleichs nach § 3 b VAHRG ist es gemäß § 20 Abs. 1
- VersAusglG auch nach neuem Recht möglich, hinsichtlich des noch nicht einbezogenen Teils Ausgleichsansprüche nach der Scheidung geltend zu machen.
- Dabei wird der zum Teil ausgeglichene Betrag nach § 53 VersAusglG entsprechend seiner tatsächlichen Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung
- angerechnet (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 90).
-
- 11
-
- Im Gegensatz zu einer Entscheidung über die gesamten ausgleichsreifen
- Versorgungsanrechte der Ehegatten, die dann auch übersehene, vergessene
- oder verschwiegene Anrechte erfasst (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 198, 91 =
- FamRZ 2013, 1548 Rn. 23 ff.), handelt es sich hier um eine bewusste Teilentscheidung, die für den noch nicht von ihr erfassten Teil den Ausgleich nach der
- Scheidung gemäß §§ 20 ff. VersAusglG nicht ausschließt (vgl. Senatsbeschluss
- vom 25. Juni 2014 - XII ZB 410/12 - FamRZ 2014, 1614 Rn. 11 ff.).
-
- 12
-
- b) Nach diesen Maßstäben scheidet im vorliegenden Fall eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG aus.
-
- -6-
-
- 13
-
- Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass durch die
- Regelung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsurteil der schuldrechtliche
- Ausgleich nach der Scheidung (ebenso wie der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach früherer Rechtslage) nicht ausgeschlossen worden ist. Daher
- bedarf es zur Anpassung an die geänderte Bewertung der Betriebsrente des
- Ehemanns einer Abänderung der im Scheidungsurteil enthaltenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht. Nach der vom Gesetzgeber in § 51
- Abs. 4 VersAusglG bewusst getroffenen Entscheidung ist der Ausgleich nach
- der Scheidung insoweit vorrangig.
-
- 14
-
- Ob für einen Ausgleich nach der Scheidung noch Raum ist, richtet sich
- daher auch nicht nach der Ursprungsentscheidung über den Versorgungsausgleich, sondern nach dem von den Ehegatten geschlossenen Vergleich. Dieser
- unterliegt als solcher weder einer Abänderung nach § 51 VersAusglG noch bedarf er einer solchen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde dient
- das Abänderungsverfahren nach § 51 Abs. 3 VersAusglG auch nicht dazu, einen wirksam vereinbarten Ausschluss des (schuldrechtlichen) Ausgleichs nach
- der Scheidung zu korrigieren. Ob die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach der Scheidung durch den Vergleich ausgeschlossen
-
- -7-
-
- ist, hat das Oberlandesgericht demnach zu Recht offen gelassen. Denn Fragen
- des Inhalts und der Bindungswirkung des Vergleichs sind im Verfahren nach
- §§ 20 ff. VersAusglG zu klären.
- Dose
-
- Klinkhammer
- Botur
-
- Günter
- Guhling
-
- Vorinstanzen:
- AG Iserlohn, Entscheidung vom 11.01.2012 - 152 F 134/11 OLG Hamm, Entscheidung vom 19.12.2012 - II-5 UF 35/12 -
-
|