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266 lines
16 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 542/13
  4. vom
  5. 26. November 2014
  6. in der Betreuungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB §§ 1836 c Nr. 2, 1836 d, 1908 i Abs. 1 Satz 1; VBVG § 1 Abs. 2;
  14. SGB XII § 90 Abs. 3 Satz 1
  15. Der Einsatz eines aus sozialen Ausgleichsleistungen nach den §§ 16 ff.
  16. StrRehaG angesparten Vermögens für die Vergütung des Berufsbetreuers stellt
  17. für den Betreuten eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar. Dies gilt
  18. auch für die damit erwirtschafteten Zinsen.
  19. BGH, Beschluss vom 26. November 2014 - XII ZB 542/13 - LG Magdeburg
  20. AG Wernigerode
  21. -2-
  22. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2014 durch
  23. den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
  24. Dr. Botur und Guhling
  25. beschlossen:
  26. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
  27. der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 2. Juli 2013
  28. abgeändert.
  29. Auf die Beschwerde der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss
  30. des Amtsgerichts Wernigerode vom 17. April 2013 aufgehoben.
  31. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
  32. Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.
  33. Beschwerdewert: 8.839 €
  34. Gründe:
  35. I.
  36. 1
  37. Der Betroffene wendet sich dagegen, sein aus Entschädigungsleistungen
  38. nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern
  39. rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz ' StrRehaG in der Fassung der Bekanntmachung
  40. vom 17. Dezember 1999, BGBl. I S. 2664, zuletzt geändert durch Artikel 11 des
  41. -3-
  42. Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und
  43. zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Juni 2011, BGBl. I S. 1202, 1212) angespartes Vermögen für die Vergütung seines Betreuers einsetzen zu müssen.
  44. 2
  45. Für den Betroffenen wurde 1994 eine rechtliche Betreuung eingerichtet.
  46. Für die Vergütung des Berufsbetreuers erbrachte die Staatskasse in der Zeit vom
  47. 1. Januar 2002 bis 12. Juli 2012 Zahlungen in Höhe von 18.648,85 €.
  48. 3
  49. Der Betroffene erhielt von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge in
  50. der DDR eine Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG in Höhe von insgesamt
  51. 9.342,68 €. Seit Februar 2008 bezieht der Betroffene zusätzlich eine besondere
  52. Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG von monatlich 250 €. Anfang
  53. des Jahres 2013 verfügte der Betroffene über ein Vermögen von rund 20.762 €,
  54. das er aus den genannten Entschädigungsleistungen angespart hat.
  55. 4
  56. Das Amtsgericht hat vom Vermögen des Betroffenen die Kapitalentschädigung nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz sowie einen Schonbetrag in Höhe von 2.600 € abgezogen und den Betroffenen verpflichtet, aus seinem restlichen Vermögen einen einmaligen Betrag von 8.839,38 € an die Staatskasse zu zahlen. Das Landgericht hat die Beschwerde der Verfahrenspflegerin
  57. zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der zugelassenen
  58. Rechtsbeschwerde.
  59. II.
  60. 5
  61. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt unter Abänderung der Beschwerdeentscheidung zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses.
  62. -4-
  63. 6
  64. 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht gegenüber dem Betreuten eine Zahlung in Höhe von
  65. 8.839,38 € an die Staatskasse festgesetzt. Vom Vermögen des Betroffenen seien
  66. neben dem allgemeinen Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII die erhaltene Kapitalentschädigung abzuziehen, weil der Einsatz dieses Vermögens für
  67. den Betroffenen eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Erträge aus den
  68. Entschädigungszahlungen nach § 17 a StrRehaG seien dagegen beim Schonvermögen des Betroffenen nicht zu berücksichtigen. Denn der Rückgriff auf das
  69. so gebildete Vermögen des Betreuten stelle für diesen keine besondere Härte
  70. dar. Dem Betroffenen sei es vielmehr grundsätzlich zuzumuten, das Ersparte für
  71. die Kosten der Betreuung zu verwenden. Denn insoweit seien die Entschädigungsleistungen nicht konkret zum Ausgleich für Nachteile, die dem Betroffenen
  72. durch die Freiheitsentziehung entstanden seien, benötigt worden.
  73. 7
  74. 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  75. 8
  76. a) Vergütungsschuldner des Berufsbetreuers ist bei Mittellosigkeit des Betreuten die Staatskasse (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m.
  77. § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG) und bei vorhandenem verwertbaren Vermögen der Betreute (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1
  78. VBVG). Soweit die Staatskasse Leistungen zur Vergütung eines Betreuers erbracht hat, geht gemäß § 1908 i Abs. 1 BGB i.V.m. § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB
  79. der Anspruch des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über. Ob
  80. bzw. inwieweit die Staatskasse den Betreuten aus der übergegangenen Forderung tatsächlich in Anspruch nehmen kann, bestimmt sich nach dessen Leistungsfähigkeit. Maßstab hierfür ist das nach § 1836 c BGB einzusetzende Einkommen und Vermögen des Betreuten, auf das seine Inanspruchnahme begrenzt ist. Demzufolge muss auch ein zur Zeit der Betreuertätigkeit mittelloser
  81. Betreuter grundsätzlich später vorhandene Mittel im Rahmen des § 1836 c BGB
  82. -5-
  83. für die Kosten der Betreuung einsetzen (Senatsbeschluss vom 9. Januar 2013
  84. - XII ZB 478/11 - FamRZ 2013, 440 Rn. 11 ff.).
  85. 9
  86. b) Das vom Betreuten einzusetzende Vermögen bestimmt sich gemäß
  87. § 1836 c Nr. 2 BGB nach § 90 SGB XII. Dabei geht § 90 Abs. 1 SGB XII von dem
  88. Grundsatz aus, dass das gesamte verwertbare Vermögen für die Betreuervergütung einzusetzen ist (Senatsbeschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 FamRZ 2010, 1643 Rn. 21), soweit es nicht zu dem in § 90 Abs. 2 SGB XII abschließend aufgezählten Schonvermögen gehört. Im Übrigen bleibt gemäß § 90
  89. Abs. 3 SGB XII Vermögen unberücksichtigt, dessen Einsatz oder Verwertung für
  90. den Betroffenen eine Härte bedeuten würde.
  91. 10
  92. aa) Danach haben Amts- und Landgericht zu Recht einen Betrag von
  93. 2.600 € als Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom Vermögen des Betroffenen in Abzug gebracht hat.
  94. 11
  95. bb) Nicht frei von Rechtsirrtum ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, bei der Berechnung des einzusetzenden Vermögens des Betroffenen
  96. blieben nur die Kapitalentschädigungsleistungen nach § 17 StrRehaG außer Betracht. Auch die Verwertung des Vermögens, das der Betroffene mit Zinszahlungen aus den Kapitalentschädigungsleistungen und den monatlichen Zuwendungen für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG angespart hat, stellt für den Betroffenen
  97. eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII dar.
  98. 12
  99. (1) Mit dieser Vorschrift können atypische Fallkonstellationen im Einzelfall
  100. aufgefangen werden, die nicht von den in § 90 Abs. 2 SGB XII genannten Fallgruppen erfasst sind, die aber den in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Leitvorstellungen des Gesetzes für die Verschonung von Vermögen vergleichbar sind (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 - FamRZ
  101. -6-
  102. 2010, 1643 Rn. 19). Dabei ist für die Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII die
  103. Herkunft des Vermögens grundsätzlich unerheblich. Allerdings kann in Einzelfällen die Herkunft des Vermögens dieses so prägen, dass seine Verwertung eine
  104. Härte darstellen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 FamRZ 2010, 1643 Rn. 18). Davon kann etwa ausgegangen werden, wenn der
  105. gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung einer laufenden Zahlung
  106. als Einkommen auch im Rahmen der Vermögensanrechnung durchgreift, weil
  107. das Vermögen den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist wie die laufende
  108. Zahlung selbst (vgl. BVerwGE 137, 85 = NVwZ-RR 2010, 771 Rn. 20). Deshalb
  109. hat die verwaltungs- und sozialgerichtliche Rechtsprechung in der Vergangenheit
  110. bereits mehrfach den Einsatz angesparter Beträge aus Sozialleistungen als eine
  111. Härte für den Begünstigten nach § 90 Abs. 3 SGB XII angesehen (vgl. BVerwGE
  112. 137, 85 = NVwZ-RR 2010, 771 "Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz"; BVerwG NJW 1998, 397 "Erziehungsgeld"; BVerwGE 45,
  113. 135 "Grundrentennachzahlung"; BSG FEVS 59, 441 "Blindengeld"). Ebenso ist in
  114. der verwaltungs- und sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein
  115. aus Schmerzensgeldzahlungen gebildetes Vermögen nach § 90 Abs. 3 SGB XII
  116. einsatzfrei bleibt (BVerwGE 98, 256 = FamRZ 1995, 1348; BSG FEVS 60, 1).
  117. 13
  118. (2) Angelehnt an diese Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
  119. und des Bundessozialgerichts entspricht es mittlerweile auch einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum zur Betreuervergütung, dass der Betroffene ein aus Schmerzensgeldzahlungen angespartes Vermögen einschließlich der erwirtschafteten Zinsen nicht für die Betreuervergütung einsetzen muss,
  120. weil dies für ihn eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde (OLG
  121. Köln BtPrax 2005, 237; OLG Jena BtPrax 2005, 125; OLG Hamm FGPrax 2007,
  122. 171; OLG Frankfurt FamRZ 2008, 2152; OLG Frankfurt BtPrax 2009, 305;
  123. MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 c Rn. 16; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1836 c BGB Rn. 13; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1836 c
  124. -7-
  125. Rn. 12; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1836 c BGB Rn. 22; Bienwald/
  126. Sonnenfeld/Hoffmann/Bienwald Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1836 c BGB Rn. 30).
  127. Begründet wird dies im Wesentlichen mit dem Zweck einer Schmerzensgeldzahlung, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich des zugefügten immateriellen Schadens und Genugtuung für erlittenes Unrecht zu verschaffen. Zudem solle das Schmerzensgeld den Geschädigten in die Lage versetzen, sich
  128. Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise wieder ausgleichen (Palandt/Grüneberg BGB
  129. 73. Aufl. § 253 Rn. 4). Daher müsse das Schmerzensgeld dem Geschädigten zur
  130. freien Verfügung verbleiben. Mit dieser Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes sei es nicht zu vereinbaren, wenn ein Betreuter verpflichtet wäre, eine zugeflossene Schmerzensgeldzahlung für die Betreuervergütung einzusetzen.
  131. 14
  132. (3) Diese Erwägungen gelten auch für Vermögen, das ein Betreuter mit
  133. sozialen Ausgleichsleistungen nach den §§ 16 ff. StrRehaG angespart hat.
  134. 15
  135. Denn diese Entschädigungsleistungen dienen dem Ausgleich von Nachteilen, die einem strafrechtlich rehabilitierten Betroffenen durch eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren
  136. Freiheitsentziehung entstanden sind (vgl. § 16 Abs. 1 StrRehaG). Durch die sozialen Ausgleichsleistungen sollen die Opfer politischer Verfolgung oder rechtswidriger Strafverfolgung nicht nur für erlittene materielle und gesundheitliche Nachteile entschädigt werden. Mit den Entschädigungsleistungen sollen insbesondere
  137. die durch die Freiheitsentziehung entstandenen immateriellen Nachteile ausgeglichen werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz BT-Drucks. 12/1608, S. 36; Peifer in Herzler/Ladner/Peifer/
  138. Schwarze/Wende Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz [StrRehaG] 2. Aufl.
  139. § 16 Rn. 1). Die Leistungsgewährung ist daher sozialpolitisch motiviert und sie
  140. dient der besonderen Würdigung und Anerkennung des Widerstands ehemaliger
  141. -8-
  142. politischer Häftlinge gegen das SED-Unrechtsregime und der deswegen erlittenen Haft. Ihr liegt der auch für das soziale Entschädigungsrecht charakteristische
  143. Gedanke zugrunde, dass der Betroffene ein von der Allgemeinheit mit auszugleichendes Sonderopfer erbracht hat.
  144. 16
  145. Dies gilt auch für die durch das "Dritte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR" vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118) eingeführte besondere
  146. Zuwendung nach § 17 a StrRehaG. Diese monatliche Dauerleistung für Haftopfer
  147. zielt ebenfalls auf den Ausgleich eines erlittenen Sonderopfers ab (vgl. BSG Urteil vom 3. Juli 2013 - B 12 KR 27/12 - juris Rn. 19 ff.) und soll nicht nur zur Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen.
  148. 17
  149. (4) Diese besondere Zweckbestimmung der sozialen Ausgleichsleistungen
  150. nach den §§ 16 ff. StrRehaG hat zur Folge, dass der Einsatz eines aus diesen
  151. Zahlungen angesparten Vermögens für die Betreuervergütung eine Härte i.S.v.
  152. § 90 Abs. 3 SGB XII für den Betreuten darstellen würde.
  153. 18
  154. Einen angemessenen Ausgleich für "Nachteile, die dem Betroffenen durch
  155. eine Freiheitsentziehung entstanden sind" (vgl. § 16 Abs. 1 StrRehaG) bieten die
  156. sozialen Ausgleichsleistungen nur dann, wenn sie dem Betreuten uneingeschränkt zur Verfügung stehen und er frei darüber entscheiden kann, wie er die
  157. erhaltenen Mittel nutzt.
  158. 19
  159. Dafür spricht auch die Privilegierung, die die sozialen Ausgleichsleistungen durch § 16 Abs. 4 StrRehaG erfahren. Danach bleiben die Leistungen
  160. nach den §§ 17 bis 19 StrRehaG als Einkommen bei Sozialleistungen, deren
  161. Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt. Die Regelung zeigt, dass die Ausgleichsleistungen nicht die einem Haftopfer möglicherweise entstandenen Einkommensnachteile ausgleichen sollen, sondern mit
  162. -9-
  163. ihnen eine Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht bezweckt wird (Peifer in
  164. Herzler/Ladner/Peifer/Schwarze/Wende Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz
  165. [StrRehaG] 2. Aufl. § 16 Rn. 31). Zwar kann aus der Einsatzfreiheit einer Sozialleistung als Einkommen regelmäßig noch nicht auf einen die Einsatzfreiheit des
  166. daraus gebildeten Vermögens begründenden Härtefall geschlossen werden. Der
  167. gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung einer laufenden Zahlung
  168. als Einkommen kann jedoch auch im Rahmen der Vermögensanrechnung
  169. durchgreifen, weil das Vermögen den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist
  170. wie die laufende Zahlung selbst (BVerwGE 137, 85 = NVwZ-RR 2010, 771
  171. Rn. 20 mwN).
  172. 20
  173. Das ist hier der Fall. Die Regelung des § 16 Abs. 4 StrRehaG zeigt, dass
  174. dem Haftopfer sowohl eine erhaltene Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG
  175. als auch die monatlich ausbezahlten besonderen Zuwendungen nach § 17 a
  176. StrRehaG unabhängig von seinem sonstigen Einkommen zur Verfügung stehen
  177. und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betreuten nicht mitprägen.
  178. Durch die Entschädigungsleistungen soll der Leistungsempfänger in die Lage
  179. versetzt werden, sich über die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus
  180. Annehmlichkeiten verschaffen zu können. Dabei obliegt es allein seiner freien
  181. Entscheidung, ob er die erhaltenen Geldmittel zeitnah ausgibt oder sie anspart,
  182. um zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zurückgreifen zu können. Diese Entscheidungsfreiheit wäre dem Betreuten genommen, wenn er befürchten müsste,
  183. dass er das aus den sozialen Ausgleichsleistungen angesparte Vermögen für die
  184. Betreuervergütung einsetzen muss. Dies gilt auch für die Erträge, die der Betreute mit den Entschädigungsleistungen erwirtschaftet. Entscheidet er sich, die erhaltenen Zahlungen anzusparen und gewinnbringend anzulegen, wird der mit
  185. den sozialen Ausgleichsleistungen verfolgte Zweck nur dann gewährleistet, wenn
  186. ihm auch die Erträge uneingeschränkt zur Verfügung stehen, zumal dadurch
  187. auch einem Kaufkraftverlust des angesparten Vermögens entgegengewirkt wird.
  188. - 10 -
  189. 21
  190. c) Danach kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben.
  191. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung
  192. reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts stammt das Vermögen des Betroffenen allein aus der Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG und den damit erwirtschafteten Zinsen sowie aus angesparten Beträgen aus der besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a
  193. StrRehaG, die der Betroffene seit 2008 erhält. Der Einsatz dieses Vermögens
  194. stellt für den Betroffenen eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Da er
  195. über kein darüberhinausgehendes Einkommen oder Vermögen verfügt, ist er mittellos (§ 1836 d BGB), so dass er keine Zahlungen an die Staatskasse leisten
  196. muss.
  197. Dose
  198. Klinkhammer
  199. Botur
  200. Günter
  201. Guhling
  202. Vorinstanzen:
  203. AG Wernigerode, Entscheidung vom 17.04.2013 - 4 XVII 24/94 LG Magdeburg, Entscheidung vom 02.07.2013 - 9 T 237/13 (046) -