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199 lines
10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 334/12
  4. vom
  5. 9. Januar 2013
  6. in der Betreuungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB §§ 1908 i, 1812
  14. Im Falle zweifelhafter Forderungen entspricht es regelmäßig nicht dem Interesse des
  15. Betroffenen, behaupteten Rückzahlungsansprüchen Folge zu leisten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine mögliche Rechtsverfolgung nach den im Genehmigungsverfahren getroffenen Feststellungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und deshalb auch nicht mit einem entsprechenden Prozess zu rechnen ist.
  16. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2013 - XII ZB 334/12 - LG Traunstein
  17. AG Mühldorf am Inn
  18. -2-
  19. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2013 durch den
  20. Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger und Dr. Botur
  21. beschlossen:
  22. Der Beteiligten zu 1 wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom
  23. 3. Mai 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
  24. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer
  25. des Landgerichts Traunstein vom 3. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
  26. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei
  27. (§ 131 Abs. 5 Satz 2 KO).
  28. Beschwerdewert: 3.000 €
  29. Gründe:
  30. I.
  31. 1
  32. Die Beteiligte zu 1 begehrt als Betreuerin die Genehmigung, an die Mutter der Betroffenen aus deren Vermögen einen Geldbetrag in Höhe von insgesamt 87.093,34 € zu überweisen.
  33. 2
  34. Die Betroffene leidet an einer chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Die Betreuung umfasst unter anderem den Aufgaben-
  35. -3-
  36. kreis Vermögenssorge; ein Einwilligungsvorbehalt ist angeordnet. Die Betroffene erwarb vor Beginn der Betreuung im Jahr 1998 eine Eigentumswohnung, die
  37. sie zunächst selbst bewohnte. Im August 2010 zog die Betroffene in ein Pflegeheim. Die Bezahlung der Darlehensraten für die Finanzierung der Wohnung
  38. erfolgte teilweise durch die Mutter der Betroffenen. Im Jahr 2011 verkaufte die
  39. frühere Betreuerin der Betroffenen mit Genehmigung des Betreuungsgerichts
  40. die Eigentumswohnung für 209.000 €.
  41. 3
  42. Den Antrag der Betreuerin, die Überweisung des eingangs genannten
  43. Betrages an die Mutter der Betroffenen betreuungsgerichtlich zu genehmigen,
  44. hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit ihrer vom Landgericht
  45. zugelassenen Rechtsbeschwerde. Ferner hat sie beantragt, gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen
  46. den angefochtenen Beschluss Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
  47. II.
  48. 4
  49. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Betreuerin ist antragsgemäß
  50. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
  51. 5
  52. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
  53. 6
  54. 1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die
  55. beabsichtigte Entnahme des Geldes aus dem versperrt angelegten Bankguthaben zur Auszahlung bzw. Überweisung an die Mutter der Betroffenen nicht genehmigungsfähig sei, da dies ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung nicht
  56. entspreche. Insoweit sei der von der Betreuerin beabsichtigte Verwendungs-
  57. -4-
  58. zweck der beantragten Entnahme zu prüfen. Das Betreuungsgericht habe die
  59. Genehmigung nicht zu erteilen, wenn die Betreute zu dem in Aussicht genommenen Rechtsgeschäft nicht verpflichtet sei und die Zahlung den Regeln einer
  60. ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung widerspreche.
  61. 7
  62. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt habe, sei die Betroffene weder wegen Verarmung des Schenkers (§ 528 BGB) noch wegen groben Undanks (§ 530 BGB) zur Rückzahlung verpflichtet.
  63. 8
  64. Es sei sehr zweifelhaft, ob die Betroffene aus bereicherungsrechtlichen
  65. Gründen wegen Zweckverfehlung oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage
  66. zur Rückzahlung verpflichtet sei. Es könne dabei unterstellt werden, dass die
  67. Zahlungen der Mutter der Betroffenen im Zusammenhang mit dem Erwerb und
  68. der Finanzierung der Wohnung dazu gedient hätten, dass die Betroffene diese
  69. Wohnung nutzen könne. Dieser Zweck sei auch erreicht worden, da die Betroffene Eigentümerin der im Jahr 1998 gekauften Wohnung geworden sei und
  70. diese bis zu ihrem Umzug in das Pflegeheim im August 2010 auch selbst bewohnt habe. Auch wenn zur Deckung der Heimkosten der Verkauf der Wohnung erforderlich gewesen sei, könne nach einer rund zwölfjährigen Nutzung
  71. der Wohnung durch die Betroffene nicht mehr davon ausgegangen werden,
  72. dass die Zahlungen der Mutter der Betroffenen ihren Zweck verfehlt hätten.
  73. Hinzu komme, dass die Leistungen der Mutter indirekt auch jetzt noch der Betroffenen zugutekämen, da die durch ihren Heimaufenthalt entstandenen und
  74. künftig noch entstehenden Kosten aus dem Erlös der verkauften Wohnung gedeckt würden. Hierin bestehe ein entscheidender Unterschied zu den höchstrichterlich entschiedenen Fällen, in denen Schwiegereltern ihren Schwiegerkindern Zuwendungen in Erwartung des Bestands der Ehe gemacht hätten und
  75. diese dann geschieden werde. In diesen Fällen werde der Zweck, mit den Leistungen das eigene Kind zu unterstützen, nicht mehr erreicht.
  76. -5-
  77. 9
  78. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
  79. 10
  80. a) Gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1812 Abs. 1 und Abs. 3 BGB bedarf
  81. der Betreuer für eine Überweisung von einem (gesperrten) Konto der Betreuten
  82. der Genehmigung des Betreuungsgerichts (LG Münster Rpfleger 1989, 455;
  83. MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1812 Rn. 9; jurisPK-BGB/Lafontaine
  84. 6. Aufl. § 1812 Rn. 25 mwN; generell zur Überweisung AG Herborn FamRZ
  85. 1999,1690, 1691; BtKomm/Roth 2. Aufl. E Rn. 58).
  86. 11
  87. Maßstab für die gerichtliche Entscheidung über die Genehmigung ist das
  88. Interesse des Betreuten. Das Gericht hat dabei eine Gesamtabwägung aller
  89. Vor- und Nachteile sowie der Risiken des zu prüfenden Geschäfts für den Betreuten vorzunehmen (Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 - XII ZB 479/11 FamRZ 2012, 967 Rn. 9). Das Gericht hat ausschließlich das Wohl und die
  90. Interessen des Betreuten zu berücksichtigen, nicht die Belange Dritter. Es hat
  91. sich auf den Standpunkt eines verständigen, die Tragweite des Geschäfts
  92. überblickenden Volljährigen zu stellen und kann deshalb auch Erwägungen
  93. der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit anstellen. Maßgebender Gesichtspunkt ist
  94. das Gesamtinteresse, wie es sich zur Zeit der tatrichterlichen Entscheidung
  95. darstellt (BayObLG FamRZ 1990, 208; jurisPK-BGB/Lafontaine 6. Aufl. § 1828
  96. Rn. 114). Die Genehmigung darf danach nur erteilt werden, wenn die Zahlungen ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung nicht widersprechen (vgl.
  97. MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1812 Rn. 40). Lassen sich die Risiken
  98. eines Geschäfts - auch nach der im Rahmen der Amtsermittlung vorzunehmenden Prüfung - nicht verlässlich abschätzen, ist die Genehmigung zu versagen
  99. (jurisPK-BGB/Lafontaine 6. Aufl. § 1828 Rn. 118; MünchKommBGB/Wagenitz
  100. 6. Aufl. § 1828 Rn. 20).
  101. -6-
  102. 12
  103. b) Gemessen hieran ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
  104. 13
  105. Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Genehmigung
  106. nicht zu erteilen ist, wenn die Betreute zu dem in Aussicht genommenen
  107. Rechtsgeschäft nicht verpflichtet ist und die Zahlung den Regeln einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung widerspricht. Dass das Beschwerdegericht dabei von einer Schenkung ausgegangen ist, die weder wegen Verarmung
  108. des Schenkers noch wegen groben Undanks zurückgefordert werden kann, ist
  109. von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Dafür spricht auch das vom Landgericht in seiner Entscheidung in Bezug genommene Schreiben der Betreuerin
  110. vom 25. November 2011. Hieraus ergibt sich - wie auch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat -, dass die Leistungen der Mutter auf das Erbe der Betroffenen angerechnet werden sollten.
  111. 14
  112. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landgericht sich damit
  113. begnügt hat festzustellen, dass es sehr zweifelhaft sei, ob die Betroffene aus
  114. Gründen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder aus dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) zur Rückzahlung an die Mutter verpflichtet sei. Denn im Falle zweifelhafter Forderungen
  115. entspricht es regelmäßig nicht dem Interesse des Betroffenen, Rückzahlungsansprüchen Folge zu leisten (vgl. OLG Celle FamRZ 2012, 1066, 1067). Dies
  116. gilt jedenfalls dann, wenn eine mögliche Rechtsverfolgung nach den im Genehmigungsverfahren getroffenen Feststellungen keine hinreichende Aussicht
  117. auf Erfolg hat und deshalb auch nicht mit einem entsprechenden Prozess zu
  118. rechnen ist.
  119. 15
  120. So liegt der Fall auch hier. Nach den getroffenen Feststellungen hat die
  121. Betroffene zwölf Jahre in der Wohnung gewohnt. Damit hat sich der - mit der
  122. -7-
  123. auf das Erbe anrechenbaren Leistung verfolgte - Zweck bereits teilweise erfüllt.
  124. Außerdem hat das Landgericht zu Recht hervorgehoben, dass die Leistungen
  125. der Mutter indirekt auch jetzt noch der Betroffenen zugutekommen, da durch
  126. ihren Heimaufenthalt entstandene und künftig noch entstehende Kosten aus
  127. dem Erlös der verkauften Wohnung gedeckt werden. Weil die Mutter die Betroffene mit der teilweisen Finanzierung der Wohnung - wie auch die Rechtsbeschwerde einräumt - im Alter absichern wollte, ist es nicht zu beanstanden,
  128. dass das Landgericht dies letztlich auch als Zweckerfüllung qualifiziert hat.
  129. 16
  130. Denn wenn die Betroffene nicht mehr in der Lage ist, die betreffende
  131. Wohnung zu nutzen, kann es nur noch um die Frage gehen, wie der in der
  132. Wohnung enthaltene Vermögenswert auf andere Weise bestmöglich zur
  133. Alterssicherung genutzt werden kann. Der betreuungsgerichtlichen Genehmigung der Veräußerung der Eigentumswohnung gemäß § 1908 i Abs. 1 Satz 1
  134. i.V.m. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist zu entnehmen, dass der Verkauf der
  135. Immobilie im Interesse der Betroffenen lag (vgl. zur Genehmigungspflicht
  136. MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1821 Rn. 50). Dies wird insbesondere
  137. -8-
  138. dadurch gewährleistet, dass nach §§ 1806 ff. BGB der Verkaufserlös mündelsicher anzulegen ist, die Gefahr, dass die Betroffene das Geld verschwendet,
  139. also nicht besteht.
  140. Dose
  141. Schilling
  142. Nedden-Boeger
  143. Günter
  144. Botur
  145. Vorinstanzen:
  146. AG Mühldorf am Inn, Entscheidung vom 31.01.2012 - XVII 710/10 LG Traunstein, Entscheidung vom 03.05.2012 - 4 T 617/12 -