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31 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 401/10
  5. Verkündet am:
  6. 6. Dezember 2011
  7. Herrwerth
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 355 Abs. 1, 2, § 305 Abs. 1
  19. Zur Frage, ob die Erteilung einer - objektiv nicht erforderlichen - nachträglichen
  20. Widerrufsbelehrung als Einräumung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts verstanden werden kann.
  21. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2011 - XI ZR 401/10 - OLG Hamm
  22. LG Essen
  23. -2-
  24. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 6. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers sowie die
  26. Richter Dr. Ellenberger, Maihold, Dr. Matthias und Pamp
  27. für Recht erkannt:
  28. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats
  29. des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. September 2010 aufgehoben.
  30. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  31. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. 1
  35. Die Parteien streiten um Rückforderungs- und Feststellungsansprüche
  36. im Hinblick auf ein Darlehen zur Finanzierung der mittelbaren Beteiligung an
  37. einem geschlossenen Immobilienfonds.
  38. 2
  39. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden Ende 1997/Anfang 1998 von einem Vermittler geworben, sich mit einer Anteilssumme von 120.000 DM zuzüglich 5% Agio über einen Treuhänder an der V.
  40. GbR zu beteiligen. Zur Finanzierung des Fondsbeitritts gewährte die Beklagte
  41. -3-
  42. den Eheleuten mit Vertrag vom 30. Dezember 1997/26. Januar 1998 ein Darlehen über einen Nennbetrag von 140.000 DM mit einer Zinsfestschreibung bis
  43. zum 30. Januar 2003. Dem Darlehensvertrag war eine von den Eheleuten gesondert unterzeichnete "Belehrung über gesetzliches Widerrufsrecht" beigefügt.
  44. 3
  45. Nachdem das Darlehen zwischenzeitlich bereits einmal prolongiert worden war, unterbreitete die Beklagte den Eheleuten mit Schreiben vom 16. Januar 2008 unter Hinweis auf die am 30. Januar 2008 auslaufende vertraglich
  46. vereinbarte Zinsbindungsfrist ein Angebot zur Prolongation des Darlehens
  47. ("Angebot 1 zur Prolongation"), wobei sie alternativ den Abschluss einer zusätzlichen Zahlungsausfallversicherung anbot ("Angebot 2 zur Prolongation"). Dem
  48. Schreiben waren zwei Widerrufsbelehrungen beigefügt, die als "Widerrufsbelehrung" bzw. als "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" bezeichnet waren und dieselbe Darlehensvertragsnummer enthielten. Die "Widerrufsbelehrung" trug zusätzlich die Bezeichnung "Anlage zur Prolongation". Die "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" lautet auszugsweise wie folgt:
  49. "Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb eines Monats ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen.
  50. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
  51. - eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung und
  52. - die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags
  53. zur Verfügung gestellt wurde."
  54. 4
  55. In dem Anschreiben der Beklagten vom 16. Januar 2008 heißt es unter
  56. anderem:
  57. "Unterzeichnen Sie bitte das von Ihnen gewählte Prolongationsangebot
  58. … sowie die angeheftete Widerrufsbelehrung an den jeweils hierfür
  59. -4-
  60. vorgesehenen Stellen und senden Sie es uns bis spätestens zum
  61. 15.02.2008 zurück.
  62. Losgelöst hiervon, erhalten Sie in der Anlage die Widerrufsbelehrung zu
  63. Ihrer ursprünglichen Vertragserklärung, verbunden mit der Bitte, diese
  64. zur Kenntnis zu nehmen und zu Ihren Akten zu nehmen.
  65. Beabsichtigen Sie keines unserer Angebote anzunehmen, so ist das
  66. von Ihnen in Anspruch genommene Darlehen zurückzubezahlen. Den
  67. unter der Position "Darlehensstand per 30.01.2008" ausgewiesenen
  68. Betrag überweisen Sie bitte bis spätestens zum 30.01.2008 auf das
  69. oben genannte Darlehenskonto.
  70. In der Hoffnung auf eine weiterhin angenehme Geschäftsverbindung
  71. verbleiben wir…"
  72. 5
  73. Die Eheleute nahmen keines der beiden Prolongationsangebote an, sondern erklärten mit Anwaltsschreiben vom 6. Februar 2008 gegenüber der Beklagten den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung.
  74. 6
  75. Mit ihrer aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes
  76. erhobenen Klage hat die Klägerin zuletzt in der Hauptsache die Verurteilung der
  77. Beklagten zur Zahlung von 37.707,28 € (48.846,86 € seit Vertragsabschluss
  78. geleistete Zinsraten abzüglich 11.139,28 € erhaltene Fondsausschüttungen)
  79. nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte an dem Fondsanteil beantragt, des Weiteren die Feststellung, dass keine Rückzahlungsansprüche der
  80. Beklagten aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag bestehen und die
  81. Beklagte auch zum Ersatz des weiteren Vermögensschadens im Zusammenhang mit Erwerb und Finanzierung des Gesellschaftsanteils verpflichtet ist, sowie schließlich die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten in Bezug
  82. -5-
  83. auf die Abtretung der Rechte am Gesellschaftsanteil. Hilfsweise hat sie die
  84. Neuberechnung der geleisteten Teilzahlungen mit einem Zinssatz von 4% nebst
  85. Erstattung der überzahlten Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass sie und
  86. ihr Ehemann aus dem Darlehensvertrag anstelle der vertraglich vereinbarten
  87. Zinsen lediglich solche in Höhe von 4% schulden. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klageforderungen fänden ihre Grundlage sowohl in dem Widerruf der
  88. Darlehensvertragserklärungen der Eheleute als auch in Schadensersatzansprüchen wegen einer arglistigen Täuschung durch den Anlageberater, die der
  89. Beklagten, die mit den Fondsinitiatoren institutionalisiert zusammengearbeitet
  90. habe, nach den Grundsätzen des verbundenen Geschäfts zuzurechnen sei.
  91. 7
  92. Das Landgericht hat der Klage nach den zuletzt gestellten Hauptanträgen - mit Ausnahme des auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich des weiteren Vermögensschadens gerichteten Antrags, den es für unzulässig erachtet
  93. hat - stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das
  94. Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung.
  95. Entscheidungsgründe:
  96. 8
  97. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  98. -6-
  99. I.
  100. 9
  101. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  102. 10
  103. Die Eheleute hätten durch die Widerrufserklärung vom 6. Februar 2008
  104. wirksam von einem vertraglichen Widerrufsrecht Gebrauch gemacht. Die Beklagte habe ihnen durch die Übersendung der Widerrufsbelehrung mit Schreiben vom 16. Januar 2008 die Vereinbarung eines Widerrufsrechts angeboten.
  105. In der Ausübung des Widerrufs liege die Annahmeerklärung.
  106. 11
  107. Das Begleitschreiben der Beklagten vom 16. Januar 2008 enthalte, abgesehen von dem Hinweis, dass die Übersendung der Belehrung "losgelöst"
  108. vom Prolongationsangebot erfolge, keinerlei Erläuterung in Bezug auf die "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung". Die Widerrufsbelehrung sei als
  109. empfangsbedürftige Willenserklärung so auszulegen, wie sie die Eheleute als
  110. Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte hätten verstehen müssen. Entscheidend sei dabei nicht der Wille des
  111. Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive
  112. Erklärungswert seines Verhaltens. Weder in der "Widerrufsbelehrung zu Ihrer
  113. Vertragserklärung" noch im Begleitschreiben werde die Widerrufsbelehrung als
  114. "Nachbelehrung" bezeichnet oder würden Umstände bzw. Bedingungen benannt, bei deren Vorliegen die Widerrufsbelehrung Gültigkeit haben solle. Die
  115. Beklagte habe auch nicht etwa ausgeführt, dass die Übersendung der neuerlichen Belehrung aufgrund bei ihr entstandener Zweifel an der Wirksamkeit der
  116. Erstbelehrung erfolge. Davon, dass die neue Belehrung "vorsorglich" oder "fürsorglich" erfolge, sei keine Rede. Die Widerrufsbelehrung sei vielmehr einschränkungslos dahin formuliert, dass die Eheleute ihre Vertragserklärung ohne
  117. Angabe von Gründen widerrufen könnten. Insgesamt verhalte die Belehrung
  118. -7-
  119. sich allein zu den Modalitäten der Ausübung des Widerrufsrechts ohne die Widerruflichkeit als solche einzuschränken.
  120. 12
  121. Weder sei erkennbar, dass die Eheleute tatsächlich gewusst hätten, dass
  122. allgemein oder bei der Beklagten rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit
  123. der ursprünglich verwendeten Widerrufsbelehrung aufgekommen waren, noch
  124. sei ersichtlich, dass die Beklagte Anlass gehabt habe, bei der Klägerin und ihrem Ehemann eine solche Kenntnis anzunehmen oder die Beklagte überhaupt
  125. von einer derartigen Kenntnis ausgegangen sei. Die Eheleute hätten keinen
  126. Anlass zu der Annahme gehabt, die Widerrufsbelehrung solle nur vorsorglich
  127. erfolgen, während der Beklagten eine entsprechende Klarstellung ohne Weiteres möglich gewesen sei. Nur im Falle einer solchen - hier jedoch fehlenden Klarstellung, dass die neue Widerrufsbelehrung lediglich gelten solle, sofern
  128. zum einen die alte Belehrung unwirksam sei und zum anderen bei Abschluss
  129. des Darlehensvertrages eine kausale Haustürsituation vorgelegen habe, könne
  130. eine Unmissverständlichkeit der Erklärung aus der Sicht eines unbefangenen
  131. Verbrauchers vorliegen, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung sie fordere.
  132. Daher hätten die Eheleute davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte ihnen ein
  133. von weiteren Voraussetzungen unabhängiges Widerrufsrecht habe einräumen
  134. wollen.
  135. 13
  136. Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Klägerin und ihr
  137. Ehemann hätten nicht annehmen dürfen, ihnen solle ein Verzicht der Bank auf
  138. deren darlehensvertragliche Rechte angeboten werden. Weder die Widerrufsbelehrung noch das Begleitschreiben enthielten Hinweise darauf, dass der Sache nach ein solches Angebot unterbreitet werden solle. Vielmehr hätten die
  139. Eheleute nach der Belehrung über die Widerrufsfolgen davon ausgehen können, dass sie innerhalb von 30 Tagen empfangene Leistungen zurück zu gewähren und Zinsen als gezogene Nutzungen herauszugeben hätten. Für den
  140. -8-
  141. Fall eines verbundenen Geschäfts, zu dessen Vorliegen die Belehrung keine
  142. Angaben enthalte, werde allein darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch an
  143. den anderen Vertrag nicht gebunden sei.
  144. II.
  145. 14
  146. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin
  147. und ihr Ehemann können den am 6. Februar 2008 erklärten Widerruf ihrer auf
  148. den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mit
  149. Erfolg auf ein vertragliches Widerrufsrecht stützen. Ein solches Recht der Eheleute haben die Parteien nicht vereinbart. Der Abschluss einer derartigen Vereinbarung ist den Eheleuten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
  150. insbesondere nicht mit dem Schreiben der Beklagten vom 16. Januar 2008
  151. nebst beigefügter "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" angeboten
  152. worden.
  153. 15
  154. 1. Allerdings kann nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und
  155. Schrifttum ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen bestehen, sondern
  156. grundsätzlich auch im Vereinbarungswege festgelegt werden. Danach können
  157. Vertragspartner - als Ausprägung der Vertragsfreiheit - ein Widerrufsrecht vertraglich vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung sowie die Rechtsfolgen
  158. auf die §§ 355, 357 BGB verweisen (vgl. Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb.
  159. 2004, § 355 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., Vor § 355 Rn. 5; Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 2. Aufl., § 355 Rn. 4; AnwK-BGB/Ring, § 355 Rn. 26;
  160. Godefroid, Verbraucherkreditverträge, 3. Aufl. Rn. 487; zur vertraglichen Vereinbarung einer Verlängerung der Widerrufsfrist vgl. Senatsurteil vom
  161. 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 16 f.).
  162. -9-
  163. 16
  164. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 15. Oktober 1980 (VIII ZR
  165. 192/79, WM 1980, 1386, 1387, insoweit in BGHZ 78, 248 nicht abgedruckt) offen gelassen, ob die bei unklarer Rechtslage in einen (Bierlieferungs-)Vertrag
  166. aufgenommene "Belehrung über das Widerrufsrecht" als Vereinbarung eines
  167. vertraglichen Widerrufsrechts auszulegen ist. In einem weiteren Urteil vom
  168. 30. Juni 1982 (VIII ZR 115/81, WM 1982, 1027) hat er angenommen, aus dem
  169. in einem auf Bargeschäfte zugeschnittenen Formularvertrag enthaltenen Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit nach dem Abzahlungsgesetz ergebe sich für
  170. den Kunden ein vertragliches Rücktrittsrecht. Aus dieser Entscheidung wird im
  171. Schrifttum gefolgert, durch die Erteilung einer Widerrufsbelehrung an den Vertragspartner, dem nach den gesetzlichen Regelungen mangels Erfüllung der
  172. persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen kein Widerrufsrecht zustehe, werde im Zweifel ein vertragliches Widerrufsrecht begründet (MünchKommBGB/Masuch, 5. Aufl., § 355 Rn. 58; vgl. auch Ebnet, NJW 2011, 1029,
  173. 1030 f.; einschränkend OLG Hamburg, Urteil vom 19. Juni 2009 - 11 U 210/06,
  174. juris Rn. 121; aA Münscher, WuB I E 1.-5.03; Corzelius, EWiR 2009, 243, 244).
  175. 17
  176. Ob immer dann, wenn ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, aus
  177. der Erteilung einer Widerrufsbelehrung auf die Einräumung eines vertraglichen
  178. Widerrufsrechts geschlossen werden kann, erscheint allerdings nicht zweifelsfrei. Dies hätte nämlich zur Folge, dass es auf die Voraussetzungen des gesetzlichen Widerrufsrechts nicht mehr ankäme und die betreffenden Vorschriften
  179. letztlich leer liefen. Ein solches Ergebnis dürfte mit Blick auf die gesetzlichen
  180. Regelungen des Widerrufsrechts, die an bestimmte tatbestandliche Merkmale
  181. anknüpfen, zumindest Bedenken begegnen.
  182. 18
  183. 2. Im Streitfall bedürfen diese Zweifel keiner abschließenden Klärung,
  184. weil es sich vorliegend ohnehin nicht um die erstmalige Erteilung einer Widerrufsbelehrung handelt. Vielmehr enthielt bereits der Darlehensvertrag zwischen
  185. - 10 -
  186. den Eheleuten und der Beklagten vom 30. Dezember 1997/26. Januar 1998
  187. eine Widerrufsbelehrung ("Belehrung über gesetzliches Widerrufsrecht"), zu
  188. deren Wirksamkeit die Parteien in den Vorinstanzen entgegengesetzte Standpunkte eingenommen haben.
  189. 19
  190. a) Ob die Erteilung einer - objektiv nicht erforderlichen - nachträglichen
  191. Widerrufsbelehrung als Einräumung eines voraussetzungslosen vertraglichen
  192. Widerrufsrechts verstanden werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur
  193. ebenfalls umstritten. Im Schrifttum wird teilweise angenommen, für die nachträgliche Belehrung könne insoweit nichts anderes gelten als für die Erstbelehrung (Maier, VuR 2011, 225, 226; im Ergebnis ebenso Lindner, EWiR 2011, 43,
  194. 44; differenzierend hingegen Ebnet, NJW 2011, 1029, 1031). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sind mit dem hier streitgegenständlichen Anschreiben nebst Widerrufsbelehrung übereinstimmende nachträgliche Belehrungen
  195. der Beklagten zum Teil als Angebote auf Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts angesehen worden (OLG Dresden, Urteil vom 28. Mai 2009 - 8 U
  196. 1530/08, juris Rn. 27 f.), zum Teil ist eine solche Auslegung abgelehnt worden
  197. (OLG Nürnberg, WM 2011, 114 ff.). Das OLG München (WM 2003, 1324,
  198. 1326 f.) hat in der von einer Bank aus Unsicherheit über die Rechtslage nachträglich erteilten Erstbelehrung über ein - objektiv nicht bestehendes - Widerrufsrecht keine Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts gesehen (zustimmend Godefroid, Verbraucherkreditverträge, 3. Aufl., Rn. 486 f.; Ebnet,
  199. NJW 2011, 1029, 1031; Münscher, WuB I E 1.-5.03).
  200. 20
  201. b) Unter welchen Voraussetzungen ein vertragliches Widerrufsrecht gegebenenfalls auch nachträglich vereinbart werden kann, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls das Begleitschreiben der
  202. Beklagten vom 16. Januar 2008 nebst der beigefügten "Widerrufsbelehrung zu
  203. Ihrer Vertragserklärung" stellt sich bei der gebotenen objektiven Auslegung
  204. - 11 -
  205. nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen
  206. Widerrufsrechts dar.
  207. 21
  208. aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das seiner rechtlichen Bewertung die Grundsätze über den durch normative Auslegung zu ermittelnden objektiven Erklärungswert von Individualerklärungen zugrunde gelegt
  209. hat, bestimmt sich der Auslegungsmaßstab allerdings vorliegend nicht nach den
  210. allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB. Maßgebend ist vielmehr der für die
  211. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltende Grundsatz der objektiven Auslegung. Auch nach diesem Maßstab erweist sich das vom Berufungsgericht gefundene Auslegungsergebnis jedoch als unzutreffend.
  212. 22
  213. (1) Vorformulierte Widerrufsbelehrungen der in Rede stehenden Art sind
  214. nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 16; Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2009 - XI ZR 141/09, juris Rn. 13; s. auch schon BGH, Urteil vom
  215. 30. Juni 1982 - VIII ZR 115/81, WM 1982, 1027) Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 BGB (früher § 1 AGBG). Bestandteil der Widerrufsbelehrung ist vorliegend zudem, wie der erkennende Senat für ein insoweit gleichlautendes Anschreiben der Beklagten nebst identischer Widerrufsbelehrung entschieden hat (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM
  216. 2011, 655 Rn. 16), der den Bezug zu der ursprünglichen Vertragserklärung
  217. herstellende Passus des Begleitschreibens ("Losgelöst hiervon, erhalten Sie in
  218. der Anlage die Widerrufsbelehrung zu Ihrer ursprünglichen Vertragserklärung,
  219. verbunden mit der Bitte, diese zur Kenntnis zu nehmen und zu Ihren Akten zu
  220. nehmen.").
  221. 23
  222. (2) Nach ständiger Rechtsprechung gilt im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Grundsatz der objektiven Auslegung. Da-
  223. - 12 -
  224. nach sind diese ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern
  225. unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise
  226. verstanden werden. Außer Betracht zu bleiben haben dabei Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht
  227. ernstlich in Erwägung zu ziehen sind. Nur wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmethoden Zweifel verbleiben und mindestens
  228. zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB (früher § 5 AGBG) zur Anwendung (BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09, BGHZ 185, 310 Rn. 14 und Senatsurteil
  229. vom 7. Dezember 2010 - XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 Rn. 29, jeweils mwN).
  230. 24
  231. bb) Im Streitfall ist das Begleitschreiben der Beklagten vom 16. Januar
  232. 2008 nebst der beigefügten "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung"
  233. aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden nicht als Angebot
  234. auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu
  235. verstehen. Diese Auslegung kann der erkennende Senat, dem die über den
  236. Bezirk eines Berufungsgerichts hinausgehende Verwendung der jeweils gleichlautenden Texte von Anschreiben bzw. Widerrufsbelehrung durch die Beklagte
  237. aus mehreren Verfahren bekannt ist, selbst vornehmen (Senatsurteil vom
  238. 7. Dezember 2010 - XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 Rn. 29 mwN).
  239. 25
  240. (1) Allerdings genügte das Schreiben der Beklagten vom 16. Januar
  241. 2008 an die Eheleute nebst der beigefügten "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" - wie der erkennende Senat mit Beschluss vom 15. Februar
  242. 2011 (XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rn. 13 ff.) für ein gleichlautendes Anschreiben der Beklagten mit identischer Widerrufsbelehrung entschieden hat nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Nachbelehrung i.S.v. § 355
  243. - 13 -
  244. Abs. 2 Satz 1 BGB. Zum einen ist das von der Beklagten für die Widerrufsbelehrung verwendete Belehrungsformular aufgrund seiner missverständlichen
  245. Fassung objektiv geeignet, den Verbraucher - hier die Klägerin und ihren Ehemann - über den Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig zu informieren (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rn. 13 unter
  246. Hinweis auf das Senatsurteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123
  247. Rn. 14 ff.). Zum anderen wird die Textstelle des Begleitschreibens der Beklagten, die überhaupt erst den Bezug zur ursprünglichen Vertragserklärung der
  248. Darlehensnehmer herstellt ("Losgelöst hiervon …"), dem Deutlichkeitsgebot des
  249. § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gerecht, weil sie weder drucktechnisch deutlich
  250. gestaltet noch ihr unmissverständlich zu entnehmen ist, dass der Kunde seine
  251. ursprüngliche Vertragserklärung - noch - widerrufen kann (Senatsbeschluss
  252. vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rn. 14 - 16).
  253. 26
  254. Daraus, dass die betreffende Formulierung des Begleitschreibens nebst
  255. dem Text der Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen an eine
  256. Nachbelehrung über ein etwa ursprünglich bestehendes Widerrufsrecht nicht
  257. genügt, folgt indes nicht, dass umgekehrt die als solche unzureichende Nachbelehrung aus der Sicht eines juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittskunden sich sogar als Einräumung eines neuen, eigenständigen Widerrufsrechts
  258. hinsichtlich seiner ursprünglichen Vertragserklärung darstellt. Das verkennt das
  259. Berufungsgericht, das sein Auslegungsergebnis im Wesentlichen nur damit begründet hat, weder das Begleitschreiben der Beklagten vom 16. Januar 2008
  260. noch die beigefügte "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" seien als
  261. "Nachbelehrung" bezeichnet bzw. enthielten eine entsprechende Erläuterung
  262. oder Klarstellung. Hierdurch allein wird indes der maßgebliche Auslegungsstoff
  263. nicht ausgeschöpft.
  264. - 14 -
  265. 27
  266. (2) Zwar besteht nach dem Wortlaut der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung ein an keine weiteren Voraussetzungen geknüpftes Recht zum
  267. Widerruf innerhalb eines Monats und beginnt der Lauf dieser Frist einen Tag
  268. nach Zurverfügungstellung "dieser" Widerrufsbelehrung. Indes wurde nach der
  269. ausdrücklichen Formulierung im Begleitschreiben die Widerrufsbelehrung dem
  270. Kunden lediglich mit der Bitte übersandt, sie "zur Kenntnis zu nehmen", was die
  271. Einordnung dieses Vorgangs als Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung
  272. jedenfalls nicht nahelegt. Die Frage nach dem zutreffenden Verständnis der
  273. Widerrufsbelehrung sowie des Anschreibens der Beklagten vom 16. Januar
  274. 2008 aus objektiver Kundensicht kann aber ohnehin nicht mit Blick allein auf
  275. den Wortlaut dieser Erklärungen, sondern nur unter Berücksichtigung des Vertragsverhältnisses der Parteien insgesamt beantwortet werden. Denn nur in
  276. diesem Rahmen hat die Beklagte die fragliche Belehrung erteilt und wollte sie
  277. diese - auch aus Sicht des Darlehensnehmers - erteilen.
  278. 28
  279. (a) Hinsichtlich des Darlehensvertrags der Parteien aber hatte die Beklagte den Eheleuten schon bei Vertragsabschluss am 30. Dezember 1997/
  280. 26. Januar 1998 eine Widerrufsbelehrung erteilt. Insoweit unterscheidet der
  281. Streitfall sich grundlegend von dem Sachverhalt, der dem Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 30. Juni 1982 (VIII ZR 115/81, WM 1982,
  282. 1027) zugrunde lag. Die dort vorgenommene Auslegung hatte eine Erstbelehrung der Kundin zum Gegenstand. Vorliegend indes wurde das Vertragsverhältnis zu dem Zeitpunkt, als die Eheleute mit dem Begleitschreiben der Beklagten vom 16. Januar 2008 die diesem beigefügte Widerrufserklärung erhielten,
  283. von den Parteien bereits seit nahezu zehn Jahren vollzogen. Irgendein tatsächlicher Anhaltspunkt, der aus objektiver Sicht eines Darlehensnehmers die Annahme hätte begründen können, die darlehensgebende Bank wolle ihm derart
  284. lange Zeit nach dem Vertragsschluss aus freien Stücken und ohne jeden äußeren Anlass, also gewissermaßen "aus heiterem Himmel", ein neues
  285. - 15 -
  286. - selbständiges - Recht einräumen, sich nunmehr voraussetzungslos aus dem
  287. laufenden Vertragsverhältnis zu lösen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein solches Verhalten wäre unter den - selbst dem unbefangenen
  288. Durchschnittskunden geläufigen - Gepflogenheiten des Wirtschaftslebens auch
  289. derart außergewöhnlich, dass auf einen entsprechenden Vertragswillen des
  290. anderen Teils regelmäßig nicht ohne weiteres, sondern nur beim Vorliegen besonderer, eine solche Annahme rechtfertigender Umstände geschlossen werden kann, an denen es hier jedoch fehlt.
  291. 29
  292. (b) Für den Streitfall gilt dies umso mehr, als die streitige nachträgliche
  293. Widerrufsbelehrung der Beklagten ausdrücklich mit zwei Prolongationsangeboten in Bezug auf den Darlehensvertrag verbunden war. Zwar erfolgte die Zurverfügungstellung der Widerrufsbelehrung zur ursprünglichen Vertragserklärung
  294. nach dem Anschreiben vom 16. Januar 2008 "losgelöst" von diesen Angeboten.
  295. Es war den Eheleuten als Darlehensnehmern zudem unbenommen, keines dieser Angebote anzunehmen, mit der Folge, dass das Vertragsverhältnis der Parteien dann gleichfalls - jedoch unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen sein Ende gefunden hätte. Den Prolongationsangeboten war aber gleichwohl
  296. auch aus Laiensicht unzweifelhaft der ausdrückliche Wunsch der Beklagten zu
  297. entnehmen, den Darlehensvertrag mit den Eheleuten gerade nicht zu beenden,
  298. sondern vielmehr fortzusetzen. Weshalb die Beklagte ihren Darlehensnehmern
  299. gewissermaßen "im selben Atemzug" einerseits die Vertragsfortsetzung hätte
  300. anbieten und ihnen andererseits das Recht hätte einräumen sollen, sich durch
  301. Widerruf ihrer Vertragserklärungen voraussetzungslos vom Vertrag zu lösen, ist
  302. daher nicht erkennbar. Auch aus der Sicht eines rechtsunkundigen Kunden sowie unter Berücksichtigung seines allgemeinen Erfahrungswissens bei der Abwicklung geschlossener Verträge ergibt ein solches Verhalten des Darlehensgebers letztlich keinen Sinn.
  303. - 16 -
  304. 30
  305. (c) Darüber hinaus läuft die Rechtswirkung, die das Berufungsgericht
  306. dem Anschreiben vom 16. Januar 2008 nebst beigefügter "Widerrufsbelehrung
  307. zu Ihrer Vertragserklärung" in Gestalt der Auslegung als Angebot auf Einräumung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts beigemessen
  308. hat, auf eine Erweiterung der Rechtsstellung der Eheleute hinaus. Dass nämlich
  309. schon die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag vom 30. Dezember 1997/
  310. 26. Januar 1998 ein voraussetzungsloses (vertragliches) Widerrufsrecht zum
  311. Gegenstand gehabt hätte, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Hiergegen
  312. spricht auch der Umstand, dass die dortige Widerrufsbelehrung ausdrücklich
  313. auf ein "gesetzliches Widerrufsrecht" bezogen war. Weshalb aber die Beklagte
  314. den Eheleuten fast zehn Jahre nach Vertragsschluss sogar ein über deren ursprüngliche Rechtsstellung hinausgehendes freies Widerrufsrecht hätte einräumen sollen, ist erst recht nicht ersichtlich. Die Annahme eines solchen Vertragswillens des Darlehensgebers liegt - ohne diesbezügliche Anhaltspunkte,
  315. die hier nicht erkennbar sind - auch aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Darlehensnehmers fern.
  316. 31
  317. (d) Selbst vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus ergibt sich im
  318. Streitfall aus - im angefochtenen Urteil unberücksichtigt gebliebenem - unstreitigem Parteivorbringen, dass die Eheleute das Anschreiben der Beklagten vom
  319. 16. Januar 2008 nebst beigefügter "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" seinerzeit auch tatsächlich gar nicht als Angebot auf Einräumung eines
  320. vertraglichen Widerrufsrechts verstanden und sie mit dem Anwaltsschreiben
  321. vom 6. Februar 2008 ein solches - vertragliches - Widerrufsrecht nicht ausgeübt
  322. haben. Bereits die (neben Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Anlageberatung) ausdrücklich nur auf "Rückabwicklungsansprüche wegen eines
  323. etwaigen Haustürwiderrufes" bezogene Abtretungsvereinbarung der Eheleute
  324. vom 5. Februar 2008 zeigt, dass die Klägerin und ihr Ehemann nicht davon
  325. ausgingen, durch das ihnen knapp drei Wochen zuvor zugesandte Schreiben
  326. - 17 -
  327. der Beklagten vom 16. Januar 2008 nebst Widerrufserklärung sei ihnen die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts angeboten worden. In der Klageschrift vom 25. Juni 2008 hat die Klägerin zudem selbst vorgetragen, die Beklagte habe mit Schreiben vom 16. Januar 2008 eine "Nachbelehrung zum ursprünglichen Darlehensvertrag" übersandt. Hierdurch habe der Versuch unternommen werden sollen, in den Fällen, in denen die ursprüngliche Widerrufsbelehrung unwirksam gewesen sei, eine "neue Belehrung hinterher zu senden".
  328. Mit dem durch das Schreiben vom 6. Februar 2008 ausgesprochenen "Widerruf
  329. des Darlehensvertrages gemäß HaustürWG" sei dieser Vertrag endgültig nichtig. Die Klägerin ist also noch bei der Klageerhebung davon ausgegangen, ihr
  330. sowie ihrem Ehemann stehe lediglich ein gesetzliches Widerrufsrecht aufgrund
  331. einer Haustürsituation zu. Erstmals in einem späteren erstinstanzlichen Schriftsatz hat die Klägerin sodann unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landgerichts E.
  332. die Ansicht vertreten, den Eheleuten sei ein vertragliches Wider-
  333. rufsrecht unabhängig von einer Haustürsituation eingeräumt worden.
  334. 32
  335. (e) Bei dieser Sachlage kommt eine Auslegung des Anschreibens der
  336. Beklagten vom 16. Januar 2008 nebst beigefügter "Widerrufsbelehrung zu Ihrer
  337. Vertragserklärung" als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen
  338. vertraglichen Widerrufsrechts nicht in Betracht. Insbesondere ist auch für eine
  339. Anwendung der Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 BGB; früher § 5 AGBG)
  340. kein Raum.
  341. 33
  342. d) Soweit im Schrifttum (Lindner, EWiR 2011, 43, 44) in Bezug auf die
  343. - den Gegenstand des parallel gelagerten Revisionsverfahrens XI ZR 442/10
  344. bildende - Entscheidung des OLG Nürnberg, WM 2011, 114, die Ansicht vertreten worden ist, der Bundesgerichtshof werde eine vorsorglich erteilte Widerrufsbelehrung ohne bestehendes Widerrufsrecht "schwerlich sanktionslos" lassen, ist der Hinweis veranlasst, dass eine wie hier dem Deutlichkeitsgebot nach
  345. - 18 -
  346. § 355 Abs. 2, § 360 Abs. 1 BGB nicht genügende nachträgliche Widerrufsbelehrung schon deshalb nicht sanktionslos bleibt, weil sie die Widerrufsfrist eines
  347. - etwaigen - gesetzlichen Widerrufsrechts nicht im Nachhinein in Gang zu setzen vermag. Stand dem Darlehensnehmer ohnehin kein gesetzliches Widerrufsrecht zu bzw. kann er dessen tatbestandliche Voraussetzungen nicht hinreichend darlegen, ist erst recht nicht ersichtlich, weshalb eine in diesem Falle von
  348. vornherein ins Leere gehende, vom Vertragspartner möglicherweise nur vorsorglich erteilte, "Nachbelehrung" zu der noch weitergehenden Sanktion eines
  349. sogar voraussetzungslosen Widerrufsrechts führen sollte.
  350. III.
  351. 34
  352. Das Berufungsurteil ist nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die
  353. Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
  354. zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache
  355. selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht dazu, ob der streitgegenständliche Darlehensvertrag - wie von der Klägerin behauptet - in einer Haustürsituation angebahnt wurde und ob die Eheleute ein ihnen etwa deshalb zustehendes
  356. Widerrufsrecht
  357. fristgerecht
  358. ausgeübt
  359. haben,
  360. sowie
  361. zu
  362. den
  363. von
  364. der
  365. - 19 -
  366. Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Schadensersatzansprüchen, aus
  367. seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen getroffen hat. Die Sache ist daher
  368. nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1 ZPO).
  369. Wiechers
  370. Ellenberger
  371. Matthias
  372. Maihold
  373. Pamp
  374. Vorinstanzen:
  375. LG Essen, Entscheidung vom 09.07.2009 - 6 O 260/08 OLG Hamm, Entscheidung vom 27.09.2010 - I-31 U 125/09 -