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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 394/08
  5. Verkündet am:
  6. 12. Oktober 2010
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 826 C, § 830
  19. Zur vorsätzlichen Beteiligung eines ausländischen Brokers an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Kapitalanlegern durch einen inländischen Terminoptionsvermittler, wenn der ausländische Broker von dem Geschäftsmodell des inländischen Vermittlers, das in der Gebührenstruktur zum Ausdruck kommt, positive
  20. Kenntnis hat.
  21. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08 - OLG Düsseldorf
  22. LG Düsseldorf
  23. -2-
  24. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 12. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
  26. Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
  27. Dr. Matthias
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des
  30. Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 2008 wird auf Kosten
  31. der Beklagten zurückgewiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. 1
  35. Der Kläger, ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von der
  36. Beklagten, einem britischen Brokerunternehmen mit Sitz in London, Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Börsentermin- und Optionsgeschäften.
  37. 2
  38. Die der englischen Finanzaufsicht unterliegende Beklagte bietet neben
  39. institutionellen Kunden auch Privatkunden ihre Execution- und Clearingdienste
  40. für den Handel mit Derivaten an. Privatkunden können über Vermittler Handelsaufträge einreichen, die von der Beklagten abgewickelt werden.
  41. 3
  42. Einer dieser Vermittler war W.
  43. , D.
  44. (im Folgenden: W.), der
  45. bis zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit über eine deutsche aufsichtsrecht-
  46. -3-
  47. liche Erlaubnis als selbständiger Finanzdienstleister verfügte. Der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. lag ein als "Introducing Broker Agreement" bezeichnetes Abkommen vom 12. Juli 2001 zugrunde, das nach seiner
  48. Präambel den Zweck verfolgte, ein einträgliches Brokergeschäft aufzubauen.
  49. Die Beklagte hatte W. jede erdenkliche Unterstützung bei der Entwicklung des
  50. Geschäfts zu geben, für die von W. geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und die in Auftrag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. W. war verpflichtet, größtmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um der Beklagten
  51. Kunden zuzuführen. Dabei hatte er aufsichts- und privatrechtliche Pflichten einzuhalten. Nach Nr. 5 (a) des Abkommens in Verbindung mit Anhang A sollte die
  52. Beklagte die Kundenkonten mit einer Broker-Kommission in einer zwischen ihr
  53. und W. auszuhandelnden Höhe belasten und dem Kommissionskonto des W.
  54. als Vergütung die Nettokommissionen für alle Transaktionen gutschreiben, soweit diese einen Betrag von 25 US-Dollar überstiegen.
  55. 4
  56. Der Kläger schloss am 27./28. Mai 2002 mit W. einen formularmäßigen
  57. Geschäftsbesorgungsvertrag über die Durchführung von Börsentermin- und
  58. Optionsgeschäften. Nach einer Vergütungstabelle, die diesem Vertrag beigefügt
  59. war, schuldete der Kläger für jeden gehandelten Kontrakt W. eine RoundturnProvision von 100 US-Dollar und der Beklagten weitere 20 US-Dollar.
  60. 5
  61. Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages erhielt der Kläger von der Beklagten das Formular "Private Customer Dealing Agreement/Handelsvereinbarung für Privatkunden", das Merkblatt "Wichtige Informationen über die Risiken bei Börsentermingeschäften", jeweils in deutscher und englischer Sprache, und eine deutschsprachige Broschüre über die
  62. Beklagte.
  63. -4-
  64. 6
  65. W. eröffnete zur Durchführung der Geschäfte bei der Beklagten ein Konto für den Kläger. Dieser überwies von seinem in Deutschland geführten Konto
  66. auf das ebenfalls in Deutschland geführte Konto der Beklagten insgesamt
  67. 33.120 €. Die Beklagte führte die von W. vermittelten Optionsgeschäfte aus und
  68. überwies dem Kläger insgesamt 1.957,95 € zurück. Den Differenzbetrag von
  69. 31.162,05 € zuzüglich Zinsen macht dieser mit der Klage geltend.
  70. 7
  71. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr
  72. bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung stattgegeben.
  73. 8
  74. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  75. Entscheidungsgründe:
  76. 9
  77. Die Revision ist unbegründet.
  78. I.
  79. 10
  80. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  81. für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  82. 11
  83. Die Klage sei zulässig und bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung
  84. begründet.
  85. 12
  86. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich, jedenfalls soweit die Klage auf Ansprüche wegen unerlaubter Handlung gestützt wer-
  87. -5-
  88. de, aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Der Handlungsort des der Beklagten zur Last gelegten Delikts befinde sich in Deutschland. Die Beklagte müsse sich die Anwerbung des Klägers durch W. in Deutschland und die hier unterlassene Risikoaufklärung zurechnen lassen.
  89. 13
  90. Die Entscheidung über deliktische Ansprüche richte sich gemäß Art. 40 f.
  91. EGBGB nach deutschem Recht. Gemäß §§ 826, 830 BGB habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz.
  92. 14
  93. W. habe den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Er habe ihm
  94. pflichtwidrig nicht die Kenntnisse vermittelt, die ihn in die Lage versetzt hätten,
  95. den Umfang seines Verlustrisikos und die Verringerung seiner Gewinnchance
  96. durch die Aufschläge auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen.
  97. 15
  98. Die Beklagte habe sich an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung
  99. des Klägers beteiligt; ob dies als Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zu qualifizieren sei, könne dahinstehen. Die objektiven Voraussetzungen gemeinschaftlichen Handelns lägen vor, weil die Beklagte auf vertraglicher Grundlage
  100. dauerhaft mit W. zusammengearbeitet und ihm den Zugang zur Londoner Börse eröffnet habe. Zudem habe sie am wirtschaftlichen Erfolg des sittenwidrigen
  101. Handelns von W. partizipiert.
  102. 16
  103. Die objektive Tatbeteiligung sei zumindest bedingt vorsätzlich erfolgt. Die
  104. Beklagte habe zumindest ihre Augen vor den sich aufdrängenden Bedenken
  105. verschlossen und gewissenlos leichtfertig die von W. vermittelten Aufträge des
  106. Klägers zu dessen Nachteil ausgeführt. Die Gefahr, dass der die Anlageentscheidungen des Klägers steuernde W. seine geschäftliche Überlegenheit gegenüber dem Kläger in sittenwidriger Weise missbrauche, habe für die Beklagte
  107. auf der Hand gelegen, weil sie die extremen Verlustrisiken von Optionsgeschäften mit hohen Gebührenaufschlägen auf die Optionsprämie gekannt habe. Ihr
  108. -6-
  109. habe auch klar sein müssen, dass die ihr bekannten oder zumindest von ihr
  110. bewusst nicht zur Kenntnis genommenen Gebühren, die der Kläger W. geschuldet habe, diesem einen hohen Anreiz geboten hätten, seine geschäftliche
  111. Überlegenheit zu missbrauchen. Dass die Beklagte eigene Schutzmaßnahmen
  112. ergriffen, insbesondere das Vorgehen des W. überprüft habe, sei nicht ersichtlich. Dass keine aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen W. anhängig gewesen
  113. seien, rechtfertige keine Rückschlüsse auf seine Methoden. Die Beklagte habe
  114. als nachgeschaltetes Brokerunternehmen nicht auf eine ordnungsgemäße Aufklärung durch W. vertrauen dürfen. Der Vertrauensgrundsatz gelte nicht zugunsten desjenigen, der vor einer sich aufdrängenden Beteiligung an einer unerlaubten Handlung gewissenlos leichtfertig die Augen verschlossen habe.
  115. 17
  116. Der Anspruch des Klägers sei nicht gemäß § 254 Abs. 1 BGB gemindert.
  117. Das allenfalls fahrlässige, aber nicht grob leichtfertige Verhalten des Klägers
  118. führe gegenüber der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte und S. nicht zu einer Kürzung des Schadensersatzanspruches.
  119. 18
  120. Die Klageforderung sei nicht verjährt. Die Verjährung richte sich gemäß
  121. Art. 229 § 6 Satz 1 EGBGB nach neuem Schuldrecht, da die Forderung erst im
  122. Laufe des Jahres 2002 entstanden sei. Gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beginne die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Kläger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Eine Kenntnis des Klägers von diesen
  123. Umständen bereits im Jahr 2002, die für den Ablauf der Verjährungsfrist vor der
  124. im März 2003 (richtig: 2006) erfolgten Zustellung der Klage erforderlich gewesen wäre, habe die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Ihre Vermutungen über den nicht näher eingegrenzten Zeitpunkt der Kenntnis des Klägers bewegten sich im Bereich der Spekulation.
  125. -7-
  126. II.
  127. 19
  128. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die
  129. Revision zurückzuweisen ist.
  130. 20
  131. 1. Das Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Es hat die - auch im Revisionsverfahren von
  132. Amts wegen zu prüfende (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; 182, 24, Tz. 9; 184, 365,
  133. Tz. 17; BGH, Urteil vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928, Tz. 8,
  134. jeweils mwN) - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5
  135. Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000
  136. über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
  137. Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar
  138. 2001, S. 1 bis 23, berichtigt in ABl. EG Nr. L 307 vom 24. November 2001,
  139. S. 28; im Folgenden: EuGVVO) zu Recht bejaht.
  140. 21
  141. a) Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die, wie die Beklagte, ihren
  142. Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus
  143. einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Ist der Ort, an
  144. dem das für die Begründung einer Schadensersatzpflicht in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht mit dem Ort identisch, an dem durch dieses
  145. Ereignis ein Schaden entstanden ist, kann der Beklagte nach Wahl des Klägers
  146. sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch
  147. an dem Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) verklagt werden (vgl.
  148. EuGH, Urteile vom 30. November 1976 - Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735, Tz. 24 f.
  149. - Mines de Potasse d'Alsace, vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415,
  150. -8-
  151. Tz. 20 - Shevill, vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719,
  152. Tz. 11 - Marinari, vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 16
  153. - Kronhofer und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 23
  154. - Zuid-Chemie BV). Die Zuständigkeit hängt nicht davon ab, dass tatsächlich
  155. eine unerlaubte Handlung begangen wurde; die schlüssige Behauptung der
  156. erforderlichen Tatsachen durch den Kläger reicht aus. Die Feststellung dieser
  157. Tatsachen ist erst zur Begründetheit der Klage erforderlich (vgl. BGHZ 167, 91,
  158. Tz. 21; BGH, Urteile vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, WM 2008, 479,
  159. Tz. 14 und vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928, Tz. 8, jeweils
  160. mwN).
  161. aa) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass
  162. 22
  163. der Kläger eine Schadenshaftung aus unerlaubter Handlung im Sinne des Art. 5
  164. Nr. 3 EuGVVO geltend macht.
  165. Der verordnungsautonom auszulegende Begriff der unerlaubten Hand-
  166. 23
  167. lung umfasst alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht
  168. wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft.
  169. Der Begriff des "Vertrags" wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber einer
  170. anderen
  171. Person
  172. eingegangene
  173. Verpflichtungen
  174. (EuGH,
  175. Urteile
  176. vom
  177. 17. September 2002 - Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357, Tz. 23 - Tacconi und
  178. vom 20. Januar 2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481, Tz. 50 f. - Engler, jeweils
  179. mwN).
  180. 24
  181. Gemessen hieran bildet eine unerlaubte Handlung den Gegenstand des
  182. vorliegenden Verfahrens. Der Kläger verlangt Ersatz eines Vermögensschadens, den ihm W. durch die Vermittlung von vornherein chancenloser Börsentermingeschäfte vorsätzlich und unter vorsätzlicher Beteiligung der Beklagten
  183. zugefügt haben soll (vgl. BGHZ 184, 365, Tz. 19, 24 ff.). Damit knüpft die Klage
  184. -9-
  185. nicht entscheidend an die zwischen den Parteien geschlossene Handelsvereinbarung an. Die geltend gemachte Teilnehmerhaftung der Beklagten ist nicht
  186. Ausdruck von Schwierigkeiten, die bei der Erfüllung einer aus der Handelsvereinbarung folgenden Verpflichtung auftreten können (vgl. hierzu Generalanwalt
  187. Darmon, Schlussanträge vom 15. Juni 1988 in der Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565,
  188. 5573, Tz. 30 - Kalfelis). Die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der
  189. Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des
  190. W. in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich beteiligt hat, stehen vielmehr im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten und des W., ihrer
  191. Geschäftsbeziehung und dem zwischen ihnen geschlossenen Abkommen, an
  192. dem der Kläger nicht beteiligt war.
  193. 25
  194. bb) Bei der Auslegung des somit anwendbaren Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist
  195. dessen Regelungszweck zu berücksichtigen. Die Vorschrift trägt nach der
  196. Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH) zu der nahezu gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 5
  197. Nr. 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
  198. Handelssachen (BGBl. 1972 II, S. 773, 774 ff.; im Folgenden: EuGVÜ) dem
  199. Umstand Rechnung, dass zwischen Streitigkeiten über unerlaubte Handlungen
  200. und den nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständigen Gerichten eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und
  201. sachgerechten Prozessgestaltung eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (vgl. EuGH, Urteile vom 30. November 1976 - Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735,
  202. Tz. 8 ff. - Mines de Potasse d'Alsace, vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg.
  203. 1990, I-49, Tz. 17 - Dumez France und Tracoba, vom 7. März 1995
  204. - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Tz. 19 - Shevill, vom 19. September 1995
  205. - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 10 - Marinari und vom 10. Juni 2004
  206. - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 15 - Kronhofer). Dieser Erwägung, die
  207. - 10 -
  208. auch für die Auslegung der EuGVVO maßgeblich ist (vgl. 19. Erwägungsgrund
  209. zur EuGVVO; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719,
  210. Tz. 18 f. - Zuid-Chemie BV), liegt die Annahme zugrunde, dass das Gericht des
  211. Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, insbesondere wegen
  212. der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage ist, den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 24 - Zuid-Chemie
  213. BV).
  214. 26
  215. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO hat im Rahmen des Zuständigkeitssystems der
  216. EuGVVO Ausnahmecharakter und ist grundsätzlich eng auszulegen. Die
  217. EuGVVO baut auf einer durch Art. 2 Abs. 1 begründeten allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates auf, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, und schließt in Art. 3 Abs. 2 die Anwendung nationaler Bestimmungen
  218. aus, die Gerichtsstände am Wohnsitz des Klägers gegenüber Beklagten begründen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben (vgl.
  219. EuGH, Urteile vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 16
  220. - Dumez France und Tracoba und vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93,
  221. Slg. 1995, I-2719, Tz. 13 - Marinari). Besonderen Zuständigkeitsregelungen wie
  222. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist daher eine enge Auslegung zu geben, die nicht über
  223. die ausdrücklich in der Verordnung vorgesehenen Fälle hinausgeht (EuGH, Urteile vom 27. September 1988 - Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565, Tz. 19 - Kalfelis,
  224. vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 19 - Dumez France
  225. und Tracoba und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 14
  226. - Kronhofer) und insbesondere nicht zur Erstreckung der dem Kläger eröffneten
  227. Wahlmöglichkeiten über die sie rechtfertigenden besonderen Umstände hinaus
  228. führen darf. Andernfalls würde der in Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aufgestellte allgemeine Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen
  229. Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, unterlaufen und im Ergebnis
  230. - 11 -
  231. über die ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinaus die Zuständigkeit der Gerichte
  232. am Klägerwohnsitz anerkannt, der die Verordnung außer in den von ihr ausdrücklich vorgesehenen Fällen ablehnend gegenüber steht (vgl. EuGH, Urteile
  233. vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 13 - Marinari
  234. und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 14 ff. - Kronhofer).
  235. Insbesondere darf die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht zu einer Zuständigkeit führen, die von ungewissen Umständen abhängt und damit einem
  236. der Ziele der Verordnung zuwiderliefe, nämlich den Rechtsschutz der in der
  237. Gemeinschaft ansässigen Personen dadurch zu stärken, dass ein Kläger ohne
  238. Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und
  239. dass für einen verständigen Beklagten erkennbar ist, vor welchem Gericht er
  240. verklagt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02,
  241. Slg. 2004, I-6009, Tz. 20 - Kronhofer mwN).
  242. 27
  243. b) Ob nach diesen Maßstäben der Auffassung des Berufungsgerichts gefolgt werden kann, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte könne
  244. auf den Handlungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gestützt werden, bedarf keiner Entscheidung.
  245. 28
  246. Das Berufungsgericht hat die schädigende Tätigkeit des W. in Deutschland, zu der die Beklagte vorsätzlich Beihilfe geleistet haben soll, der Beklagten
  247. zuständigkeitsrechtlich zugerechnet und so die ständige Rechtsprechung des
  248. erkennenden Senats zu § 32 ZPO (vgl. BGHZ 184, 365, Tz. 19; Senatsurteile
  249. vom 6. Februar 1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 463 und vom
  250. 22. November 1994 - XI ZR 45/91, WM 1995, 100, 102) auf Art. 5 Nr. 3
  251. EuGVVO übertragen.
  252. 29
  253. Die Frage, ob im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes des Art. 5 Nr. 3
  254. EuGVVO bei einer grenzüberschreitenden Beteiligung mehrerer an einer uner-
  255. - 12 -
  256. laubten Handlung für die Bestimmung des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine wechselseitige Handlungsortzurechnung zulässig ist,
  257. ist umstritten (bejahend: Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 221; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl.,
  258. EuGVVO Art. 5 Rn. 22; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., A. 1 Art. 5 Rn. 250; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl.,
  259. EuGVVO Art. 5 Rn. 25; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., EuGVVO Art. 5
  260. Rn. 20; verneinend: LG Mönchengladbach, Urteil vom 5. Februar 2009 - 10 O
  261. 422/07, S. 6 ff.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., EuGVVO Art. 5
  262. Rn. 20a; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel
  263. I-VO Art. 5 Rn. 88c; zweifelnd auch: MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl.,
  264. EuGVO Art. 5 Rn. 62; Wagner/Gess, NJW 2009, 3481, 3484 f.; zu Art. 5 Nr. 3
  265. EuGVÜ: Weller, IPRax 2000, 202, 205 ff.). Diese Frage, die der Senat bereits in
  266. seinen Urteilen vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, Tz. 27 und vom 13. Juli 2010
  267. - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590, Tz. 29 offen gelassen hat, bedarf auch hier keiner Entscheidung.
  268. c) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3
  269. 30
  270. EuGVVO ist nämlich jedenfalls deshalb gegeben, weil der Erfolgsort in
  271. Deutschland liegt. Nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers ist der Vermögensschaden, den er mit der Klage ersetzt verlangt, an dem Guthaben auf seinem bei einem Kreditinstitut in Deutschland geführten Girokonto eingetreten,
  272. von dem er infolge der mit Beihilfe der Beklagten verübten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des W. das angelegte Kapital auf ein Konto der Beklagten
  273. bei einem Kreditinstitut in Deutschland überwiesen hat.
  274. aa) Der Begriff des Erfolgsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wird
  275. 31
  276. aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift in der Rechtsprechung des
  277. EuGH
  278. restriktiv
  279. ausgelegt
  280. (vgl.
  281. EuGH,
  282. Urteile
  283. vom
  284. 11. Januar
  285. 1990
  286. - 13 -
  287. - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 17 - Dumez France und Tracoba und vom
  288. 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 21 - Marinari). Der
  289. Wohnsitz eines Klägers als sein Vermögensmittelpunkt kann nach einer Entscheidung des EuGH zu Gerichtsständen bei Kapitalanlagedelikten (Urteil vom
  290. 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 21 - Kronhofer) nicht bereits deshalb als Erfolgsort angesehen werden, weil dem Kläger durch den Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Mitgliedstaat ein finanzieller
  291. Schaden entstanden ist. Diesem Urteil lag allerdings ein wesentlich anderer
  292. Sachverhalt als im vorliegenden Fall zugrunde, weil dort die unerlaubte Handlung erst nach Überweisung des Anlagekapitals von einem Konto am Wohnsitz
  293. des Anlegers auf ein im Ausland geführtes Konto verübt wurde (vgl. OGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 Ob 40/02i; Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 204 f.).
  294. Der Entscheidung des EuGH ist zu entnehmen, dass unter anderen Umständen
  295. der Erfolgsort durchaus im Wohnsitzstaat des Klägers gelegen sein kann (vgl.
  296. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5
  297. Rn. 24; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel I-VO
  298. Art. 5 Rn. 86b; ferner Blobel, EuLF 2004, 187, 190 f.; Huber, IPRax 2009, 134,
  299. 136 f.).
  300. 32
  301. Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat seinem Vortrag zufolge das Anlagekapital erst als Folge einer unerlaubten Handlung von seinem in Deutschland
  302. geführten Girokonto auf ein Konto der Beklagten bei einem Kreditinstitut in
  303. Deutschland überwiesen, so dass die durch die unerlaubte Handlung verursachte Minderung des Kontoguthabens den für die Bestimmung des Erfolgsortes maßgeblichen Schaden darstellt. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe sich bedingt vorsätzlich zumindest als Gehilfin an einem Geschäftsmodell des W. beteiligt, das darauf angelegt gewesen sei, zur
  304. ausschließlich dem eigenen Vorteil dienenden hohen Gewinnerzielung möglichst viele Geschäfte zu vermitteln, die für den Anleger aufgrund der Gebüh-
  305. - 14 -
  306. renhöhe und -struktur von vornherein chancenlos seien. Bei einem solchen Geschäftsmodell, das von vornherein bewusst darauf abzielt, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und
  307. ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten
  308. zu bereichern (vgl. BGHZ 184, 365, Tz. 26; Senatsurteile vom 2. Februar 1999
  309. - XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541 und vom 22. November 2005 - XI ZR
  310. 76/05, WM 2006, 84, 87), und das auf Seiten des Anlegers einen Kenntnisrückstand voraussetzt, ohne den ein vernünftig denkender Anleger sich auf die
  311. Geldanlage nicht eingelassen hätte, erweist sich bereits die durch den Anleger
  312. veranlasste Überweisung des Anlagekapitals als Deliktserfolg, so dass gerichtsstandsbegründender Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO der Ort
  313. der Minderung des Kontoguthabens ist (Senatsurteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR
  314. 57/08, Tz. 30 und vom 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590, Tz. 32;
  315. vgl. auch Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 205 f.; Mankowski in Magnus/
  316. Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239 f.; ders., RIW 2005, 561, 562;
  317. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5
  318. Rn. 86b; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 24).
  319. 33
  320. Der von der Revision erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene
  321. Einwand, der in der Minderung des Kontoguthabens liegende Schaden werde
  322. dadurch kompensiert, dass der Kläger bis zur Durchführung der einzelnen Optionsgeschäfte einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Anlagekapitals gehabt habe, greift nicht durch. Dem für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit maßgeblichen Sachvortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen ist nicht zu entnehmen, dass dem Kläger ein solcher Anspruch
  323. zustand und werthaltig war, d.h. dass die Beklagte insoweit zahlungswillig war.
  324. Gegen die Realisierbarkeit eines solchen Anspruchs vor Durchführung der einzelnen Optionsgeschäfte spricht, dass nach den rechtsfehlerfreien und von der
  325. Revision innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht angegriffenen Feststel-
  326. - 15 -
  327. lungen des Berufungsgerichts die Anlageentscheidungen des Klägers und damit die Durchführung der einzelnen Optionsgeschäfte von W. gesteuert wurden.
  328. 34
  329. bb) Diese Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO entspricht dem Zuständigkeitssystem der EuGVVO und dem Ausnahmecharakter des Art. 5 Nr. 3
  330. EuGVVO. Sie führt zwar bei Kapitalanlagedelikten der vorliegenden Art in Abweichung von der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO regelmäßig zu einem
  331. Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Anlegers. Dies ist aber aufgrund der - hier
  332. unterstellten - unerlaubten Handlung der Beklagten, die unmittelbar einen Schaden des im Wohnsitzstaat des Klägers belegenen Vermögens verursacht hat,
  333. gerechtfertigt. Das gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständige Gericht hat in Fällen
  334. der vorliegenden Art die erforderliche Nähe zum Streitgegenstand, die für eine
  335. geordnete Rechtspflege und sachgerechte Prozessgestaltung erforderlich ist.
  336. Dies gilt insbesondere für den Gesichtspunkt der Beweisnähe. Soll etwa über
  337. den Inhalt von Gesprächen zwischen Vermittler und Anleger oder über Ausmaß
  338. und Höhe des Schadens Beweis erhoben werden, dürften nicht selten Zeugen
  339. benannt werden, die bei den Gesprächen zwischen Anlagevermittler und Anleger in dessen Wohnsitzstaat zugegen waren (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17,
  340. 21; Kiethe, NJW 1994, 222, 226; Mankowski, RIW 2005, 561, 562).
  341. 35
  342. Auch der Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts
  343. erfordert keine andere Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Für ein Brokerunternehmen, das, wie die Beklagte, mit Vermittlern in anderen Mitgliedstaaten
  344. zusammenarbeitet und sich durch die Ausrichtung seiner gewerblichen Tätigkeit
  345. auf diese Staaten ausländische Märkte erschließt, ist vorhersehbar, dass auf
  346. diese Weise geworbene Anleger durch Überweisung von Anlagegeldern gegebenenfalls selbstschädigende Vermögensverfügungen in ihren Heimatstaaten treffen (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Mankowski in Magnus/
  347. - 16 -
  348. Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239; Muir Watt, Rev. crit.dr.i.pr. 94
  349. [2005], 330, Rn. 10).
  350. 36
  351. cc) Eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist nicht erforderlich. Die richtige Auslegung der
  352. Verordnung ist aus den dargelegten Gründen derart offenkundig, dass für einen
  353. vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. BGHZ 153, 82, 92 f.; Senatsurteil
  354. vom 23. Februar 2010 - XI ZR 186/09, WM 2010, 647, Tz. 35, jeweils mwN).
  355. Dass die Entscheidung, ob finanzielle Verluste eines Anlegers in seinem Heimatstaat eingetreten sind, auch im Rahmen von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO den nationalen Gerichten obliegt, ist in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt (vgl.
  356. EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Tz. 43
  357. - DFDS Torline).
  358. 37
  359. 2. Rechtsfehlerfrei ist auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage im Wesentlichen als begründet angesehen hat.
  360. 38
  361. a) In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht
  362. seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt (vgl. BGHZ 184,
  363. 365, Tz. 29 ff.; Senatsurteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, Tz. 35 und vom
  364. 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590, Tz. 37).
  365. 39
  366. b) Rechtsfehlerfrei ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, W.
  367. habe den Kläger durch die Vermittlung der von vornherein chancenlosen Börsentermin- und Optionsgeschäfte vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.
  368. 40
  369. aa) Ein Vermittler haftet wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
  370. gemäß § 826 BGB, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, für den Anleger chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln.
  371. Einem solchen Vermittler geht es allein darum, hohe Gewinne zu erzielen, in-
  372. - 17 -
  373. dem er möglichst viele Geschäfte realisiert, die für den Anleger aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge chancenlos sind. Sein Geschäftsmodell zielt
  374. damit von vornherein ganz bewusst darauf ab, uninformierte, leichtgläubige
  375. Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres
  376. Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf ihre Kosten zu bereichern (BGHZ 184, 365, Tz. 26 f.).
  377. 41
  378. bb) Diese Haftungsvoraussetzungen sind nach den rechtsfehlerfreien
  379. Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Die von W. verlangten Gebühren
  380. brachten das Chancen-Risiko-Verhältnis danach aus dem Gleichgewicht. Die
  381. dadurch verminderte Gewinnchance musste mit zunehmender Anzahl der Optionsgeschäfte, die W. nach seinem Belieben steigern konnte, weiter abnehmen.
  382. Die an die einzelnen Kontrakte anknüpfende Roundturn-Provision von 100 USDollar sowie die weitere, der Beklagten geschuldete Gebühr von 20 US-Dollar
  383. machten damit selbst für den Fall, dass einzelne Geschäfte Gewinn abwarfen,
  384. für die Gesamtinvestition jede Chance auf positive Ergebnisse äußerst unwahrscheinlich und ließen den weitgehenden Verlust der eingesetzten Mittel so gut
  385. wie sicher erscheinen.
  386. 42
  387. Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision greifen nicht durch. Sie
  388. beschränken sich auf die schlichte Behauptung, die Annahme, dass "sämtliche"
  389. Geschäfte des Klägers vorhersehbar nachteilig sein würden, sei falsch. Davon
  390. ist das Berufungsgericht jedoch nicht ausgegangen. Vielmehr hat es festgestellt, dass jeder Aufschlag auf die Optionsprämie die Gewinnerwartung des
  391. Anlegers verschlechterte, weil ein höherer Kursaufschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig war, um in die Gewinnzone
  392. zu kommen, und dass die geringere Wahrscheinlichkeit, insgesamt einen Gewinn zu erzielen, mit jedem weiteren Optionsgeschäft abnahm. Dass diese
  393. Feststellungen des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft sind, zeigt die Revision
  394. - 18 -
  395. nicht auf. Auf den Abschluss weiterer Geschäfte hatte W. bestimmenden Einfluss, weil er nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
  396. die Anlageentscheidungen des Klägers steuerte.
  397. 43
  398. c) Auch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht eine haftungsrelevante Beteiligung der Beklagten an der durch W. begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 826, 830 BGB) bejaht hat, halten rechtlicher Überprüfung stand.
  399. 44
  400. aa) Die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 830 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Demgemäß verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis
  401. der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als
  402. fremde Tat zu fördern. In objektiver Hinsicht muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert
  403. und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten
  404. festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes
  405. Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem
  406. auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (BGHZ 137, 89,
  407. 102 f.; 184, 365, Tz. 34; BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03,
  408. WM 2004, 1768, 1771).
  409. 45
  410. Da sich in Fällen der vorliegenden Art nur ausnahmsweise eine ausdrückliche Vereinbarung der Beteiligten zur Vornahme sittenwidriger Handlungen oder eine ausdrückliche Zusage eines Beteiligten zur Hilfeleistung wird
  411. feststellen lassen, ergibt sich die Notwendigkeit, die gesamten Umstände des
  412. konkreten Einzelfalles, die möglicherweise auch Grundzüge bestimmter zu
  413. missbilligender branchentypischer Handlungsweisen aufzeigen, daraufhin zu
  414. - 19 -
  415. untersuchen, ob sich ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an einem
  416. sittenwidrigen Verhalten ergeben (BGHZ 184, 365, Tz. 35; BGH, Urteil vom
  417. 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1771).
  418. 46
  419. bb) Nach diesen Grundsätzen halten die Ausführungen, mit denen das
  420. Berufungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 830 Abs. 1 Satz 1 und
  421. Abs. 2 BGB haftungsrelevanten Teilnahmehandlung der Beklagten bejaht hat,
  422. einer rechtlichen Überprüfung stand.
  423. 47
  424. (1) Die objektiven Voraussetzungen einer Teilnahme im Sinne von § 830
  425. Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB sind gegeben. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen hat die Beklagte mit dem "Introducing Broker Agreement" eine auf
  426. Dauer angelegte und auf den Aufbau eines profitablen Brokergeschäfts gerichtete Zusammenarbeit mit W. begründet, W. den Zugang zur Londoner Börse
  427. eröffnet, das Transaktionskonto des Klägers geführt und Provisionen an W.
  428. überwiesen.
  429. 48
  430. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beihilfe durch
  431. sogenannte neutrale bzw. berufstypische Handlungen nicht verkannt. Nach dieser Rechtsprechung sind derartige Handlungen als Beihilfe zu werten, wenn
  432. das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf die Begehung einer strafbaren
  433. Handlung abzielt und der Hilfeleistende Kenntnis hiervon hat. Falls dieser nicht
  434. weiß, wie sein Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, sondern es lediglich für
  435. möglich hält, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, ist sein
  436. Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es
  437. sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung
  438. eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGHSt 46, 107,
  439. - 20 -
  440. 112 f.; BGH, Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, wistra 1999,
  441. 459, 460; Urteil vom 18. Juni 2003 - 5 StR 489/02, NStZ 2004, 41, Tz. 11 f.,
  442. jeweils mwN). Dies bedeutet, dass auch neutrale Handlungen eine objektive
  443. Hilfeleistung darstellen können und die Qualifizierung neutraler Handlungen als
  444. Beihilfehandlungen ein Problem des subjektiven Tatbestandes ist (vgl. Fischer,
  445. StGB, 57. Aufl., § 27 Rn. 18 mwN).
  446. 49
  447. (2) Auch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht den Teilnehmervorsatz der Beklagten im Sinne von § 830 BGB bejaht hat, sind rechtsfehlerfrei.
  448. 50
  449. Die Feststellung eines vorsätzlichen Handelns der Beklagten unterliegt
  450. als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO
  451. nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Sie kann
  452. lediglich daraufhin überprüft werden, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt
  453. worden ist (BGHZ 184, 365, Tz. 35; BGH, Urteile vom 13. Juli 2004 - VI ZR
  454. 136/03, WM 2004, 1768, 1771 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03,
  455. WM 2005, 27, jeweils mwN). Dieser Prüfung hält das Berufungsurteil stand.
  456. 51
  457. (a) Die subjektiven Voraussetzungen einer haftungsrechtlich relevanten
  458. Mitwirkungshandlung sind erfüllt, wenn ein ausländischer Broker, der mit einem
  459. deutschen gewerblichen Terminoptionsvermittler zusammenarbeitet, positive
  460. Kenntnis von dessen Geschäftsmodell, das in der Gebührenstruktur zum Ausdruck kommt, hat, d.h. wenn er die vom Vermittler erhobenen Gebühren und
  461. Aufschläge kennt, die die Geschäfte für den Anleger insgesamt chancenlos
  462. machen. Falls er keine positive Kenntnis der Gebühren und Aufschläge für die
  463. von ihm ausgeführten Geschäfte hat, reicht es aus, wenn er das deutsche
  464. Recht, die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland und
  465. - 21 -
  466. die zurückliegenden zahlreichen Missbrauchsfälle kennt und damit weiß, dass
  467. für den Vermittler aufgrund der hohen Gebührenaufschläge ein großer Anreiz
  468. besteht, seine geschäftliche Überlegenheit zum Schaden des Anlegers auszunutzen. In diesem Fall ist es für die Annahme eines bedingten Gehilfenvorsatzes nicht erforderlich, dass der Broker das praktizierte Geschäftsmodell des
  469. Vermittlers positiv kennt. Es genügt, dass er das Geschäftsmodell vor Beginn
  470. seiner Zusammenarbeit mit dem Vermittler keiner Überprüfung unterzieht, sondern dem Vermittler deutlich zu erkennen gibt, keine Kontrolle seines Geschäftsgebarens gegenüber seinen Kunden auszuüben und ihn nach Belieben
  471. schalten und walten zu lassen. Wenn der Broker auf diese Weise die Augen
  472. bewusst vor der sich aufdrängenden Erkenntnis der Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells des Vermittlers verschließt und diesem das unkontrollierte
  473. Betreiben seines Geschäftsmodells ermöglicht, überlässt er die Verwirklichung
  474. der erkannten Gefahr dem Zufall und leistet zumindest bedingt vorsätzliche
  475. Beihilfe zu der unerlaubten Handlung des Vermittlers (BGHZ 184, 365, Tz. 42 f.;
  476. Senat, Urteil vom 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590, Tz. 53).
  477. 52
  478. Diese Voraussetzungen eines Teilnehmervorsatzes der Beklagten sind
  479. erfüllt, weil die Beklagte nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien in den
  480. Tatsacheninstanzen bereits vor dem ersten Geschäft, das sie im Juni 2002 für
  481. den Kläger durchführte, positive Kenntnis von den Gebühren hatte, die er an W.
  482. zu entrichten hatte. Dies ergibt sich, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu Recht hervorgehoben hat, aus dem
  483. Schreiben der Beklagten vom 28. Mai 2002 an den Kläger, in dem sie ihn über
  484. die "Commission R/T" einschließlich ihrer "execution rate" in Höhe von insgesamt 120 US-Dollar unterrichtete. Bereits mit Schreiben vom 12. Juli 2001 hatte
  485. die Beklagte W. mitgeteilt, dass Kunden eine Provision von 120 US-Dollar, von
  486. denen 95 US-Dollar dem Vermittler zustünden, zu zahlen hätten. Diese Schreiben, die von der Beklagten nicht bestritten worden sind, sind vom Kläger als
  487. - 22 -
  488. Anlagen zur Klageschrift vom 8. Februar 2006 und zum Schriftsatz vom
  489. 18. April 2008 vorgelegt und in den Urteilen des Land- und des Berufungsgerichts, die zur positiven Kenntnis der Beklagten von den erhobenen Gebühren
  490. keine gegenteiligen Feststellungen treffen, in Bezug genommen worden. Aufgrund dieser Schreiben steht fest, dass die Beklagte positive Kenntnis von den
  491. Gebühren hatte, die der Kläger an W. zu entrichten hatte. Als erfahrenes Brokerunternehmen wusste die Beklagte, dass aufgrund dieser Gebühren die Optionsgeschäfte des Klägers, insgesamt betrachtet, praktisch chancenlos waren.
  492. Damit sind die subjektiven Voraussetzungen einer haftungsrechtlich relevanten
  493. Mitwirkungshandlung der Beklagten erfüllt. Auf die Voraussetzungen, unter denen die subjektiven Voraussetzungen auch ohne die positive Kenntnis eines
  494. Brokers von den Gebühren angenommen werden können, kommt es daher
  495. nicht mehr an.
  496. 53
  497. (b) Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Aufklärungspflichten bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen (BGHZ 147, 343, 353) steht, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, der Annahme eines Teilnehmervorsatzes nicht entgegen, weil es
  498. vorliegend um die Haftung der Beklagten wegen einer bedingt vorsätzlichen
  499. Beteiligung an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell eines Terminoptionsvermittlers und nicht wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten geht (vgl.
  500. BGHZ 184, 365, Tz. 26 f.). Zudem kann bei vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen und hierzu vorsätzlich geleisteter Beihilfe, d.h. bei kollusivem
  501. Zusammenwirken der beteiligten Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ohnehin kein Unternehmen auf die ausreichende Aufklärung des Anlegers durch
  502. das andere Unternehmen vertrauen.
  503. 54
  504. (c) Das Berufungsgericht hat schließlich auch rechtsfehlerfrei dem unterstellten Umstand, dass gegen W. keine aufsichtsrechtlichen Verfahren anhän-
  505. - 23 -
  506. gig waren, keine dem Gehilfenvorsatz der Beklagten entgegenstehende Bedeutung beigemessen. Dass ein Finanzdienstleister eine Erlaubnis der Finanzaufsicht besitzt und von dieser überwacht wird, lässt nicht ohne weiteres auf die
  507. zivilrechtliche Unbedenklichkeit seines Verhaltens gegenüber seinen Kunden
  508. schließen (BGHZ 184, 365, Tz. 46).
  509. 55
  510. d) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht ein Mitverschulden
  511. des Klägers verneint hat, begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
  512. 56
  513. Die Abwägung der Verantwortlichkeit von Schädiger und Geschädigtem
  514. gehört zum Bereich tatrichterlicher Würdigung und unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Sie kann lediglich darauf
  515. überprüft werden, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (BGH, Urteile vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00, WM 2002, 2473, 2476,
  516. vom 11. Januar 2007 - III ZR 116/06, NJW 2007, 1063, Tz. 7 und vom 3. Juli
  517. 2008 - I ZR 183/06, NJW-RR 2009, 46, Tz. 23, jeweils mwN). Dieser Überprüfung halten die Ausführungen des Berufungsgerichts stand.
  518. 57
  519. Der vom Berufungsgericht bei seiner Abwägung zu Lasten der Beklagten
  520. zugrunde gelegte Grundsatz, dass ein Mitverschulden des allenfalls fahrlässig
  521. handelnden Geschädigten gegenüber einem aus § 826 BGB haftenden Schädiger regelmäßig nicht in Betracht kommt, entspricht der Rechtsprechung des
  522. Bundesgerichtshofs (BGHZ 76, 216, 217 f.; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1983
  523. - VI ZR 60/82, WM 1984, 126, 127; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2005
  524. - II ZR 276/02, juris, Tz. 3, jeweils mwN). Das Berufungsgericht hat auch berücksichtigt, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt und ausnahmsweise, etwa bei besonders leichtfertigem Verhalten des Geschädigten, eine
  525. Schadensteilung in Betracht kommen kann (BGH, Urteile vom 6. Dezember
  526. - 24 -
  527. 1983 - VI ZR 60/82, WM 1984, 126, 127, vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91,
  528. WM 1992, 151, 153 und vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00, WM 2002, 2473,
  529. 2476, jeweils mwN). Ein leichtfertiges Verhalten des Klägers hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, ein solches
  530. lasse sich nicht aus dem bloßen Umstand herleiten, dass der Kläger sich auf
  531. Geschäfte eingelassen habe, deren Risiken er nicht überblickt habe.
  532. 58
  533. e) Auch die Verjährung der Klageforderung hat das Berufungsgericht,
  534. anders als die Revision meint, rechtsfehlerfrei verneint. Da der Anspruch des
  535. Klägers erst nach dem 1. Januar 2002 entstanden ist, ist seine Verjährung nach
  536. den am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen §§ 195, 199 BGB nF zu beurteilen.
  537. 59
  538. Die Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB nF war bei Klageerhebung
  539. im März 2006 noch nicht abgelaufen, so dass diese zur Hemmung der Verjährung geführt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Nach §§ 195, 199 BGB nF beträgt
  540. die Verjährungsfrist drei Jahre beginnend vom Schluss des Jahres, in dem der
  541. Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners hat oder
  542. diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht hat.
  543. 60
  544. aa) Die erforderliche Kenntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form
  545. der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich
  546. ist. Weder ist es notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt,
  547. die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits
  548. hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im
  549. Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, abgesehen von Ausnahmefällen, nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, Tz. 15; Senatsurteile
  550. - 25 -
  551. vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260, Tz. 32 und vom 3. Juni
  552. 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 27, jeweils mwN).
  553. 61
  554. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis
  555. fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder
  556. das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil
  557. vom 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, WM 2005, 382, 384; Senatsurteil vom
  558. 23. September 2008 - XI ZR 253/07, WM 2008, 2158, Tz. 34, jeweils mwN).
  559. bb) Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger vor dem 1. Januar 2003
  560. 62
  561. weder positive Kenntnis von einer Beteiligung der Beklagten am sittenwidrigen
  562. Geschäftsmodell von W., noch beruhte seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
  563. 63
  564. Geht es, wie hier, um die Frage einer deliktischen Haftung eines Brokers
  565. wegen bedingt vorsätzlicher Teilnahme an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell, kann von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers
  566. nur ausgegangen werden, wenn ihm sowohl die Umstände, die in Bezug auf
  567. dieses Geschäftsmodell einen Ersatzanspruch begründen, als auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass auch der das Transaktionskonto führende
  568. und die einzelnen Aufträge des Anlegers ausführende Broker als möglicher Haftender in Betracht kommt, bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt
  569. sind (Senatsurteil vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, Tz. 46).
  570. 64
  571. Beides war hier vor dem 1. Januar 2003 nicht der Fall. Dem Kläger waren mit der bloßen Kenntnis davon, dass im Jahr 2002 Verluste realisiert wurden, noch keine Umstände bekannt, die auf die Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells von W. schließen ließen oder zu weiteren Nachforschungen oder der
  572. Einholung von Rechtsrat Anlass gaben. Die Verluste konnten aus Sicht des Klä-
  573. - 26 -
  574. gers auch auf den Marktgegebenheiten beruhen. Ferner waren dem Kläger keine Umstände bekannt, die die Beklagte als mögliche deliktisch Haftende in Frage kommen ließen. Da die Beklagte nicht Vertragspartnerin des Geschäftsbesorgungsvertrages war und gegenüber dem Kläger nur als kontoführendes Institut auftrat, konnten die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2
  575. BGB allenfalls vorliegen, wenn dem Kläger zusätzlich zu der - hier nicht vorhandenen - Kenntnis von Umständen, die den Schluss auf die Chancenlosigkeit
  576. der von W. vermittelten Geschäfte zuließen, Umstände bekannt oder infolge
  577. grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen wären, aus denen sich ergab, dass
  578. die Beklagte sich bedingt vorsätzlich an dem von W. praktizierten Geschäftsmodell beteiligte. Dafür ist nichts ersichtlich. Die maßgeblichen Umstände für
  579. die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des W. gemäß § 826 BGB in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich im Sinne von § 830 BGB beteiligt hat, stehen im Zusammenhang mit der
  580. - 27 -
  581. Begründung der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. und ergeben sich unter anderem aus dem Abkommen vom 12. Juli 2001. Dass der
  582. Kläger hiervon vor dem 1. Januar 2003 Kenntnis erlangt oder infolge grober
  583. Fahrlässigkeit nicht erlangt hat, ist weder festgestellt noch dem Parteivortrag zu
  584. entnehmen.
  585. Wiechers
  586. Joeres
  587. Ellenberger
  588. Mayen
  589. Matthias
  590. Vorinstanzen:
  591. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.05.2007 - 14c O 27/06 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.06.2008 - I-6 U 146/07 -