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20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 132/06
  5. Verkündet am:
  6. 16. Oktober 2007
  7. Weber
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. BGHR:
  16. ja
  17. _____________________
  18. VerbrKrG § 1; BGB § 306 a.F., § 140, § 765
  19. a) Das Verbraucherkreditgesetz findet auf einen privatrechtlichen Schuldbeitritt zu einem verlorenen Investitionszuschuss der öffentlichen Hand
  20. keine entsprechende Anwendung.
  21. b) Ein privatrechtlicher Schuldbeitritt zu einer öffentlich-rechtlichen Rückzahlungsforderung wegen Nichterreichen des Subventionszwecks ist
  22. nach § 306 BGB a.F. nichtig.
  23. c) Der unwirksame Schuldbeitritt kann gemäß § 140 BGB in eine Bürgschaft im Sinne des § 765 BGB umgedeutet werden.
  24. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06 - OLG Jena
  25. LG Gera
  26. -2-
  27. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter
  28. Dr. h.c. Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, die Richterin Mayen
  29. und den Richter Dr. Grüneberg
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des
  32. 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena
  33. vom 6. April 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden
  34. ist.
  35. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der
  36. 2. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 3. Juni 2005
  37. wird auch hinsichtlich der Klage zurückgewiesen.
  38. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte.
  39. Von Rechts wegen
  40. -3-
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer "Mithaftungserklärung" des früheren Gesellschafters und Geschäftsführers einer insolventen GmbH für die Rückzahlung eines Investitionszuschusses. Dem liegt
  44. folgender Sachverhalt zugrunde:
  45. Der Beklagte war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der
  46. 2
  47. K.
  48. GmbH in G.
  49. (nachfolgend: GmbH). Durch
  50. Zuwendungsbescheid vom 14. Juli 1994, geändert zuletzt mit Bescheid
  51. vom 6. Oktober 1997, gewährte der klagende Freistaat
  52. (nach-
  53. folgend: Kläger) der GmbH einen zweckgebundenen Investitionszuschuss über 393.000 DM zur Erweiterung ihrer Betriebsstätte und zur
  54. Schaffung von sechs zusätzlichen Dauerarbeitsplätzen. Der Zuschuss
  55. war nach dem Bescheid zurückzuzahlen, wenn der Zuschussempfänger
  56. innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvorhabens die
  57. Eröffnung des Konkursverfahrens beantragen sollte. Der Rückzahlungsanspruch sollte sofort fällig sein und vom Zeitpunkt der Entstehung an
  58. mit 6% p.a. verzinst werden. Ferner war bestimmt, dass der Beklagte für
  59. die etwaige Rückzahlungsforderung die gesamtschuldnerische Mithaftung zu übernehmen hatte.
  60. 3
  61. Der Beklagte unterzeichnete am 20. Oktober 1994 die vom Kläger
  62. vorgegebene und mit "Mithaftungserklärung" überschriebene sowie
  63. mehrfach als "Schuldbeitritt" bezeichnete Besicherungsvereinbarung.
  64. Danach konnte der "Mitschuldner" in Anspruch genommen werden, wenn
  65. gegen den Zuschussempfänger ein Widerrufsbescheid ergeht und der
  66. darin festgesetzte Rückzahlungsbetrag nicht innerhalb von vier Wochen
  67. -4-
  68. zurückbezahlt wird. Eine "Vorausklage" oder die Rechtskraft eines zwischen Kläger und Zuschussempfänger anhängigen Rechtsstreits sollte
  69. für die Inanspruchnahme des Mitschuldners nicht erforderlich sein.
  70. 4
  71. Nach Auszahlung des Investitionszuschusses in den Jahren 1994
  72. und
  73. 1995
  74. und
  75. Verlängerung
  76. der
  77. Zweckbindungsfrist
  78. wurde
  79. am
  80. 8. November 1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
  81. GmbH eröffnet. Mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 widerrief der Kläger daraufhin den Zuwendungsbescheid und forderte von der GmbH erfolglos die Rückzahlung des Zuschusses zuzüglich 6% Zinsen.
  82. 5
  83. Gestützt auf die Mithaftungserklärung vom 20. Oktober 1994 nimmt
  84. der Kläger den Beklagten auf Rückzahlung eines erstrangigen Teilbetrages von 25.000 € zuzüglich Zinsen in Anspruch. Der Beklagte hält den
  85. Schuldbeitritt wegen Verstoßes gegen Formvorschriften des Verbraucherkreditgesetzes für nichtig. Er hat widerklagend die Feststellung begehrt, dass dem Kläger auch hinsichtlich der Restforderung über
  86. 175.937,70 € keine Ansprüche aus der Mithaftungserklärung zustehen.
  87. 6
  88. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage
  89. abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hatte insoweit Erfolg, als das
  90. Berufungsgericht auch die Klage abgewiesen hat. Mit der - vom erkennenden Senat - zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  91. -5-
  92. Entscheidungsgründe:
  93. 7
  94. Die Revision ist begründet; sie führt zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil auch insoweit, als
  95. dieses der Klage stattgegeben hat.
  96. I.
  97. 8
  98. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
  99. Wesentlichen ausgeführt:
  100. 9
  101. Die angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht als Bürgschaft,
  102. sondern als Mithaftungsübernahme zu qualifizierende Vereinbarung der
  103. Parteien über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung des Investitionszuschusses verstoße gegen die Formvorschriften des § 4
  104. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1b) und e) VerbrKrG und sei gemäß § 6 Abs. 1
  105. VerbrKrG nichtig. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei der Schuldbeitritt eines Dritten einem Kreditvertrag bei wertender Betrachtung gleichzustellen, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem
  106. der Beitritt erklärt werde, um einen Kreditvertrag handele. Der Beklagte
  107. habe die streitige Mithaftungserklärung als Verbraucher im Sinne des
  108. Verbraucherkreditgesetzes abgegeben. Zu den Verbrauchern zähle danach auch ein geschäftsführender Alleingesellschafter einer GmbH.
  109. 10
  110. Der Kläger sei auch als Kreditgeber im Sinne des § 1 Abs. 1
  111. VerbrKrG anzusehen. Eine Gewinnerzielungsabsicht sei für die Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes nicht erforderlich. Vielmehr lasse
  112. -6-
  113. die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 4 VerbrKrG erkennen, dass
  114. der Gesetzgeber auch bei der Vergabe staatlich geförderter Darlehen
  115. von einer Kreditgewährung in Ausübung gewerblicher oder beruflicher
  116. Tätigkeit ausgehe.
  117. 11
  118. Der Schuldbeitritt des Beklagten sei schließlich auch zu einem
  119. entgeltlichen Kreditvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG erfolgt.
  120. Zwar habe der zweckgebundene Investitionszuschuss bei Eintritt des
  121. vereinbarten Zwecks nicht zurückgezahlt werden müssen. Dieser Umstand stehe der Qualifizierung als entgeltlicher Kreditvertrag aber nicht
  122. entgegen, weil der Zuschuss unter der auflösenden Bedingung einer
  123. subventionsgerechten Verwendung vergeben worden sei. Werde der
  124. Subventionszweck nicht erreicht, trete die auflösende Bedingung ein und
  125. der Investitionszuschuss wandele sich in einen entgeltlichen Kredit um,
  126. der mit 6% p.a. zu verzinsen sei. Da der Beklagte die Mithaftung ausschließlich für den etwaigen Rückzahlungsanspruch des Klägers übernommen habe, komme es nicht darauf an, dass die Fördermittel zunächst als unentgeltlicher Investitionszuschuss gewährt worden seien.
  127. II.
  128. 12
  129. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht
  130. stand. Sie sind bereits im rechtlichen Ansatzpunkt verfehlt. Das Verbraucherkreditgesetz findet, wie die Revision zu Recht geltend macht, auf
  131. den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des zweckgebundenen Investitionszuschusses und die Mithaftungserklärung des Beklagten von
  132. vornherein keine Anwendung.
  133. -7-
  134. 13
  135. 1. Nach § 1 Abs. 1 VerbrKrG gilt das Verbraucherkreditgesetz nur
  136. für "Kreditverträge und Kreditvermittlungsverträge". Kreditvertrag ist
  137. nach § 1 Abs. 2 VerbrKrG ein Vertrag, durch den ein Kreditgeber einem
  138. Verbraucher einen entgeltlichen Kredit in Form eines Darlehens, eines
  139. Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen Finanzierungshilfe gewährt oder
  140. zu gewähren verspricht.
  141. 14
  142. a) Schon an dem danach erforderlichen Vertrag fehlt es hier. Zwischen dem Kläger und der GmbH ist kein privatrechtlicher Vertrag zustande gekommen. Der Kläger und die GmbH haben sich nicht etwa
  143. durch übereinstimmende privatrechtliche Willenserklärungen auf die Gewährung
  144. eines
  145. von
  146. der
  147. GmbH
  148. zurückzuzahlenden
  149. Kredits
  150. über
  151. 393.000 DM geeinigt. Der GmbH ist der verlorene Investitionszuschuss,
  152. eine Subvention, vom Minister für Wirtschaft und Verkehr des Klägers
  153. vielmehr mit "Zuwendungsbescheid" vom 14. Juli 1994 gewährt worden.
  154. Dabei handelt es sich um einen ausdrücklich auf Bestimmungen der
  155. Landeshaushaltsordnung des Klägers gestützten, mit Nebenbestimmungen und einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Verwaltungsakt, nicht
  156. aber um eine privatrechtliche Willenserklärung des Klägers (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 5. September 2004 - 2. ZKO 911/02, Umdruck
  157. S. 4). Nach der Rechtsmittelbelehrung kann gegen den Zuwendungsbescheid innerhalb eines Monats Klage beim Verwaltungsgericht erhoben
  158. werden.
  159. 15
  160. b) Überdies handelt es sich bei dem der GmbH gewährten verlorenen Investitionszuschuss nicht um einen "entgeltlichen Kredit" im Sinne
  161. des § 1 Abs. 2 VerbrKrG. Ein Kredit setzt die Gewährung eines Kapital-
  162. -8-
  163. nutzungsrechts auf Zeit an den Kreditnehmer voraus (Senatsbeschluss
  164. vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 99/94, WM 1995, 103 und Senatsurteil
  165. vom 7. Oktober 1997 - XI ZR 233/96, WM 1997, 2353, 2354). Bei einem
  166. in einem einstufigen öffentlich-rechtlichen Verfahren durch Verwaltungsakt gewährten verlorenen Investitionszuschuss wird dem Subventionsempfänger anders als bei einem von oder für Rechnung der öffentlichen
  167. Hand in einem zweistufigen Verfahren nach Erlass eines öffentlichrechtlichen Bewilligungsbescheids in privatrechtlicher Form gewährten
  168. Förderdarlehen (vgl. dazu etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,
  169. 16. Aufl. S. 448 ff.) nicht lediglich ein Kapitalnutzungsrecht eingeräumt.
  170. Der verlorene Investitionszuschuss soll vielmehr, was die Revisionserwiderung unbeachtet lässt, grundsätzlich im Vermögen des Empfängers
  171. endgültig verbleiben. Eine Rückzahlungsverpflichtung des Subventionsempfängers entsteht erst, wenn das Subventionsziel, wie hier wegen Insolvenz des Zuschussempfängers, nicht erreicht und der Zuschuss deshalb durch einen Widerrufsbescheid nach § 49 Abs. 2 ThürVwVfG, wiederum ein Verwaltungsakt, zurückgefordert wird. Das ist hier durch den
  172. Bescheid des Klägers vom 15. Dezember 1999 geschehen.
  173. 16
  174. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat sich der in öffentlich-rechtlicher Form gewährte verlorene Investitionszuschuss dadurch
  175. nicht etwa in einen entgeltlichen Kredit "umgewandelt". Eine solche Umwandlung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich. Abgesehen davon verkennt das Berufungsgericht, dass das für einen Kredit erforderliche Kapitalnutzungsrecht der GmbH nach Erlass des Widerrufsbescheids gerade nicht zusteht.
  176. -9-
  177. 17
  178. c) Anders als das Berufungsgericht meint, stellen die vom Kläger
  179. geltend gemachten 6% Zinsen auch kein Entgelt i.S. des § 1 Abs. 2
  180. VerbrKrG für ein der GmbH eingeräumtes Kapitalnutzungsrecht dar. Der
  181. Zinsanspruch des Klägers beruht vielmehr auf § 44a Abs. 3 Satz 1
  182. ThürLHO i.V. mit Art. 3 Abs. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung
  183. des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 10. Oktober 1997
  184. (ThürGVBl. 1997, 349, 352). Gesetzliche Fälligkeits- oder Verzugszinsen
  185. sind indes kein Entgelt i.S. des § 1 Abs. 2 VerbrKrG (Bülow, VerbrKrG
  186. 4. Aufl. § 1 Rdn. 80), sondern werden ausschließlich gerade für den Zeitraum geschuldet, in dem ein Kapitalnutzungsrecht nicht besteht.
  187. 18
  188. 2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist das
  189. Verbraucherkreditgesetz auch nicht im Wege der Analogie zugunsten
  190. des Beklagten anzuwenden. Zwar mag der Beitretende unter den vorliegenden Umständen im Allgemeinen nicht weniger schutzbedürftig sein
  191. als in den Fällen, in denen ein staatlich gefördertes Darlehen unter Einschaltung eines privaten Kreditinstituts auf vertraglicher Grundlage vergeben wird, zumal er auf die rechtliche Gestaltung des Subventionsverhältnisses normalerweise keinen Einfluss nehmen kann. Es fehlt für eine
  192. entsprechende Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes aber bereits
  193. an einer Regelungslücke. Das Verbraucherkreditgesetz will nur privatrechtliche Kreditverträge regeln, nicht allein durch Verwaltungsakt vergebene Kredite der öffentlichen Hand (Ulmer/Habersack, VerbrKrG
  194. 2. Aufl. § 1 Rdn. 6). Letzteres gilt erst recht für durch Verwaltungsakt
  195. gewährte verlorene Investitionszuschüsse. Auf das Erfordernis eines
  196. entgeltlichen Kreditvertrages im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrKrG kann
  197. auch bei einer entsprechenden Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf Schuldbeitritte Dritter schlechthin nicht verzichtet werden
  198. - 10 -
  199. (vgl. BGHZ 133, 71, 74 f.; 133, 220, 224; BGH, Urteil vom 30. Juli 1997 VIII ZR 244/96, WM 1997, 2000, 2001).
  200. 19
  201. 3. Die Mithaftungserklärung des Beklagten ist danach nicht wegen
  202. Verstoßes gegen die Formvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b) und
  203. e) VerbrKrG nichtig.
  204. III.
  205. 20
  206. Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich
  207. auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zwar ist der
  208. Schuldbeitritt des Beklagten vom 20. Oktober 1994 nichtig, weil die
  209. Rechtsordnung eine privatrechtliche Mithaftungsvereinbarung als Sicherungsmittel für eine öffentlich-rechtliche Forderung nicht anerkennt. Der
  210. nichtige Schuldbeitritt ist aber nach § 140 BGB in eine Bürgschaft (§ 765
  211. BGB) umzudeuten.
  212. 21
  213. a) Der streitige Schuldbeitritt des Beklagten ist gemäß § 306 BGB
  214. in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung nichtig. Die anfängliche objektive Unmöglichkeit im Sinne dieser Vorschrift kann naturgesetzliche, aber auch juristische Gründe haben. Hierher gehören vor
  215. allem die Fälle, in denen die Vertragsparteien einen Rechtserfolg herbeiführen, insbesondere eine Verpflichtung schaffen wollen, die die Rechtsordnung nicht anerkennt (vgl. BAGE 9, 324, 325; Staudinger/Löwisch,
  216. BGB Neubearb. 2001 § 306 Rdn. 27; Erman/H.P. Westermann, BGB
  217. 11. Aufl. § 275 Rdn. 6; MünchKommBGB/Ernst, 5. Aufl. § 275 Rdn. 41).
  218. - 11 -
  219. Da der Vertrag unter diesen Umständen von vornherein sein Ziel verfehlt, ist er nichtig.
  220. 22
  221. So liegen die Dinge auch hier. Die "Mithaftungserklärung" des Beklagten vom 20. Oktober 1994 sollte erklärtermaßen eine "gesamtschuldnerische Mithaftung" des Beklagten für die "Rückzahlung" des der
  222. GmbH durch Zuwendungsbescheid vom 14. Juli 1994 gewährten Investitionszuschusses begründen. Gewollt war ein "Schuldbeitritt" des Beklagten. Der Kläger sollte ihn nach Widerruf des Zuwendungsbescheids als
  223. "Mitschuldner" in Anspruch nehmen können (gleichwohl für eine bloße
  224. Bürgschaft OLG Jena, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 2 U 285/05, Umdruck S. 4; LG Meiningen ZIP 1998, 991, 992).
  225. 23
  226. Ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach stets die Rechtsnatur
  227. der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (BGHZ 72, 56,
  228. 58 ff.; Kraushaar NVwZ 1984, 217, 218; Zuleeg JuS 1985, 106, 107;
  229. Arndt JuS 1989, 808, 810; Jochum, Festschrift Kriele, 1997, S. 1193,
  230. 1209; a.A. BSGE 25, 268, 271). Um die bedingte öffentlich-rechtliche
  231. Rückzahlungsforderung des Klägers durch einen Schuldbeitritt des Beklagten zu sichern, hätten die Parteien daher einen öffentlich-rechtlichen
  232. Vertrag unter Beachtung des Schriftformerfordernisses im Sinne des
  233. § 57 ThürVwVfG schließen müssen (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom
  234. 5. September 2004 2. ZKO 911/02, Umdruck S. 3 ff.). Die gewollte
  235. Rechtsfolge, die gesamtschuldnerische Mithaftung des Beklagten für den
  236. Rückforderungsanspruch des Klägers, konnte daher im Streitfall nicht
  237. eintreten.
  238. - 12 -
  239. 24
  240. b) Indessen ist der nichtige Schuldbeitritt des Beklagten nach
  241. § 140 BGB in einen Bürgschaftsvertrag umzudeuten.
  242. 25
  243. aa) Eine Bürgschaft ist geeignet, öffentlich-rechtliche Forderungen
  244. auf privatrechtlicher Ebene abzusichern (BGHZ 90, 187, 190; OLG
  245. Frankfurt NVwZ 1985, 373; VGH München NJW 1990, 1006, 1007). Sie
  246. ist keine bloße Haftungsmitübernahme, sondern begründet eine von der
  247. Verbindlichkeit des Hauptschuldners verschiedene, eigene Verbindlichkeit des Bürgen, für die Erfüllung durch den Hauptschuldner einzustehen. Ihr Rechtscharakter bestimmt sich nicht aus der Art der Hauptschuld. Sie trägt ihren Rechtsgrund vielmehr in dem Sinne in sich, dass
  248. sie keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedarf. Die Abhängigkeit der
  249. Bürgschaftsschuld von der gesicherten Hauptverbindlichkeit (Akzessorität) soll nur sicherstellen, dass der Gläubiger vom Bürgen das bekommt,
  250. was er vom Hauptschuldner nach dem jeweiligen Bestand der Hauptschuld zu bekommen hat. Sie bestimmt aber nicht die Rechtsnatur der
  251. Bürgschaft im Sinne einer Abhängigkeit der Rechtsnatur von der Hauptschuld (BGHZ aaO).
  252. 26
  253. Der Einwand, die Verwaltung könne durch den Abschluss eines
  254. privatrechtlichen Bürgschaftsvertrages ihre öffentlich-rechtlichen Bindungen überspielen (so Jochum, aaO S. 1208), greift nicht. Die sonst übliche Praxis des Klägers, im Falle der Subventionsvergabe an juristische
  255. Personen deren Gesellschafter durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag
  256. in die Mithaftung für etwaige Rückzahlungsforderungen zu nehmen, entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (siehe Thüringer
  257. OVG, aaO, Umdruck S. 3). Dies gilt erst Recht, wenn es sich bei dem
  258. Sicherungsgeber um den für die subventionsgerechte Kreditverwendung
  259. - 13 -
  260. allein
  261. verantwortlichen
  262. geschäftsführenden
  263. Alleingesellschafter
  264. der
  265. Hauptschuldnerin handelt. Mit demselben Recht hätte sich der Kläger
  266. auch eine Bürgschaft des Beklagten als dem damaligen Geschäftsführer
  267. und Alleingesellschafter der Zuwendungsempfängerin ausbedingen können.
  268. 27
  269. bb) Nach § 140 BGB ist die "Mithaftungserklärung" danach in eine
  270. selbstschuldnerische Bürgschaft umzudeuten, wenn anzunehmen ist,
  271. dass die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit der Mithaftungserklärung
  272. eine solche Bürgschaft gewollt hätten. Davon ist im Zweifel auszugehen,
  273. wenn durch eine solche Bürgschaft derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht werden kann, da es den Vertragsparteien weniger auf die Rechtsform ihres Geschäfts als auf den von ihnen beabsichtigten wirtschaftlichen Erfolg ankommt und ihnen im Zweifel jedes rechtliche Mittel willkommen sein wird, das diesen Erfolg, wenn vielleicht auch nicht ganz, so
  274. aber doch annähernd gewährleistet (vgl. BGH, Urteil vom 28. November
  275. 1962 - V ZR 127/61, LM Nr. 4 zu § 140 BGB). Nur wenn die Parteien der
  276. von ihnen gewählten Rechtsform eine besondere Bedeutung beigelegt
  277. haben, würde das Aufzwingen einer anderen rechtlichen Gestaltung im
  278. Wege der Umdeutung nach § 140 BGB zu einer im Gegensatz zur Privatautonomie stehenden Bevormundung der Parteien führen (BGHZ 19,
  279. 269, 273).
  280. 28
  281. Gemessen an diesen Grundsätzen steht einer Umdeutung des
  282. nichtigen Schuldbeitritts des Beklagten in einen wirksamen Bürgschaftsvertrag kein Hinderungsgrund entgegen. Zwar stellt das Verwaltungsverfahrensrecht mit dem Schuldbeitritt in Form eines öffentlich-rechtlichen
  283. Vertrages ein geeignetes Sicherungsmittel zur Verfügung. Andererseits
  284. - 14 -
  285. war es für den Beklagten aber letztlich ohne Bedeutung, welcher Rechtsnatur die von ihm zu bestellende Personalsicherheit ist. Nach der Interessenwertung der Parteien und dem von ihnen verfolgten wirtschaftlichen Zweck unterliegt es daher keinem berechtigten Zweifel, dass der
  286. Beklagte sich auf entsprechenden Wunsch des Klägers und bei Kenntnis
  287. der Rechtslage für die etwaige Verbindlichkeit der ihm allein gehörenden
  288. Gesellschaft verbürgt hätte. Hierfür spricht wesentlich, dass der nichtige
  289. Schuldbeitritt mit dem Ausschluss der Einrede der Vorausklage (vgl.
  290. §§ 771, 773 BGB), des Einwands anderer Befriedigungsmöglichkeiten
  291. (vgl. § 773 Abs. 2 BGB) sowie mit den Regelungen über die Unbeachtlichkeit einer Aufgabe anderer Sicherheiten (vgl. § 776 BGB) oder einer
  292. Stundung der Hauptforderung (vgl. § 768 BGB) ohnehin wesentliche
  293. Elemente einer selbstschuldnerischen Bürgschaft enthält. Da die nach
  294. § 766 BGB erforderliche Schriftform gewahrt ist, steht dem Kläger der
  295. geltend gemachte Zahlungsanspruch somit aus § 765 BGB zu.
  296. - 15 -
  297. IV.
  298. 29
  299. Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1
  300. ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil insgesamt zurückweisen.
  301. Nobbe
  302. Müller
  303. Richterin am BGH
  304. Mayen ist wegen
  305. Urlaubs gehindert,
  306. ihre Unterschrift
  307. beizufügen.
  308. Nobbe
  309. Joeres
  310. Grüneberg
  311. Vorinstanzen:
  312. LG Gera, Entscheidung vom 03.06.2005 - 2 O 2022/04 OLG Jena, Entscheidung vom 06.04.2006 - 1 U 642/05 -