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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 105/13
  5. Verkündet am:
  6. 25. November 2014
  7. Wermes
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 651k Abs. 1, 4 und 5
  19. a) Der Reisevermittler darf Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis
  20. vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen, wenn dem
  21. Reisenden nachgewiesen worden ist, dass der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Reiseveranstalter dem
  22. Reisenden eine den Anforderungen des § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB
  23. entsprechende Sicherheit geleistet hat.
  24. b) Die bloße Erklärung des Reiseveranstalters, es bestehe eine Insolvenzabsicherung, reicht als Nachweis nicht aus.
  25. BGH, Urteil vom 25. November 2014 - X ZR 105/13 - LG Frankfurt am Main
  26. AG Frankfurt am Main
  27. -2-
  28. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom
  30. 25. November
  31. 2014
  32. durch
  33. den
  34. Vorsitzenden
  35. Richter
  36. Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher und Hoffmann sowie
  37. die Richterin Schuster
  38. für Recht erkannt:
  39. Die Revision gegen das am 25. Juli 2013 verkündete Urteil der
  40. 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. 1
  44. Die Kläger begehren von der Beklagten als Reisevermittlerin Schadensersatz nach Insolvenz des Reiseveranstalters.
  45. 2
  46. Nach Vermittlung durch die Beklagte, ein in Deutschland ansässiges und
  47. über das Internet handelndes Reisebüro, buchten die Kläger am 14. Oktober
  48. 2011 durch einen Mitreisenden bei dem niederländischen Reiseveranstalter
  49. S.
  50. B.V. eine Flusskreuzfahrt vom 8. bis 11. Dezember 2011 zum Preis
  51. von 244 € pro Person. Den Klägern wurde die Kopie eines Sicherungsscheins
  52. des
  53. niederländischen
  54. vorgelegt.
  55. Auf
  56. Kundengeldabsicherers
  57. die
  58. Rechnung
  59. und
  60. S.
  61. Reisebestätigung
  62. vom
  63. 19. Oktober 2011 zahlten die Kläger den auf sie entfallenden Reisepreis an die
  64. Beklagte. Der Reiseveranstalter geriet in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb
  65. -3-
  66. die gebuchte Reise nicht durchgeführt werden konnte; kurz darauf meldete er
  67. Insolvenz an. Die Kläger erhielten den gezahlten Reisepreis nicht zurück. Der
  68. Kundengeldabsicherer verweigerte eine Erstattung des Reisepreises mit der
  69. Begründung, aufgrund des mit dem Reiseveranstalter geschlossenen Versicherungsvertrags sei seine Deckungspflicht auf Reisen beschränkt, die auf dem
  70. niederländischen Markt angeboten und abgeschlossen worden seien.
  71. 3
  72. Die beiden Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz in Höhe
  73. des nicht zurückgezahlten Reisepreises. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht
  74. zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Abweisung der Klage
  75. weiter.
  76. Entscheidungsgründe:
  77. I.
  78. 4
  79. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre
  80. Pflicht aus § 651k Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 BGB verletzt, den
  81. Klägern eine Sicherheitsleistung nachzuweisen, bevor sie deren Zahlungen auf
  82. den Reisepreis entgegennahm.
  83. Grenzüberschreitend anbietende Veranstalter mit Sitz in den Mitglied-
  84. 5
  85. staaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums seien
  86. von den weitergehenden Pflichten zur Insolvenzsicherung nach den Vorschriften des § 651k Abs. 1 bis 4 BGB freigestellt, wenn sie dem Reisenden eine
  87. Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen und
  88. § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Sicherheit leisten. Dies entspreche
  89. der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Für eine solche Sicherheitsleistung genüge es jedoch nicht, eine abstrakte Deckung vorzusehen, die ledig-
  90. -4-
  91. lich für in dem betreffenden Staat abgeschlossene Reiseverträge greife. Das
  92. Sicherungsinstrument müsse das konkrete Risiko des in Deutschland ansässigen Kunden erfassen. Nur wenn der Reisende tatsächlich geschützt sei, entspreche das ausländische Sicherungsmittel den Vorgaben gemäß Art. 7 der
  93. Richtlinie und den Anforderungen aus § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB. Es reiche jedoch aus, die Sicherheitsleistung nachzuweisen, ohne einen Sicherungsschein
  94. auszuhändigen.
  95. Diese Nachweispflicht gelte auch für den Reisevermittler, bevor er Zah6
  96. lungen auf den Reisepreis fordere oder annehme. Die Beklagte habe eine ordnungsgemäße Sicherheitsleistung nicht ausreichend nachgewiesen. Es reiche
  97. nicht aus, sich vom Reiseveranstalter bestätigen zu lassen, dass eine Kundengeldabsicherung vorliege, denn der Vermittler sei selbst nachweispflichtig. Auch
  98. ersetze das Wissen um die Existenz eines Sicherungsscheins nicht die Prüfung
  99. seiner uneingeschränkten Gültigkeit. Vielmehr hätte eine solche Prüfung durch
  100. Nachfrage beim Kundengeldabsicherer oder Abrufen seiner im Internet veröffentlichten Garantiebedingungen erfolgen können.
  101. 7
  102. II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
  103. 1. Sowohl der zwischen dem Reiseveranstalter und den Klägern abge-
  104. 8
  105. schlossene Reisevertrag als auch der mit der Beklagten abgeschlossene Reisevermittlungsvertrag unterliegen dem deutschen materiellen Recht. Für den
  106. Vertrag mit dem niederländischen Reiseveranstalter folgt dies gemäß Art. 6
  107. Abs. 1 Rom-I-VO daraus, dass die Kläger Verbraucher sind.
  108. 2. Die Kläger waren Vertragspartner des Reisevertrags und schuldeten
  109. 9
  110. den auf sie entfallenden Reisepreis. Auf Seiten der Reiseteilnehmer gab zwar
  111. allein der Mitreisende H.
  112. R.
  113. eine Willenserklärung zum Abschluss
  114. des Reisevertrags ab. Die Namensverschiedenheit der Kläger ließ dabei jedoch
  115. -5-
  116. deutlich den Willen erkennen, den Reisevertrag nicht nur für sich selbst, sondern, soweit es die Reiseteilnahme der Kläger betrifft, in deren Namen abschließen zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 - X ZR 154/11, NJW
  117. 2012, 3368 Rn. 27; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., § 5 Rn. 117 mwN). Besondere
  118. Umstände wie etwa ein besonderes Näheverhältnis zu den Mitreisenden, aus
  119. denen ein ausschließliches Auftreten im eigenen Namen zu folgern gewesen
  120. sein könnte, sind nicht festgestellt.
  121. 3. Die Beklagte schuldet den Klägern Ersatz für den aus der Zahlung
  122. 10
  123. des Reisepreises entstandenen Schaden, nachdem der Reiseveranstalter insolvent wurde und eine Rückzahlung ausblieb. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, verletzte die Beklagte ihre Pflicht aus § 651k Abs. 4 in
  124. Verbindung mit Abs. 5 Satz 2 BGB, indem sie Zahlungen auf den Reisepreis
  125. annahm, ohne dass den Reisenden nachgewiesen worden war, dass der Reiseveranstalter eine den Anforderungen des § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Sicherheit geleistet hatte.
  126. a) Zur Sicherstellung der Erstattung des gezahlten Reisepreises und
  127. 11
  128. der in § 651k Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB genannten Aufwendungen im Falle der
  129. Insolvenz des Reiseveranstalters ist dem Reisenden das Bestehen einer Kundengeldabsicherung vor der Entgegennahme des Reisepreises auch dann
  130. nachzuweisen, wenn der Reiseveranstalter seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. In diesem Falle sind der Reiseveranstalter und der Reisevermittler nur von der Verpflichtung befreit, einen dem Reisenden verschafften unmittelbaren Anspruch gegen einen Kundengeldabsicherer durch Übergabe einer von diesem oder auf dessen Veranlassung ausgestellten Bestätigung (eines Sicherungsscheins) nachweisen zu müssen (§ 651k
  131. Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 BGB) - vorausgesetzt, das anwendbare nationale
  132. Recht fordert eine solche Übergabe nicht für die Wirksamkeit der Sicherheits-
  133. -6-
  134. leistung. Die Verpflichtung zum Nachweis der Sicherungsleistung bleibt jedoch
  135. als solche unberührt. Mit der Möglichkeit, die Kundengeldabsicherung auch auf
  136. andere Weise erbringen und nachweisen zu können, soll der Reiseveranstalter,
  137. sofern dies das Recht des Staates seiner Hauptniederlassung gestattet, auf
  138. andere Formen der Sicherungsleistung und ihres Nachweises ausweichen können, weil die Verschaffung eines dem deutschen Recht entsprechenden Sicherungsscheins im Hinblick auf die gegebenenfalls abweichenden Modalitäten auf
  139. dem heimischen Reise- und Versicherungsmarkt des Reiseveranstalters mit
  140. einem erhöhten Aufwand verbunden sein kann. Auch dieser Nachweis dient
  141. gleichwohl dem Interesse, dem Kunden Beweissicherheit hinsichtlich der Insolvenzabsicherung zu verschaffen, bevor dieser Zahlungen auf den Reisepreis
  142. leistet. Damit ist entgegen der Revision keine gegen Art. 56, 57 AEUV verstoßende Schlechterstellung von grenzüberschreitenden Tätigkeiten verbunden;
  143. vielmehr werden solche Tätigkeiten durch die Möglichkeit, auf andere Formen
  144. der Sicherheitsleistung und ihres Nachweises ausweichen zu können, gerade
  145. erleichtert.
  146. b) Die Sicherheitsleistung muss gewährleisten, dass gegenüber dem
  147. 12
  148. Reisenden im Insolvenzfall die Erstattungsleistungen nach § 651k Abs. 1 Satz 1
  149. BGB erbracht werden, und dem Reisenden muss eben dies nachgewiesen
  150. werden. Ein ordnungsgemäßer Nachweis muss daher zunächst erkennen lassen, dass die Kundengeldabsicherung die Rückzahlungsansprüche des Reisenden tatsächlich und wirksam abdeckt. Ein "Sicherungsschein", der nur den
  151. Nachweis für eine Absicherung der Rückzahlungsansprüche von Kunden erbringt, die auf einem anderen nationalen Markt Reiseverträge abschließen, ist
  152. für den konkreten Reisenden ohne Bedeutung und erfüllt nicht die Anforderungen einer Kundengeldabsicherung gemäß § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB.
  153. -7-
  154. 13
  155. Die vom Berufungsgericht festgestellte Vorlage der Kopie eines Sicherungsscheins hätte deshalb allenfalls dann gegenüber den Klägern den Nachweis für eine Kundengeldabsicherung erbringen können, wenn sich daraus - in
  156. deutscher oder einer anderen dem Reisenden leicht verständlichen Sprache
  157. (§ 10 BGB-InfoV) - eine verbindliche Erklärung des Absicherers ergab, auch die
  158. Erstattung des von den Klägern zu zahlenden Reisepreises abzudecken. Nach
  159. den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
  160. entsprach die Kopie eines als "Sicherungsschein" bezeichneten Dokuments
  161. nicht diesen Anforderungen, weil das Dokument eine Absicherung für Verträge,
  162. die nicht auf dem niederländischen Markt geschlossen wurden, nicht zum Ausdruck brachte. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den
  163. Klägern eine den Anforderungen des § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende
  164. Sicherheitsleistung nicht nachgewiesen hat, begegnet danach keinen rechtlichen Bedenken.
  165. c) Soweit die Revision anführt, die Beklagte habe vom Reiseveranstal-
  166. 14
  167. ter die Bestätigung erhalten, es bestehe eine Kundengeldabsicherung, ergibt
  168. sich auch daraus kein hinreichender Nachweis gegenüber den Klägern. Mit der
  169. genannten Bestätigung wurden den Reisenden keine Beweismittel präsentiert.
  170. Da der Reiseveranstalter selbst gemäß § 651k Abs. 4 und 5 BGB nachweispflichtig ist, reicht seine bloße Erklärung nicht aus, um den Reisenden die gebotene Beweissicherheit zu verschaffen.
  171. 4. Die Beklagte hat demnach den Klägern den Schaden zu ersetzen,
  172. 15
  173. der ihnen durch die Zahlung des Reisepreises entstand, nachdem die im Reisevertrag versprochene Gegenleistung ausblieb.
  174. -8-
  175. Dieser in Höhe des Reisepreises zu berechnende Schadensersatz ist
  176. 16
  177. nicht aufgrund etwaiger - vom Berufungsgericht offen gelassener - Ansprüche
  178. der Reisenden gegen den Kundengeldabsicherer des Reiseveranstalters zu
  179. reduzieren. Sollten solche Ansprüche entgegen dem Wortlaut der von den Parteien vorgetragenen Versicherungsbedingungen gleichwohl zugunsten der Kläger bestehen, ergäben sich daraus lediglich Ansprüche gegen einen Dritten zur
  180. Kompensation des Schadens. Mit solchen Ansprüchen könnte nur ein - hier
  181. nicht geltend gemachtes - Zurückbehaltungsrecht zur Leistung Zug um Zug gegen die Abtretung der Ansprüche analog §§ 255, 274 BGB begründet werden;
  182. der Schadensersatzanspruch selbst wird dadurch weder ausgeschlossen noch
  183. reduziert (vgl. BGH, Urteile vom 20. November 1992 - V ZR 279/91, BGHZ 120,
  184. 261 unter I 2 b; vom 15. April 2010 - IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961 Rn. 35).
  185. -9-
  186. 17
  187. III. Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  188. Meier-Beck
  189. Grabinski
  190. Hoffmann
  191. Bacher
  192. Schuster
  193. Vorinstanzen:
  194. AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 27.11.2012 - 30 C 1638/12 (71) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 25.07.2013 - 2-24 S 1/13 -