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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 190/03
  5. Verkündet am:
  6. 14. Oktober 2004
  7. H e i n z e l m a n n,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. nein
  16. AGBG § 3
  17. Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers in einem Einheitspreisvertrag „Auch bei einem Einheitspreisvertrag ist die Auftragssumme limitiert“ ist überraschend und wird daher nicht Vertragsbestandteil.
  18. AGBG § 9 Bf
  19. Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers "Zusätzliche
  20. Leistungen werden nur nach schriftlich erteiltem Auftrag bezahlt" benachteiligt den
  21. Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen und ist daher unwirksam
  22. (Bestätigung von BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 53/03).
  23. BGB § 781
  24. -2Die Prüfung und Abzeichnung der Schlußrechnung durch den Architekten bindet den
  25. Auftraggeber auch dann nicht als kausales Schuldanerkenntnis, wenn er selbst die
  26. Rechnung an den Auftragnehmer weitergeleitet hat.
  27. BGH, Urt. v. 14. Oktober 2004 - VII ZR 190/03 - OLG Düsseldorf
  28. LG Wuppertal
  29. -3-
  30. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  31. vom 14. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
  32. Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka
  33. für Recht erkannt:
  34. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats
  35. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
  36. erkannt worden ist.
  37. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  38. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  39. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. Die Klägerin verlangt von den Beklagten restlichen Werklohn.
  43. Die Beklagten beauftragten die Klägerin mit Bauarbeiten an einem Bauvorhaben in W. unter Vereinbarung der VOB/B. Der Bauvertrag vom 3. März
  44. 1998, der auf ein Leistungsverzeichnis mit Einheitspreisen Bezug nimmt, weist
  45. eine Auftragssumme von brutto 320.000 DM aus. Der Beklagte ist der Auffassung, damit sei ein Höchstpreis vereinbart. Im Vertrag findet sich die hand-
  46. -4-
  47. schriftliche Bezeichnung "Einheitspreisvertrag". Nr. 3.5. der von den Beklagten
  48. gestellten Vertragsklauseln lautet:
  49. "Auch bei einem Einheitspreisvertrag ist die Auftragssumme limitiert. Zusätzliche Leistungen werden nur nach schriftlich erteiltem Auftrag bezahlt."
  50. Die Klägerin rechnete die erbrachten Leistungen in ihrer Schlußrechnung
  51. vom 27. November 2000 mit 410.245,02 DM ab. Unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen und Kürzungen verlangt sie noch 91.011,60 DM.
  52. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 20.406,75 € uneingeschränkt und in Höhe von weiteren 9.884,39 € Zug um Zug gegen Stellen einer
  53. Gewährleistungsbürgschaft stattgegeben.
  54. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Zurückweisung der Berufung weiter.
  55. Entscheidungsgründe:
  56. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  57. und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  58. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis
  59. zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5
  60. EGBGB).
  61. -5-
  62. I.
  63. 1. Das Landgericht ist nach Beweisaufnahme zur Ansicht gelangt, die
  64. Parteien hätten einen Einheitspreisvertrag geschlossen. Die Vertragsklausel
  65. Nr. 3.5 sei dahin zu verstehen, daß die der Klägerin zustehende Vergütung ohne Skonto und Nebenkosten auf 320.000 DM begrenzt sei. Das Berufungsgericht ist der Meinung, der Bauvertrag stelle nicht einen Einheitspreisvertrag mit
  66. Höchstpreisklausel, sondern einen gewöhnlichen Einheitspreisvertrag dar. Eine
  67. solche Höchstpreisklausel wäre zwar individualrechtlich möglich. Eine so verstandene Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre jedoch
  68. eine ungewöhnliche und seltene Form der Vergabe von Bauleistungen. Zu deren Wirksamkeit wäre deshalb eine eindeutige und unmißverständliche Formulierung erforderlich gewesen. Daran fehle es hier. Der Wortlaut müsse nicht
  69. notwendig im Sinne einer Vergütung der Summe als Höchstbetrag verstanden
  70. werden. Die Bedenken gegen die Eindeutigkeit der Klausel seien auch nicht
  71. durch das Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz ausgeräumt. Da keine
  72. Preisdeckelung vereinbart worden sei, sei nach den ermittelten Massen abzurechnen.
  73. 2. Dagegen wenden sich die Beklagten im Ergebnis ohne Erfolg.
  74. a) Die Verfahrensrüge der Beklagten, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft die in erster Instanz erhobenen Beweise anders als das Landgericht
  75. gewürdigt, hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer
  76. Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 ZPO).
  77. b) Die Beklagten beanstanden im Ergebnis ohne Erfolg, daß das Berufungsgericht die Klägerin nicht an die Auftragssumme von 320.000 DM für gebunden hält.
  78. -6-
  79. aa) Satz 1 der Klausel ist als Höchstpreisklausel zu verstehen. Sie begrenzt die Vergütung auf einen bestimmten Betrag, auch wenn sich bei einer
  80. Abrechnung nach Massen und Einheitspreisen ein höherer Betrag ergibt. Diese
  81. Klausel ist nicht Vertragsbestandteil geworden (§ 3 AGBG). Die Parteien haben
  82. in Nr. 1 unter „Vertragsgegenstand - Vertragsart“ den Vertrag als „Einheitspreisvertrag“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist handschriftlich eingetragen.
  83. Dem Vertrag liegt ein Leistungsverzeichnis zugrunde, das mit Einheitspreisen
  84. versehen ist. Bei der Vergütung der Bauleistungen wird die Auftragssumme als
  85. „Einheitspreissumme“ bezeichnet. Damit ist dem Vertrag das Gepräge eines
  86. Einheitspreisvertrages gegeben. Dieser zeichnet sich dadurch aus, daß nach
  87. tatsächlichen Massen und Einheitspreisen abgerechnet wird. Eine Klausel, die
  88. im weiteren Vertragstext diesen Abrechnungsmodus dadurch verändern will,
  89. daß sie eine Limitierung vorsieht, ist überraschend. Ein Auftragnehmer, der einen Einheitspreisvertrag geschlossen hat, muß nicht damit rechnen, daß durch
  90. das Klauselwerk des Auftraggebers der Charakter des Einheitspreisvertrages
  91. dahin verändert wird, daß die dem Einheitspreisvertrag innewohnende Möglichkeit eine von der Menge abhängige Vergütung zu verlangen ab einem bestimmten Höchstpreis ausgeschlossen ist.
  92. bb) Satz 2 der Vertragsklausel, wonach zusätzliche Leistungen nur nach
  93. "schriftlichem Auftrag" bezahlt werden, ist unwirksam (BGH, Urteil vom
  94. 27. November 2003 - VII ZR 53/03, BauR 2004, 488 = ZfBR 2004, 258
  95. = NZBau 2004, 146). Ein Ausschluß aller Ansprüche aus vertraglich nicht vorgesehenen Leistungen benachteiligt den Auftraggeber unangemessen.
  96. -7-
  97. II.
  98. 1. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß eine Begrenzung der
  99. Vergütung der Klägerin für die im Vertrag vorgesehenen Leistungen auf
  100. 320.000 DM nicht wirksam vereinbart worden ist. Demnach seien die Leistungen nach den durch Aufmaß ermittelten Massen abzurechnen. Danach stehe
  101. der Klägerin eine Restforderung von 30.291,14 € zu. Der Vergütungsanspruch
  102. für zusätzliche Leistungen richte sich nach § 2 Nr. 6 VOB/B. Dabei seien bei
  103. Klageerhebung auf der Basis der vom Architekten der Beklagten geprüften
  104. Rechnung nur 12.671,73 DM im Streit gewesen. In der Klageerwiderung hätten
  105. die Beklagten sich nicht mehr an das Ergebnis der Rechnungsprüfung durch
  106. den Architekten gehalten. Sie hätten vielmehr alle Massen, die über die in der
  107. Leistungsbeschreibung enthaltenen hinausgingen, teilweise pauschal, teilweise
  108. konkret bestritten.
  109. Die Beklagten seien nach Rechnungsprüfung durch ihren Architekten
  110. und Mitteilung des Ergebnisses dieser Prüfung an die Klägerin gehindert, über
  111. die vom Architekten vorgenommenen Kürzungen hinaus die der Schlußrechnung der Kläger zugrundeliegenden Massenansätze zu bestreiten. Sie seien
  112. vielmehr an die korrigierten Massenansätze gebunden. Der Architekt habe die
  113. Rechnung geprüft und mit Häkchen versehen. Damit seien die in der Abrechnung übernommenen Rechnungsposten verbindlich festgelegt worden. Die Beklagte zu 1 habe die geprüfte Schlußrechnung der Klägerin übersandt und damit zum Ausdruck gebracht, daß sie diese Rechnungsposten akzeptiere. Dies
  114. gelte auch, soweit der Architekt vermerkt habe, die Massenansätze seien nicht
  115. mehr zu kontrollieren. Die gerichtliche Prüfung sei demnach darauf zu beschränken, inwieweit die noch streitigen Kürzungen, die der Architekt vorgenommen habe, berechtigt seien.
  116. -8-
  117. 2. Dagegen wenden sich die Beklagten mit Erfolg.
  118. Der Prüfvermerk eines Architekten ist eine Wissenserklärung dem Auftraggeber gegenüber, daß die Rechnung fachlich und rechnerisch richtig ist.
  119. Eine Wissenserklärung ist keine rechtsgeschäftliche Erklärung des Architekten
  120. namens seines Auftraggebers gegenüber dem Unternehmer und damit kein
  121. Angebot zum Abschluß eines kausalen Schuldanerkenntnisses (BGH, Urteil
  122. vom 6. Dezember 2001 - VII ZR 241/00, BauR 2002, 613 = ZfBR 2002, 345
  123. = NZBau 2002, 345). Nichts anderes gilt, wenn der Architekt die Schlußrechnung prüft und mit Häkchen versieht. Daran ändert auch nichts, daß die Beklagte zu 1 die Rechnung an die Klägerin gesandt hat (vgl. BGH, Urteil vom
  124. 6. Dezember 2001 - VII ZR 241/00 aaO).
  125. Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Voraussetzungen eines
  126. kausalen Schuldanerkenntnisses fehlen. Dieses setzt voraus, daß die Parteien
  127. mit der Vereinbarung das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit entziehen wollten (BGH, Urteil vom
  128. 1. Dezember 1994 - VII ZR 215/93, NJW 1995, 960 = BauR 1995, 232 = ZfBR
  129. 1995, 82).
  130. -9-
  131. III.
  132. Das Urteil hat demnach keinen Bestand, weil das Berufungsgericht den
  133. Beklagten versagt, sich gegen die Schlußrechnung auch hinsichtlich der Positionen zu verteidigen, die vom Architekten der Beklagten zu 1 geprüft sind.
  134. Die weitere Verhandlung gibt dem Berufungsgericht auch die Möglichkeit, sich mit den Einwendungen der Beklagten hinsichtlich der abgerechneten
  135. Böschungswinkelstützen zu befassen.
  136. Dressler
  137. Thode
  138. Kuffer
  139. Wiebel
  140. Kniffka