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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 42/05
  5. Verkündet am:
  6. 7. März 2006
  7. Böhringer-Mangold,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ZPO § 545 Abs. 2
  19. Durch § 545 Abs. 2 ZPO ist die Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz
  20. der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, auch wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur sachlichen
  21. Zuständigkeit zugelassen hat.
  22. BGH, Urteil vom 7. März 2006 - VI ZR 42/05 - LG Frankfurt (Oder)
  23. AG Strausberg
  24. -2-
  25. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 7. März 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richterin
  27. Diederichsen und die Richter Pauge, Stöhr und Zoll
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision gegen das Urteil der 6(a) Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Februar 2005 wird auf Kosten des
  30. Klägers zurückgewiesen.
  31. Von Rechts wegen
  32. Tatbestand:
  33. 1
  34. Das klagende Land verlangt aus übergegangenem Recht wegen einer
  35. vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten vom 7. April 1993 die Erstattung von Krankengeld und Versicherungsbeiträgen sowie der Kosten des
  36. Krankentransports und der stationären Krankenhausbehandlung des Opfers.
  37. 2
  38. Am 30. September 2003 beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. den
  39. Erlass eines Mahnbescheids, mit welchem er die Erstattung von Krankengeld
  40. sowie von Versicherungsbeiträgen begehrte. In dem Mahnbescheidantrag bezeichnete er das Amtsgericht S. als das zuständige Gericht für ein streitiges
  41. Verfahren. Mit Schreiben vom 10. November 2003 teilte der Kläger eine neue
  42. -3-
  43. Anschrift des Beklagten mit und benannte nunmehr das Amtsgericht F. als
  44. Streitgericht. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren jedoch an das Amtsgericht S. ab.
  45. 3
  46. Am 21. Oktober 2003 beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. einen
  47. weiteren Mahnbescheid gegen den Beklagten, mit dem er aus demselben Vorfall die Erstattung von Krankentransport- und Krankenhauskosten begehrte. Er
  48. benannte das Amtsgericht F. als Streitgericht. Mit Schreiben vom 7. November
  49. 2003 teilte er die Anschrift des Beklagten mit und bat um Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht S.. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren an dieses Gericht ab.
  50. 4
  51. Das Amtsgericht S. hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung
  52. und Entscheidung verbunden. Nachdem es auf Bedenken gegen die sachliche
  53. Zuständigkeit des Amtsgerichts wegen Überschreitens der Wertgrenze nach
  54. Verbindung der Verfahren hingewiesen und der Beklagte die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt hatte, hat es die Klage mit Urteil vom 23. Juni
  55. 2004 als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
  56. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
  57. Berufungsbegehren weiter, die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen
  58. Urteils und Verfahrens an das Amtsgericht S. zurückzuverweisen.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. I.
  61. 5
  62. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe die Klage
  63. nach Verbindung der Verfahren zu Recht wegen der fehlenden sachlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.
  64. -4-
  65. 6
  66. Die nach § 147 ZPO vorgenommene, im Ermessen des Gerichts stehende Verbindung der Verfahren sei zulässig gewesen. Der Kläger begehre aus
  67. übergegangenem Recht aus demselben Haftungsgrund von dem Beklagten die
  68. Erstattung von Leistungen, die er an die Krankenkasse des Verletzten bezahlt
  69. habe, und beide Verfahren seien zum Zeitpunkt der Verbindung beim Amtsgericht S. anhängig gewesen.
  70. 7
  71. Zwar werde die bis dahin bestehende sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts durch einen Verbindungsbeschluss grundsätzlich nicht berührt. Etwas
  72. anderes gelte aber, wenn der Kläger erkennbar durch eine willkürliche Zerlegung seines Gesamtanspruchs in mehrere Verfahren die Zuständigkeit des
  73. Amtsgerichts wider Treu und Glauben erschleichen wolle. Ein solcher Fall liege
  74. hier vor, insbesondere weil der Vertreter des Klägers im Termin vor dem Amtsgericht eingeräumt habe, dass die Geltendmachung der Ansprüche in zwei Klagen allein deshalb erfolgt sei, um die Zuständigkeit des Amtsgerichts zu erreichen und die Kosten eines Rechtsanwalts zu sparen.
  75. II.
  76. 8
  77. Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichtete Revision
  78. ist zwar statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen
  79. zulässig. Sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen.
  80. 9
  81. 1. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit abgewiesen, weil nach Verbindung beider Verfahren wegen Überschreitung
  82. der Wertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben sei. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt, jedoch die Revision zugelassen, offenbar um eine Überprüfung der Erwägungen zu ermögli-
  83. -5-
  84. chen, mit denen es ausnahmsweise in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit nach Verbindung der
  85. Verfahren angenommen hat. Die Revision wendet sich gegen diese Auffassung
  86. und möchte eine Zurückverweisung an das Amtsgericht S. erreichen.
  87. 10
  88. 2. Mit diesem Begehren hat sie keinen Erfolg, weil die hier maßgebliche
  89. Frage der sachlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts nicht der
  90. Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
  91. 11
  92. Nach § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden,
  93. dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift sollen dadurch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die
  94. allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden. Zugleich
  95. soll die Neuregelung vermeiden, dass die von den Vorinstanzen geleistete
  96. Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (vgl. BT-Drucks.
  97. 14/4722 S. 106). Da die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung insbesondere
  98. auch eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Revisionsgerichts im Auge hat, ist durch sie die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz
  99. der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin entzogen (vgl. BGH,
  100. Urteil vom 22. Februar 2005 - KZR 28/03 - NJW 2005, 1660, 1661 und Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - NJW 2917; Zöller/Gummer, ZPO,
  101. 25. Aufl., § 545 Rn. 16). Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die
  102. Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit
  103. zugelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - NJW 1988,
  104. 3267, 3268 und Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - aaO). Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 27. Mai
  105. -6-
  106. 2003 - IX ZR 203/02 -, WM 2003, 1542). Im vorliegenden Fall wäre eine revisionsrechtliche Prüfung im Übrigen auch nach einer im Schrifttum vertretenen
  107. einschränkenden Auffassung (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPO-Reform, § 545
  108. Rn. 15; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl., § 545 Rn. 12) ausgeschlossen, weil das
  109. Berufungsgericht die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt hat.
  110. 12
  111. Demnach ist die Revision zwar statthaft, aber unbegründet (vgl. BGH,
  112. Urteile vom 26. Oktober 1979 - I ZR 6/79 - MDR 1980, 203; vom 28. April 1988
  113. - I ZR 27/87 - aaO; Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - aaO).
  114. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
  115. 13
  116. Müller
  117. Diederichsen
  118. Stöhr
  119. Pauge
  120. Zoll
  121. Vorinstanzen:
  122. AG Strausberg, Entscheidung vom 23.06.2004 - 25 C 405/03 LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 08.02.2005 - 6a S 179/04 -