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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 91/08
  4. vom
  5. 22. Januar 2009
  6. in dem Zwangsversteigerungsverfahren
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 22. Januar 2009 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
  10. Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
  11. beschlossen:
  12. Auf die Rechtbeschwerde des Schuldners werden die Beschlüsse
  13. der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 24. Juni 2008
  14. und des Amtsgerichts Gießen vom 11. Februar 2008 aufgehoben,
  15. soweit darin zum Vorteil des Beteiligten zu Nr. 7 befunden worden
  16. ist. Diesem wird der Zuschlag versagt.
  17. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  18. 119.100 €.
  19. Gründe:
  20. I.
  21. 1
  22. Der Beteiligte zu 1 (Schuldner) ist u.a. Eigentümer der im Rubrum zu a)
  23. näher bezeichneten Grundstücke, deren Zwangsversteigerung angeordnet worden ist. In dem ersten Versteigerungstermin am 14. März 2005 hatte der
  24. Schuldner das Gesamtausgebot aller Grundstücke unter Verzicht auf das Einzelausgebot beantragt, ist darauf aber in den Terminen vom 9. Mai 2005, 2. Oktober 2006 und 11. Dezember 2006 nicht mehr zurückgekommen.
  25. 2
  26. In dem Versteigerungstermin vom 29. Oktober 2007, in dem neben
  27. betreibenden Gläubigern auch der Schuldner mit seinem Verfahrensbevollmächtigten zugegen gewesen ist, hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag der
  28. -3-
  29. Beteiligten zu 2 (Gläubigerin) mit Blick auf die im Rubrum zu a) genannten
  30. Grundstücke beschlossen und in den Versteigerungsbedingungen festgestellt,
  31. dass ein Doppelausgebot aller Grundstücke bzw. ein Gruppenausgebot erfolgen solle. Die anwesenden Beteiligten haben hiergegen im Termin keine Einwände erhoben. In der sodann durchgeführten Versteigerung ist der Beteiligte
  32. zu 7 Meistbietender geblieben. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2008 hat der
  33. Schuldner eingewandt, der Erteilung des Zuschlages stehe entgegen, dass im
  34. Termin nicht auf eine Einzelausbietung verzichtet worden sei. Im Übrigen müsse ein Verzicht - woran es hier fehle - zu Protokoll erklärt werden. Es sei nicht
  35. auszuschließen, dass bei einer Einzelausbietung ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre.
  36. 3
  37. Mit Beschluss vom 11. Februar 2008 hat das Vollstreckungsgericht dem
  38. Beteiligten zu 7 den Zuschlag erteilt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners
  39. ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte er die Versagung des Zuschlags erreichen. Soweit das
  40. Vollstreckungsgericht mit weiterem Beschluss vom 11. Februar 2008 der Beteiligten zu 8 ein Grundstück zugeschlagen hat, verfolgt der Schuldner die Anfechtung des Zuschlages nicht weiter.
  41. II.
  42. 4
  43. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, § 63 ZVG sei nicht verletzt.
  44. Der Schuldner habe auf das Einzelausgebot wirksam verzichtet. Keiner der in
  45. dem Termin Anwesenden habe dem Antrag der Beteiligten zu 2 widersprochen.
  46. Auch auf den Beschluss des Vollstreckungsgerichts seien keine Einwendungen
  47. erhoben worden. Bereits dadurch sei eine schlüssige Verzichtserklärung begründet worden. Das gelte umso mehr, als der Schuldner Anträge gestellt, er
  48. insbesondere Sicherheitsleistung verlangt habe, und er selber in einem der frü-
  49. -4-
  50. heren Versteigerungstermine unter Verzicht auf das Einzelausgebot das Gesamtausgebot beantragt habe. Eine Protokollierung des Verzichts sei nicht erforderlich.
  51. III.
  52. 5
  53. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach
  54. § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie
  55. führt zur Versagung des Zuschlags (§ 100 i.V.m. § 83 Nr. 2 ZVG).
  56. 6
  57. 1. Das Absehen von dem Einzelausgebot hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  58. 7
  59. a) Allerdings geht das Beschwerdegericht zu Recht davon aus, dass von
  60. einem Einzelausgebot nur abgesehen werden darf, wenn die in § 63 Abs. 4
  61. Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten (vgl. Senat, Beschl. v.
  62. 30. Oktober 2008, V ZB 41/08, zur Veröffentlichung bestimmt). Es legt auch
  63. zutreffend zugrunde, dass der von dem Schuldner in dem ersten Versteigerungstermin am 14. März 2005 erklärte Verzicht auf das Einzelausgebot verfahrensrechtlich überholt ist und nicht mehr fortwirkt (vgl. auch Stöber, ZVG,
  64. 18. Aufl., § 63 Rdn. 2.2; Hintzen in Dassler/Schiffhauer u.a., ZVG, 13. Aufl.,
  65. § 63 Rdn. 9).
  66. 8
  67. b) Das Beschwerdegericht nimmt jedoch zu Unrecht an, dass der
  68. Schuldner in dem Versteigerungstermin am 29. Oktober 2007 erneut auf das
  69. Einzelausgebot verzichtet hat. Der Senat hat bereits - allerdings erst nach der
  70. Beschlussfassung durch das Beschwerdegericht - entschieden, dass der Verzicht ein positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt voraussetzt, das zudem stets zu protokollieren ist (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO).
  71. Daran fehlt es hier.
  72. -5-
  73. 9
  74. Dass der in dem Versteigerungstermin anwesende Schuldner oder sein
  75. Verfahrensbevollmächtigter den Verzicht auf das Einzelausgebot erklärt hätte,
  76. lässt sich dem Protokoll schon nicht entnehmen. Zwar kann sich ein nicht ausdrücklich vermerkter Vorgang gleichwohl aus dem Zusammenhang des im Übrigen Protokollierten ergeben, wenn der protokollierte Vorgang ohne den nicht
  77. protokollierten schlechterdings nicht denkbar ist - so kann etwa aus der protokollierten Rückgabe einer Sicherheit geschlossen werden, dass diese zuvor
  78. geleistet worden ist (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO). Vergleichbar
  79. verhält es sich hier jedoch nicht. Dass keiner der in dem Termin anwesenden
  80. Beteiligten dem Antrag der Beteiligten zu 2 widersprochen hat, lässt auch im
  81. Zusammenspiel mit dem Umstand, dass der Schuldner Sicherheitsleistung verlangt und im Übrigen Einwendungen erhoben hat, nicht denknotwendig (zwingend) den Schluss auf eine Verzichtserklärung zu. Im Übrigen kann auch von
  82. einem positiven Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt keine Rede sein.
  83. 10
  84. c) Offen gelassen hat der Senat bislang, ob in Ausnahmefällen das Einzelausgebot auch ohne die Verzichtserklärung anwesender Beteiligter unter
  85. dem Blickwinkel des Rechtsmissbrauchs unterbleiben kann (Senatsbeschluss
  86. v. 30. Oktober 2008, aaO, m.w.N.). Die Frage braucht auch hier nicht entschieden zu werden, weil die aufgezeigten Umstände auch bei verständiger Gesamtwürdigung nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauches ausreichen.
  87. 11
  88. 2. Da nicht auszuschließen ist, dass bei einem Einzelausgebot ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre, ist der Zuschlag auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 84 ZVG zu versagen.
  89. -6-
  90. IV.
  91. 12
  92. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Anwendung der
  93. §§ 91 ff. ZPO steht grundsätzlich entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat,
  94. BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.), dass sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und in einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahren in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Die Bestimmung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 47
  95. Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 GKG (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 5. Oktober 2006,
  96. V ZB 168/05, AGS 2007, 99, 100).
  97. Krüger
  98. Klein
  99. Czub
  100. Stresemann
  101. Roth
  102. Vorinstanzen:
  103. AG Alsfeld, Entscheidung vom 11.02.2008 - 33 K 11/03 LG Gießen, Entscheidung vom 24.06.2008 - 7 T 178/08 -