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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 41/08
  4. vom
  5. 30. Oktober 2008
  6. in dem Zwangsversteigerungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZVG §§ 63, 78, 80
  14. 1. Von einem Einzelausgebot kann nur abgesehen werden, wenn die in § 63 Abs. 4
  15. Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten; das gilt auch im Falle des §
  16. 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG.
  17. 2. Der Verzicht auf eine Einzelausbietung setzt nach § 63 Abs. 4 Satz 2 ZVG ein
  18. positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt voraus; der Verzicht ist stets zu
  19. protokollieren (§§ 78, 80 ZVG).
  20. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - V ZB 41/08 - LG Wiesbaden
  21. AG Bad Schwalbach
  22. -2-
  23. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. Oktober 2008 durch den
  24. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
  25. Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
  26. beschlossen:
  27. Auf die Rechtbeschwerde der Schuldner werden die Beschlüsse
  28. der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 14. Februar 2008 und des Amtsgerichts Bad Schwalbach vom 11. Oktober
  29. 2007 aufgehoben. Dem Meistbietenden wird der Zuschlag versagt.
  30. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  31. 126.000 €.
  32. Gründe:
  33. I.
  34. 1
  35. Die Beteiligten zu 2 und 3 (Schuldner) sind Eigentümer des im Rubrum
  36. näher bezeichneten Grundstücks, dessen Zwangsversteigerung angeordnet
  37. worden ist. In dem Versteigerungstermin vom 10. August 2007 sind die Schuldner nicht zugegen gewesen; jedoch hat sich die Schuldnerin vertreten lassen. In
  38. dem Versteigerungsprotokoll heißt es wörtlich:
  39. „Nunmehr wurden die Beteiligten zu dem geringsten Gebot und den
  40. Versteigerungsbedingungen gehört. <ohne Eintrag> beantragte, beide
  41. -3-
  42. Bruchteile nur als Gesamtausgebot zuzulassen unter Verzicht auf Einzelausgebot. Anträge zu den Versteigerungsbedingungen und/oder Erklärungen zu dem geringsten Gebot wurden nicht abgegeben.
  43. … Versteigerungsbedingungen, die von den gesetzlichen Vorschriften
  44. abweichen, wurden wie folgt festgestellt: Es erfolgt Gesamtausgebot
  45. beider Bruchteile unter Verzicht auf Einzelgebot.“
  46. 2
  47. Meistbietender ist der Beteiligte zu 4 geblieben. Ihm hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag erteilt. Die sofortige Beschwerde der Schuldner ist
  48. erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchten sie die Versagung des Zuschlags erreichen.
  49. II.
  50. 3
  51. Das Beschwerdegericht steht auf dem Standpunkt, Einzelausgebote seien entbehrlich, wenn das Vollstreckungsgericht von der Möglichkeit des § 63
  52. Abs. 1 Satz 2 ZVG Gebrauch mache, die Versteigerungsobjekte gemeinsam
  53. auszubieten (Gesamtausgebot). Die Vorschrift bezwecke eine Vereinfachung
  54. und Beschleunigung des Verfahrens. Dieser Zweck könne nur erreicht werden,
  55. wenn auf die Vornahme von Einzelausgeboten verzichtet werde. Davon abgesehen sei das Verhalten der in dem Versteigerungstermin anwesenden Schuldnerin als Verzicht auf die Ausbringung von Einzelausgeboten zu würdigen (§ 63
  56. Abs. 4 ZVG). Zwar liege keine ausdrückliche Erklärung vor. Das Protokoll sei
  57. jedoch auslegungsfähig. Da in diesem als Versteigerungsbedingung der Verzicht auf Einzelausgebote enthalten sei, müsse davon ausgegangen werden,
  58. dass vorher entsprechende Erklärungen der Beteiligten abgegeben worden seien. Widerspruch sei jedenfalls nicht erhoben worden.
  59. -4-
  60. III.
  61. 4
  62. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach
  63. § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie
  64. führt zur Versagung des Zuschlags (§ 100 i.V.m. § 83 Nr. 2 ZVG).
  65. 5
  66. 1. Das Absehen von dem Einzelausgebot hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  67. 6
  68. a) Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 ZVG sind mehrere in demselben Verfahren
  69. zu versteigernde Grundstücke einzeln auszubieten. Entsprechendes gilt nach
  70. allgemeiner Auffassung bei der Versteigerung von Bruchteilseigentum (vgl. nur
  71. OLG Jena, Rpfleger 2000, 509; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 63 Rdn 3.4), weil dieses vollstreckungsrechtlich wie ein Grundstück zu behandeln ist (vgl. § 864
  72. Abs. 2 ZPO). Vor diesem Hintergrund hat das Vollstreckungsgericht zwar zu
  73. Recht von der Möglichkeit des § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG Gebrauch gemacht, wonach Objekte, die mit einem einheitlichen Bauwerk überbaut sind, auch gemeinsam ausgeboten werden können. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Vollstreckungsgericht von Einzelausgeboten hätte Abstand nehmen dürfen.
  74. 7
  75. Dass das Gesamtausgebot das Einzelausgebot nicht verdrängt, sondern
  76. diesem nur als zusätzliche Versteigerungsmodalität zur Seite tritt (so die ganz
  77. h.M., vgl. etwa OLG Jena, aaO; Hintzen, in: Dassler u.a., ZVG, 13. Aufl., § 63
  78. Rdn. 12; Hornung, NJW 1999, 460, 464; Stöber, aaO, Rdn. 3.1; a.A. Fisch,
  79. Rpfleger 2002, 637), legt schon der Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG (…
  80. können „auch“ gemeinsam ausgeboten werden …) nahe. Es ist zwar richtig,
  81. dass mit der Einführung dieser Bestimmung eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens bezweckt wurde (BT-Drucks. 13/9438 S. 9). Dieser
  82. -5-
  83. Zweck wird jedoch schon dadurch erreicht, dass der Rechtspfleger das Gesamtausgebot - anders als nach altem Recht - nunmehr von Amts wegen anordnen
  84. kann. Vor allem aber gilt es zu bedenken, dass das vorrangige Anliegen aller
  85. Versteigerungsmodalitäten darin besteht, ein möglichst hohes Meistgebot zu
  86. erreichen (BGH, Beschl. v. 9. Mai 2003, IXa ZB 25/03, NJW-RR 2003,
  87. 1077,1078; Hintzen, aaO, Rdn. 11). Dabei räumt das Zwangsversteigerungsgesetz der Einzelausbietung insoweit einen Vorrang ein, als es davon ausgeht, bei
  88. dieser Art der Versteigerung werde in der Regel das höchste Gebot erzielt
  89. (BGH, Beschl. v. 9. Mai 2003, aaO; vgl. auch Senat, Beschl. v. 28. September
  90. 2006, NJW-RR 1007, 1139). Zwar wird bei einem Gesamtausgebot wirtschaftlich zusammengehörender Einheiten das Bietinteresse zunehmen. Das ändert
  91. jedoch nichts daran, dass bei der der Regelung zugrunde liegenden typisierenden Betrachtung ein bestmöglicher Verwertungserlös regelmäßig nur unter Beibehaltung auch des Einzelausgebots zu erwarten ist. Folgerichtig tritt das Gesamtausgebot auch nach § 63 Abs. 2 Satz 1 ZVG neben das Einzelausgebot,
  92. und folgerichtig unterbleibt das Einzelausgebot in allen Fällen nur dann, wenn
  93. die in § 63 Abs. 4 Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten.
  94. 8
  95. b) Von einem solchen Verzicht geht das Beschwerdegericht zwar in einer
  96. Hilfserwägung aus. Die Schuldner rügen indessen zu Recht, dass diese Annahme keinen Bestand haben kann.
  97. 9
  98. aa) Nach § 80 ZVG sind bei der Entscheidung über den Zuschlag nur
  99. solche Vorgänge zu berücksichtigten, die aus dem Protokoll ersichtlich sind.
  100. Dass die in dem Termin vertretene Schuldnerin den Verzicht auf das Einzelausgebot erklärt hätte, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Zwar kann
  101. sich ein nicht ausdrücklich vermerkter Vorgang gleichwohl aus dem Zusammenhang des im Übrigen Protokollierten ergeben, wenn der protokollierte Vor-
  102. -6-
  103. gang ohne den nicht protokollierten schlechterdings nicht denkbar ist - so kann
  104. etwa aus der protokollierten Rückgabe einer Sicherheit geschlossen werden,
  105. dass diese zuvor geleistet worden ist (vgl. Stöber, aaO, § 80 Rdn. 2.4). Vergleichbar liegt es hier jedoch nicht. Aus dem Umstand, dass die Bruchteile nach
  106. den Versteigerungsbedingungen nicht auch einzeln ausgeboten werden sollten,
  107. folgt alles andere als zwingend, dass zuvor Verzichtserklärungen im Sinne § 63
  108. Abs. 4 Satz 1 ZVG abgegeben worden sind. Das Protokoll begründet keine
  109. Vermutung dahin, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer
  110. protokollierten gerichtlichen Entscheidung vorgelegen haben. Es kommt daher
  111. gar nicht mehr darauf an, dass unstreitig sein dürfte, dass der in dem Versteigerungstermin anwesende Vertreter der Schuldnerin eine Erklärung zur Einzelausbietung nicht abgegeben hat.
  112. bb) Dass der Schuldnervertreter keinen Widerspruch erhoben hat, recht-
  113. 10
  114. fertigt keine andere Beurteilung. Der Verzicht auf Einzelausgebote ist nach § 63
  115. Abs. 4 Satz 2 ZVG spätestens bis zur Abgabe von Geboten „zu erklären“. Gefordert ist damit ein positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt, das zudem
  116. stets zu protokollieren ist (§§ 78, 80 ZVG); Schweigen steht dem nicht gleich
  117. (vgl. auch Hintzen, aaO, § 63 Rdn. 7 u. 9; Stöber, aaO, § 63 ZVG Rdn. 2.1. u.
  118. 3.4).
  119. 11
  120. cc) Ob in Ausnahmefällen das Einzelausgebot auch ohne den Verzicht
  121. anwesender Beteiligter unter dem Blickwinkel des Rechtsmissbrauchs unterbleiben kann (so etwa Hintzen, aaO, Rdn. 12 m.w.N.; offen gelassen von OLG
  122. Jena, Rpfleger 2000, 509), braucht hier nicht entschieden zu werden. Besondere Umstände, die das Verhalten des Terminsvertreters der Schuldnerin als
  123. rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.
  124. -7-
  125. 12
  126. 2. Da nicht auszuschließen ist, dass bei einem Einzelausgebot ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre, ist der Zuschlag auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 84 ZVG zu versagen.
  127. IV.
  128. 13
  129. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Anwendung der
  130. §§ 91 ff. ZPO steht grundsätzlich entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat,
  131. BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.), dass sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und in einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfah-
  132. -8-
  133. ren in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber
  134. stehen.
  135. Krüger
  136. Klein
  137. Czub
  138. Stresemann
  139. Roth
  140. Vorinstanzen:
  141. AG Bad Schwalbach, Entscheidung vom 11.10.2007 - 2 K 58/06 LG Wiesbaden, Entscheidung vom 14.02.2008 - 4 T 589/07 -