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345 lines
17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. RiZ(R) 2/13
  5. vom
  6. 25. April 2014
  7. in dem Prüfungsverfahren
  8. des
  9. Antragsteller und Revisionskläger,
  10. gegen
  11. das Land
  12. Antragsgegner und Revisionsbeklagter,
  13. wegen Entlassung aus dem Richterverhältnis auf Probe
  14. -2-
  15. Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes hat ohne mündliche
  16. Verhandlung am 25. April 2014 durch den Vorsitzenden Richter am
  17. Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bergmann, die Richterin am Bundesgerichtshof
  18. Safari Chabestari, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher, die
  19. Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof Heger und den Vorsitzenden
  20. Richter am Bundesfinanzhof Krüger
  21. für Recht erkannt:
  22. Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs des Landes Brandenburg bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 11. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
  23. Der Antragsteller hat die Kosten der Revision zu tragen.
  24. Von Rechts wegen
  25. Tatbestand:
  26. 1
  27. Der im Jahr
  28. geborene Antragsteller wurde am 1. Januar 2001 zum
  29. Richter auf Probe ernannt und bei dem Finanzgericht des Landes Brandenburg
  30. eingesetzt. Der Antragsgegner entließ ihn mit Bescheid vom 10. November
  31. 2003 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen mangelnder Eignung
  32. mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aus dem richterlichen Dienst. Hiergegen
  33. -3-
  34. legte der Antragsteller Widerspruch ein. Ein Antrag auf Wiederherstellung der
  35. aufschiebenden Wirkung blieb vor dem Dienstgericht für Richter und dem
  36. Dienstgerichtshof ohne Erfolg. Außerdem erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Klage gegen seine letzten beiden dienstlichen Beurteilungen, die
  37. Grundlage der Entlassung waren, und erwirkte einen Beschluss dieses Gerichts, mit dem dem Antragsgegner vorläufig untersagt wurde, die streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilungen im Entlassungsverfahren zu verwenden.
  38. 2
  39. Da der Antragsteller auch die daraufhin erneut erstellten dienstlichen
  40. Beurteilungen für rechtswidrig hielt, regte er wegen der Dauer eines möglichen
  41. weiteren Klageverfahrens eine gütliche Beilegung durch Verschiebung des Entlassungszeitpunktes an. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 17. Dezember
  42. 2007 "gemäß §§ 55 ff. VwVfG Bbg" einen außergerichtlichen Vergleich. In dessen Nummer 1. heißt es:
  43. 3
  44. "Das Ministerium der Justiz erlässt hiermit folgenden Bescheid: Auf den
  45. mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2003 für Herrn
  46. ler] eingelegten Widerspruch wird Herr
  47. N.
  48. N.
  49. [Antragstel-
  50. [Antragsteller] in Ab-
  51. änderung des Bescheides vom 10. November 2003 mit Wirkung vom
  52. 31. Dezember 2006 aus dem richterlichen Dienst des Landes Brandenburg entlassen. Kosten des Widerspruchsverfahrens werden nicht erstattet. Verwaltungskosten werden nicht erhoben." Gemäß Nummer 2. des Vergleichs erklärte
  53. der Antragsteller einen "Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des Bescheids des
  54. Ministeriums der Justiz vom 10. November 2003 in Gestalt des Bescheides zu
  55. 1." Ferner wurden im Vergleich die Vergütungsansprüche des Antragstellers
  56. geregelt.
  57. -4-
  58. 4
  59. Der Antragsteller wurde daraufhin mit Ablauf des 31. Dezember 2006
  60. aus dem Richterdienst entlassen.
  61. 5
  62. Im Dezember 2008 erhob der Antragsteller gegen den im Vergleich in
  63. dessen Nummer 1. enthaltenen Bescheid Widerspruch mit der Begründung,
  64. ihm müssten die Kosten des Widerspruchsverfahrens einschließlich der Kosten
  65. für einen Rechtsanwalt erstattet werden. Der Antragsgegner verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2009 unter Hinweis auf den
  66. Rechtsmittelverzicht als unzulässig.
  67. 6
  68. Mit seinem Antrag vor dem Dienstgericht hat der Antragsteller sein Begehren weiter verfolgt und sich außerdem gegen den Zeitpunkt der Entlassung
  69. gewandt, der aufgrund einer Täuschung unter Hinweis auf haushaltsrechtliche
  70. Maßgaben vereinbart worden sei. Das Dienstgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen.
  71. 7
  72. Mit seiner Berufung hat der Antragsteller beantragt, den Entlassungsbescheid des Antragsgegners aufzuheben, hilfsweise, seine Entlassung aus dem
  73. Dienstverhältnis auf den 18. Dezember 2007 zu datieren, hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen,
  74. hilfsweise, festzustellen, dass der Vergleich über die Kostenentscheidung und
  75. der Rechtsmittelverzicht nichtig seien.
  76. 8
  77. Der Dienstgerichtshof hat die Berufung des Antragstellers zurückgewiesen. Die Berufung sei hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags nicht rechtzeitig begründet worden. Im Übrigen habe die Berufung keinen
  78. Erfolg. Dies gelte hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags
  79. auch unabhängig von der Rechtzeitigkeit ihrer Begründung. Dem Antragsteller
  80. -5-
  81. fehle das Rechtsschutzbedürfnis, denn er habe wirksam darauf verzichtet, gegen die im Vergleich vom 17. Dezember 2007 getroffenen Regelungen vorzugehen. Der Vergleich sei wirksam. Die Regelungen seien insbesondere weder
  82. gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfGBbg noch nach Nr. 3 dieser Vorschrift nichtig.
  83. Die Voraussetzungen für den Abschluss eines Vergleichsvertrages im Sinne
  84. des § 55 VwVfGBbg hätten vorgelegen. Die im Vergleich aufgenommene Bescheidung des Widerspruchs stelle keinen "Teilerfolg " des Widerspruchsverfahrens im Sinne des § 80 Abs. 1 VwVfGBbg dar. Sie sei vielmehr untrennbarer
  85. Bestandteil der im Wege gegenseitigen Nachgebens erzielten einvernehmlichen Regelung zur Beseitigung der ungewissen Sach- und Rechtslage.
  86. 9
  87. Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller mit seiner vom Dienstgerichtshof zugelassenen Revision. Er macht im Wesentlichen geltend, der
  88. Dienstgerichtshof sei zu Unrecht davon ausgegangen, im Berufungsverfahren
  89. seien nur Gründe zu berücksichtigen gewesen, die er bis zum 10. Januar 2012
  90. (Ende der Berufungsbegründungsfrist) vorgebracht habe. Die strengen Regelungen über die Berufungsbegründung nach § 124a Abs. 3 Sätze 1, 4 und 5
  91. VwGO gälten nur für die zuzulassende oder zugelassene Berufung, nicht aber
  92. in Fällen der zulassungsfreien Berufung. Daher hätte der Dienstgerichtshof alle
  93. bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstände beachten müssen.
  94. 10
  95. Der Dienstgerichtshof habe nicht berücksichtigt, dass der Bescheid unter
  96. Nummer 1. des Vergleichs an einem offenkundigen und besonders schweren
  97. Fehler leide und daher nichtig sei. Grundlegendes Wesensmerkmal eines Vergleichsvertrages nach § 55 VwVfGBbg sei es, dass dieser geschlossen werde,
  98. anstatt dass ein Verwaltungsakt erlassen werde. In Nummer 1. des Vergleichs
  99. sei jedoch ein Verwaltungsakt enthalten, und zwar auch hinsichtlich der Kosten-
  100. -6-
  101. folge für das Widerspruchsverfahren. Der Bescheid verstoße mithin gegen § 54
  102. Satz 2 VwVfGBbg, was einen besonders schweren Fehler i.S. des § 44 Abs. 1
  103. VwVfGBbg begründe. Zudem sei der Bescheid auch deshalb nichtig, weil dieser nicht auf einen schriftlichen Vergleichstext zurückzuführen sei (§§ 57, 59
  104. Abs. 1 VwVfGBbg, § 125 BGB). Aus der Nichtigkeit des Vergleichs folge, dass
  105. er erst zum 17. Dezember 2007 aus dem richterlichen Dienst ausgeschieden
  106. sei. Der Dienstgerichtshof hätte damit seinem Anfechtungsbegehren folgen
  107. müssen, da ein nichtiger Verwaltungsakt bzw. der davon ausgehende Rechtsschein ebenso aufzuheben sei wie ein rechtswidriger Verwaltungsakt.
  108. 11
  109. Dem stehe nicht entgegen, dass er auf Rechtsmittel verzichtet habe,
  110. denn aus der Nichtigkeit des Vergleichs unter Nummer 1. folge die Nichtigkeit
  111. des Rechtsmittelverzichts.
  112. 12
  113. Der Antragsteller beantragt, die Urteile des Dienstgerichtshofs und des
  114. Dienstgerichts sowie den Bescheid des Antragsgegners vom 10. November
  115. 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2007 aufzuheben, hilfsweise, diesen Bescheid dahingehend zu ändern, dass seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis zum 18. Dezember 2007 erfolgt.
  116. 13
  117. Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  118. 14
  119. Auf seinen Schriftsatz vom 16. August 2013 wird Bezug genommen.
  120. 15
  121. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
  122. -7-
  123. Entscheidungsgründe:
  124. 16
  125. Die zulässige Revision (§ 78 Nr. 4 Buchst. c, § 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2
  126. DRiG) ist unbegründet (§ 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 144 Abs. 2 VwGO).
  127. I.
  128. 17
  129. 1. Der Dienstgerichtshof hat zutreffend entschieden, dass er - von
  130. bloßen Ergänzungen abgesehen - nur solche Gründe berücksichtigen musste,
  131. die der Antragsteller bis zum Ablauf der Begründungsfrist, dem 10. Januar
  132. 2012, vorgetragen hatte.
  133. 18
  134. a) Nach § 83 Satz 1 des Brandenburgischen Richtergesetzes in der bis
  135. zum 13. Juli 2011 gültigen Fassung (BbgRiG aF), der wie vom Berufungsgericht im Einzelnen ausgeführt, im Streitfall noch anzuwenden ist, gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend u.a. in Verfahren, in
  136. denen eine Verfügung angefochten wird, durch die ein Richter auf Probe oder
  137. ein Richter kraft Auftrags entlassen wird (§ 67 Nr. 4 Buchst. d BbgRiG aF). Dies
  138. bedeutet, dass in derartigen Verfahren die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden sind, es sei denn, das Brandenburgische Richtergesetz trifft abweichende Bestimmungen oder die Anwendung von Vorschriften
  139. der Verwaltungsgerichtsordnung auf dienstgerichtliche Prüfverfahren führt zu
  140. sinnwidrigen Ergebnissen.
  141. 19
  142. b) Nach § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Berufung, wenn sie vom
  143. Verwaltungsgericht zugelassen wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist gilt auch für eine
  144. -8-
  145. zulassungsfreie Berufung. Die in allen Verfahrensordnungen enthaltenen Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln dienen der Rechtssicherheit und der
  146. Verfahrensbeschleunigung; dies sind Ziele, die auch für das dienstgerichtliche
  147. Prüfungsverfahren beachtlich sind. Da landesrechtlich keine abweichenden
  148. Bestimmungen getroffen sind, ist daher auch eine zulassungsfreie Berufung
  149. insoweit unzulässig, als Berufungsgründe nach Ablauf der ggf. verlängerten
  150. Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 3 VwGO vorgebracht wurden
  151. (§ 124a Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO).
  152. 20
  153. c) Der Antragsteller hat bis zum Ablauf der ihm vom Berufungsgericht
  154. wiederholt verlängerten Frist zur Begründung seiner Berufung vorgetragen, die
  155. in Nummer 1. des Vergleichsvertrages enthaltene Kostenentscheidung - und
  156. damit auch der in Nummer 2. erklärte Rechtsmittelverzicht - seien nichtig, weil
  157. sie § 80 Abs. 1 und 3 VwVfGBbg (in der bis zum 16. Juli 2009 geltenden Fassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg; im Folgenden nur: VwVfGBbg) verletzten. Sein Widerspruch sei erfolgreich gewesen,
  158. so dass ihm zwingend seine notwendigen Aufwendungen, die im Widerspruchsverfahren entstanden seien, hätten erstattet werden müssen. Der Vergleich sei insoweit gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfGBbg nichtig. Sach- und Kostenentscheidung hätten nicht vermengt werden dürfen. Die in dem Vergleich
  159. getroffene Kostenentscheidung hätte nicht durch Verwaltungsakt ergehen und
  160. Vergleich und Verwaltungsakt hätten nicht verbunden werden dürfen. Es komme auch eine Nichtigkeit nach § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfGBbg in Betracht.
  161. 21
  162. Der Dienstgerichtshof ist davon ausgegangen, dass sich diese Ausführungen nur auf den 2. Hilfsantrag bezogen hätten und die Berufung bezüglich
  163. des Hauptantrags und des 1. Hilfsantrags unzulässig sei. Ob diese Auslegung
  164. zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Dienstgerichtshof hat - un-
  165. -9-
  166. geachtet des Fristablaufs - das Berufungsbegehren auch hinsichtlich des
  167. Haupt- und 1. Hilfsantrags überprüft und hat im Ergebnis zutreffend (§ 144
  168. Abs. 4 VwGO) entschieden, dass der Vergleich vom 17. Dezember 2007 wirksam, der Antragsteller daher mit Wirkung vom 31. Dezember 2006 aus dem
  169. richterlichen Dienst des Landes Brandenburgs ausgeschieden ist und ihm Kosten des Widerspruchsverfahrens nicht zu erstatten sind.
  170. 22
  171. 2. Der Antragsteller begehrt mit seiner Revision primär (nur noch) die
  172. Feststellung, dass der unter Nummer 1. des Vergleichs enthaltene Verwaltungsakt und damit insoweit auch der Vergleich nichtig sei. Sein Antrag, die
  173. geänderte Entlassungsverfügung aufzuheben, zielt nach seinem Vorbringen
  174. nur darauf ab, den von dem nichtigen Verwaltungsakt ausgehenden Rechtsschein zu beseitigen. Diesem Feststellungsantrag steht nicht entgegen, dass
  175. der Antragsteller unter Nummer 2. des Vergleichs einen "Rechtsmittelverzicht"
  176. hinsichtlich dieses Bescheides erklärt hat. Denn der objektive Erklärungswert
  177. dieser Verzichtserklärung ist nur darauf gerichtet, die Bestandskraft der im Vergleich geänderten Entlassungsverfügung bereits vor Ablauf der maßgeblichen
  178. Rechtsbehelfs-/Rechtsmittelfrist herbeizuführen. Damit sollte verhindert werden, dass der Antragsteller diesen Bescheid mit der Begründung anficht, seine
  179. Entlassung aus dem Richterdienst sei insgesamt oder jedenfalls hinsichtlich
  180. des darin bestimmten Zeitpunkts rechtswidrig. Der Rechtsmittelverzicht kann
  181. bei verständiger Würdigung jedoch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass
  182. der Antragsteller nicht berechtigt sein solle, die Nichtigkeit des unter Nummer 1.
  183. enthaltenen Verwaltungsakts geltend zu machen (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 5. Februar 2013 - 5 B 2085/12, juris Rn. 6). Ebenso
  184. wie ein Vertragspartner den Vergleichsvertrag trotz Rechtsmittelverzichts anfechten oder dessen Anpassung wegen einer Änderung oder des Wegfalls der
  185. Geschäftsgrundlage begehren kann (vgl. BVerwGE 143, 335), hindert ein im
  186. - 10 -
  187. Vergleich enthaltener Rechtsmittelverzicht nicht, die Nichtigkeit des Vergleichs
  188. insgesamt oder einzelner Bestimmungen darin geltend zu machen und eine
  189. entsprechende Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 83 Satz 1 BbgRiG aF i.V.m.
  190. § 43 Abs. 1 VwGO) zu erheben.
  191. 23
  192. 3. Der Dienstgerichtshof ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der
  193. Vergleich hinsichtlich der Vereinbarungen unter Nummer 1. wirksam ist, weil
  194. keiner der in § 59 VwVfGBbg abschließend geregelten Nichtigkeitsgründe vorliegt.
  195. 24
  196. a) Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfGBbg ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag
  197. (unter weiteren Voraussetzungen) nichtig, wenn die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen. Die Beteiligten konnten im
  198. Streitfall einen Vergleichsvertrag schließen, weil unklar war, ob die erneuten
  199. dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers dessen Entlassung aus dem richterlichen Dienst rechtfertigten und diese Ungewissheit auch nicht in absehbarer
  200. Zeit, sondern erst nach Abschluss eines erneuten gerichtlichen Verfahrens hätte beseitigt werden können. Der Antragsgegner durfte auch im Einvernehmen
  201. mit dem Antragsteller unter Nummer 1. des Vergleichs die angefochtene Entlassungsverfügung in der Weise ändern, dass der Entlassungszeitpunkt auf
  202. den 31. Dezember 2006 bestimmt wurde. Bestandteil eines Vertrags kann die
  203. Verpflichtung der beteiligten Behörde sein, einen Verwaltungsakt zu erlassen.
  204. Sie kann jedoch auch den Verwaltungsakt zugleich mit ihrer Vertragserklärung
  205. verlautbaren (BVerwGE 143, 335 Rn. 43). Zwar ist Wesensmerkmal des Verwaltungsakts, dass die Behörde die Regelung einseitig kraft ihrer Hoheitsmacht
  206. trifft. Der Vertrag bietet dem Verwaltungsakt jedoch einen zusätzlichen Rechtsgrund, wenn er vom anderen Vertragspartner - wie hier - akzeptiert wird und
  207. dieser überdies auf Rechtsmittel verzichtet (BVerwGE 143, 335 Rn. 43).
  208. - 11 -
  209. 25
  210. b) Auch die in diesem Verwaltungsakt enthaltene Bestimmung, nach der
  211. Kosten des Widerspruchsverfahrens nicht erstattet werden, war im Wege des
  212. Vergleichs zulässig, denn sie diente dazu, die Auseinandersetzung zwischen
  213. den Beteiligten über die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung endgültig zu
  214. bereinigen und den Rechtsfrieden herzustellen. Gegenstand des Nachgebens
  215. im Wege des Vergleichs kann jede rechtlich zulässige Leistung sein (Dolderer
  216. in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl., § 106 Rn. 24; Posser/Wolff/Brüning, VwGO, 2. Aufl., § 106 Rn. 1). Ungeachtet der Frage, ob
  217. überhaupt ein derartiger Anspruch besteht, kann sich ein Beteiligter verpflichten, Kosten, die er in einem Verwaltungsverfahren zur Rechtsverfolgung oder
  218. Rechtsverteidigung aufgewendet hat, gegenüber dem Vertragspartner nicht
  219. geltend zu machen. Sind sich die Beteiligten hierüber einig, kann die Behörde
  220. einen derartigen Ausspruch auch in den Verwaltungsakt aufnehmen.
  221. 26
  222. Ein derartiger Verwaltungsakt ist wirksam. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg
  223. steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil die darin für das erfolgreiche Widerspruchsverfahren bestimmte Erstattungspflicht der Behörde für einen Vergleich nicht gilt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 80 Rn. 18; Kallerhoff
  224. in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 80 Rn. 5, 52 mwN). Es handelt sich nicht um
  225. einen "Teilerfolg" i.S. dieser Vorschrift. Daher sind Kosten des Widerspruchsverfahrens von der Behörde selbst dann nicht zu erstatten, wenn hierüber im
  226. Vergleich keine ausdrückliche Regelung getroffen wurde.
  227. 27
  228. c) Da der unter Nummer 1. des Vergleichs enthaltene Verwaltungsakt
  229. weder nichtig noch erkennbar rechtswidrig war, greifen auch die Nichtigkeitsgründe des § 59 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwVfGBbg nicht. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers wurde der Vergleichsvertrag schriftlich geschlossen und
  230. - 12 -
  231. ist daher auch nicht wegen Verstoßes gegen das Schriftlichkeitsgebot des § 57
  232. VwVfGBbg i.V.m. § 59 Abs. 1 VwVfGBbg, § 125 BGB nichtig.
  233. II.
  234. 28
  235. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154
  236. Abs. 2 VwGO.
  237. Bergmann
  238. Safari
  239. Heger
  240. Drescher
  241. Krüger
  242. Vorinstanzen:
  243. LG Cottbus, Entscheidung vom 15.07.2010 - 32 DG 8/08 OVerwG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 11.12.2012 - DGH Bbg 4.12 -