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12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 52/04
  4. vom
  5. 4. November 2004
  6. in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. InsVV § 3 Abs. 1, §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 2 und 3
  14. Belasten erschwerende Umstände den vorläufigen Insolvenzverwalter in gleicher
  15. Weise wie den endgültigen Insolvenzverwalter, sind die deswegen zu gewährenden
  16. Zuschläge zum Regelsatz der Vergütung grundsätzlich für beide mit dem gleichen
  17. Hundertsatz zu bemessen.
  18. BGH, Beschluß vom 4. November 2004 - IX ZB 52/04 - LG Chemnitz
  19. AG Chemnitz
  20. -2-
  21. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
  22. Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
  23. am 4. November 2004
  24. beschlossen:
  25. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß
  26. der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 26. Januar
  27. 2004 aufgehoben.
  28. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
  29. des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.
  30. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  31. 295.285,87 € festgesetzt.
  32. Gründe:
  33. I.
  34. Der Antragsteller wurde mit Beschluß des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - vom 3. April 2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) bestellt. Die Bestellung endete
  35. am 2. Juni 2002 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung
  36. des Antragstellers zum endgültigen Insolvenzverwalter.
  37. - 3 -
  38. Der Antragsteller hat beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 501.282,10 € festzusetzen. Er hat hierbei einen 25 %-igen
  39. Regelsatz und Zuschläge von insgesamt 170 % - unter anderem 75 % für die
  40. Betriebsfortführung und 50 % für die Vermietung und Verwaltung von Immobilien - zugrunde gelegt. Mit Beschluß vom 1. April 2003 hat das Amtsgericht die
  41. Vergütung auf 205.996,23 € festgesetzt. Es hat - unter anderem wegen der
  42. Betriebsfortführung und des Vorhandenseins von teils fertigzustellenden, teils
  43. vermieteten Objekten - lediglich Zuschläge von insgesamt 55 % anerkannt,
  44. ohne diesen Prozentsatz aufzuschlüsseln. Das Landgericht hat die sofortige
  45. Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen, allerdings den Prozentsatz
  46. der gewährten Zuschläge nunmehr auf einzelne Zuschlagsfaktoren verteilt.
  47. Hierbei sind jeweils 15 % auf die Betriebsfortführung und die Vermietung/Verwaltung von Immobilien entfallen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.
  48. II.
  49. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO) und
  50. zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
  51. 1. Der Antragsteller macht geltend, das Landgericht habe zwar die in
  52. dem Vergütungsantrag dargelegten Erhöhungstatbestände einzeln bewertet,
  53. jedoch weit weniger als beantragt zugebilligt, weil es zu Unrecht angenommen
  54. habe, die Zuschläge auf die Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwal-
  55. - 4 -
  56. ters seien regelmäßig nur mit einem Bruchteil der für den endgültigen Verwalter in vergleichbaren Fällen anerkannten Zuschläge zu bemessen.
  57. 2. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob für die Tätigkeit
  58. des vorläufigen Verwalters, die Zuschläge nach § 3 Abs. 1 InsVV rechtfertigt,
  59. regelmäßig nur ein Bruchteil der für den endgültigen Verwalter anerkannten
  60. Zuschläge anzusetzen ist (so LG Braunschweig ZInsO 2001, 552, 553; LG Berlin ZInsO 2001, 608, 611; LG Neubrandenburg ZInsO 2003, 26, 27; Haarmeyer/
  61. Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 3 Rn. 72 und § 11 Rn. 74; Keller, Vergütung
  62. und Kosten im Insolvenzverfahren 2000 Rn. 189; ebenso zur Konkursordnung
  63. LG Göttingen ZInsO 1998, 189, 190) oder ob die Zuschläge - unter der Voraussetzung, daß sich die Tätigkeiten qualitativ und quantitativ nicht unterscheiden - ebenso hoch wie bei dem endgültigen Verwalter zu bemessen sind (OLG
  64. Frankfurt/Main ZIP 2001, 1016, 1018; MünchKomm-InsO/Nowak, § 11 InsVV
  65. Rn. 16; Eickmann, Vergütungsrecht 2. Aufl. § 11 InsVV Rn. 22; Graeber, Die
  66. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 11 InsVV 2003 S. 74 f).
  67. 3. Im vorliegenden Fall wird diese Frage erheblich, weil das Landgericht
  68. sich wegen des Zuschlags für die Betriebsfortführung unter Berufung auf
  69. Haarmeyer/Wutzke/Förster (aaO) an der von diesen Autoren für den vorläufigen Insolvenzverwalter genannten "Untergrenze" von 15 % orientiert hat. Da
  70. die genannten Autoren unter sonst gleichen Voraussetzungen für den endgültigen Insolvenzverwalter einen Zuschlag von 0,5 auf den Regelsatz befürworten,
  71. ist davon auszugehen, daß das Landgericht die Betriebsfortführung unterschiedlich bewertet hat je nachdem, ob sie durch den vorläufigen oder den
  72. endgültigen Insolvenzverwalter vorgenommen wird.
  73. - 5 -
  74. 4. Der Senat schließt sich im Grundsatz der Auffassung an, daß die Zuschläge für Umstände, welche die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters erschweren, mit dem gleichen Hundertsatz wie bei dem endgültigen Insolvenzverwalter zu bemessen sind, falls diese Umstände sich nicht von denen
  75. unterscheiden, die bei dem endgültigen Insolvenzverwalter zu einem Zuschlag
  76. führen würden.
  77. a) Zwar ist die Gesamttätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig geringer zu vergüten als die des endgültigen Insolvenzverwalters,
  78. weil ihre Aufgaben unterschiedlich sind. Dementsprechend sieht § 11 Abs. 1
  79. Satz 2 InsVV vor, daß die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in der
  80. Regel einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters
  81. nicht überschreiten soll (zur Berechnung vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember
  82. 2003 - IX ZB 50/03, NZI 2004, 251, 252). Dies gilt insbesondere für den einen
  83. Normalfall abgeltenden Regelsatz, der bei dem vorläufigen Insolvenzverwalter
  84. regelmäßig 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters beträgt (BGH, Beschl.
  85. v. 24. Juni 2003 - IX ZB 453/02, NZI 2003, 547, 548; vgl. nunmehr auch Art. 1
  86. Ziff. 4 der Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 4. Oktober 2004, BGBl. I, 2569) und den das Landgericht antragsgemäß auch in dieser Höhe festgesetzt hat.
  87. b) Anders kann es sich indessen mit den erschwerenden Umständen im
  88. Sinne von § 3 Abs. 1 InsVV verhalten, die nach den §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 3
  89. InsVV für den vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend zu berücksichtigen
  90. sind und denen durch Veränderung des Regelsatzes Rechnung zu tragen ist
  91. (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, NZI 2004, 251, 253). Der-
  92. - 6 -
  93. artige Umstände können sowohl vor als auch nach Insolvenzeröffnung vorliegen. Je nach Lage des Einzelfalles können sie sich für den vorläufigen Insolvenzverwalter in gleicher Weise belastend auswirken wie für den endgültigen
  94. Insolvenzverwalter. Gegebenenfalls wäre es nicht zu rechtfertigen, sie bei der
  95. Vergütung unterschiedlich zu berücksichtigen.
  96. c) Führt der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb des
  97. Schuldners fort und wird hierdurch nicht die Masse entsprechend größer, rechtfertigen die durch die Fortführung verursachten Erschwernisse in analoger Anwendung des § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 InsVV eine den Regelsatz übersteigende Vergütung (vgl. BGHZ 146, 165, 178; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO).
  98. In diesem Stadium sind die auf die Betriebsfortführung zurückgehenden Erschwernisse häufig nicht weniger belastend als nach Insolvenzeröffnung für
  99. den Insolvenzverwalter, weil der vorläufige Insolvenzverwalter es oft mit einer
  100. wirtschaftlich noch ungeklärten Situation zu tun bekommt und erst die Grundlagen für die Fortführung des Geschäftsbetriebes schaffen muß. Beispielsweise
  101. muß er mit den Lieferanten wegen einer Wiederaufnahme oder Fortführung der
  102. Lieferungen und mit den Banken wegen neuer Kredite verhandeln, um die Liquidität wiederherzustellen. Hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt.
  103. Das dabei zu Leistende kann - was den Arbeitsaufwand sowie die Bereitstellung der erforderlichen sachlichen und persönlichen Mittel angeht - nicht weniger bedeutsam sein als die Betriebsfortführung durch den späteren Insolvenzverwalter. Auch ist, solange die wirtschaftliche Situation, insbesondere der Bestand der Masse, nicht geklärt ist, das Haftungsrisiko für den vorläufigen Insolvenzverwalter eher höher als für den Insolvenzverwalter.
  104. - 7 -
  105. Das Argument, Betriebsfortführungen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter seien von kürzerer Dauer, trifft nicht in jedem Einzelfall zu. Der Zuschlag ist - unabhängig davon, ob er einen vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalter betrifft - stets nach der konkreten Dauer zu bemessen. Bei gleicher Dauer ist, falls auch sonst keine wesentlichen Unterschiede bestehen, der
  106. gleiche Zuschlag veranlaßt.
  107. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller, wie vom Landgericht festgestellt, das Unternehmen der Schuldnerin für ca. acht Wochen mit 19 Arbeitnehmern fortgeführt. Nach Ansicht des Landgerichts ist er dabei "wie ein endgültiger Verwalter tätig geworden". Es ging um die Bauleitung für die Fertigstellung von sieben Wohn- und Geschäftshäusern mit Tiefgaragenstellplätzen. Die
  108. noch ausstehende Bauleistung hatte einen Wert von etwa 2,5 Mio. €. Dabei
  109. war in Abstimmung mit der Gläubigerbank der Generalunternehmer zur Aufholung einer Bauverzögerung anzuhalten. Da das Landgericht möglicherweise
  110. auf Grund der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung einem endgültigen
  111. Verwalter für eine entsprechende achtwöchige Betriebsfortführung einen höheren Zuschlag als 15 % zugebilligt hätte, kann die angefochtene Entscheidung
  112. insofern keinen Bestand haben.
  113. d) Dasselbe gilt hinsichtlich des Zuschlags für die Vermietung und Verwaltung von Immobilienvermögen der Schuldnerin (§ 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2;
  114. §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 3 InsVV). Die Schuldnerin verfügte über 103 Objekte im
  115. Inland und ein Objekt in Italien. Auch insoweit sind die Erschwernisse, die den
  116. Zuschlag rechtfertigen, für den Antragsteller als vorläufigen Insolvenzverwalter
  117. nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht von vornherein
  118. geringer als für den endgültigen. Es hat auf die von dem Antragsteller ange-
  119. - 8 -
  120. führten "zahlreichen Verhandlungen mit Mietern und insbesondere Versorgungsunternehmen" abgestellt sowie darauf, daß "die Zuordnung der einzelnen
  121. Dauerschuldverhältnisse überaus schwierig" gewesen sei. Auch seien zunächst "umfangreiche Nachforschungen" erforderlich gewesen. Nach den Angaben in der Antragsschrift hat der Antragsteller überdies persönliche Zahlungszusagen erteilt, um die Weiterbelieferung mit elektrischer Energie, Gas,
  122. Wärme und Wasser sicherzustellen.
  123. Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann nicht ausschließen, daß
  124. das Landgericht hierfür einen Zuschlag von mehr als 15 % gewährt hätte, wenn
  125. es von der vorstehend unter b) dargelegten Rechtsauffassung ausgegangen
  126. wäre.
  127. III.
  128. Hinsichtlich der übrigen Zuschlagsfaktoren - jeweils 5 % für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, die Prüfung des Vertrages mit dem
  129. Generalunternehmer,
  130. Verhandlungen
  131. mit
  132. Immobilienvermögens,
  133. die
  134. Prüfung
  135. und
  136. Abwicklung
  137. Gläubigerbanken
  138. über
  139. die
  140. insgesamt
  141. (4 x 5
  142. =)
  143. also
  144. von
  145. Kaufverträgen,
  146. Verwertung
  147. 20 % -
  148. zeigt
  149. des
  150. die
  151. Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf; ein solcher ist auch nicht
  152. ersichtlich. Dennoch ist der angefochtene Beschluß insgesamt aufzuheben,
  153. weil die Festsetzung der Vergütung nur einheitlich erfolgen kann (BGH, Beschl.
  154. v. 18. Dezember 2003 aaO). Daran ändert auch der dem Landgericht
  155. unterlaufene Additionsfehler nichts. Die von ihm ermittelten Zuschläge hätten
  156. insgesamt nur 50 % und nicht, wie dem Antragsteller zugebilligt, 55 % ergeben.
  157. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß dem Antragsteller wegen
  158. - 9 -
  159. Antragsteller wegen der Betriebsfortführung und der Verwaltung des Immobilienvermögens Zuschläge von insgesamt mehr als (55 ./. 20 =) 35 % gebühren.
  160. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Bemessung der Zuschläge unter Berücksichtigung der Art und
  161. - 10 -
  162. des Umfangs der jeweils entfalteten Tätigkeit ist eine Frage der tatrichterlichen
  163. Würdigung im Einzelfall (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 aaO).
  164. Ganter
  165. Raebel
  166. Cierniak
  167. Kayser
  168. Lohmann