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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 163/11
  4. vom
  5. 10. Januar 2013
  6. in dem Restschuldbefreiungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. InsO § 295 Abs. 1 Nr. 2
  14. a) Der Schuldner, der während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen von
  15. Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein späteres Erbrecht erwirbt, hat seine Obliegenheit zur Herausgabe der Hälfte des Wertes durch Zahlung des entsprechenden Geldbetrages zu erfüllen.
  16. b) Die Obliegenheit, die Hälfte des Wertes des erworbenen Vermögens an den Treuhänder herauszugeben, kann auch dann nicht durch Übertragung eines Anteils am
  17. Nachlass erfüllt werden, wenn der Schuldner Mitglied einer Erbengemeinschaft
  18. geworden ist.
  19. c) Setzt die Erfüllung der Obliegenheit zur Herausgabe des hälftigen Wertes des erworbenen Vermögens die Versilberung des Nachlasses voraus, ist dem Schuldner
  20. vor der Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung Gelegenheit zu
  21. geben, diese zu betreiben.
  22. d) Über den Antrag auf Restschuldbefreiung sowie über etwaige Versagungsanträge
  23. kann so lange nicht entschieden werden, wie der Schuldner ausreichende Bemühungen um die Verwertung des Nachlasses nachvollziehbar darlegt und gegebenenfalls beweist.
  24. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2013 - IX ZB 163/11 - LG Heidelberg
  25. AG Heidelberg
  26. - 2 -
  27. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  28. Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape
  29. und die Richterin Möhring
  30. am 10. Januar 2013
  31. beschlossen:
  32. Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der
  33. Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom
  34. 11. Mai 2011 aufgehoben.
  35. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss
  36. des Amtsgerichts Heidelberg vom 8. Dezember 2010 aufgehoben.
  37. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
  38. der Rechtsmittelverfahren, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
  39. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
  40. - 3 -
  41. Gründe:
  42. I.
  43. 1
  44. Die Schuldnerin hat mit Schreiben vom 12. November 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung beantragt. Das Insolvenzverfahren ist am 19. Dezember 2003 eröffnet und am 7. März 2006 aufgehoben
  45. worden,
  46. nachdem
  47. das
  48. Insolvenzgericht
  49. mit
  50. Beschluss
  51. vom
  52. 21. Dezember 2005 die Restschuldbefreiung angekündigt hatte. Der weitere
  53. Beteiligte zu 2 (fortan: Treuhänder) wurde zum Treuhänder bestellt.
  54. 2
  55. Am 17. Juni 2009 starb der Vater der Schuldnerin. Er wurde von der
  56. Schuldnerin und deren Bruder je zur Hälfte beerbt. Zum Nachlass gehörte ein
  57. bebautes Grundstück. Die Schuldnerin unterrichtete den Treuhänder von der
  58. Erbschaft. Nachdem das Nachlassgericht den Wert des Nachlasses auf
  59. 216.531,75 € festgesetzt hatte, verlangte der Treuhänder Zahlung eines Betrages von 54.132,93 € zur Masse. Die anwaltlich vertretene Schuldnerin zahlte
  60. nicht. Mit Schreiben vom 21. April 2010 erklärte sie, ihr Bruder stimme einem
  61. Verkauf des Grundstücks nicht zu. In einem späteren Schreiben vom 24. Mai
  62. 2010 bezweifelte sie den vom Nachlassgericht errechneten Wert des Nachlasses. Unter dem 4. August 2010 wies das Nachlassgericht die Schuldnerin darauf hin, dass die Gläubiger zum Antrag auf Restschuldbefreiung anzuhören
  63. seien; sie, die Schuldnerin, sei zur bestmöglichen Verwertung des Nachlasses
  64. verpflichtet, wenn sie sich nicht einem Versagungsantrag aussetzen wolle. Mit
  65. Beschluss vom 1. Oktober 2010 setzte das Insolvenzgericht unter Anordnung
  66. des schriftlichen Verfahrens eine Frist bis zum 16. November 2010 zur Stellungnahme zum Antrag der Schuldnerin auf Restschuldbefreiung.
  67. - 4 -
  68. 3
  69. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 hat die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubigerin) unter Bezugnahme auf die entsprechenden Berichte des Treuhänders die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, weil die Schuldnerin
  70. ihrer Pflicht zur Herausgabe des hälftigen Wertes der Erbschaft nicht nachgekommen sei. Das Insolvenzgericht hat die Restschuldbefreiung versagt. Auf die
  71. sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht diesen Beschluss
  72. aufgehoben und den Versagungsantrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Mit
  73. ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Versagung
  74. der Restschuldbefreiung weiter.
  75. II.
  76. 4
  77. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 296 Abs. 3 Satz 1, §§ 6, 7 InsO aF,
  78. Art. 103f EGInsO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zum Erfolg der Erstbeschwerde.
  79. 5
  80. 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Schuldnerin habe ihre Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht verletzt. Die Vorschrift des § 295
  81. Abs. 1 Nr. 2 InsO verlange nicht, dass der Schuldner seinen Anteil am nicht
  82. auseinandergesetzten Nachlass gemäß § 2033 Abs. 1 BGB auf den Treuhänder übertrage. Der Schuldner sei vielmehr nur gehalten, den hälftigen Wert des
  83. ererbten Vermögens an den Treuhänder herauszugeben. Der Schuldnerin werde nicht vorgeworfen, sich nicht ausreichend um die Auseinandersetzung der
  84. Erbengemeinschaft bemüht oder die Verwertung des zum Nachlass gehörenden Grundstücks verzögert zu haben. Zudem fehle es an einem Verschulden,
  85. und eine Versagung der Restschuldbefreiung wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedenklich. Um den Erlös aus der Verwertung
  86. - 5 -
  87. der Erbschaft für die Gläubiger zu sichern, müsse der Treuhänder das Angebot
  88. der Bevollmächtigten der Schuldnerin vom 2. Februar 2011 annehmen, die im
  89. Fall der Erbauseinandersetzung und des Verkaufs des Grundstücks auf die
  90. Schuldnerin entfallende und um die Kosten bereinigte Ausgleichs- und/oder
  91. Kaufpreisforderung an ihn abzutreten; es sei dann Aufgabe des Treuhänders,
  92. den Erlös an die Gläubiger auszuzahlen.
  93. 6
  94. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  95. Mit der Begründung des Beschwerdegerichts lässt sich ein Verstoß gegen die
  96. Obliegenheit gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, ererbtes Vermögen zur Hälfte des
  97. Wertes an den Treuhänder herauszugeben, nicht verneinen.
  98. 7
  99. a) Nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO obliegt es dem Schuldner, während der
  100. Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen, das er von Todes wegen oder mit
  101. Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den
  102. Treuhänder herauszugeben. Dieser Obliegenheit kommt er nach, indem er eine
  103. Geldzahlung in Höhe des hälftigen Wertes der Erbschaft an den Treuhänder
  104. leistet. Er ist weder berechtigt noch verpflichtet, die zur Erbschaft gehörenden
  105. Gegenstände auf den Treuhänder zu übertragen (AG Neubrandenburg NZI
  106. 2006, 647; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 295 Rn. 39; FK-Ahrens,
  107. InsO, 6. Aufl., § 295 Rn. 50; Nerlich/Römermann, InsO, 2011, § 295 Rn. 25;
  108. HmbKomm-InsO/Streck, 4. Aufl., § 295 Rn. 12; Ahrens in Kohte/Ahrens/Grote/
  109. Busch, Verfahrenskostenstundung, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, 5. Aufl., § 295 Rn. 50; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl.,
  110. Rn. 26.53; Hoffmann, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, 2. Aufl.,
  111. S. 132; Neher, Der Erbanfall in der Insolvenz, S. 205 ff, 209; Kesseler, RNotZ
  112. 2003, 557, 561; Messner, ZVI 2004, 433, 435; Busch, ZVI 2011, 77, 83; HKInsO/Landfermann, 6. Aufl., § 295 Rn. 16; MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl.,
  113. - 6 -
  114. § 295 Rn. 66, 67; aA Preuß, NJW 1999, 3450, 3452; Braun/Lang, InsO, 5. Aufl.,
  115. § 295 Rn. 13; Hess, InsO, 2. Aufl., § 295 Rn. 42 ff; Wenzel in Kübler/
  116. Prütting/Bork, InsO, 2012, § 295 Rn. 19b; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung
  117. nach der Insolvenzordnung (1997), S. 159; Preuß, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, 2. Aufl., Rn. 291).
  118. 8
  119. aa) Der Wortlaut des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist allerdings nicht eindeutig. Einerseits ist "das ererbte Vermögen" an den Treuhänder herauszugeben;
  120. andererseits soll dies nur "zur Hälfte des Wertes" erfolgen; der Begriff der "Herausgabe" ist ebenfalls nicht eindeutig. Die Gesetzgebungsmaterialien geben
  121. keinen näheren Aufschluss. Die Formulierung, die Erbschaft sei zur Hälfte des
  122. Wertes herauszugeben, soll erreichen, dass - ebenso wie im Falle des § 1374
  123. Abs. 2 BGB - auch ein anderer Vermögenserwerb von Todes wegen sowie ein
  124. Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfasst wird (BT-Drucks.
  125. 12/2443, S. 192 zu § 244 RegE). Mit der Frage, in welcher Form die Herausgabe zu erfolgen hat, befasst sich die Begründung des Regierungsentwurfs nicht.
  126. 9
  127. Dass nur der Wert in Geld, nicht aber sonstige Vermögensgegenstände
  128. an den Treuhänder herauszugeben sind, folgt jedoch aus dem Zusammenspiel
  129. der Vorschrift des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit denjenigen Vorschriften, welche
  130. die Aufgaben, die Befugnisse und die Vergütung des Treuhänders regeln. Nach
  131. § 292 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Treuhänder den Verpflichteten über die Abtretung der pfändbaren Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem
  132. Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge (§ 287 Abs. 2
  133. Satz 1 InsO) zu unterrichten. Er hat die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter von seinem Vermögen getrennt zu halten und einmal jährlich auf Grund des Schlussverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger zu verteilen (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die
  134. - 7 -
  135. Gläubigerversammlung kann dem Treuhänder zusätzlich die Aufgabe übertragen, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen (§ 292
  136. Abs. 2 InsO). Bei Beendigung seines Amtes hat der Treuhänder dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen (§ 292 Abs. 3 InsO). Die Verwertung des Vermögens des Schuldners gehört in der sogenannten Wohlverhaltensphase, also
  137. nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, nicht zu den Aufgaben des Treuhänders (so auch Preuß, NJW 1999, 3450, 3452). Die Insolvenzordnung überträgt ihm diese Aufgabe nicht. Sie verleiht ihm auch nicht die Befugnis, das
  138. Vermögen des Schuldners zu verwalten und über es zu verfügen; die Vorschrift
  139. des § 80 InsO gilt nur bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die Einziehung der pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis ist
  140. dem Treuhänder nur aufgrund der Abtretung möglich, welche der Schuldner
  141. zusammen mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung beim Insolvenzgericht einzureichen hat (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO).
  142. 10
  143. Gehört es nicht zu den Aufgaben des Treuhänders, andere Vermögensgegenstände als Geld zu verwalten, kann der Schuldner seiner Obliegenheit
  144. aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur durch Zahlung einer Geldsumme in Höhe des
  145. hälftigen Wertes des angefallenen Vermögens genügen. Besteht das von Todes wegen erworbene Vermögen - wie regelmäßig - nicht oder nicht nur aus
  146. Geld, muss der Schuldner es versilbern, wenn er den zur Erfüllung der Obliegenheit erforderlichen Geldbetrag nicht anders aufbringen kann.
  147. 11
  148. bb) Nichts anderes gilt, wenn der Schuldner nicht Alleinerbe, sondern
  149. Miterbe geworden ist, er also den Nachlass gemäß § 2032 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich mit den anderen Miterben erworben hat.
  150. - 8 -
  151. 12
  152. (1) Die Obliegenheit zur Herausgabe des hälftigen Wertes nach § 295
  153. Abs. 1 Nr. 2 InsO besteht auch dann, wenn der Schuldner nicht Allein-, sondern
  154. Miterbe geworden ist (aA MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl., § 295 Rn. 67).
  155. Die Obliegenheit entfällt - entgegen Heyer, Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren, S. 134 - nicht deshalb, weil der Schuldner nur die ihm tatsächlich
  156. angefallenen Vermögenswerte herauszugeben habe. Der Anteil an einer Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) gehört mit dem Ablauf der Ausschlagungsfrist
  157. (§ 1944 BGB) endgültig zum Vermögen des Erben; weiterer Erklärungen bedarf
  158. es nicht. Die Verwertung des Anteils ist auch rechtlich möglich. Zwar kann ein
  159. Miterbe nicht über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen verfügen (§ 2033 Abs. 2 BGB). Er kann jedoch über seinen Anteil am Nachlass
  160. insgesamt verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB); darüber hinaus kann er nach Maßgabe der §§ 2042 ff BGB die Auseinandersetzung und Teilung des Nachlasses
  161. auch gegen den Willen der anderen Miterben betreiben.
  162. 13
  163. (2) Die Verwertung eines Anteils am Nachlass ist rechtlich möglich. Über
  164. den Anteil als solchen kann jeder Miterbe jedoch allein verfügen (§ 2033 Abs. 1
  165. Satz 1 BGB). Jeder Miterbe kann außerdem - von Ausnahmefällen abgesehen jederzeit die Auseinandersetzung, also die Teilung des Nachlasses verlangen
  166. (§ 2042 Abs. 1 BGB). Die Teilung richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen (§ 2042 Abs. 2, §§ 2046 ff, §§ 752 ff BGB; vgl. BGH, Beschluss vom 9.
  167. Juli 1956 - V BLw 11/56, BGHZ 21, 229, 232 f). Besteht der Nachlass, wie anscheinend im vorliegenden Fall, nach Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten und Teilung der beweglichen Habe des Erblassers nur noch aus einem einzigen Grundstück, kann der Erbe erforderlichenfalls unmittelbar die Teilungsversteigerung betreiben (§§ 180 ff ZVG). Selbst dann, wenn der Erblasser
  168. durch letztwillige Verfügung die Auseinandersetzung in Ansehung des Nachlas-
  169. - 9 -
  170. ses oder einzelner Nachlassgegenstände ausgeschlossen hat (vgl. § 2044
  171. Abs. 1 BGB), wofür es hier keine Anhaltspunkte gibt, kann ein Miterbe bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Auseinandersetzung verlangen (§ 2044
  172. Abs. 1 Satz 2, § 749 Abs. 2 BGB); die Verpflichtung zur Herausgabe der Hälfte
  173. des Wertes der Erbschaft (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) stellt einen solchen wichtigen Grund dar. Das bürgerliche Recht gibt dem Schuldner jedenfalls hinreichend Möglichkeiten an die Hand, die Auseinandersetzung und Verwertung des
  174. Nachlasses in dem erforderlichen Umfang auch gegen den Willen der übrigen
  175. Miterben herbeizuführen.
  176. 14
  177. (3) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung ist die Verwertung des Anteils an einer Miterbengemeinschaft dem Schuldner in der Regel
  178. auch zumutbar. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Ausschlagung einer Erbschaft, der Verzicht auf ein Vermächtnis und der
  179. Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilanspruchs zwar keine Obliegenheitsverletzungen dar (BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - IX ZB 168/09,
  180. NZI 2011, 329 Rn. 6 mwN). Diese Rechtsprechung beruht auf der Annahme,
  181. dass die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft
  182. ebenso wie diejenige über die Geltendmachung eines Pflichtteils oder eines
  183. Vermächtnisses höchstpersönlicher Natur ist (Haas/Vogel, Festschrift für
  184. Manfred Bengel und Wolfgang Reimann, 2012, S. 173, 189). Die Entscheidung
  185. darüber, ob eine Erbengemeinschaft auseinandergesetzt oder durch die Veräußerung des Erbteils für einen Dritten geöffnet werden soll, kann einen ähnlich
  186. persönlich geprägten Charakter haben. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist jedoch der im Bürgerlichen Gesetzbuch vorausgesetzte "Normalfall". Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt. Nach § 2042 Abs. 1
  187. BGB kann jeder Miterbe jederzeit nach Maßgabe der §§ 2043 ff BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen. Das Gesetz schützt die
  188. - 10 -
  189. Erbengemeinschaft auch nicht umfassend gegen die Veräußerung eines Erbteils und dem damit verbundenen "Eindringen" eines Dritten in die Erbengemeinschaft. Die Veräußerung des Anteils ist gemäß § 2033 BGB zulässig; den
  190. Miterben bleibt nur die Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts aus
  191. § 2034 BGB. Soweit der Anteil am Nachlass veräußert werden kann (§ 2033
  192. BGB), kann er auch gepfändet werden (§ 859 Abs. 2, §§ 857, 929, 935 ZPO).
  193. Der Pfändungsgläubiger kann - gegebenenfalls durch einen Antrag auf Teilungsversteigerung gemäß §§ 2042, 753 BGB, §§ 180 ff ZVG - die Auseinandersetzung des Nachlasses betreiben.
  194. 15
  195. Ein Vermögenswert, welcher außerhalb des Insolvenzverfahrens dem
  196. Zugriff der Gläubiger offen steht, verdient im Insolvenzverfahren und nach dessen Aufhebung in der Wohlverhaltensperiode keinen besonderen Schutz. Die in
  197. der Fachliteratur diskutierte Frage, ob der Zugriff von Neugläubigern durch eine
  198. Übertragung des Nachlassanteils auf den Treuhänder abgewehrt werden kann
  199. (vgl. etwa HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 295 Rn. 16; Ahrens in Kohte/
  200. Ahrens/Grote/Busch,
  201. Verfahrenskostenstundung,
  202. Restschuldbefreiung
  203. und
  204. Verbraucherinsolvenzverfahren, 5. Aufl., § 295 Rn. 50; Neher, Der Erbanfall in
  205. der Insolvenz, S. 210 f; Messner, ZVI 2004, 433, 435), stellt sich im vorliegenden Fall nicht und bedarf deshalb keiner Erörterung.
  206. 16
  207. (4) Der Ablauf der Frist des § 287 Abs. 2 InsO entbindet den Schuldner
  208. nicht von der Obliegenheit, die während der Laufzeit der Abtretungserklärung
  209. angefallene Erbschaft zu verwerten und zur Hälfte ihres Wertes an den Treuhänder herauszugeben.
  210. 17
  211. b) Die Schuldnerin hat keine Zahlung in Höhe des hälftigen Wertes ihres
  212. Erbteils geleistet. Das Angebot der Abtretung des Anspruchs auf den anteiligen
  213. - 11 -
  214. Kaufpreis für das Grundstück oder des Ausgleichsanspruchs gegen den Miterben, welches zudem erst im Beschwerdeverfahren in Aussicht gestellt wurden,
  215. ersetzt die Herausgabe nicht.
  216. III.
  217. 18
  218. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist
  219. aufzuheben. An einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat gehindert, weil
  220. die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO). Auf der
  221. Grundlage der bisherigen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist eine abschließende Entscheidung über den Versagungsantrag der weiteren Beteiligten
  222. nicht möglich. Mit der Begründung des Beschwerdegerichts kann ein Verschulden der Schuldnerin nicht ausgeschlossen werden. Das Beschwerdegericht hat
  223. allein auf die (vermeintliche) Pflicht zur Übertragung des Erbteils auf den Treuhänder abgestellt, welche die Schuldnerin nicht habe kennen können; hierauf
  224. kommt es jedoch nicht an, weil eine derartige Pflicht nicht besteht. Stattdessen
  225. wäre zu fragen gewesen, ob die Schuldnerin alles ihr mögliche und zumutbare
  226. unternommen hat und noch unternimmt, um ihren Anteil am Nachlass zu verwerten und mit dem Verwertungserlös ihrer Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2
  227. InsO nachzukommen.
  228. 19
  229. 1. Die Insolvenzordnung enthält keine Vorschriften darüber, wie zu verfahren ist, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung
  230. Vermögen von Todes wegen erwirbt, die Herausgabe des hälftigen Wertes des
  231. erworbenen Vermögens aber von der Verwertung des Nachlasses abhängig ist,
  232. die bis zum Ende der Laufzeit nicht abgeschlossen werden kann. Das Recht ist
  233. hier zweckentsprechend fortzubilden. Das Insolvenzgericht hat in einem sol-
  234. - 12 -
  235. chen Fall die Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung und über
  236. etwa gestellte Versagungsanträge aufzuschieben, wenn und solange der
  237. Schuldner nachvollziehbar darlegt und in geeigneter Weise nachweist, dass er
  238. die Verwertung des Nachlasses betreibt, aber noch nicht zu Ende gebracht hat.
  239. Einerseits kann nur so sichergestellt werden, dass das erworbene Vermögen,
  240. wie § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO es verlangt, hälftig zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger herangezogen wird. Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung vor
  241. Herausgabe des hälftigen Wertes des erworbenen Vermögens wären die Insolvenzgläubiger endgültig ausgeschlossen; denn eine "Nachtragsverteilung" entsprechend §§ 203 ff InsO von erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung an
  242. den Treuhänder herausgegebenem Vermögen sieht die Insolvenzordnung nicht
  243. vor. Andererseits entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, dass die Verwertung eines Nachlasses trotz aller Anstrengungen des Schuldners längere Zeit in
  244. Anspruch nehmen kann. Das gilt insbesondere, aber nicht nur dann, wenn - wie
  245. hier - ein Grundstück zum Nachlass gehört. Es wäre unbillig, dem Schuldner,
  246. dessen objektiv hinreichende Bemühungen um eine Verwertung des Nachlasses noch nicht zum Abschluss gelangt sind, die Restschuldbefreiung zu versagen, nur weil die Laufzeit der Abtretungserklärung beendet ist. Zudem liegt eine
  247. durch übermäßigen Zeitdruck bedingte Verschleuderung des erworbenen Vermögens nicht im Interesse der Insolvenzgläubiger. Es ist Aufgabe des Schuldners, seine Bemühungen um die Verwertung des Nachlasses darzulegen und
  248. zu beweisen, weil er selbst am besten weiß, was er in dieser Hinsicht unternommen hat, und er auch allgemein für fehlendes Verschulden darlegungs- und
  249. beweispflichtig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - IX ZB
  250. 288/08, ZVI 2009, 509 Rn. 6). Sollte sich die Verwertung als undurchführbar
  251. erweisen, was der Schuldner darzulegen und zu beweisen hat, kann die Restschuldbefreiung nicht wegen einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung versagt werden.
  252. - 13 -
  253. 20
  254. 2. Im vorliegenden Fall hat das Insolvenzgericht mehr als ein Jahr zugewartet, bis es im schriftlichen Verfahren eine Frist zur Stellungnahme zum Antrag der Schuldnerin auf Restschuldbefreiung gesetzt und dann über den Antrag entschieden hat. Im Verlauf des Verfahrens ist es jedoch zu Unklarheiten
  255. und Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise gekommen, wie die
  256. Schuldnerin ihre Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu erfüllen hat.
  257. Endgültige Klarheit gewinnt die Schuldnerin erst durch den vorliegenden Beschluss. Gleiches gilt für die aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Verbindung mit den
  258. allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen herzuleitende Obliegenheit, den Treuhänder und gegebenenfalls das Insolvenzgericht zeitnah und
  259. nachvollziehbar über den jeweiligen Stand der Verwertung des Nachlasses zu
  260. unterrichten. Der Senat hält es deshalb für angebracht, die Sache gemäß § 577
  261. Abs. 4 iVm § 572 Abs. 3 ZPO an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (vgl.
  262. hierzu BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - IX ZB 161/03, BGHZ 160, 176, 185;
  263. vom 6. Oktober 2011 - V ZB 18/11, NZI 2011, 939 Rn. 19). Dieses wird der
  264. - 14 -
  265. Schuldnerin Gelegenheit geben, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen, und
  266. sodann zu prüfen haben, ob der Antrag auf Restschuldbefreiung sowie der Versagungsantrag entscheidungsreif sind oder ob noch weiter zugewartet werden
  267. muss.
  268. Kayser
  269. Vill
  270. Pape
  271. Lohmann
  272. Möhring
  273. Vorinstanzen:
  274. AG Heidelberg, Entscheidung vom 08.12.2010 - 55 IK 31/03 R LG Heidelberg, Entscheidung vom 11.05.2011 - 4 T 26/10 -