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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZR 319/02
  4. vom
  5. 10. Dezember 2003
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. _____________________
  11. ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1; BauwesenVers. von Unternehmerleistungen
  12. (ABU)/Klausel 65 zu den ABU
  13. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nicht schon deshalb
  14. zu, weil die Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen
  15. Versicherungsbedingungen (hier: Klausel 65 zu den ABU) abhängt, aber
  16. nicht dargelegt wird, daß die Auslegung der Klausel über den konkreten
  17. Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist.
  18. BGH, Beschluß vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02 - OLG Köln
  19. LG Köln
  20. -2-
  21. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
  22. die Richterin Dr. Kessal-Wulf
  23. am 10. Dezember 2003
  24. beschlossen:
  25. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in
  26. dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln
  27. vom 13. August 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  28. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt
  29. 35.108,25
  30. Gründe:
  31. I. Die Parteien sind Bauleistungsversicherer. Sie streiten darüber,
  32. wer von ihnen für einen beim Erweiterungsbau einer Kläranlage entstandenen Schaden Versicherungsschutz zu gewähren hat.
  33. Der S.
  34. -Verband M.
  35. -T.
  36. unterhielt als Auftraggeber
  37. des Bauvorhabens bei der Beklagten eine Bauleistungsversicherung auf
  38. der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Unternehmerleistungen (ABU) mit der Klausel 65 zu den ABU
  39. -3-
  40. (Text der ABU mit Klausel 65 in VerBAV 1974, 284 ff. und Prölss/Martin,
  41. VVG 26. Aufl. S. 2129 ff.). In der Klausel 65 mit der Überschrift "TiefbauAuftraggeber als Versicherungsnehmer" heißt es u.a. wie folgt:
  42. "1. Ist der Auftraggeber Versicherungsnehmer, so wird Entschädigung nach den ABU für alle Schäden geleistet, die
  43. zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gehen, soweit nicht das Interesse
  44. einzelner Unternehmer ausdrücklich ausgeschlossen ist.
  45. ...
  46. 5. Für die Bildung der Versicherungssummen (§ 5 Nr. 1 bis 3
  47. ABU) treten an die Stelle des Bauvertrages und der Bausumme die gesamten Bauleistungen und deren Herstellungskosten. Die Herstellungskosten schließen die Kosten
  48. von Stundenlohnarbeiten und den Neuwert der durch die
  49. Bauunternehmer gelieferten Baustoffe und Bauteile ein.
  50. ..."
  51. Der S.
  52. -Verband beauftragte die G.
  53. M.
  54. Ingenieur-
  55. bau GmbH als Hauptunternehmerin mit den Bauarbeiten. Diese schloß
  56. mit der B.
  57. und L.
  58. ........... GmbH (SBB) ei-
  59. nen Nachunternehmervertrag über die Stahlbetonarbeiten für die Rundbecken. Die Hauptunternehmerin hatte keine Bauleistungsversicherung.
  60. Die Nachunternehmerin SBB unterhielt bei der Klägerin eine Bauleistungsversicherung nach ABU mit der Zusatzbedingung 62. In § 11 der
  61. Zusatzbedingung mit der Überschrift "Versicherung durch den Auftraggeber" ist in Nr. 1 vereinbart, daß kein Versicherungsschutz besteht, soweit das Interesse des Versicherungsnehmers für einzelne Bauleistungen versichert ist
  62. "a) nach den "Allgemeinen Bedingungen für die Auftraggeberversicherung von Gebäudeneubauten (ABN)" durch einen
  63. Versicherungsvertrag des Auftraggebers,
  64. -4-
  65. b) nach den ABU durch den Versicherungsvertrag eines Unternehmers, der den Versicherungsnehmer des vorliegenden Jahresvertrages mit den Bauleistungen beauftragt
  66. hat."
  67. Am 22. April 1998 kam es bei den Betonierarbeiten für ein Nachklärbecken durch einen Riß in der Stahlschalung zu einem Schaden, der
  68. zu Lasten der SBB ging. Die Klägerin zahlte an die SBB unter Berücksichtigung einer Selbstbeteilung 134.638,75 DM.
  69. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte müsse ihr diesen Betrag
  70. in voller Höhe erstatten. Durch die im Vertrag des S.
  71. -Verban-
  72. des mit der Beklagten vereinbarte Klausel 65 sei auch das Interesse der
  73. SBB als Nachunternehmerin mitversichert und nicht, wie die Beklagte
  74. meine, ausschließlich das Interesse der vom S.
  75. -V e rband un-
  76. mittelbar beauftragten Unternehmer. Deshalb sei sie - die Klägerin - gegenüber der SBB wegen der Subsidiaritätsklausel in § 11 Nr. 1 b der Zusatzbedingung 62 nicht eintrittspflichtig.
  77. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht
  78. (r + s 2003, 430) hat ihr in Höhe von 35.108,25
  79. 
  80. 
  81. 
  82. 
  83. DM) statt-
  84. gegeben und die Revision nicht zugelassen.
  85. Hiergegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt, mit der sie
  86. nach Zulassung der Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
  87. -5-
  88. II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg,
  89. weil die Beklagte den geltend gemachten Zulassungsgrund des § 543
  90. Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht dargetan hat.
  91. 1. Das Berufungsgericht nimmt an, daß beide Parteien der SBB
  92. gegenüber zur Leistung verpflichtet waren und somit eine Doppelversicherung vorlag. Es hat der Klägerin deshalb einen Ausgleichsanspruch
  93. nach § 59 Abs. 2 VVG zugebilligt und der Klage etwa zur Hälfte stattgegeben. Durch die Vereinbarung der Klausel 65 im Vertrag zwischen dem
  94. S.
  95. -Verband und der Beklagten seien die Interessen der Nach-
  96. unternehmer mitversichert. Die im Vertrag zwischen der Klägerin und der
  97. SBB vereinbarte Subsidiaritätsklausel greife nicht ein.
  98. Zur Auslegung der Klausel 65, der die Beschwerde grundsätzliche
  99. Bedeutung beimißt, hat das Berufungsgericht ausgeführt: Diese Klausel
  100. ermögliche dem Tiefbau-Auftraggeber in Abänderung von § 3 Nr. 1 und 5
  101. der ABU als Versicherungsnehmer die Versicherung seines eigenen Risikos und des Risikos seiner Auftragnehmer nach den ABU in den Bereichen Tief-, Ingenieur-, Wasser- und Straßenbau. Der Bauherr oder sonstige Auftraggeber könnten sich im Bereich des Hochbaus nach den Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Gebäudeneubauten durch Auftraggeber (ABN) versichern und das Interesse der
  102. Auftragnehmer und Handwerker einbeziehen. Schäden auf dem Gebiet
  103. des Tief-, Ingenieur-, Wasser- und Straßenbaus seien nach den ABN
  104. nicht versicherbar. Aus diesem Grund gebe die Vereinbarung der Klausel 65 zu den ABU die Möglichkeit der Versicherung des TiefbauAuftraggebers als Versicherungsnehmer im Hinblick auf sein eigenes Risiko und das seiner Auftragnehmer. Soweit es in Nr. 1 der Klausel um
  105. -6-
  106. Schäden gehe, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der
  107. beauftragten Unternehmer gingen, seien damit auch die an Nachunternehmer vergebenen Leistungen erfaßt. Der Wortlaut der Klausel schränke die Anwendung nicht auf die Leistungen der unmittelbaren Auftragnehmer ein. Wäre eine solche Beschränkung gewollt, so hätte es nahegelegen, dies in der Weise zum Ausdruck zu bringen, daß nur Schäden
  108. betroffen sein sollten, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines von ihm beauftragten Unternehmers gingen. Auch Sinn und Zweck
  109. der Klausel 65 sprächen dafür, die Nachunternehmer einzubeziehen. Die
  110. Klausel habe den Sinn, die Versicherung auszudehnen vom Versicherungsnehmer auf die mit der Baumaßnahme beauftragten Unternehmer.
  111. Wie bei den ABN solle das Interesse aller am Bau Beteiligten versichert
  112. werden, soweit der Schaden zu ihren Lasten gehe. Es könne keinen
  113. Unterschied machen, ob der Unternehmer vom Bauherrn direkt oder als
  114. Nachunternehmer beauftragt worden sei. Die Klausel 65 übernehme in
  115. Nr. 1 dementsprechend die Formulierung aus § 3 Nr. 1 ABN. In den ABN
  116. seien neben den Interessen der Bauherren und sonstigen Auftraggeber
  117. die Interessen der Auftragnehmer und Handwerker erfaßt. Daß der Bauherr als Versicherungsnehmer unmittelbar nur Einfluß auf die Auswahl
  118. des von ihm beauftragten Unternehmers habe und nicht auf den Nachunternehmer, stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Entscheidend sei,
  119. daß das Risiko der Bauleistung bei dem abgesichert werden solle, bei
  120. dem es anfalle. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Bauherr die
  121. Bauleistungen direkt an einzelne Auftragnehmer oder Handwerker in
  122. Auftrag gebe oder einen Generalunternehmer dazwischen schalte. Die
  123. Gefahr einer Veränderung der Risikostruktur bestehe nicht.
  124. -7-
  125. 2. Die Beschwerde hat nicht dargelegt, daß dieser - vom Bundesgerichtshof noch nicht entschiedenen - Auslegungsfrage grundsätzliche
  126. Bedeutung zukommt.
  127. a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschlüsse vom
  128. 27. März 2003 - V ZR 291/02 - NJW 2003, 1943 unter II 1 und vom
  129. 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 - NJW 2003, 65 unter II 2 a und b = BGHZ
  130. 152, 182, 190 ff. jeweils m.w.N.) zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die
  131. sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb
  132. das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Der Beschwerdeführer muß
  133. insbesondere ausführen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und
  134. von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist und daß die
  135. tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits nicht
  136. nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (BGH, Beschluß vom
  137. 27. März 2003 aaO unter II 1 d a.E. und Wenzel NJW 2002, 3353 unter II
  138. 2).
  139. b) Die Beschwerde vermag nicht aufzuzeigen, daß die Auslegung
  140. der Klausel 65 zu den ABU über den konkreten Rechtsstreit hinaus in
  141. Rechtsprechung und Rechtslehre umstritten und in ihren tatsächlichen
  142. oder wirtschaftlichen Auswirkungen nicht nur für die Parteien, sondern
  143. auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist. Auf dem Berufungsurteil entgegenstehende Ansichten in Literatur und Rechtsprechung kann die Beschwerde nicht hinweisen. Sie legt auch nicht dar, daß
  144. -8-
  145. andere Versicherer die Klausel ebenso wie sie verstehen und in der Praxis der Bauleistungsversicherung Zweifel über die Auslegung der Klausel
  146. bestehen und deshalb eine Klärung durch ein Urteil des Revisionsgerichts erforderlich ist.
  147. Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Berufungsgerichts
  148. sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Der vom Berufungsgericht herangezogene Vergleich der Formulierung in § 3 Nr. 1 ABN, wonach Entschädigung geleistet wird für Schäden, die zu Lasten des Versicherungsnehmers oder eines der beauftragten Unternehmer gehen, mit Nr. 1
  149. der Klausel 65 läßt es aus der Sicht der mit Bauleistungsversicherungen
  150. befaßten Verkehrskreise (vgl. dazu Platen, Handbuch der Versicherung
  151. von Bauleistungen, 3. Aufl. Rdn. 10.6.2) naheliegend erscheinen, den
  152. Umfang der durch beide Klauseln versicherten Interessen im selben Sinne zu verstehen. Hierfür spricht auch, daß für die Bildung der Versicherungssumme sowohl nach Nr. 5 der Klausel 65 wie nach § 5 Nr. 1 und 2
  153. ABN die gesamten Bauleistungen und deren Herstellungskosten maßgebend sind. Zu § 3 ABN ist es einhellige, auch von der Beklagten geteilte
  154. Auffassung, daß das Interesse der Nachunternehmer mitversichert ist
  155. -9-
  156. (Martin VW 1974, 1130 f.; Schirmer ZVersWiss 1981, 734 f., 738; Rehm,
  157. Bauwesenversicherung,
  158. 2. Aufl.
  159. S. 141;
  160. Beck’scher
  161. VOB-Komm./
  162. Rüßmann, B Anh. § 7 Rdn. 80, 83, 84).
  163. Terno
  164. Dr. Schlichting
  165. Wendt
  166. Seiffert
  167. Dr. Kessal-Wulf