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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZR 254/10
  4. vom
  5. 19. Mai 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
  9. Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
  10. am 19. Mai 2011
  11. beschlossen:
  12. 1. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen
  13. Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gewährt.
  14. 2. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das
  15. Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2010 durch Beschluss
  16. gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.
  17. 3. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme
  18. bis zum
  19. 15. Juni 2011.
  20. Streitwert: 79.734,28 €
  21. -3-
  22. Gründe:
  23. 1
  24. 1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen
  25. nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Sache nicht schon
  26. dann zu, wenn sie lediglich in Zusammenhang mit einer abstrakt generell
  27. formulierten Rechtsfrage gebracht wird. Erforderlich ist vielmehr, dass
  28. die Rechtssache diese Rechtsfrage als entscheidungserheblich, kl ärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Int eresse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handh abung des Rechts berührt. Bei der Darlegung dieser Voraussetzungen,
  29. mithin, dass die Entscheidung von einer solchen Rechtsfrage abhängt,
  30. sind insbesondere auch Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen
  31. Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende
  32. Rechtsfrage umstritten ist (BGHZ 154, 288, 291; 152, 182, 191 und stä ndig).
  33. 2
  34. Dass dies bei der aufgeworfenen Rechtsfrage, unter welchen Umständen der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer nach Ei ntritt des Versicherungsfalles auch ungefragt auskunftspflichtig ist, der
  35. Fall ist, wird weder im Berufungsurteil noch in der Revisionsbegründung
  36. dargelegt. Auch der Senat hat nicht feststellen können, dass insoweit in
  37. Rechtsprechung und Lehre eine Kontroverse besteht. In Rechtsprechung
  38. und Lehre ist allgemein anerkannt, dass ein Versicherungsnehmer Erklärungen, die die Leistungspflicht des Versicherers betreffen - wozu auch
  39. Angaben zu den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers
  40. gehören -, an sich nicht unaufgefordert abzugeben braucht, er vielmehr
  41. abwarten darf, bis der Versicherer an ihn herantritt und Informationen
  42. anfordert (zuletzt Senatsurteil vom 16. November 2005 - IV ZR 307/04,
  43. VersR 2006, 258 = juris Rn. 16 m.w.N.).
  44. -4-
  45. 3
  46. Ebenso anerkannt ist allerdings, dass in sehr restriktiv zu han dhabenden Ausnahmefällen den Versicherungsnehmer eine spontane Offenbarungsobliegenheit treffen kann. Eine solche auf Treu und Glauben b eruhende Offenbarungspflicht ohne Auskunftsverlangen des Versich erers
  47. bezieht sich auf die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders wesentlicher Informationen, die das Aufklärungsinteresse des Versich erers
  48. so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mi tteilungsbedürftigkeit auch ohne Auskunftsverlangen aufdrängen muss. In
  49. all diesen "krassen" (MünchKomm-VVG/Wandt, [2010] § 31 Rn. 27) Fällen, in denen es um Dinge geht, die für jedermann erkennbar das Aufkl ärungsinteresse des Versicherers in ganz elementarer Weise betreffen
  50. und deren Bedeutung daher für den Versicherungsnehmer auf der Hand
  51. liegen, widerspricht sein Berufen auf ein fehlendes vorheriges Auskunftsverlangen Treu und Glauben (vgl. zum Ganzen: OLG Köln VersR
  52. 1991, 410; OLG Saarbrücken VersR 1993, 216; Senatsurteil vom
  53. 8. Januar 1969 - IV ZR 530/68, VersR 1969, 267 f.; Römer/Langheid,
  54. VVG 2. Aufl. § 34 Rn. 7; BK-Dörner, VVG § 34 Rn. 5; Prölss/Martin, VVG
  55. 28. Aufl. § 31 Rn. 14; MünchKomm-VVG/Wandt aaO Rn. 17, 23, 27; Looschelders/Pohlmann, VVG 2010 § 31 Rn. 13; Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VersR § 31 VVG Rn. 33; HK-VVG/Muschner, 2010 § 31
  56. Rn. 12; Brömmelmeyer in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 31 Rn. 59, 60; jeweils m.v.w.N.).
  57. 4
  58. Diese auf ganz spezielle Umstände des Einzelfalles gestützten
  59. Rechtsgrundsätze sind - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - einer weiteren abstrakt-generellen Präzisierung nicht zugänglich.
  60. -5-
  61. 5
  62. 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
  63. 6
  64. Das Berufungsgericht hat rechts- und verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass im Streitfall eine solche Ausnahme ungefragter Offenbarung
  65. der gerade ein knappes halbes Jahr vorher eröffneten Verbraucherinsolvenz gegeben ist und die Verletzung dieser Obliegenheit gemäß § 6
  66. Abs. 3 VVG a.F. zur Leistungsfreiheit der Beklagten führt. Dem steht
  67. nicht - wie die Revision meint - entgegen, dass es für die Mitteilung der
  68. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an einer versicherungsvertraglich
  69. vereinbarten Grundlage fehlte.
  70. 7
  71. Die Auskunftspflicht gemäß § 34 Abs. 1 VVG a.F. ist eine Obliegenheit i.S. von § 6 Abs. 3 VVG a.F. (Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 34
  72. Rn. 1). Soweit es die Angaben zu den Vermögensangelegenheiten des
  73. Versicherungsnehmers anlangt, gehört dies zum Regelungsbereich des
  74. § 24 1. g), 2. VHB 95, der an die Verletzung von davon erfassten Obliegenheiten die Vereinbarung der Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 3 VVG
  75. a.F. knüpft.
  76. 8
  77. Das vom Berufungsgericht bejahte "elementare" Aufklärungsint eresse der Beklagten wird nicht durch den Hinweis der Revision auf § 82
  78. InsO in Frage gestellt. Sie übersieht zum einen, dass eine erhebliche
  79. Gefährdung von Interessen des Versicherers bereits dann besteht, wenn
  80. er durch eine unterbliebene Mitteilung der Gefahr ausgesetzt ist, sich
  81. gegenüber einer erneuten Leistungsforderung zur Wehr setzen zu müssen. Zum anderen ist die Kenntnis solcher Vermögensverhältnisse im
  82. Rahmen der Leistungsprüfung für den Versicherer unverzichtbar.
  83. -6-
  84. 9
  85. Auf dieser Grundlage greifen auch die Angriffe der Revision gegen
  86. die vom Berufungsgericht beachteten Grundsätze der Relevanzrech tsprechung nicht durch.
  87. Dr. Kessal-Wulf
  88. Wendt
  89. Harsdorf-Gebhardt
  90. Felsch
  91. Dr. Karczewski
  92. Vorinstanzen:
  93. LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 19.02.2009 - 2-31 O 380/04 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 09.11.2010 - 3 U 68/09 -