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9.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZB 41/13
  4. vom
  5. 28. Januar 2014
  6. in dem Verfahren
  7. auf Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs
  8. - 2 -
  9. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2014 durch den
  10. Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Seiters, Dr. Remmert
  11. und Reiter
  12. beschlossen:
  13. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss
  14. des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. April
  15. 2013 (8 Sch 8/12) wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen,
  16. weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch
  17. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
  18. Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
  19. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 54.251,20 €
  20. festgesetzt.
  21. Gründe:
  22. 1
  23. Die von Gesetzes wegen statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m.
  24. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) Rechtsbeschwerde ist
  25. unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).
  26. 2
  27. 1.
  28. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist das Oberlandesgericht
  29. bei seiner Prüfung, ob die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs
  30. zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO), nicht von einem unzutreffenden
  31. - 3 -
  32. rechtlichen Maßstab ausgegangen. Die Annahme des Oberlandesgerichts,
  33. dass ein Widerspruch gegen den ordre public nur bei "offensichtlicher" Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts vorliege und
  34. daher der Einwand einer Verletzung des ordre public nur in "extremen Ausnahmefällen" greife, ist zutreffend und entspricht der Senatsrechtsprechung.
  35. 3
  36. a) Soweit die Rechtsbeschwerde ihre abweichende Rechtsauffassung
  37. auf ältere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützt (Urteile vom 12. Mai
  38. 1958 - VII ZR 436/56, BGHZ 27, 249; vom 23. April 1959 - VII ZR 2/58, BGHZ
  39. 30, 89, 97; vom 25. Oktober 1966 - KZR 7/65, BGHZ 46, 365, 367 f und vom
  40. 25. Oktober 1983 - KZR 27/82, BGHZ 88, 314, 319), sind diese noch zu § 1041
  41. Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der Fassung vom 12. September 1950 (BGBl. S. 533) ergangen. Danach konnte die Aufhebung beantragt werden, "wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung
  42. verstoßen würde". Eine entsprechende Regelung enthielt § 1044 Abs. 2 Nr. 2
  43. ZPO bezüglich der Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen
  44. Schiedsspruchs. Insoweit wurde in diesen Entscheidungen die Frage einer "offensichtlichen" Unvereinbarkeit nicht problematisiert; vielmehr heißt es im Urteil
  45. vom 25. Oktober 1966 (aaO S. 370): "Ob die der Entscheidung des Schiedsgerichts zugrunde liegende Rechtsauffassung … auch von anderen geteilt wird
  46. und deshalb zumindest ‚vertretbar‘ erscheint, ist unerheblich". Geprüft wurde
  47. nur, was zu den "guten Sitten" beziehungsweise zur "öffentlichen Ordnung" gehört.
  48. 4
  49. b) Durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts
  50. vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) wurden dann allerdings unter anderem
  51. § 1041 Abs. 1 Nr. 2 und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dahin geändert, dass die Aufhebung eines (inländischen) Schiedsspruchs beziehungsweise die Versagung
  52. - 4 -
  53. der Vollstreckbarerklärung eines (ausländischen) Schiedsspruchs nur auszusprechen ist, "wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis
  54. führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich
  55. unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten
  56. unvereinbar ist". Parallel zur Änderung im Schiedsrecht wurde der ordre-publicVorbehalt in Art. 6 EGBGB zur Anwendung von Rechtsnormen eines anderen
  57. Staates und in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Anerkennung ausländischer Urteile
  58. entsprechend umformuliert. Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die
  59. Vorbehaltsklausel der "Kernbestand" der inländischen Rechtsordnung geschützt werden, wobei in Anlehnung an die neuere völkervertragliche Praxis,
  60. insbesondere an Art. 16 des EG-Schuldvertragsübereinkommens vom 19. Juni
  61. 1980, der Vorbehalt des ordre public durch den Zusatz "offensichtlich unvereinbar" bewusst eng und damit einschränkend formuliert wurde (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 222/83, S. 42 f, 88 f, 92).
  62. 5
  63. Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 12. Juli 1990 - III ZR 174/89, NJW 1990, 3210, 3211) darauf abgestellt,
  64. ob der Schiedsspruch "offensichtlich" eine Norm verletzt, die die Grundlagen
  65. des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens regelt, oder ob er "offensichtlich" zu
  66. den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch
  67. steht. Hierbei hat der Senat betont, dass eine bloße Verletzung des materiellen
  68. Rechts oder des Verfahrensrechts, nach dem das Schiedsgericht entscheiden
  69. sollte, für einen solchen Verstoß nicht ausreicht. Der Schiedsspruch ist nicht in
  70. allen Einzelheiten auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit hin zu überprüfen,
  71. sondern lediglich darauf, ob er die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung
  72. verletzt beziehungsweise ein eklatanter Verstoß gegen die materielle Gerechtigkeit vorliegt.
  73. - 5 -
  74. 6
  75. Hintergrund des "Offensichtlichkeitskriteriums" ist dabei letztlich das Verbot der révision au fond, das heißt das Verbot, eine ausländische Entscheidung
  76. oder einen Schiedsspruch auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen. Der
  77. Europäische Gerichtshof (vgl. Urteile vom 28. März 2000, NJW 2000, 1853
  78. Rn. 37 und vom 11. Mai 2000, NJW 2000, 2185 Rn. 30; jeweils zum entsprechenden ordre-public-Vorbehalt nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ, der - anders als jetzt
  79. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO - das Wort "offensichtlich" nicht enthielt) hat diesen Zusammenhang wie folgt umschrieben: "Damit das Verbot der Nachprüfung der
  80. ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es
  81. sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder
  82. eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln."
  83. 7
  84. c) Im Zuge des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) ist dann allerdings unter anderem der inländische ordre public in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO neu gefasst worden.
  85. Die Bestimmung lautet nunmehr, dass ein Schiedsspruch aufgehoben werden
  86. kann, wenn das Gericht feststellt, dass "die Anerkennung oder Vollstreckung
  87. des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung
  88. (ordre public) widerspricht". Das Kriterium der Offensichtlichkeit ist im Text nicht
  89. mehr ausdrücklich angesprochen. Aus der Entstehungsgeschichte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13/5274 S. 59) ergibt sich allerdings nichts dafür, dass der Gesetzgeber - zudem nur für das Schiedsverfahren
  90. und nicht im Anwendungsbereich der unverändert gebliebenen Art. 6 EGBGB,
  91. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO - insoweit etwas an der bisherigen Rechtslage ändern
  92. wollte. Vielmehr hatte die Änderung sprachliche Gründe (aaO); eine Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs sollte jedoch ebenso wie nach bisherigem Recht weiter ausgeschlossen bleiben (aaO S. 58 f). Ein anderes Verständnis der Norm
  93. - 6 -
  94. würde auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, durch das
  95. Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz die Schiedsgerichtsbarkeit als "Alternative zur staatlichen Justiz" beziehungsweise "als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit" zu stärken (aaO S. 1,
  96. 34).
  97. 8
  98. Vor diesem Hintergrund hat der Senat (vgl. Beschluss vom 30. Oktober
  99. 2008 - III ZB 17/08, WM 2009, 573, 574) ausdrücklich festgestellt, dass auch
  100. nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes die Aufhebung eines Schiedsspruchs voraussetzt, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, der Schiedsspruch in diesem Sinn die elementaren
  101. Grundlagen der Rechtsordnung verletzt, wobei nicht jeder Widerspruch der
  102. Entscheidung selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen
  103. Verstoß gegen den ordre public darstellt.
  104. 9
  105. Hieran hält der Senat weiter fest. Insoweit ist ergänzend auch anzumerken, dass das Offensichtlichkeitskriterium inzwischen durchgängig in den neueren europäischen Regelungen zum ordre-public-Vorbehalt verwandt wird (vgl.
  106. neben Art. 34 Nr. 1 EuGVVO nur Art. 22 Buchst. a, Art. 23 Buchst. a EuEheVO,
  107. Art. 24 Buchst. a EuUnterhVO, Art. 40 Buchst. a EuErbRVO zur Anerkennung
  108. von Entscheidungen sowie Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO, Art. 12 Rom
  109. III-VO, Art. 13 HUntProt, Art. 35 EuErbVO zur Anwendung ausländischen
  110. Rechts; siehe auch § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG).
  111. 10
  112. 2.
  113. Das Oberlandesgericht hat damit nicht - schon gar nicht in symptomati-
  114. scher Weise - den Begriff des ordre public verkannt. Auch im Übrigen liegen die
  115. von der Antragsgegnerin geltend gemachten Gründe für eine Zulässigkeit der
  116. - 7 -
  117. Rechtsbeschwerde nicht vor. Abgesehen davon teilt der Senat die Auffassung
  118. des Oberlandesgerichts, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs
  119. des
  120. Oberschiedsgerichts
  121. vom 27. Juni 2012 nicht zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung
  122. widerspricht (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO). Auf eine weitere Begründung
  123. wird nach § 577 Abs. 6 Satz 2, 3 ZPO verzichtet.
  124. Schlick
  125. Herrmann
  126. Remmert
  127. Vorinstanz:
  128. OLG Celle, Entscheidung vom 25.04.2013 - 8 Sch 8/12 -
  129. Seiters
  130. Reiter