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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. II ZR 193/11
  5. Verkündet am:
  6. 9. Juli 2013
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in dem
  14. bis zum 14. Juni 2013 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den
  15. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Dr. Strohn, die Richterin
  16. Dr. Reichart, sowie die Richter Dr. Drescher und Born
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des
  19. Oberlandesgerichts Celle vom 10. August 2011 im Kostenpunkt
  20. und insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen die Abweisung
  21. der Klage auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 37.500 € nebst
  22. Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung an der V.
  23. GmbH & Co. P.
  24. KG zurückgewiesen worden ist.
  25. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  26. Von Rechts wegen
  27. Tatbestand:
  28. 1
  29. Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 21. August 2006
  30. über die T.
  31. tungsgesellschaft H.
  32. mbH Steuerbera(im Folgenden: frühere Beklagte, Schuldnerin) als
  33. -3-
  34. Treuhänderin an der V.
  35. GmbH & Co. P.
  36. KG (im
  37. Folgenden: Fondsgesellschaft) mit einer Einlage in Höhe von 50.000 € nebst
  38. 5 % Agio. Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft und deren Geschäftsbesorgerin ist die J.
  39. AG, Komplementärin die J.
  40. tungs GmbH, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der J.
  41. stand und zugleich Geschäftsführer der J.
  42. Verwal-
  43. AG. Deren Vor-
  44. Verwaltungs GmbH war M.
  45. H.
  46. 2
  47. Das Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages gab der Anleger
  48. durch Unterzeichnung einer vorformulierten Beitrittserklärung ab. Diese sollte
  49. an die Fondsgesellschaft geschickt und von dort an die frühere Beklagte weitergeleitet werden. Angenommen wurde die Beitrittserklärung nach der Feststellung des Berufungsgerichts jeweils von der früheren Beklagten und der Fondsgesellschaft.
  50. 3
  51. Gegen H.
  52. wurde am 18. Februar 2009 Anklage wegen mehrfacher
  53. Untreue und Urkundsdelikten erhoben. Er ist ausweislich der Eintragungen im
  54. Bundeszentralregister 23-mal vorbestraft.
  55. 4
  56. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie über diese Vorstrafen, aber
  57. auch über negative Presseberichte und den Umstand, dass eine Bankgarantie
  58. noch nicht vorlag, von der früheren Beklagten hätte informiert werden müssen.
  59. Da das nicht geschehen ist, hat sie mit ihrer Klage - nach einer teilweisen Klagerücknahme in Höhe von 15.000 € im Hinblick auf eine an sie geleistete Ausschüttung - Zahlung in Höhe von 37.500 € verlangt, das ist die Einlage nebst
  60. Agio abzüglich erhaltener Ausschüttungen, zuzüglich 2.429,27 € außergerichtliche Anwaltskosten, Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Rechte aus der Beteiligung, und die Feststellung begehrt, dass die frühere Beklagte im Annahmeverzug ist.
  61. -4-
  62. 5
  63. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die
  64. Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin.
  65. 6
  66. Während des dem Revisionsverfahren vorangegangenen Beschwerdeverfahrens ist über das Vermögen der früheren Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt worden. Die Klägerin hat
  67. den Rechtsstreit aufgenommen, nachdem sie ihre Forderung in Höhe des ursprünglichen Klagebetrags von 52.500 € nebst 11.100 € Zinsen zur Insolvenztabelle angemeldet und der Beklagte ihr widersprochen hatte.
  68. 7
  69. Die Klägerin hat beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben,
  70. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klageforderung in Höhe von
  71. 37.500 € zuzüglich 8.320,83 € Zinsen in dem Insolvenzverfahren über das
  72. Vermögen der Schuldnerin zur Tabelle festzustellen.
  73. Entscheidungsgründe:
  74. 8
  75. Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Unrecht zurückgewiesen, soweit die Klägerin Zahlung in Höhe von
  76. 37.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung an der Fondsgesellschaft verlangt hat. Die übrigen Anträge (außergerichtliche Anwaltskosten und Feststellung des Annahmeverzugs) hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht weiterverfolgt.
  77. 9
  78. Die Sache ist hinsichtlich der nunmehr begehrten Feststellung der Forderung in Höhe von 37.500 € nebst 8.320,83 Zinsen zur Insolvenztabelle jedoch
  79. noch nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  80. -5-
  81. 10
  82. I. Die Änderung des von der Klägerin bisher gestellten Zahlungsantrags
  83. nach § 179 Abs. 1 InsO auf die Feststellung der Klageforderung in Höhe von
  84. 37.500 € nebst Zinsen zur Insolvenztabelle ist auch in der Revisionsinstanz zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1994 - VIII ZR 28/94, ZIP 1994,
  85. 1193).
  86. 11
  87. II. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch
  88. der Klägerin gegen die Schuldnerin verneint.
  89. 12
  90. 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
  91. Wesentlichen ausgeführt:
  92. 13
  93. Ansprüche aus § 13 Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz oder aus Prospekthaftung im engeren Sinne schieden aus, weil die Schuldnerin nicht für den
  94. Prospektinhalt verantwortlich sei und die Klägerin auch nicht durch den Prospekt zu ihrer Anlageentscheidung veranlasst worden sei.
  95. 14
  96. Die Schuldnerin habe auch keine vorvertraglichen Aufklärungspflichten
  97. verletzt. Sie sei als Treuhandkommanditistin insbesondere nicht verpflichtet
  98. gewesen, die Klägerin auf die Vorstrafen des M.
  99. H.
  100. hinzuweisen. Denn
  101. die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass die Schuldnerin
  102. von diesem Umstand Kenntnis gehabt habe. Auch müsse sich die Schuldnerin
  103. nicht ein etwaiges Verschulden des Vermittlers B.
  104. oder der Fondsgesell-
  105. schaft zurechnen lassen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass die
  106. Schuldnerin den Vermittler oder die Fondsgesellschaft mit der Vertragsanbahnung beauftragt habe.
  107. 15
  108. Über die vereinzelt gebliebene negative Berichterstattung habe die
  109. Schuldnerin ebenfalls nicht aufklären müssen. Die von der Klägerin bemängelte
  110. Bankgarantie sei rechtzeitig vorgelegt worden.
  111. -6-
  112. 16
  113. 2. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht
  114. stand. Die Insolvenzmasse haftet die Klägerin auf Schadensersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Fondsbeitritt.
  115. 17
  116. a) Die Schuldnerin war aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin der
  117. Fondsgesellschaften zur Aufklärung der Klägerin über die Vorstrafen des M.
  118. H.
  119. 18
  120. verpflichtet.
  121. aa) Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der
  122. Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241
  123. Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (st. Rspr., s. etwa BGH, Urteile vom 23. April 2012
  124. - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9 und II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23).
  125. Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen
  126. Vertragsschluss anbahnt, gewisse Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber
  127. seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet (MünchKommBGB/Emmerich, 5. Aufl., § 311 Rn. 112). Diese Haftung wird
  128. - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - durch die spezialgesetzlichen Formen der Prospekthaftung nicht außer Kraft gesetzt (Suchomel,
  129. NJW 2013, 1126, 1129 ff.; Nobbe, WM 2013, 193, 204; Wagner in
  130. Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 15 Rn. 187,
  131. aA Reinelt, NJW 2009, 1, 3; zur Haftung von Wirtschaftsprüfern s. BGH, Urteil
  132. vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12, ZIP 2013, 935 Rn. 13; s. auch BGH, Urteil vom 21. März 2013 - III ZR 182/12, ZIP 2013, 921 Rn. 23).
  133. 19
  134. Abgesehen von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein
  135. Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss
  136. denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will (BGH, Urteil
  137. vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23). Das sind bei einem
  138. Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen
  139. -7-
  140. Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft
  141. zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9).
  142. Die Komplementärin kann dabei bevollmächtigt werden, im Namen der übrigen
  143. Gesellschafter zu handeln, was hier in § 5 Abs. 5 der Gesellschaftsverträge geschehen ist.
  144. 20
  145. Bei einer Publikumsgesellschaft - wie hier bei der Fondsgesellschaft - ist
  146. eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nur insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der
  147. Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten sind und auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse erkennbar keinerlei Einfluss haben (BGH, Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71,
  148. 284, 286; Urteil vom 30. März 1987 - II ZR 163/86, ZIP 1987, 912, 913; Urteil
  149. vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; Urteil vom 20. März
  150. 2006 - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7). Sie sind in der Regel bei ihrem Beitritt ebenso nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Anlage aufgeklärt worden wie die Neugesellschafter. Es wäre deshalb unbillig, wenn bei dieser Sachlage die früher beigetretenen Anlagegesellschafter den später beigetretenen
  151. haften würden.
  152. 21
  153. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die Schuldnerin zu den
  154. Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaft gehört. Denn jedenfalls war
  155. sie schon Gesellschafterin, als sich die ersten Anleger an der Fondsgesellschaft
  156. beteiligt haben. Diese Gesellschafterstellung erschöpfte sich auch nicht in dem
  157. treuhänderischen Halten von Beteiligungen der Treugeber. Die Schuldnerin
  158. hielt vielmehr auch einen eigenen Anteil. Damit war sie nicht nur Treuhandgesellschafterin, so dass offen bleiben kann, ob ein Treuhandgesellschafter, der
  159. ausschließlich als solcher beteiligt ist, einem geringeren Pflichtenkatalog unter-
  160. -8-
  161. liegt. Die Schuldnerin haftet vielmehr - auch - als „normale“ Gesellschafterin. Ihr
  162. kommen die Haftungserleichterungen für rein kapitalistische Anleger nicht zugute. Anders als jene verfolgt sie nicht ausschließlich Anlageinteressen. Sie erhält
  163. für ihre Dienste nach § 11 des Treuhandvertrages ein einmaliges Entgelt und
  164. sodann eine jährliche Vergütung. Auch war sie nicht - wie ein nur kapitalistisch
  165. beteiligter Anlagegesellschafter - erkennbar von jedem Einfluss auf die Vertragsgestaltung und die Einwerbung von neuen Gesellschaftern ausgeschlossen. Unabhängig von der Frage, ob sie tatsächlich auf die Gestaltung des Gesellschafts- und des Treuhandvertrages Einfluss genommen hat, war das aufgrund ihrer Einbindung in die Gesellschaftsstruktur jedenfalls aus der Sicht der
  166. Anleger nicht ausgeschlossen. Die Anleger mussten daher auch nicht davon
  167. ausgehen, dass die Schuldnerin zu ihrem Gesellschaftsbeitritt und ihrer Tätigkeit als Treuhänderin ausschließlich mit den Informationen gewonnen worden
  168. war, die sich aus dem Prospekt ergaben. Zumindest aber hatte die Schuldnerin
  169. insoweit einen eigenen Handlungsspielraum, als sie die Angebote auf Abschluss von Treuhandverträgen annehmen oder ablehnen konnte und ohne ihre
  170. Annahmeerklärung solche Verträge nicht zustande kommen konnten.
  171. 22
  172. Dass die Klägerin nicht - unmittelbar - als Kommanditistin, sondern nur
  173. mittelbar über die Schuldnerin als Treuhänderin beteiligt werden wollte - wie
  174. das Berufungsgericht festgestellt hat und was die Revision daher ohne Erfolg in
  175. Frage stellt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007,
  176. 1434 Rn. 11) -, ist für die Haftung der Schuldnerin als Gesellschafterin der
  177. Fondsgesellschaft ebenfalls ohne Bedeutung. Denn aufgrund der Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses in § 6 des Gesellschaftsvertrages und § 8 des
  178. Treuhandvertrages sollte die Klägerin im Innenverhältnis so gestellt werden, als
  179. wäre sie - unmittelbare - Gesellschafterin (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2012
  180. - II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 17 f.; Urteile vom 23. April 2012 - II ZR 75/10,
  181. ZIP 2012, 1342 Rn. 9 und II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 10; Urteil vom
  182. -9-
  183. 13. Juli 2006 - III ZR 361/04, ZIP 2006, 1631 Rn. 10; Urteil vom 20. März 2006
  184. - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7). Dann aber würde ihr die Schuldnerin - in
  185. ihrer Eigenschaft als Altgesellschafterin - persönlich für Verletzungen der vorvertraglichen Aufklärungspflicht auf Schadensersatz haften.
  186. 23
  187. Dass die Beitrittsinteressenten neben dem Treuhandmodell die Möglichkeit hatten, auch als - unmittelbare - Gesellschafter der Fondsgesellschaft beizutreten, spielt keine Rolle. Denn jedenfalls war die Schuldnerin für den Großteil der Anleger, die nur treuhänderisch beitreten wollten, notwendige Vertragspartnerin (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 321/08, ZIP 2010, 1801
  188. Rn. 9).
  189. 24
  190. bb) Auf die Vorstrafen des M.
  191. H.
  192. hätte die Klägerin in dem Emis-
  193. sionsprospekt oder auf andere Weise hingewiesen werden müssen.
  194. 25
  195. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss einem Anleger für
  196. seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung
  197. von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufgeklärt werden, wozu auch eine Aufklärung über Umstände gehört, die
  198. den Vertragszweck vereiteln können (s. etwa BGH, Urteil vom 23. April 2012
  199. - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 13 mwN). Dazu gehörte es hier, über die
  200. Vorstrafen des für die Verwaltung des Fondsvermögens zuständigen M.
  201. H.
  202. 26
  203. zu informieren.
  204. Eine derartige Offenbarungspflicht besteht jedenfalls dann, wenn die ab-
  205. geurteilten Straftaten nach Art und Schwere geeignet sind, ein Vertrauen der
  206. Anleger in die Zuverlässigkeit der betreffenden Person zu erschüttern. Das hat
  207. das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Es ging nicht nur um vereinzelt gebliebene Verurteilungen und auch nicht um Verurteilungen, die nur
  208. andere als Vermögensdelikte betrafen. Vielmehr war M.
  209. H.
  210. unter ande-
  211. - 10 -
  212. rem wegen Eigentumsdelikten, mehrfachen Betruges, Meineids, mehrfacher
  213. Beitragsvorenthaltung und Insolvenzverschleppung verurteilt worden. Die Fülle
  214. der Vorstrafen und der Umstand, dass sich H.
  215. trotz zum Teil vollzogener
  216. Freiheitsstrafen nicht von der Begehung weiterer Straftaten hatte abhalten lassen, stellt eine Information dar, die von ausschlaggebender Bedeutung für den
  217. Entschluss der Anleger war, ihr Geld gerade ihm anzuvertrauen. Dass die Strafen noch nicht ausreichten, um ihn von dem Amt des Geschäftsführers einer
  218. GmbH oder des Vorstands einer Aktiengesellschaft nach § 6 Abs. 2 Satz 1
  219. Nr. 3, Satz 2 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AktG für die Dauer von
  220. fünf Jahren auszuschließen, ist für die Aufklärungspflicht ebenso wenig von Bedeutung wie die Frage, ob und inwieweit die Strafen auch nach § 7 Abs. 1
  221. Satz 1 Nr. 4, 5 der am 6. Dezember 2011 in Kraft getretenen Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV) in einem Verkaufsprospekt nach § 1 Abs. 2 VermAnlG zu offenbaren gewesen wären. Zum einen
  222. handelt es sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspV bei dieser Aufzählung
  223. lediglich um Mindestangaben, zum anderen betrifft sie nur die spezialgesetzlich
  224. angeordnete Prospekthaftung nach §§ 1, 6 ff. VermAnlG, nicht dagegen die
  225. Prospekthaftung im weiteren Sinne, also die Haftung wegen Verschuldens bei
  226. Vertragsschluss.
  227. 27
  228. b) Dass der Aufklärungsmangel für den Abschluss des Beteiligungsvertrages durch die Klägerin ursächlich geworden ist und dass die Klägerin
  229. dadurch einen Schaden in der geltend gemachten Höhe erlitten hat, wird von
  230. der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellt.
  231. 28
  232. c) Ob die Schuldnerin ein persönliches Verschulden an der Aufklärungspflichtverletzung trifft, kann offen bleiben. Denn jedenfalls ist ihr das Verschulden der J.
  233. Verwaltungs GmbH und ihres Geschäftsführers M.
  234. nach § 278 BGB zuzurechnen.
  235. H.
  236. - 11 -
  237. 29
  238. Für eine Zurechnung des Verschuldens eines Verhandlungsgehilfen
  239. nach § 278 Satz 1 BGB reicht es aus, dass der spätere Vertragspartner - hier
  240. die Schuldnerin hinsichtlich des im Innenverhältnis einer Beteiligung als Gesellschafter gleichstehenden Treuhandvertrages - die Vertragsverhandlungen nicht
  241. selbst führt und dabei auch nicht selbst die etwaigen Aufklärungspflichten erfüllt, sondern sich dazu der Hilfe eines anderen bedient (BGH, Urteil vom
  242. 14. Mai 2012 - II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 10; Urteil vom 21. September
  243. 1987 - II ZR 265/86, NJW-RR 1988, 161). Der Verhandlungsgehilfe muss entgegen der Auffassung der Revision keine Abschlussvollmacht haben (BGH,
  244. Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 259/87, NJW 1990, 1661, 1662; Erman/Kindl, BGB, 13. Aufl., § 311 Rn. 24). Entscheidend ist allein, dass er nach
  245. den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Wissen des Schuldners
  246. bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfsperson tätig wird (BGH, Urteil vom 8. Februar 1974 - V ZR 21/72, BGHZ 62, 119,
  247. 124, Urteil vom 9. Oktober 1986 - I ZR 138/84, BGHZ 98, 330, 334; Urteil vom
  248. 3. Mai 2011 - XI ZR 373/08, WM 2011, 1465 Rn. 24).
  249. 30
  250. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Schuldnerin hat sich bei der
  251. Anwerbung von Anlegern als Treugeber oder - unmittelbare - Gesellschafter der
  252. der Komplementärin J.
  253. Verwaltungs GmbH als Verhandlungs- und damit
  254. Erfüllungsgehilfin im Sinne des § 278 Satz 1 BGB bedient. Diese wiederum hat
  255. die J.
  256. AG als Gründungskommanditistin und Geschäftsbesorgerin mit
  257. der Durchführung der Vertragsanbahnungen beauftragt (vgl. BGH, Urteil vom
  258. 14. Mai 2012 - II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 14). Der Beklagte kann sich
  259. daher nicht auf fehlendes eigenes Verschulden der Schuldnerin berufen.
  260. 31
  261. Ob der Vorstandsvorsitzende der J.
  262. AG und zugleich Geschäfts-
  263. führer der Komplementärin der Fondsgesellschaft, nämlich M.
  264. H.
  265. , um
  266. dessen Vorstrafen es geht, selbst gehandelt hat, kann offen bleiben. Jedenfalls
  267. wäre sein Wissen von den Vorstrafen den beiden Gesellschaften in entspre-
  268. - 12 -
  269. chender Anwendung der §§ 166, 31 BGB zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom
  270. 2. Februar 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37). Dabei spielt keine Rolle, ob
  271. es sich bei den Vorstrafen um privat erlangte Kenntnisse des M.
  272. H.
  273. handelt. Zwar wird im Schrifttum die Meinung vertreten, dass privat erlangtes
  274. Wissen eines Organmitglieds der Gesellschaft nur dann zuzurechnen sei, wenn
  275. der Wissensträger selbst gehandelt habe (Fleischer, NJW 2006, 3239, 3242;
  276. Buck-Heeb, WM 2008, 281, 283; s. auch BGH, Urteil vom 9. April 1990
  277. - II ZR 1/89, ZIP 1990, 636, 637 aE; Urteil vom 30. April 1955 - II ZR 5/54, WM
  278. 1955, 830, 832). Ob dem zu folgen ist, kann jedoch offen bleiben. Denn diese
  279. Einschränkung kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn es sich bei dem privat
  280. erlangten Wissen um einen Umstand handelt, der für den Erfolg des Gesellschaftsunternehmens von ganz wesentlicher Bedeutung und bei jedem Vertriebsvorgang zu beachten ist. Das ist hier der Fall. Auf die Vorstrafen des M.
  281. H.
  282. ist bei jeder Werbung eines Anlegers hinzuweisen, und damit steht und
  283. fällt der Erfolg der Fondsgesellschaft.
  284. 32
  285. d) Die Haftung der Schuldnerin ist nicht durch den Inhalt der Beitrittserklärung ausgeschlossen. Dort heißt es:
  286. 33
  287. Mir ist bewusst, dass der Treuhänder und die Rechtsanwälte nicht für die
  288. Plausibilität des Angebots haften und sie die Beteiligung nicht geprüft haben.
  289. 34
  290. Diese Klausel unterliegt der AGB-rechtlichen Kontrolle, da es sich nicht
  291. um eine gesellschaftsvertragliche Regelung handelt und daher die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB nicht einschlägig ist. Das hat der Senat
  292. für eine Verjährungsklausel in einem Emissionsprospekt ausgesprochen (BGH,
  293. Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 41 mwN). Es gilt
  294. für eine Haftungsfreizeichnungsklausel in einem vorformulierten Angebot zum
  295. Abschluss eines Treuhandvertrages ebenso.
  296. - 13 -
  297. 35
  298. Wie der Senat ebenfalls schon entschieden hat, sind derartige formularmäßige Freizeichnungsklauseln wegen der grundlegenden Bedeutung der Aufklärungspflicht für den Schutz der Investoren nach § 307 Abs. 1 BGB bzw. § 9
  299. AGBG nichtig (BGH, Urteil vom 14. Januar 2002 - II ZR 41/00, NJW-RR 2002,
  300. 915 Rn. 24; s. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - III ZR 118/03, ZIP
  301. 2004, 414, 415 f.; Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 108/08, BGHZ 183,
  302. 220 Rn. 11 ff.). Sie benachteiligen die Anleger entgegen den Geboten von Treu
  303. und Glauben unangemessen. Das gilt hinsichtlich der Haftung für vorsätzliches
  304. oder grob fahrlässiges Verhalten (s. § 309 Nr. 7b BGB) ebenso wie hinsichtlich
  305. der Haftung für leichte Fahrlässigkeit. Damit kann offen bleiben, ob die Klausel
  306. hier - da nur die Plausibilität der Anlage angesprochen wird - überhaupt anwendbar wäre.
  307. 36
  308. Das Gleiche gilt für den Haftungsausschluss in § 12 Abs. 3 des Treuhandvertrages. Auch diese Klausel ist unwirksam.
  309. 37
  310. e) Die in § 6 Abs. 8 des Gesellschaftsvertrages geregelte Ausschlussfrist
  311. von sechs Monaten steht dem Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin
  312. ebenfalls nicht entgegen.
  313. 38
  314. Die Klausel schließt - ebenso wie eine entsprechende Verjährungsverkürzung (s. BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231
  315. Rn. 41) - die Haftung auch für grobes Verschulden mittelbar aus. Als Begrenzung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit im Sinne des Klauselverbots nach
  316. § 309 Nr. 7b BGB sieht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung
  317. auch eine generelle Verkürzung der Verjährungsfrist an (BGH, Urteil vom
  318. 29. Mai 2008 - III ZR 59/07, ZIP 2008, 1481 Rn. 34 f.; Urteil vom 6. November
  319. 2008 - III ZR 231/07, ZIP 2009, 1430 Rn. 17; Urteil vom 18. Dezember 2008
  320. - III ZR 56/08, NJW-RR 2009, 1416 Rn. 20 f. mwN; Urteil vom 23. Juli 2009
  321. - III ZR 323/07, juris Rn. 8). Die Anordnung einer Ausschlussfrist befasst sich
  322. - 14 -
  323. zwar nicht unmittelbar mit der Frage des Haftungsmaßes. Da sie aber keine
  324. Ausnahme enthält, ist davon auszugehen, dass alle Ansprüche unabhängig von
  325. der Art des Verschuldens erfasst werden. Mittelbar führt die generelle Einführung einer Ausschlussfrist also dazu, dass sich die Schuldnerin nach Fristablauf
  326. auf die Ausschlussfrist hinsichtlich aller etwaigen Schadensersatzansprüche
  327. unabhängig von dem jeweiligen Haftungsmaßstab berufen kann und so ihre
  328. Haftung für jedwede Art des Verschuldens entfällt. Die Klausel lässt es nicht zu,
  329. sie auf einen unbedenklichen Inhalt zurückzuführen
  330. 39
  331. f) Der Anspruch ist auch nicht nach §§ 195, 199 BGB verjährt, was von
  332. der Revision nicht in Zweifel gezogen wird.
  333. 40
  334. III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  335. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie hinsichtlich
  336. des geänderten Antrags auf Feststellung zur Insolvenztabelle noch nicht zur
  337. Endentscheidung reif ist.
  338. 41
  339. Da die Klägerin die Forderung eines (bezifferten) Schadensersatzanspruchs hinsichtlich der Beteiligung an der Fondsgesellschaft mit dem vollen
  340. Zahlungsbetrag ohne die ursprünglich beantragte Zug um Zug-Einschränkung
  341. angemeldet hat, hängt die Entscheidung über den Widerspruch des Beklagten
  342. von dem Wert der Zug um Zug zu übertragenden Beteiligung ab. Denn die Einschränkung des Zahlungsanspruchs durch die Zug um Zug zu leistende Übertragung der Rechte aus der Beteiligung stellt einen Anwendungsfall der den
  343. Anspruch unmittelbar betreffenden Vorteilsausgleichung dar (vgl. BGH, Urteil
  344. vom 15. Januar 2009 - III ZR 28/08, ZIP 2009, 870 Rn.14).
  345. 42
  346. Die nunmehr zur Feststellung zur Insolvenztabelle begehrte Forderung in
  347. Höhe von 37.500 € nebst Zinsen ist in dieser Höhe nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin folglich nur dann begründet, wenn die Zug um Zug zu
  348. übertragende Beteiligung die Höhe der Forderung nicht berührt. Ansonsten
  349. - 15 -
  350. kommt in Betracht, den Wert der Zug um Zug-Einschränkung in entsprechender
  351. Anwendung des § 45 Satz 1 InsO auf einen Geldbetrag zu schätzen und von
  352. dem Schadensersatzbetrag abzuziehen. Da nach dem gemäß § 559 Abs. 1
  353. ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegenden Vorbringen der Parteien nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Beteiligung
  354. wertlos ist, und die Parteien dies in der Revisionsinstanz auch nicht unstreitig
  355. gestellt haben, bedarf es insoweit der weiteren Aufklärung durch den Tatrichter.
  356. Bergmann
  357. Strohn
  358. Drescher
  359. Reichart
  360. Born
  361. Vorinstanzen:
  362. LG Hannover, Entscheidung vom 12.11.2010 - 13 O 317/09 OLG Celle, Entscheidung vom 10.08.2011 - 9 U 130/10 -