You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

253 lines
17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 165/02
  5. Verkündet am:
  6. 8. März 2004
  7. Boppel
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGB § 737
  16. Das grundsätzlich nicht anzuerkennende Recht, einen Mitgesellschafter ohne
  17. Vorhandensein eines sachlichen Grundes aus einer Gesellschaft ausschließen
  18. zu dürfen, kann ausnahmsweise dann als nicht sittenwidrig angesehen werden,
  19. wenn ein neuer Gesellschafter in eine seit langer Zeit bestehende Sozietät von
  20. Freiberuflern (hier: Gemeinschaftspraxis von Laborärzten) aufgenommen wird
  21. und das Ausschließungsrecht allein dazu dient, den Altgesellschaftern binnen
  22. einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung erforderlichen
  23. Weise harmonieren können; eine Prüfungsfrist von zehn Jahren überschreitet
  24. den anzuerkennenden Rahmen bei weitem.
  25. BGH, Urteil vom 8. März 2004 - II ZR 165/02 - OLG Karlsruhe
  26. LG Karlsruhe
  27. -2-
  28. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
  29. und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3A. Zivilsenats
  32. des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. April 2002 wird auf
  33. ihre Kosten zurückgewiesen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. Die Beklagten zu 1 und 2 (im folgenden: Beklagte) gründeten im Jahr
  37. 1978 eine Gemeinschaftspraxis, deren Gegenstand die Ausübung laborärztlicher Tätigkeit ist. Der Kläger, Neffe der Beklagten zu 2, absolvierte in der Praxis
  38. zunächst eine Chemielaborantenlehre und war ab 1988 nach Abschluß seines
  39. Medizinstudiums zunächst als Arzt im Praktikum, später als Arzt und Facharzt
  40. in der Gemeinschaftspraxis tätig. Zum 1. Januar 1991 wurde er als Gesellschafter in die Gemeinschaftspraxis aufgenommen. Eine Einlageleistung hatte
  41. er nicht zu erbringen, er wurde auch nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligt,
  42. sein Gesellschaftsanteil von zunächst 1,6 %, ab Oktober 1995 4 % bzw. 4,1 %,
  43. war vielmehr Grundlage für die Gewinn- und Verlustbeteiligung und für die Ermittlung des Stimmrechts. Von Altverbindlichkeiten der Gesellschaft wurde er
  44. freigestellt, für neue Verbindlichkeiten hatte er im Innenverhältnis - außer bei
  45. -3-
  46. grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz - nur nach Maßgabe seiner Beteiligungsquote einzustehen. Die Beklagten waren ab Oktober 1995 i.H.v. 42,196 % bzw.
  47. 46 % an der Gesellschaft beteiligt; die restlichen Gesellschaftsanteile entfielen
  48. auf andere Gesellschafter.
  49. Nach §§ 7 und 9 des Gesellschaftsvertrages kann ein Gesellschafter das
  50. Gesellschaftsverhältnis mit sechsmonatiger Frist zum Jahresende kündigen und
  51. scheidet dann aus der zwischen den übrigen Mitgliedern fortgesetzten Gesellschaft aus. Unterbleibt eine Kündigung, wird die Gesellschaft um jeweils ein
  52. Jahr verlängert. Für den Kläger wie für die anderen Gesellschafter mit Ausnahme der Beklagten endete die Mitgliedschaft in jedem Fall mit dem Erreichen des
  53. 65. Lebensjahres. Nach § 11 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages haben die Gesellschafter, die wie der Kläger nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligt sind,
  54. lediglich Anspruch auf Auszahlung ihres Gewinnanteils bis zum Ende ihrer Mitgliedschaft, weitergehende Ansprüche sind ausgeschlossen. Der Ausscheidende unterliegt keinem Wettbewerbsverbot, darf aber bestimmte, von den Beklagten entwickelte Analyseverfahren nicht verwenden (§ 16). Die Auflösung
  55. der Gesellschaft erfordert einen einstimmigen Beschluß (§ 13); im übrigen bedürfen Beschlüsse seit einer Änderung des Gesellschaftsvertrages vom
  56. 25. Oktober 1996 einer Dreiviertelmehrheit. Über die Ausschließung eines Gesellschafters trifft § 8 folgende Bestimmung:
  57. "Ausschließung
  58. 1. Jeder Gesellschafter kann durch ihm gegenüber abzugebende Erklärung
  59. aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn er
  60. a) berufsunfähig ist,
  61. b) aufgrund Krankheit länger als ein Jahr seine Mitarbeit in der Gesellschaft
  62. eingestellt hat,
  63. c) ein sonstiger wichtiger Grund in seiner Person vorliegt.
  64. -4-
  65. 2. Im Hinblick auf die erheblichen Vorleistungen der Altgesellschafter kommen
  66. die Vertragsschließenden überein, daß die Ausschließung der Vertragsschließenden Ziff. 4 (= Kläger) + 5 aus der Gesellschaft mit einer Frist von
  67. 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres auch ohne Vorliegen eines
  68. wichtigen Grundes, frühestens aber zum 31.12.1993 zulässig ist.
  69. 3. Die Ausschließung erfolgt durch Mehrheitsbeschluß der nicht betroffenen
  70. Gesellschafter ...
  71. 4. Die Ausschließung der Vertragsschließenden Ziff. 1 + 2 (= Beklagte) unterliegt nicht den vorstehenden Bestimmungen, sondern kann nur durch Gerichtsbeschluß erfolgen."
  72. Ferner ist in § 11 Nr. 7 folgendes geregelt:
  73. "7. Die Vertragsschließenden Ziff. 1 und 2 haben das Recht, die Gemeinschaftspraxis insgesamt an einen Dritten zu veräußern. Hierzu bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses, der mit einfacher Mehrheit gefaßt werden
  74. kann. In diesem Fall scheiden die Vertragsschließenden Ziff. 3 - 5 mit Ablauf
  75. des dritten Monats nach dieser Beschlußfassung aus der Gesellschaft aus.
  76. In diesem Fall hat der Vertragsschließende Ziff. 3 abweichend von den vorstehenden Bestimmungen einen Vergütungsanspruch in Höhe des seiner
  77. Gewinnquote entsprechenden Anteils am Kaufpreis ... Gleiches gilt für die
  78. Vertragsschließenden Ziff. 4 (= Kläger) und 5 nach einer Zugehörigkeit zur
  79. Gesellschaft von 10 Jahren."
  80. Unter dem 20. Juni 2000 unterbreiteten die Beklagten aus Anlaß des
  81. Ausscheidens des bisherigen Mitgesellschafters Dr. S. dem Kläger ein Angebot
  82. auf Änderung des Gesellschaftsvertrages, die u.a. die Gewinn- und Verlustbeteiligung auch für den Wegfall der Kassenzulassung der Beklagten festschreiben sollte und die hinsichtlich § 11 Nr. 7 folgenden Text vorsah:
  83. "Dem Gesellschafter ... (Kläger) stehen Ansprüche gemäß § 11 Ziff. 7 Abs. 2
  84. nur zu, wenn bei Abschluß und/oder bei Erfüllung des in § 11 Ziff. 7 Abs. 1
  85. vorgesehenen Veräußerungsgeschäfts das Gesellschaftsverhältnis ungekün-
  86. -5-
  87. digt - ... - fortbesteht und ein Beschluß über die Ausschließung des Gesellschafters ... gemäß § 8 Ziff. 2 weder beantragt noch gefaßt worden ist."
  88. Da der Kläger hierauf nicht einging, beriefen die Beklagten am 24. Juni
  89. 2000 auf den 27. Juni 2000 eine Gesellschafterversammlung ein, in der sie einstimmig beschlossen, den Kläger "gemäß § 8 Abs. 2 und 3 des Gesellschaftsvertrages" zum 31. Dezember 2000 aus der Gesellschaft auszuschließen. Hiergegen hat sich der Kläger mit der negativen Feststellungsklage gewandt. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Gesellschafterversammlung gegen die Stimme des Klägers die Veräußerung der Gesellschaft beschlossen;
  90. die entsprechenden Vertragsverhandlungen sind später gescheitert. Die Gesellschaft wird von den Beklagten und zwei weiteren Gesellschaftern fortgeführt. Der Kläger ist aufgrund unstreitig wirksamer fristloser Kündigung vom
  91. 22. Februar 2001 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden.
  92. Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - der negativen Feststellungsklage entsprochen. Das Berufungsgericht hat
  93. die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
  94. Entscheidungsgründe:
  95. Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat - im Ergebnis - mit Recht entschieden, daß der Kläger nicht bereits zum 31. Dezember
  96. 2000 als Gesellschafter aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden ist. Die
  97. am 27. Juni 2000 beschlossene Ausschließung des Klägers ist unwirksam.
  98. 1. Mit Recht haben Landgericht und Oberlandesgericht die negative
  99. Feststellungsklage für zulässig gehalten. Daß der Kläger am 22. Februar 2001
  100. -6-
  101. durch seine eigene Kündigung aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, läßt das
  102. bei Klageerhebung bestehende Feststellungsinteresse nicht entfallen, auch
  103. wenn der Kläger nunmehr möglicherweise seinen Gewinnauszahlungsanspruch
  104. für die Zeit bis zum Ausscheiden beziffern könnte (vgl. BGH, Urt. v.
  105. 15. November 1977 - VI ZR 101/76, NJW 1978, 210, insofern in BGHZ 70, 39
  106. nicht abgedruckt; Urt. v. 4. Juni 1996 - VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725 f.) und
  107. nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 11 Nr. 7 des Vertrages der an sich ab 1. Januar 2001 gegebene Anspruch auf Teilhabe an dem
  108. Erlös eines etwaigen Verkaufs der Gemeinschaftspraxis mit der Beendigung
  109. der Gesellschafterstellung entfallen und ein davon unabhängiger Abfindungsanspruch hier vertraglich ausgeschlossen ist (vgl. dazu Sen.Urt. v. 8. Mai 2000
  110. - II ZR 308/98, ZIP 2000, 1337, 1338 unter II. 1. m.w.N.).
  111. 2. a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 125, 74,
  112. 79 m.w.N.; vgl. ferner zum Meinungsstand im Schrifttum MünchKomm.z.BGB/
  113. Ulmer, 4. Aufl. § 737 Rdn. 17) kann eine gesellschaftsvertragliche Regelung
  114. nicht anerkannt werden, die einem einzelnen Gesellschafter das Recht einräumt, Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes aus einer
  115. Personengesellschaft oder einer GmbH (BGHZ 112, 103 ff.) auszuschließen.
  116. Tragende Erwägung hierfür ist, den von der Ausschließung oder Kündigung
  117. bedrohten Gesellschafter zu schützen. Denn das freie Kündigungsrecht des
  118. anderen Teils kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden werden, so
  119. daß er aus Sorge, der Willkür des ausschließungsberechtigten Gesellschafters
  120. ausgeliefert zu sein, nicht frei von seinen Mitgliedschaftsrechten Gebrauch
  121. macht oder seinen Gesellschafterpflichten nicht nachkommt, sondern sich den
  122. Vorstellungen der anderen Seite beugt ("Damoklesschwert" vgl. BGHZ 81, 263,
  123. 268; BGHZ 105, 213, 217). Gerade das Vorgehen der Beklagten, die auf die
  124. Weigerung des Klägers, sich auf eine seine Position in der Gesellschaft ver-
  125. -7-
  126. schlechternde Vertragsänderung einzulassen, ihrer Ankündigung entsprechend
  127. mit der sofort ausgesprochenen Ausschließung reagiert haben, belegt diese
  128. Gefahr eindrucksvoll.
  129. b) Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat. Durchbrechungen hat der Senat, auch wenn
  130. er zunächst keinen Anlaß hatte, deren Voraussetzungen im einzelnen festzulegen (vgl. BGHZ 68, 212, 215; BGHZ 81, 213, 269) als möglich erörtert, sie
  131. später für den Fall des Ausschlusses des Erben eines Mitgesellschafters
  132. (BGHZ 105, 213 ff.) und für den Fall ausdrücklich anerkannt, daß der ausschließungsberechtigte GmbH-Gesellschafter mit Rücksicht auf die enge persönliche Beziehung zu seiner Mitgesellschafterin die volle Finanzierung der Gesellschaft übernommen und der Partnerin die Mehrheitsbeteiligung und die Geschäftsführung eingeräumt hatte (BGHZ 112, 103 ff.).
  133. c) Auch bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine seit Jahren bestehende Sozietät von Freiberuflern können Gründe vorliegen, die es
  134. nach Abwägung der beiderseits beteiligten Interessen als gerechtfertigt erscheinen lassen, daß die Altgesellschafter auch ohne Vorhandensein eines in
  135. der Person des anderen Teils liegenden wichtigen Grundes dessen Gesellschafterstellung einseitig beenden. Das gilt erst recht, wenn es sich bei dieser
  136. Sozietät um einen Zusammenschluß von Ärzten handelt, die regelmäßig auf
  137. ihre Zulassung als Kassenärzte angewiesen und in dieser Eigenschaft besonderen öffentlich-rechtlichen Restriktionen bei der Gestaltung ihres beruflichen
  138. Zusammenwirkens ausgesetzt sind. Denn nach dem Zulassungsrecht bestehen
  139. für eine Tätigkeit als angestellter Arzt enge zeitliche Beschränkungen, und der
  140. jeweilige Zulassungsausschuß achtet darauf, daß die derzeit geltenden Regeln,
  141. nach denen Ärzte nur in Form einer BGB-Gesellschaft oder einer Partner-
  142. -8-
  143. schaftsgesellschaft ihren Beruf gemeinsam ausüben dürfen, nicht nur in einem
  144. formellen Sinn eingehalten werden. Für die bisherigen Gesellschafter, die einen
  145. ihnen u.U. weitgehend unbekannten Partner aufnehmen müssen, können daraus erhebliche Gefahren entstehen, weil sich im allgemeinen erst nach einer
  146. gewissen Zeit der Zusammenarbeit herausstellen wird, ob zwischen den Gesellschaftern das notwendige Vertrauen besteht, vor allem ob sie in ihrer besondere ethische Anforderungen stellenden Berufsauffassung harmonieren.
  147. Unter diesem Gesichtspunkt kann es nicht von vornherein als sittenwidrig angesehen werden, wenn den Altgesellschaftern - zumal wenn sie allein Träger
  148. des Gesellschaftsvermögens sind und der neue Partner ohne Leistung einer
  149. Einlage aufgenommen wird - für eine angemessene Prüfungszeit, die jedenfalls
  150. den hier für das Teilhaberecht des Klägers an einem etwaigen Veräußerungserlös bestimmten Zeitraum von zehn Jahren bei weitem nicht erreichen darf,
  151. das Recht eingeräumt wird, den Neugesellschafter auszuschließen, auch wenn
  152. keine Gründe vorliegen, die es den Altgesellschaftern unzumutbar machen, das
  153. Gesellschaftsverhältnis fortzusetzen. Anderenfalls bliebe den aufnehmenden
  154. Gesellschaftern allein die Auflösungskündigung der Gemeinschaftspraxis und
  155. damit u.U. die Zerschlagung des in Jahren Aufgebauten oder aber das eigene
  156. Ausscheiden.
  157. 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf es hier jedoch
  158. keiner abschließenden Festlegung der Grenzen eines solchen ausnahmsweise
  159. gerechtfertigten Hinauskündigungsrechts. Denn selbst wenn man zugunsten
  160. der Beklagten annehmen wollte, daß die Regelung in § 8 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages nicht sittenwidrig und nichtig ist, ist die Ausschließungsentscheidung unwirksam, weil die Beklagten von dieser Bestimmung in einer gegen § 242 BGB verstoßenden Weise Gebrauch gemacht haben (zur Ausübungskontrolle vgl. Schlegelberger/K.Schmidt, HGB 5. Aufl. § 140 Rdn. 79).
  161. -9-
  162. a) Mit der Ausschließung zielten die Beklagten nicht darauf ab, den geschilderten Besonderheiten einer Aufnahme eines jungen Partners in eine seit
  163. langer Zeit bestehende, von den Altgesellschaftern aufgebaute und durch ihren
  164. persönlichen Einsatz und ihr Ansehen geprägte Sozietät Rechnung zu tragen;
  165. sie wollten sich vielmehr - nachdem der Kläger die für ihn nachteilige Vertragsänderung nicht hinnehmen wollte - allein von den vor rund zehn Jahren
  166. eingegangenen und ihnen inzwischen lästig gewordenen vertraglichen Verpflichtungen lösen.
  167. b) Nach dem im Jahre 1991 geschlossenen Gesellschaftsvertrag war
  168. selbstverständlich, daß im Falle eines Auslaufens der Kassenzulassung der
  169. beiden beklagten Altgesellschafter die bisher verabredete Gewinn- und Verlustverteilung nicht unverändert weitergeführt, sondern den neuen Verhältnissen
  170. angepaßt werden mußte. Durch die Ausnutzung des zu ihren Gunsten aus anderen Gründen eingeräumten - nur unterstellt wirksamen - Hinauskündigungsrechts sollte die angestrebte Befreiung aus den vertraglichen Bindungen auf
  171. anderem Wege erreicht werden.
  172. c) Noch deutlicher wird der Fehlgebrauch des Ausschließungsrechts im
  173. Hinblick auf das Recht des Klägers, an dem Erlös aus einem etwaigen Verkauf
  174. der Gemeinschaftspraxis beteiligt zu werden. Nach dem Vertrag erwarb er den
  175. entsprechenden Anspruch nach Ablauf von zehn Jahren Zugehörigkeit zu der
  176. Gesellschaft, also am 1. Januar 2001. Der letzte Zeitpunkt, zu dem die Beklagten erreichen konnten, daß der Kläger keinesfalls in den Genuß dieser bei seinem Eintritt in die Gemeinschaftspraxis versprochenen und seine langjährige
  177. Tätigkeit für die Praxis honorierenden Rechtsstellung kam, war der 30. Juni
  178. 2000, weil eine Ausschließungskündigung nach § 8 Nr. 2 des Gesellschaftsver-
  179. - 10 -
  180. trages nur zum Jahresende und mit einer Auslauffrist von sechs Monaten ausgesprochen werden konnte. Wenn die Beklagten erst zehn Tage vor diesem
  181. Kündigungszeitpunkt ihr Vertragsänderungsangebot - unter Hinweis auf das
  182. ihnen zustehende Ausschließungsrecht - abgegeben und dann, nachdem der
  183. Kläger sich ihren Wünschen nicht unterworfen hatte, mit außerordentlich kurzer
  184. Einladungsfrist drei Tage vor dem genannten letzt möglichen Zeitpunkt den
  185. Ausschließungsbeschluß gefaßt haben, dann zeigt dies deutlich, daß es den
  186. Beklagten nur um die Durchsetzung ihres sachlich nicht gerechtfertigten Wunsches nach Lösung aus den früher übernommenen vertraglichen Verpflichtungen gegangen ist. Ihrem berechtigten Interesse, sich als die allein am Gesellschaftsvermögen beteiligten Gründungsgesellschafter der Gemeinschaftspraxis
  187. die Ergebnisse ihrer jahrelangen Aufbauarbeit auch bei oder im Vorfeld des Endes ihrer Kassenarzttätigkeit zunutze zu machen, war durch das ihnen allein
  188. zustehende Recht, auch gegen den Willen ihrer Mitgesellschafter die Praxis zu
  189. veräußern und den dabei erzielten Erlös weitgehend für sich vereinnahmen zu
  190. dürfen, hinreichend Rechnung getragen.
  191. - 11 -
  192. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 766.937,82
  193. 
  194. e-
  195. setzt.
  196. Röhricht
  197. Goette
  198. Münke
  199. Kurzwelly
  200. Gehrlein