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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 148/99
  5. Verkündet am:
  6. 12. Februar 2001
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ
  14. : ja
  15. BGHR
  16. : ja
  17. HGB § 25 Abs. 1 Satz 1
  18. Das Tatbestandsmerkmal Fortführung der bisherigen Firma setzt nicht voraus,
  19. daß die verwendete Bezeichnung eine nach §§ 17 ff. HGB a.F. zulässige Firma
  20. ist. Entscheidend ist, daß der prägende Teil der alten Firma, mit dem der
  21. Verkehr das Unternehmen gleichsetzt, weitergeführt wird (Fortführung der
  22. Senatsentscheidung vom 4. November 1991 - II ZR 85/91, NJW 1992, 911,
  23. 912).
  24. -2BGH, Urteil vom 12. Februar 2001 - II ZR 148/99 - OLG Oldenburg
  25. LG Oldenburg
  26. -3-
  27. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 12. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
  29. Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer und die Richterin Münke
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
  32. Oberlandesgerichts Oldenburg vom 9. April 1999 aufgehoben.
  33. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
  34. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. Die Klägerin hat gegen die Kauffrau H.
  38. S.
  39. zwei vollstreckbare
  40. Titel über 69.687,08 DM und 1.745,-- DM, jeweils zuzüglich Zinsen, erwirkt,
  41. hinsichtlich derer sie die Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen die
  42. Beklagte mit der Begründung begehrt, die Beklagte führe das Handelsgeschäft
  43. H.
  44. Ss.
  45. H.
  46. unter der bisherigen Firma fort.
  47. S.
  48. , die im Handelsregister nicht eingetragen war, vertrieb
  49. Lebensmittelzusätze, die sie nach vorgegebenen Rezepturen für die Abnehmer
  50. mischte und ihnen auslieferte. Sie verwendete auf Briefköpfen die Bezeichnung
  51. -4-
  52. "HS Handelsagentur Lieferant von Additiven für die Lebensmittelindustrie".
  53. Unter derselben Bezeichnung, lediglich um den Zusatz "GmbH" ergänzt,
  54. handelt die am 5. Juni 1996 gegründete und am 13. September 1996 in das
  55. Handelsregister eingetragene Beklagte unter der früheren Anschrift H.
  56. Ss.
  57. und Verwendung deren früherer Telefon- und Faxnummern mit Addi-
  58. tiven für die Lebensmittelindustrie.
  59. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat
  60. sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die
  61. Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
  62. Entscheidungsgründe:
  63. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache.
  64. I. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagte das Handelsgeschäft der H.
  65. S.
  66. fortgeführt hat. Jedenfalls habe sie deren Fir-
  67. ma nicht fortgeführt, so daß eine Haftung der Beklagten nach § 25 Abs. 1
  68. Satz 1 HGB ausscheide. Die Benutzung der Wortfolge "HS Handelsagentur
  69. Lieferant von Additiven für die Lebensmittelindustrie" durch die Beklagte
  70. genüge dafür nicht, weil es sich dabei nur um eine Geschäftsbezeichnung,
  71. nicht um eine Firma handele. Firmenfortführung sei nur anzunehmen, wenn der
  72. Kern einer nach §§ 17 ff. HGB für einen Kaufmann überhaupt möglichen Firma
  73. übernommen werde. Da es sich bei der von H.
  74. S.
  75. betriebenen Firma
  76. um die eines Einzelkaufmanns gehandelt habe, habe der Name der Inhaberin
  77. -5-
  78. den Kern der Firma gebildet. Diesen habe die Beklagte jedoch nicht übernommen, die Initialen HS reichten insoweit nicht aus.
  79. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Firmenfortführung liegt
  80. auch
  81. dann
  82. vor,
  83. wenn
  84. die
  85. verwendete
  86. Bezeichnung
  87. keine
  88. nach
  89. §§ 17 ff. HGB a. F. mögliche Firma ist.
  90. II. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB knüpft die Haftung des Nachfolgers für im
  91. Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers an
  92. die Kontinuität des Unternehmens. Diese tritt durch die Fortführung der Firma
  93. nach außen in Erscheinung, weshalb nach dem Gesetz die Firmenfortführung
  94. eine der Voraussetzungen für die Auslösung der Haftung des Nachfolgers ist
  95. (vgl. Senat, Urt. v. 4. November 1991 – II ZR 85/91, NJW 1992, 911, 912).
  96. Ob Firmenfortführung anzunehmen ist, muß aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs beurteilt werden (Senat aaO). Für dessen Sicht aber kommt es
  97. nicht auf die firmenrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der alten oder
  98. der neuen oder beider Firmen an. Entscheidend ist allein, daß die unter dem
  99. bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber
  100. weitergeführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, daß der Verkehr sie
  101. mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine
  102. Fortführung der bisherigen Firma sieht. Dabei spielen gewisse Änderungen der
  103. alten Firma keine Rolle, sofern der prägende Teil der alten Firma in der neuen
  104. beibehalten ist (Senat aaO). Diese Grundsätze müssen auch dann gelten,
  105. wenn die Unzulässigkeit der tatsächlich geführten Firma darauf beruht, daß der
  106. nach
  107. altem
  108. Recht
  109. als
  110. sogenannter
  111. Firmenkern
  112. geltende
  113. bürgerliche
  114. Familienname und Vorname des Geschäftsinhabers entgegen § 18 Abs. 1 HGB
  115. -6-
  116. a. F. nicht in ausgeschriebener, sondern in abgekürzter Form geführt wird.
  117. Auch dann kommt es für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB entscheidend
  118. darauf an, ob die eigentlich prägende Kraft der Bezeichnung, unter der das alte
  119. Unternehmen bekannt ist, von einem fortgeführten Bestandteil ausgeht, der
  120. nach früherem, vom Gesetzgeber mit der Handelsrechtsreform inzwischen in
  121. zutreffender Anerkennung der Bedeutung derartiger "Zusätze" für die
  122. Kennzeichnung des Unternehmens und seine Verkehrsgeltung geänderten
  123. Firmenrecht lediglich als Firmenzusatz galt.
  124. Nach diesen Kriterien muß die unveränderte Weiterbenutzung der
  125. Bezeichnung "HS Handelsagentur Lieferant von Additiven für die Lebensmittelindustrie" durch die Beklagte als Firmenfortführung gemäß § 25 HGB gewertet
  126. werden. Denn die Zusammenstellung ihrer - mit einer Ausnahme - für sich genommen unauffälligen einzelnen Bestandteile und die Verwendung des
  127. Fremdworts "Additive" statt des im alltäglichen Sprachgebrauch üblichen deutschen Begriffs "Zusätze" machen die Bezeichnung zum unverwechselbaren
  128. Kennzeichen des Unternehmens. Die Beifügung des Zusatzes "GmbH" ändert
  129. daran nichts.
  130. -7-
  131. III. Die Zurückverweisung erfolgt, damit das Berufungsgericht die - aus
  132. seiner Sicht zutreffend - für entbehrlich angesehenen Feststellungen über das
  133. Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB
  134. nachholen kann. Das gibt der Beklagten zugleich die Möglichkeit, dem Berufungsgericht ihre Bedenken gegen die Annahme vorzutragen, H.
  135. habe
  136. ihre
  137. Geschäfte
  138. Handelsagentur
  139. im
  140. Lieferant
  141. wesentlichen
  142. von
  143. Additiven
  144. unter
  145. für
  146. der
  147. die
  148. S.
  149. Bezeichnung
  150. "HS
  151. Lebensmittelindustrie"
  152. betrieben.
  153. Röhricht
  154. Goette
  155. Kraemer
  156. Kurzwelly
  157. Münke