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18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. II ZB 4/13
  4. vom
  5. 22. Oktober 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. SpruchG § 6 Abs. 2; FamFG § 85; ZPO § 574; RVG § 7 Abs. 1;
  14. RVG-VV Nr. 1008
  15. a) Gegen die Beschwerdeentscheidung in Kostenfestsetzungssachen in Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet die Rechtsbeschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat.
  16. b) Im Spruchverfahren erhält der gemeinsame Vertreter der Antragsberechtigten, die
  17. nicht selbst Antragsteller sind, keine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 RVG-VV.
  18. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - II ZB 4/13 - OLG Celle
  19. LG Hannover
  20. -2-
  21. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2013 durch den
  22. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und die Richterin Caliebe, die Richter
  23. Dr. Drescher, Born und Sunder
  24. beschlossen:
  25. Die Rechtsbeschwerde des gemeinsamen Vertreters gegen
  26. den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
  27. Celle vom 27. Dezember 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  28. Gegenstandswert: 4.565,79 €
  29. Gründe:
  30. I.
  31. 1
  32. Der Rechtsbeschwerdeführer war in dem 2008 eingeleiteten und durch
  33. Beschluss des Landgerichts vom 28. März 2012 beendeten Spruchverfahren
  34. gemeinsamer Vertreter der Antragsberechtigten, die nicht selbst einen Antrag
  35. gestellt haben (§ 6 SpruchG). Das Landgericht setzte seine Vergütung auf insgesamt 25.311,39 € fest, darunter eine Einigungsgebühr mit 4.796 € netto und
  36. eine 0,8 Verfahrensgebühr für eine sonstige Einzeltätigkeit gemäß Nr. 3403
  37. RVG-VV mit 3.836,80 € netto. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde
  38. der Antragsgegnerin setzte das Beschwerdegericht die Vergütung ohne diese
  39. Verfahrensgebühr auf 20.745,60 € fest. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des gemeinsamen Vertreters.
  40. -3-
  41. II.
  42. 2
  43. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
  44. 3
  45. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
  46. 4
  47. a) Auf das Festsetzungsverfahren sind die Vorschriften des Gesetzes
  48. über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anwendbar. Nach Art. 111 Abs. 1 des Gesetzes
  49. zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
  50. freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FGG-Reformgesetz
  51. - FGG-RG, BGBl. I S. 2586) finden das Gesetz über die Angelegenheiten der
  52. freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz in der bis zum
  53. 1. September 2009 geltenden Fassung allerdings weiter Anwendung, wenn das
  54. Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in
  55. Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am
  56. 1. September 2009 eingeleitet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli
  57. 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 5 - Stollwerck; Beschluss vom
  58. 13. Dezember 2011 - II ZB 12/11, ZIP 2012, 266 Rn. 3).
  59. 5
  60. Das Festsetzungsverfahren wurde in erster Instanz aber erst nach Änderung des § 17 Abs. 1 SpruchG durch das FGG-Reformgesetz mit dem Beschluss in der Hauptsache vom 28. März 2012 eingeleitet. Maßgebend ist nicht
  61. die Einleitung des Spruchverfahrens im Jahr 2008 oder die Bestellung des gemeinsamen Vertreters im Jahr 2009, sondern der Zeitpunkt der Einleitung des
  62. Festsetzungsverfahrens. Das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff.
  63. ZPO i.V.m. § 85 FamFG bzw. § 13a Abs. 3 FGG ist ein selbständiges Verfahren
  64. (Art. 111 Abs. 2 FGG-RG) und das anwendbare Verfahrensrecht richtet sich
  65. nicht nach dem Zeitpunkt der Einleitung des vorangegangenen Hauptsachever-
  66. -4-
  67. fahrens, sondern der Einleitung des Kostenfestsetzungsverfahrens selbst (OLG
  68. Köln, FGPrax 2010, 267; Keidel/Engelhardt, FamFG, 17. Aufl., Art. 111 FGGRG Rn. 3; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., Art. 111 FGG-RG Rn. 1).
  69. 6
  70. Entsprechendes gilt für die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen
  71. des gemeinsamen Vertreters nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG. Zwar handelt es
  72. sich nicht um ein Kostenfestsetzungsverfahren nach § 17 Abs. 1 SpruchG
  73. i.V.m. § 85 FamFG. Die Festsetzung knüpft nicht an eine Kostengrundentscheidung an und regelt nicht die Erstattung von Auslagen und Verfahrensgebühren,
  74. sondern setzt eine Vergütung und Auslagenersatz fest. Zuständig ist das Gericht, in erster Instanz der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen, nicht
  75. der Rechtspfleger (§ 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6
  76. SpruchG). Die Festsetzung der endgültigen Vergütung ist aber keine Zwischenoder Nebenentscheidung des Hauptsacheverfahrens, sondern geschieht in einem davon getrennten Verfahren, an dem der gemeinsame Vertreter und der
  77. Antragsgegner als Schuldner der Vergütung (§ 6 Abs. 2 Satz 1 SpruchG) beteiligt sind.
  78. 7
  79. Dieses Festsetzungsverfahren beginnt erst mit dem Ende des Hauptsacheverfahrens. Die Festsetzung wird nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG nicht
  80. durch einen Antrag des gemeinsamen Vertreters, sondern von Amts wegen
  81. eingeleitet, wenn sie auch ohne seine Angaben zu den Auslagen nicht möglich
  82. sein wird. Zwar kann das Gericht auch Vorschüsse festsetzen (§ 6 Abs. 2 Satz
  83. 4 SpruchG), eine endgültige Festsetzung der Vergütung ist aber erst nach Verfahrensabschluss möglich, weil Gegenstandswert für die Vergütung, die sich an
  84. die Rechtsanwaltsvergütung anlehnt, der für die Gerichtsgebühren maßgebende Geschäftswert ist (§ 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG). Dieser richtet sich aber nach
  85. -5-
  86. dem Ergebnis des Verfahrens und kann daher erst mit seinem Ende bestimmt
  87. werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG).
  88. 8
  89. Das Verfahren endete in der Hauptsache mit dem Beschluss vom
  90. 28. März 2012 und damit nach Inkrafttreten der Änderungen in § 17 Abs. 1
  91. SpruchG durch das FGG-Reformgesetz.
  92. 9
  93. b) Die Rechtsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 85
  94. FamFG, § 104 Abs. 3 ZPO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch
  95. im Übrigen zulässig.
  96. 10
  97. aa) Gegen die Festsetzungsentscheidung des Landgerichts findet in entsprechender Anwendung von § 85 FamFG i.V.m. § 104 Abs. 3 ZPO die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO statt (vgl. Wasmann in KK-AktG, 3. Aufl.,
  98. § 6 SpruchG Rn. 39 m.w.N.). Auch wenn die Festsetzung der Vergütung keine
  99. Kostenfestsetzung im Sinn von § 85 FamFG ist, ähnelt sie ihr doch nach der
  100. Ausgestaltung in § 6 Abs. 2 SpruchG so, dass die entsprechende Anwendung
  101. der Rechtsmittelvorschriften über die Anfechtung der Kostenfestsetzungsentscheidung nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den
  102. Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) angezeigt ist. Die
  103. Verweisung in § 85 FamFG auf §§ 103 bis 107 ZPO erfasst über § 104 Abs. 3
  104. ZPO auch die Ausgestaltung des Rechtsmittels gegen die Festsetzungsentscheidung und des Verfahrens der sofortigen Beschwerde in §§ 567 ff. ZPO
  105. (MünchKommFamFG/Schindler, 2. Aufl., § 85 Rn. 40; Prütting/Helms/Feskorn,
  106. 2. Aufl., FamFG, § 85 Rn. 9 ff.; Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Aufl., § 85 FamFG
  107. Rn. 2;
  108. Schulte-Bunert/Weinreich/Keske,
  109. FamFG,
  110. 3. Aufl.,
  111. § 85
  112. Rn. 16;
  113. Keidel/Zimmermann, FGG, 17. Aufl., § 85 FamFG Rn. 16; aA Wittenstein in
  114. Bahrenfuss, FamFG, 2. Aufl., § 85 Rn. 16).
  115. -6-
  116. 11
  117. Der Gesetzgeber hat zu § 85 FamFG nur ausgeführt, dass die Vorschrift
  118. dem bisherigen § 13a Abs. 3 Halbsatz 2 FGG entspreche (Gesetzentwurf der
  119. Bundesregierung eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen
  120. und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FGG-Reformgesetz
  121. - FGG-RG], BT-Drucks. 16/6308 S. 216). Für die Verweisung in § 13a Abs. 3
  122. Halbsatz 2 FGG war aber anerkannt, dass damit auch die sofortige Beschwerde
  123. nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung in Bezug genommen war (vgl.
  124. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1960 - VII ZB 14/60, BGHZ 33, 205, 208). Aus
  125. der Gesetzesbegründung zu §§ 58 ff. FamFG lässt sich nicht entnehmen, dass
  126. der Gesetzgeber daran für Kostenfestsetzungsbeschlüsse etwas ändern wollte.
  127. Im Gegenteil wollte er durch Bezugnahme auf die Zivilprozessordnung für einige Beschlüsse die Anfechtbarkeit durch die sofortige Beschwerde ausdrücklich
  128. anordnen, um die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nach denselben Vorschriften
  129. wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/6308
  130. S. 203; vgl. zur Verfahrenskostenhilfe auch BGH, Beschluss vom 4. März 2010
  131. - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 5). Auch für die Kostenfestsetzung ist das
  132. Rechtsmittelsystem einheitlich nach der Zivilprozessordnung auszugestalten.
  133. 12
  134. bb) Gegen die Beschwerdeentscheidung in Kostenfestsetzungssachen
  135. findet entsprechend §§ 574 ff. ZPO die Rechtsbeschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt, wenn das Beschwerdegericht sie nach § 574
  136. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen hat (MünchKommFamFG/Schindler,
  137. 2. Aufl., § 85 Rn. 43; Prütting/Helms/Feskorn, 2. Aufl., FamFG, § 85 Rn. 13;
  138. Keidel/Zimmermann,
  139. FGG,
  140. 17. Aufl.,
  141. § 85
  142. FamFG
  143. Rn. 16;
  144. offen
  145. Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, FamFG, 3. Aufl., § 85 Rn. 16). Soweit der
  146. Bundesgerichtshof in Angelegenheiten der Kostenfestsetzung der freiwilligen
  147. Gerichtsbarkeit für die Beschwerde die allgemeinen Regelungen nach § 21 ff.
  148. FGG für anwendbar und insbesondere die sofortige weitere Beschwerde nach
  149. -7-
  150. §§ 27 ff. FGG statt der Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO für das statthafte Rechtsmittel gehalten hat (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - V ZB
  151. 105/06, WM 2007, 324 Rn. 14; Beschluss vom 18. Juli 2007 - IV ZB 36/06,
  152. NJW-RR 2008, 305 Rn. 4), sollte dies nur bis zu einer Gesetzesänderung gelten, die mit dem Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in
  153. den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - V ZB 105/06, WM 2007, 324 Rn. 14).
  154. 13
  155. 2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Dem gemeinsamen
  156. Vertreter steht weder eine Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten entsprechend Nr. 3403 RVG-VV noch eine Gebührenerhöhung entsprechend
  157. Nr. 1008 RVG-VV zu.
  158. 14
  159. a) Dem gemeinsamen Vertreter steht keine Vergütung nach Nr. 3403
  160. RVG-VV zu. Der gemeinsame Vertreter kann nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SpruchG
  161. eine Vergütung für seine Tätigkeit in entsprechender Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes verlangen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass sich seine Tätigkeit in der Sache grundsätzlich kaum von der der Vertreter der Antragsteller unterscheidet, da es ebenfalls um die Wahrnehmung der
  162. Interessen der außenstehenden Aktionäre im Spruchverfahren gehe und er
  163. - unabhängig davon, ob es sich bei ihm um einen Rechtsanwalt handele - einen
  164. ähnlichen Aufgabenzuschnitt und Arbeitsaufwand wie die sonst am Verfahren
  165. beteiligten anwaltlichen Rechtsvertreter habe (Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz], BT-Drucks. 15/371 S. 14). Das
  166. rechtfertigt es, die Gebührentatbestände auf ihn so anzuwenden, als sei er Verfahrensbevollmächtigter eines Verfahrensbeteiligten.
  167. -8-
  168. 15
  169. Wenn er hinsichtlich der Gebührentatbestände wie ein Rechtsanwalt behandelt wird, der zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt ist, kann ihm keine
  170. Verfahrensgebühr für eine sonstige Einzeltätigkeit zuerkannt werden. Eine Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeit gemäß Nr. 3403 RVG-VV entsteht
  171. nach der gesetzlichen Erläuterung nur, wenn der Rechtsanwalt nicht zum Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten bestellt ist und einen Auftrag für sonstige Einzeltätigkeiten erhält (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12,
  172. NJW 2012, 2734 Rn. 4; Beschluss vom 4. Mai 2006 - III ZB 120/05, NJW 2006,
  173. 2266 Rn. 6 f.). Ob Nr. 3403 RVG-VV anwendbar ist, wenn die Tätigkeit auch für
  174. einen Verfahrensbevollmächtigten gesonderte Gebühren auslösen würde
  175. (N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 6. Aufl., VV 3403-3404 Rn. 15),
  176. kann hier dahinstehen, weil die Bemühungen um eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung und die Koordination mit mehreren nicht vom Verfahrensbevollmächtigten vertretenen Verfahrensbeteiligten, auf die das Landgericht die
  177. Anwendung von Nr. 3403 RVG-VV gestützt hat, bei einem Verfahrensbevollmächtigten keine gesonderten Gebühren auslösen würde, sondern mit der Einigungsgebühr (Nr. 1003 RVG-VV) abgegolten wäre.
  178. 16
  179. b) Der gemeinsame Vertreter erhält auch keine Gebührenerhöhung nach
  180. Nr. 1008 RVG-VV. Die Erhöhung scheitert allerdings nicht schon daran, dass
  181. der gemeinsame Vertreter vom Gericht beauftragt wird und damit nur einen Auftraggeber hat, obwohl der Eingangssatz von Nr. 1008 RVG-VV voraussetzt,
  182. dass Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Eine
  183. Erhöhung kommt in Betracht, wenn mehrere Personen an der anwaltlichen Tätigkeit gemeinschaftlich beteiligt sind und der Rechtsanwalt für mehrere Personen tätig geworden ist (§ 7 Abs. 1 RVG). Ob es einen oder mehrere Auftraggeber gibt, hängt nicht davon ab, wer dem Anwalt den Auftrag erteilt hat (BGH,
  184. Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 39/11, NJW 2011, 3723 Rn. 8). Ei-
  185. -9-
  186. ne Erhöhung kommt daher auch in Frage, wenn allein der Staat Auftraggeber
  187. ist, der Auftrag aber mehreren Personen nützen soll (Schnapp/Volpert in
  188. Schneider/Wolf, AnwK RVG, 6. Aufl., VV 1008 Rn. 5).
  189. 17
  190. Der gemeinsame Vertreter ist aber nicht im Sinn der Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV für mehrere Personen tätig. Nach dem Sinn und
  191. Zweck von Nr. 1008 RVG-VV soll mit der Erhöhung dem mit dem Vorhandensein mehrerer Beteiligter typischerweise verbundenen Mehr an Arbeit und Aufwand, insbesondere durch die laufende Informationsaufnahme und Unterrichtung durch den Rechtsanwalt, in genereller Weise Rechnung getragen werden.
  192. Zudem wird die Erhöhung in solchen Fällen mit dem für den Prozessbevollmächtigten bestehenden höheren Haftungsrisiko begründet (BGH, Beschluss
  193. vom 15. September 2011 - V ZB 39/11, NJW 2011, 3723 Rn. 9; Beschluss vom
  194. 19. Januar 2010 - VI ZB 36/08, NJW 2010, 1377 Rn. 8).
  195. 18
  196. Der gemeinsame Vertreter hat keinen Mehraufwand durch Informationsaufnahme und Unterrichtung mehrerer Personen, zumal die Antragsberechtigten, die keinen Antrag stellen, regelmäßig anonym bleiben. Er hat nach § 6 Abs.
  197. 1 Satz 1 SpruchG die Stellung eines gesetzlichen Vertreters und ist in dieser
  198. Funktion von den keinen Antrag stellenden Antragsberechtigten unabhängig, an
  199. Weisungen nicht gebunden und nicht rechenschaftspflichtig (OLG München,
  200. WM 2010, 1605, 1608; Hüffer, AktG, 10. Aufl., Anh. § 305 § 6 SpruchG Rn. 6;
  201. KK-AktG/Wasmann, § 6 SpruchG Rn. 21).
  202. 19
  203. Auch ein erhöhtes Haftungsrisiko besteht nicht. Zwar soll der gemeinsame Vertreter nach verbreiteter Auffassung bei einer schuldhaften Verletzung
  204. seiner Pflichten auf Schadensersatz haften (Hüffer, AktG, 10. Aufl., Anh. § 305
  205. § 6 SpruchG Rn. 6; MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 6 SpruchG Rn. 15;
  206. - 10 -
  207. Leuering in Simon, SpruchG, § 6 SpruchG Rn. 32; aA KK-AktG/Wasmann, § 6
  208. SpruchG Rn. 22 mwN). Seine Pflichten bestehen darin, die Interessen der keinen Antrag stellenden Antragsberechtigten zu wahren, insbesondere dadurch
  209. für die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Spruchverfahren zu
  210. sorgen, dass er bei einem Ausverkauf der Antragsteller das Verfahren fortführen kann (Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung
  211. des
  212. gesellschaftsrechtlichen
  213. Spruchverfahrens
  214. [Spruchverfahrensneuord-
  215. nungsgesetz], BT-Drucks. 15/371 S. 14). Da ihm insoweit ein weites Ermessen
  216. zukommt, sind Fälle, in denen er seine Pflichten verletzt und eine Haftung in
  217. Frage kommen könnte, praktisch kaum vorstellbar (vgl. OLG München, WM
  218. 2010, 1605, 1608; KK-AktG/Wasmann, § 6 SpruchG Rn. 22).
  219. 20
  220. Für eine Gebührenerhöhung besteht auch deshalb kein Anlass, weil das
  221. Gesetz bereits bei der Bemessung des Gegenstandswerts berücksichtigt, dass
  222. der gemeinsame Vertreter mehrere Antragsberechtigte „vertritt“. Nach § 6
  223. Abs. 2 Satz 3 SpruchG ist der für die Vergütung des gemeinsamen Vertreters
  224. anzusetzende Gegenstandswert der für die Gerichtsgebühren maßgebliche
  225. Geschäftswert. Als Geschäftswert war nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG in der
  226. bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung (jetzt § 74 Satz 1 GNotKG) der Betrag anzunehmen, der von allen in § 3 SpruchG genannten Antragsberechtigten nach
  227. der Entscheidung des Gerichts zusätzlich zu dem ursprünglich angebotenen
  228. Betrag insgesamt gefordert werden kann und der mindestens 200.000 € und
  229. höchstens 7,5 Millionen € beträgt.
  230. 21
  231. 3. Der gemeinsame Vertreter trägt nach § 97 ZPO die Kosten der
  232. Rechtsbeschwerde. Die Verweisung auf die Zivilprozessordnung erfasst auch
  233. die Kostenregelung, obwohl § 97 ZPO in § 85 FamFG nicht ausdrücklich aufgeführt ist, zumal die auf das Obsiegen und Unterliegen ausgerichteten Vorschrif-
  234. - 11 -
  235. ten der Zivilprozessordnung auf das kontradiktorische Kostenfestsetzungsverfahren besser passen als die §§ 81 ff. FamFG (OLG Köln, FGPrax 2012, 282,
  236. 283; MünchKommFamFG/Schindler, 2. Aufl., § 85 Rn. 46; Zöller/Herget, ZPO,
  237. 29. Aufl., § 85 FamFG Rn. 3; aA Prütting/Helms/Feskorn, 2. Aufl., FamFG, § 85
  238. Rn. 11; Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Aufl., § 85 FamFG Rn. 3; Keidel/Zimmermann,
  239. FGG, 17. Aufl., § 85 FamFG Rn. 21). Dass § 15 SpruchG nicht vorsieht, dass
  240. dem gemeinsamen Vertreter Kosten auferlegt werden, und ihm § 6 Abs. 2
  241. SpruchG einen Anspruch gegen den Antragsgegner gibt, betrifft nur das
  242. Spruchverfahren selbst und hindert es nicht, ihm Kosten in einem seine eigenen
  243. Interessen betreffenden Kostenfestsetzungsverfahren aufzuerlegen. Im Übrigen
  244. wären dem gemeinsamen Vertreter auch bei Anwendung der §§ 80 ff. FamFG
  245. gem. § 84 FamFG die Kosten der Rechtsbeschwerde aufzuerlegen (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Aufl., § 85 FamFG Rn. 3).
  246. Bergmann
  247. Caliebe
  248. Born
  249. Drescher
  250. Sunder
  251. Vorinstanzen:
  252. LG Hannover, Entscheidung vom 22.10.2012 - 23 AktE 133/08 OLG Celle, Entscheidung vom 27.12.2012 - 9 W 151/12 -