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  1. Schreibfehlerberichtigung
  2. vom 6. August 2010
  3. auf der letzten Seite
  4. Führinger
  5. Justizangestellte
  6. als Urkundsbeamtin
  7. der Geschäftsstelle
  8. BUNDESGERICHTSHOF
  9. IM NAMEN DES VOLKES
  10. URTEIL
  11. I ZR 85/08
  12. Verkündet am:
  13. 11. Februar 2010
  14. Führinger
  15. Justizangestellte
  16. als Urkundsbeamtin
  17. der Geschäftsstelle
  18. in dem Rechtsstreit
  19. Nachschlagewerk:
  20. BGHZ:
  21. BGHR:
  22. ja
  23. ja
  24. ja
  25. Ausschreibung in Bulgarien
  26. EGBGB Art. 40; Rom II-VO Art. 6
  27. Das anwendbare materielle Wettbewerbsrecht ist grundsätzlich auch dann nach
  28. dem Marktortprinzip zu bestimmen, wenn sich der wettbewerbliche Tatbestand
  29. im Ausland ausschließlich unter inländischen Unternehmen abspielt oder sich
  30. gezielt gegen einen inländischen Mitbewerber richtet, der dadurch im Wettbewerb behindert wird (Aufgabe von BGHZ 40, 391, 397 ff. - Stahlexport).
  31. BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 - I ZR 85/08 - OLG Düsseldorf
  32. LG Düsseldorf
  33. -2-
  34. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  35. und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
  36. für Recht erkannt:
  37. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats
  38. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. April 2008 aufgehoben.
  39. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  40. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. 1
  44. Die Parteien sind in Deutschland ansässige Unternehmen, die auf dem
  45. Markt der Fertigung industrieller Brenner und der Ummantelung mit feuerfestem
  46. Material tätig sind. Die Klägerin wendet sich gegen ein Telefax, das die Beklagte im Zusammenhang mit einer Ausschreibung in Bulgarien verschickt hat.
  47. 2
  48. Im Frühjahr 2006 nahmen die Parteien an einem Ausschreibungsverfahren des bulgarischen Unternehmens K. teil, dessen Gegenstand Umbausätze
  49. für schwefelarme Gasbrenner waren. Als örtliche Repräsentantin für die Beklagte war bei der Angebotsabgabe Frau St.
  50. von der M.
  51. B.
  52. GmbH
  53. tätig. Außer den Parteien beteiligten sich keine anderen deutschen Unternehmen an der Ausschreibung. Unter Bezug auf das von ihr für K. abgegebene
  54. -3-
  55. Angebot übersandte die Beklagte am 12. April 2006 ein Telefax folgenden Inhalts an Frau St.:
  56. Sehr geehrte Frau St.
  57. wir beziehen uns auf Ihr heutiges Gespräch mit Herrn D. über den Status von
  58. dem o.g. Projekt und möchten Sie wie folgt informieren.
  59. Es gibt keine Firma in Deutschland, der B. [Beklagte] eine Lizenz für die Brennertechnologie erteilt hat.
  60. Wenn eine Firma aus Deutschland B. Technologie verkauft, dann geschieht
  61. dies ohne B. Genehmigung und es wird unter Umständen von B. rechtlich verfolgt.
  62. Wir wissen über eine Firma in Deutschland, die B. Brenner zu kopieren versucht. Es wird vermutet, dass einige Angestellte dieser Firma B. Brennerbezeichnungen und Projektdaten illegal kopiert haben. Gegen diese Firma laufen
  63. zur Zeit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die noch nicht abgeschlossen sind
  64. (während der Durchsuchung in der Firma wurden Zeichnungen gefunden, die
  65. eventuell direkt von B. Dokumentation kopiert sein konnten).
  66. Wir bitten Sie Firma K. und andere Kunden in Bulgarien darüber informieren,
  67. dass die gemeinsamen Projekte mit dieser Firma (dessen Name wir hier offiziell
  68. aus rechtlichen Gründen nicht nennen dürfen) stellen für die Kunden, unserer
  69. Meinung nach, technisches und rechtliches Risiko dar.
  70. Mit freundlichen Grüßen
  71. B. GmbH [Beklagte]
  72. Operation Manager
  73. [Unterschrift]
  74. Die Klägerin hat behauptet, dieses Schreiben sei dem ausschreibenden
  75. 3
  76. Unternehmen zugänglich gemacht worden. Sie hält die darin getroffenen Aussagen für wettbewerbswidrig und hat die Beklagte auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Die Beklagte hat
  77. insbesondere geltend gemacht, etwaige Ansprüche der Klägerin richteten sich
  78. ausschließlich nach bulgarischem Recht.
  79. Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz erfolgreiche Klage abge-
  80. 4
  81. wiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
  82. -4-
  83. Entscheidungsgründe:
  84. 5
  85. I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil im
  86. Streitfall deutsches Wettbewerbsrecht keine Anwendung finde und die Klägerin
  87. eine Verletzung bulgarischen Rechts nicht geltend gemacht habe.
  88. 6
  89. Marktbezogene Wettbewerbshandlungen seien nach dem Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sich die wettbewerblichen Interessen begegneten, also dem Recht des Marktortes. Zwar habe der Bundesgerichtshof früher angenommen, dass deutsches Recht Anwendung finden solle, wenn der fragliche
  90. Wettbewerb auf dem Auslandsmarkt sich ausschließlich zwischen inländischen
  91. Unternehmen abspiele oder wenn sich die Wettbewerbshandlung speziell gegen einen inländischen Wettbewerber richte (BGHZ 40, 391, 397 - Stahlexport).
  92. Jedenfalls bei solchen Wettbewerbshandlungen, die mit einer Einwirkung auf
  93. die Marktgegenseite verbunden seien, komme die Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts anstelle des Rechts des Marktortes jedoch nicht mehr in Betracht, weil das Wettbewerbsrecht nicht mehr allein und auch nicht mehr in erster Linie die Mitbewerber, sondern in gleichem Maße die Verbraucher und die
  94. übrigen Marktteilnehmer sowie das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb schütze.
  95. 7
  96. Im Streitfall sei die nach Ansicht der Klägerin unlautere Einwirkung auf
  97. die Marktgegenseite ausschließlich in Bulgarien erfolgt, so dass sie allein nach
  98. bulgarischem Recht zu beurteilen sei. Auf eine Verletzung bulgarischen Rechts
  99. berufe sich die Klägerin aber nicht, weshalb die Klage abzuweisen sei.
  100. 8
  101. II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat im Ergebnis Erfolg. Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht die Anwendbarkeit deutschen
  102. Wettbewerbsrechts verneint. Es hätte aber nicht dahinstehen lassen dürfen, ob
  103. -5-
  104. das beanstandete Verhalten der Beklagten einen Verbotstatbestand nach dem
  105. bulgarischen Recht des unlauteren Wettbewerbs darstellt und der Klägerin als
  106. Folge die geltend gemachten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche
  107. zustehen.
  108. 9
  109. 1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass auf die beanstandete Handlung der Beklagten bulgarisches Wettbewerbsrecht anzuwenden
  110. ist.
  111. 10
  112. a) Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche
  113. Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-Verordnung) findet auf den
  114. Streitfall noch keine Anwendung, da sie nur für Ereignisse gilt, die nach dem
  115. 11. Januar 2009 eingetreten sind (vgl. Art. 31 f. Rom-II-VO). Für die materielle
  116. Rechtsanknüpfung ist daher die Rechtslage unter Geltung der am 1. Juni 1999
  117. in Kraft getretenen Fassung des Art. 40 EGBGB maßgeblich. Danach richtet
  118. sich die Beurteilung einer Wettbewerbshandlung nach dem Recht des Ortes, an
  119. dem die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber aufeinandertreffen,
  120. also nach dem Recht des Marktorts. Geht es um die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines Verhaltens bei der Gewinnung von Kunden, ist Marktort der Ort,
  121. an dem auf die Entschließung des Kunden eingewirkt werden soll. Dort soll das
  122. Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern; auf diesen Ort
  123. bezieht sich auch das durch das Wettbewerbsrecht ebenfalls geschützte Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb (BGHZ 113, 11, 15
  124. - Kauf im Ausland; BGH, Urt. v. 26.11.1997 - I ZR 148/95, GRUR 1998, 419,
  125. 420 = WRP 1998, 386 - Gewinnspiel im Ausland).
  126. 11
  127. Die für das allgemeine Deliktsrecht in Art. 40 Abs. 2 EGBGB vorgesehene Sonderanknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht von Verletzer und Verletztem gilt im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht (BGH, Urt. v. 13.5.2004
  128. -6-
  129. - I ZR 264/00, GRUR 2004, 1035, 1036 = WRP 2004, 1484 - Rotpreis-Revolution; Urt. v. 5.10.2006 - I ZR 7/04, GRUR 2007, 245 Tz. 11 = WRP 2007, 174
  130. - Schulden Hulp, m.w.N.; Fezer/Koos in Staudinger, BGB, September 2006,
  131. IntWirtschR Rdn. 396 f.). Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Art. 40
  132. Abs. 2 EGBGB keine Abkehr vom Marktortprinzip im Wettbewerbsrecht beabsichtigt (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes
  133. zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für
  134. Sachen, BT-Drucks. 14/343, S. 10; Hausmann/Obergfell in Fezer, UWG,
  135. 2. Aufl., Einl. I Rdn. 63).
  136. 12
  137. Nach dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber im
  138. Inland aufeinandertreffen (BGH GRUR 2007, 245 Tz. 11 - Schulden Hulp,
  139. m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall. Die Beklagte hat das beanstandete Telefax
  140. anlässlich einer Ausschreibung in Bulgarien an ihre bulgarische Repräsentantin
  141. mit der Bitte geschickt, das ausschreibende Unternehmen K. und andere Kunden in Bulgarien über dessen Inhalt zu informieren. Marktort der Wettbewerbshandlung war deshalb Bulgarien.
  142. 13
  143. b) Allerdings hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit für die Frage der Rechtsanwendung dann ausnahmsweise an den gemeinsamen Inlandssitz der beteiligten Wettbewerber angeknüpft, wenn sich der wettbewerbliche
  144. Tatbestand im Ausland ausschließlich unter inländischen Unternehmen abspielte oder sich speziell gegen den inländischen Mitbewerber richtet, der dadurch
  145. im Wettbewerb ungehörig behindert wird (BGHZ 40, 391, 397 ff. - Stahlexport).
  146. Soweit aus dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1963
  147. für den vorliegenden Fall die Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts abgeleitet werden könnte, hält der Senat an ihr nicht fest.
  148. -7-
  149. 14
  150. aa) Aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts ergibt sich zwar, dass sich außer den Parteien kein deutsches Unternehmen an dem Ausschreibungsverfahren beteiligt hat. Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob ausländische Unternehmen an der Ausschreibung teilgenommen haben. Selbst wenn zugunsten
  151. der Revision unterstellt wird, dass es keine weiteren Teilnehmer an der Ausschreibung gab, führt dies nicht zur Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts.
  152. 15
  153. Die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts als des gemeinsamen
  154. Heimatrechts der (einzigen) Mitbewerber lässt die Interessen der Marktteilnehmer am ausländischen Marktort außer Betracht. Liegt der Marktort im Ausland,
  155. betrifft auch das zu schützende Interesse des klagenden deutschen Unternehmens primär dessen Wettbewerbsstellung auf dem ausländischen Markt. Dort
  156. kollidieren die wettbewerblichen Interessen der Parteien als Wettbewerber.
  157. Entgegen der Ansicht der Revision trifft es nicht zu, dass in diesen Fällen der
  158. wesentliche Schwerpunkt der betroffenen wettbewerblichen Interessen im Inland liegt. Im Hinblick darauf hat es der Bundesgerichtshof abgelehnt, wettbewerbliche Konflikte unter ausländischen Unternehmen auf dem deutschen
  159. Markt nach den Grundsätzen der Stahlexport-Entscheidung und damit gegebenenfalls nach ausländischem Recht zu lösen (BGH, Urt. v. 4.6.1987
  160. - I ZR 109/85, GRUR 1988, 453, 454 = WRP 1988, 25 - Ein Champagner unter
  161. den Mineralwässern). Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des Inländerwettbewerbs im Ausland gegenüber dem Ausländerwettbewerb im Inland
  162. ist jedenfalls heute nicht mehr ersichtlich. Es ist daher geboten, in beiden Fällen
  163. das Marktortprinzip anzuwenden. Ferner ist nicht zu begründen, warum die Anwendung unterschiedlichen materiellen Rechts zu einer abweichenden Beurteilung derselben Wettbewerbsmaßnahme, etwa einer Werbung, führen können
  164. sollte, je nach dem, ob neben den inländischen Unternehmen noch ein oder
  165. -8-
  166. mehrere ausländische Unternehmen auf dem ausländischen Markt tätig sind.
  167. Schließlich wird es häufig nur schwer zu klären sein, ob es auf einem bestimmten ausländischen Markt einheimische Wettbewerber oder solche aus Drittstaaten gibt (vgl. zum Ganzen Köhler in Köhler/Bornkamm aaO Einl. I UWG
  168. Rdn. 5.14; Hausmann/Obergfell in Fezer aaO Einl. I Rdn. 224; siehe auch Sack,
  169. WRP 2000, 269, 279 f.).
  170. 16
  171. bb) Die Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts wird im Streitfall
  172. auch nicht dadurch eröffnet, dass sich das Telefaxschreiben der Beklagten erkennbar gegen die Klägerin richtete.
  173. 17
  174. Sollten sich die Parteien bei der Ausschreibung in aktuellem oder potentiellem Wettbewerb mit ausländischen Anbietern befunden haben, müsste
  175. schon allein aus diesem Grund dieser Wettbewerb insgesamt dem ausländischen Wettbewerbsrecht unterworfen werden. Nur so können Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, die sich aus der Anwendung unterschiedlicher
  176. Wettbewerbsregeln im selben Markt ergeben könnten (vgl. etwa MünchKomm.UWG/Mankowski, IntWettbR Rdn. 281 f., 284).
  177. 18
  178. Aber auch wenn zugunsten der Klägerin erneut unterstellt wird, dass außer den Parteien keine weiteren Unternehmen an der Ausschreibung teilgenommen haben oder auch nur teilnehmen konnten, ergibt sich keine andere
  179. Beurteilung. Die Behinderung der Klägerin durch das Telefaxschreiben sollte
  180. mittels Weitergabe der darin enthaltenen Informationen an den potentiellen bulgarischen Kunden erfolgen, der das Ausschreibungsverfahren durchführte. Es
  181. handelt sich damit um einen Fall unmittelbar marktvermittelter Behinderung. Die
  182. Interessen des behinderten inländischen Mitbewerbers werden durch eine unmittelbare unlautere Einwirkung auf die geschäftliche Entscheidung des ausländischen Kunden beeinträchtigt, wodurch gleichfalls unmittelbar das Interesse
  183. -9-
  184. der ausländischen Allgemeinheit an der Lauterkeit des dortigen Wettbewerbs
  185. betroffen wird. Für diese Fallgruppe besteht bereits nach bisher geltendem
  186. - und im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichem - Recht kein Anlass, die Anknüpfung des materiellen Rechts anders vorzunehmen als etwa bei einer irreführenden Werbung (vgl. Glöckner in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., Einl. C
  187. Rdn. 123; Sack, WRP 2008, 844, 850; Wilde in Gloy/Loschelder/Erdmann,
  188. Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 10 Rdn. 24 und zum Marktortprinzip
  189. bei
  190. Rdn. 336;
  191. Behinderungswettbewerb
  192. weitergehend
  193. MünchKomm.UWG/Mankowski
  194. MünchKomm.BGB/Drexl,
  195. 4. Aufl.,
  196. aaO
  197. IntUnlWettbR
  198. Rdn. 100, der schon nach der IPR-Reform von 1999 generell keinen Raum für
  199. eine Sonderanknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht sieht). Auch für diese
  200. Fälle gilt daher das Marktortprinzip. Für die Anknüpfung kommt es nicht darauf
  201. an, dass der Anschwärzungstatbestand nach deutschem Recht allein den Mitbewerberschutz bezweckt.
  202. 19
  203. cc) Dieses Ergebnis steht im Übrigen auch im Einklang mit dem seit
  204. 11. Januar 2009 geltenden Art. 6 Rom-II-VO. Nach dessen Absatz 1 bestimmt
  205. sich das anwendbare Recht für vor Vertragsschluss begangene unlautere
  206. Handlungen weiterhin regelmäßig nach dem Marktort (vgl. Köhler in Köhler/
  207. Bornkamm aaO Einl. UWG Rdn. 534). Gemäß Art. 6 Abs. 2 Rom-II-VO findet
  208. bei einem als unlauterer Wettbewerb anzusehenden Verhalten allerdings das
  209. gemeinsame Heimatrecht der Parteien dann Anwendung, wenn die Wettbewerbshandlung im Ausland ausschließlich die Interessen des Klägers beeinträchtigt. Das soll beispielsweise bei bestimmten unternehmensbezogenen Eingriffen wie Betriebsspionage der Fall sein (vgl. Kommission der Europäischen
  210. Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung über das auf außervertragliche
  211. Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003) 427 endgültig,
  212. S. 18; MünchKomm.BGB/Drexl aaO Rdn. 87). Zwar weisen auch diese von der
  213. Kommission als „bilateral“ bezeichneten Wettbewerbshandlungen notwendi-
  214. - 10 -
  215. gerweise einen Marktbezug auf, der jeder Wettbewerbshandlung bereits begrifflich immanent ist; denn grundsätzlich hat jede Wettbewerbshandlung, die sich
  216. gezielt gegen einen Wettbewerber richtet, im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern eine wettbewerbsverzerrende Wirkung (vgl. MünchKomm.BGB/Drexl aaO
  217. Rdn. 88 f., 92). Den von Art. 6 Abs. 2 ROM-II-VO erfassten unternehmensbezogenen Eingriffen fehlt aber die unmittelbar marktvermittelte Einwirkung auf die
  218. geschäftlichen Entscheidungen der ausländischen Marktgegenseite (vgl.
  219. MünchKomm.UWG/Mankowski aaO Rdn. 362), die eine Sonderanknüpfung an
  220. das gemeinsame Heimatrecht ausschließt.
  221. 20
  222. dd) Dahinstehen kann, ob eine Sonderanknüpfung an das gemeinsame
  223. Heimatrecht - etwa über Art. 41 EGBGB - ausnahmsweise dann in Betracht
  224. kommen kann, wenn ein deutsches Unternehmen eine gezielt gegen einen
  225. deutschen Mitbewerber gerichtete einheitliche Wettbewerbshandlung auf einer
  226. Vielzahl von Auslandsmärkten begeht. Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall
  227. indessen nicht vor.
  228. 21
  229. 2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Klage mangels Anwendbarkeit deutschen Rechts mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin
  230. habe sich nicht auf eine Verletzung bulgarischen Rechts berufen. Die Beurteilung des Streitfalls nach bulgarischem Recht stellt keinen anderen Streitgegenstand dar als seine - von der Klägerin und dem Landgericht unzutreffend
  231. vorgenommene - Bewertung auf der Grundlage deutschen Rechts.
  232. 22
  233. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird bestimmt durch
  234. den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger diese Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2008 - I ZR 189/05, GRUR 2008,
  235. 1121 Tz. 16 = WRP 2008, 1560 - Freundschaftswerbung im Internet, m.w.N.).
  236. - 11 -
  237. Anders als die Bestimmung des Streitgegenstands obliegt die Ermittlung des
  238. anwendbaren, gegebenenfalls ausländischen Rechts nicht dem Kläger, sondern
  239. dem Gericht von Amts wegen (vgl. § 293 ZPO). Die Parteien trifft keine (prozessuale) Beweisführungslast. Der Umfang der Ermittlungspflicht kann zwar
  240. durch den Vortrag der Parteien beeinflusst werden. Im Streitfall war von der
  241. Klägerin aber kein Vortrag zum Inhalt des bulgarischen Rechts zu erwarten,
  242. weil sie deutsches Recht für anwendbar hielt (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2005
  243. - XI ZR 78/04, NJW-RR 2005, 1071, 1072 m.w.N.).
  244. 23
  245. Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit die Anwendung ausländischen Rechts in Einzelfällen davon abhängig gemacht, dass sich der Kläger
  246. zumindest hilfsweise darauf beruft (vgl. BGHZ 113, 11, 16 - Kauf im Ausland;
  247. BGH GRUR 1998, 419, 420 - Gewinnspiel im Ausland). Es kann offenbleiben,
  248. ob hieran für die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Fallkonstellation
  249. festgehalten werden kann. In den angeführten Fällen war Kläger jeweils ein
  250. deutscher Verbraucherschutzverband, dessen Rechtsschutzbegehren sich im
  251. Interesse der inländischen Verbraucher typischerweise allein auf die Durchsetzung des deutschen Wettbewerbsrechts richtet. Die Interessenlage der unternehmerisch im Ausland tätigen Klägerin an lauteren Bedingungen für den Wettbewerb mit deutschen Mitbewerbern auf ausländischen Märkten ist damit von
  252. vornherein nicht vergleichbar.
  253. - 12 -
  254. 24
  255. III. Die Sache ist somit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das
  256. die erforderlichen Feststellungen zum bulgarischen Recht nachzuholen hat.
  257. Bornkamm
  258. Pokrant
  259. Bergmann
  260. Büscher
  261. Kirchhoff
  262. Vorinstanzen:
  263. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.05.2007 - 34 O 164/06 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.04.2008 - I-20 U 100/07 -
  264. I ZR 85/08
  265. Schreibfehlerberichtigung
  266. Das Urteil vom 11. Februar 2010 wird wie folgt berichtigt:
  267. - Das Zitat in Tz. 15 a.E. lautet: (vgl. zum Ganzen Köhler in Köhler/Bornkamm,
  268. UWG, 28. Aufl., Einl. Rdn. 5.14; Hausmann/Obergfell in Fezer aaO Einl. I
  269. Rdn. 224; siehe auch Sack, WRP 2000, 269, 279 f.)
  270. - Das Zitat in Tz. 19 4. Zeile: (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO
  271. Einl. Rdn. 5.34).
  272. Karlsruhe, den 6. August 2010
  273. Bundesgerichtshof
  274. Geschäftsstelle des I. Zivilsenats
  275. Führinger, Justizangestellte